Sehr geehrter Herr Semsrott,
auf Ihre o.g. Anfrage auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) ergeht folgender Bescheid:
Ihrem Antrag wird entsprochen, soweit nicht Ausschlusstatbestände des IFG entgegenstehen. Anliegend übersende ich Ihnen die gewünschten Informationen in teilgeschwärzter
Fassung. Dieser Bescheid ist gebührenpflichtig.
Begründung:
1. Nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen, § 3 Nr. 1 a) IFG Innerhalb des IFG gilt der Grundsatz des§ 1 Abs. 1 S. 1 IFG, welcher einen freien und voraussetzungslosen Informationszugang gewährt. Die§§ 3 - 6 IFG stellen hierzu Ausnahmetatbestände dar, welche dem Schutz unterschiedlicher Rechtsgüter dienen - § 3 IFG
insbesondere dem Schutz besonderer öffentlicher Belange. Die vorliegend einschlägige Nr. 1 a) des § 3 IFG sieht eine Ausnahme von der Regel vor, wenn das Bekanntwerden von Informationen nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann.
Unter internationalen Beziehungen versteht man die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten
sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C
22/08 - Juris-Rn. 14; die Begründung des Gesetzentwurfs BTDrucks 15/4493 S. 9). Vorliegend geht es mit Afghanistan um einen Staat, mit dem die Bundesrepublik Deutschland
diplomatische Beziehungen unterhält. Im Falle eines Bekanntwerdens der geschwärzten Textpassagen in dem angeforderten Lagebericht besteht das Risiko nachteiliger Auswirkungen für eben diese Beziehungen. Das Grundgesetz räumt der Bundesregierung zunächst einen weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob solche negativen Auswirkungen zu befürchten sind, ein. Maßgeblich ist allerdings, welche außenpolitischen Ziele die Bundesrepublik zu dem jeweiligen Staat verfolgt (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009- BVerwG 7 C 22/08 -JurisRn. 15).
Im Hinblick auf Afghanistan gilt, dass die Bundesrepublik Deutschland versucht, eine vertrauensvolle auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung zu unterhalten. Das Erreichen dieses
Ziels wäre durch das Bekanntwerden der geschwärzten Informationen gefährdet. Im Einzelnen beruht dies auf folgenden Überlegungen:
Die geschwärzten Passagen enthalten wertende Aussagen zu Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Afghanistan. Darüber hinaus werden wertende Aussagen zur Menschenrechtslage in Afghanistan getroffen. Auch zur Arbeit bestimmter Behörden und der Handlungsfähigkeit der Zentralregierung wird Stellung genommen. Zudem werden innerpolitische Prozesse mit Einfluss auf die Rückfiihrung nach Afghanistan beleuchtet. Auf den Seiten 6 und 7 werden wertende Aussagen zur behördlichen Funktionsfähigkeit
und Einschätzungen zu konkreten Leistungsfähigkeiten und -defiziten getroffen, die einer Einordnung in regierungsinternen oder vertraulichen zwischenstaatlichen Abstimmungsprozessen dienen.
Auf Seite 8 werden wertende Aussagen zur behördlichen Funktionsfähigkeit und Einschätzungen zu internen Vorgängen der Verwaltung und Regierung getroffen. Eine Veröffentlichung dieser Wertung könnte zu einer Beeinträchtigung des vertrauensvollen Dialogs der Bundesregierung mit der afghanischen Regierung in diesem Bereich fiihren.
Auf den Seiten 9 und 10 werden wertende Aussagen zur behördlichen Funktionsfähigkeit und Repressionen getroffen. Eine Veröffentlichung dieser Wertung könnte zu einer Beeinträchtigung des vertrauensvollen Dialogs der Bundesregierung mit der afghanischen Regierung in diesem Bereich fiihren.
Auf Seite 14 werden wertende Aussagen zu Handlungen gegen Kinder und deren Verfolgung getroffen. Eine Veröffentlichung dieser Wertung könnte zu einer Beeinträchtigung
des vertrauensvollen Dialogs der Bundesregierung mit der afghanischen Regierung in diesem Bereich führen.
Auf Seite 15 wird eine wertende Aussage zum Schutz der Frauenrechte getroffen. Eine Veröffentlichung dieser Wertung könnte zu einer Beeinträchtigung des vertrauensvollen
Dialogs der Bundesregierung mit der afghanischeu Regierung in diesem Bereich führen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Behörden in Deutschland und Afghanistan in
Fällen irregulärer Migration ist von hoher außenpolitischer Bedeutung, daher können auch die auf den Seiten 29 und 31 getroffenen Einschätzungen nicht von der Bundesregierung
an Dritte herausgegeben werden. Die Bundesregierung hat ein großes Interesse an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den staatlichen Institutionen in Afghanistan. Diese Zusammenarbeit ist für die Festigung rechtstaatlicher Strukturen und die Achtung der Menschenrechte von großer Wichtigkeit. Sie könnte Schaden nehmen, wenn einige der als interne Analysen der Bundesregierung formulierten Aussagen an die Öffentlichkeit gerieten. Da die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein kann, kann das Dokument nicht komplett herausgegeben werden.
2. Schutz von Verschlusssachen, § 3 Nr. 4 IFG
Einer Bekanntgabe der geschwärzten Textteile steht auch§ 3 Nr. 4 IFG i. V. m. § 3 Nr. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen - Verschlusssachenanweisung (VSA) entgegen. Ein Anspruch auf lnformationszugang besteht hiernach nicht, wenn die
Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
§ 3 Nr. 4 IFG stellt hierbei einen weiteren Ausnahmetatbestand dar, welcher allerdings an außerhalb des IFG normierte Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten sowie an Berufsgeheimnisse und besondere Amtsgeheimnisse anknüpft. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass Aspekte, welche aufgrund eben dieser Vorschriften
der Geheimhaltung unterliegen, auch weiterhin unter Verschluss bleiben sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 -Juris-Rn. 46).
Vorliegend unterliegen die geschwärzten Informationen einer Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht gemäß § 3 Nr. 4 VSA. Aus Anlass Ihrer IFG-Anfrage wurde die Einstufung
überprüft. Die Notwendigkeit dieser Einstufung besteht in Gänze fort. § 3 Nr. 4 VSA ordnet eine Information als "Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch"
ein, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Verschlusssachen sind
gern.§ 2 VSA, welcher auf§ 4 Abs. 1 Sicherheitsüberprüfungsgesetz verweist, im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse,
unabhängig von ihrer Darstellungsform. Bei den geschwärzten Passagen handelt es sich um Tatsachen bzw. Erkenntnisse i. S. d. § 2 VSA. Die Passagen beinhalten insbesondere wertende Aussagen zur Menschenrechtslage, zur Situation der Minderheiten, zur Lage der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie zur Arbeitsweise bestimmter Behörden. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit ergibt sich vor allem daraus, dass es im Falle des Bekanntwerdens der Informationen zu einer Erschütterung des Vertrauensverhältnisses der bilateralen Beziehungen zu Afghanistan kommen kann und damit das angestrebte Ziel, vertrauensvolle auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung zu unterhalten, untergräbt. Die bilateralen Beziehungen müssen auf einem Vertrauenstatbestand aufgebaut werden, sonst können sie nicht zielgerichtet genutzt werden - gerade auch um Verbesserungen in den genannten Gebieten zu Gunsten der besonders schützenswerten Personen zu erreichen.
Gleichzeitig muss intern eine wertende, schonungslose und teilweise spekulative Analyse, sozusagen ohne "Schere im Kopf', innerhalb der exekutiven Eigenverantwortung möglich
sein, um Handlungsempfehlungen für das weitere Vorgehen im bilateralen Dialog festzulegen und ein effektives Arbeiten gemäß dem Aufgabenprofil einer Bundesbehörde wie dem Auswärtigem Amt zu ermöglichen. Eine solche Bewertung und damit die uneingeschränkte Handlungsfähigkeit des Auswärtigen Amtes kann aber nur dann gewährleistet
werden, wenn hinsichtlich der Vertraulichkeit dieser Informationen in dem Empfängerkreis der exekutiven Eigenverantwortung keinerlei Zweifel bestehen, mithin deswegen keine
diplomatischen Verwerfungen zu befürchten sind. Aus diesen Gründen ergibt sich auch die materiell-rechtliche Einordnung als Verschlusssache "nur für den Dienstgebrauch" für den Asyllagebericht.
Kostenentscheidung:
Gemäß Informationsgebührenverordnung (IFGGeb V) ist dieser Informationszugang kostenpflichtig. Der von Ihnen beantragte Informationszugang überschreitet den Rahmen einer
einfachen, gebührenfreien Auskunft. Es mussten mehrere Arbeitseinheiten beteiligt werden, und zum Schutz öffentlicher Belange mussten Daten ausgesondert werden. Insgesamt
hat die Bearbeitung Ihres Antrags im Auswärtigen Amt einen Zeitaufwand von 10 Minuten für Mitarbeiter des mittleren Dienstes, 20 Minuten für Mitarbeiter des gehobenen Dienstes
und 1 1 0 Minuten für Mitarbeiter des höheren Dienstes verursacht. Bei Zugrundelegung von pauschalierten Stundensätzen pro Arbeitsstunde von 3 0,00 Euro für Mitarbeiter des
mittleren Dienstes, 45,00 Euro für Mitarbeiter des gehobenen Dienstes und 60,00 Euro für Mitarbeiter des höheren Dienstes wären daher Gebühren in Höhe von 1 3 0,00 Euro angefallen.
Die Gebührenerhebung soll nicht kostendeckend erfolgen. Daher werden die Gebühren nach der IFGGebV auf der Basis der in der Begründung zur IFGGebV enthaltenen pauschalen
Personalkostensätze ermittelt.
Die Gebührenerhebung erfolgt auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands und wird ins Verhältnis zu bereits getroffenen Gebührenentscheidungen gesetzt. Dabei wird unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Gebührenschuldner geprüft, inwiefern die jeweiligen Amtshandlungen vergleichbar sind.
Unter Berücksichtigung dieses Verwaltungsaufwands und sämtlicher weiterer gesetzlicher Kriterien für die Gebührenbemessung wurde hier eine Gebühr von 60,00 Euro (IFGGebV, Teil A, Ziffer 2.2.) festgesetzt.
Bitte überweisen Sie den Gesamtbetrag i. H. v. 60,00 EUR innerhalb von 4 Wochen
auf das Konto der Bundeskasse [Zahlungsdetails]
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag