Sehr geehrter Herr Semsrott,
mit Ihrem Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) bitten Sie um die Übersendung sämtlicher Lageübersichten und vergleichbarer Berichte mit Einschätzungen zur Sicherheits-, Flüchtlings-, Menschenrechts- und Militärsituation in Afghanistan ab dem 1.1.2021, insbesondere die Lageübersichten der Deutschen Botschaft Afghanistan.
Mit Ihrem Schreiben vom 23.09.2021 präzisieren Sie Ihren Antrag und teilen Folgendes mit:
"Ich habe mich beim Begriff der Lageübersichten orientiert an den "Lageübersichten Flucht und Asyl", die die Botschaft in Athen ans AA gesendet hat (vgl.
https://fragdenstaat.de/dokumente/7949/). Gibt es derartige Dokumente aus Afghanistan für den angefragten Zeitraum?
Es gibt außerdem die "Politischen Halbjahresberichte" - ich gehe davon aus, dass sie auch für Afghanistan existieren - die ebenfalls vom Antrag umfasst sein dürften, da sie mutmaßlich auch auf die von mir angesprochenen Themenbereiche abzielen."
Auf Ihren o.g. Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ergeht folgender
Bescheid:
Ihrem Antrag wird teilweise stattgegeben, soweit die von Ihnen gewünschten Informationen vorliegen und keine öffentlichen oder privaten Belange einer Herausgabe entgegenstehen.
Lageübersichten, wie von Ihnen angefragt, wurden zu Afghanistan nicht erstellt.
Als Anlage übersende ich Ihnen den Politischen Halbjahresbericht zu Afghanistan (Stand Juli 2021) und den Bericht zur Menschenrechtslage in Afghanistan (Berichtszeitraum 31.07.2020 bis 31.07.2021) mit Schwärzungen schützenswerter öffentlicher und privater Belange.
Dieser Bescheid ergeht kostenpflichtig.
Begründung:
Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu Informationen. Sind jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausschlusstatbestände §§ 3 - 6 IFG erfüllt, ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen.
Politischer Halbjahresbericht:
Nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen, § 3 Nr. 1 a) IFG
§3 Nr. 1 a IFG sieht eine Ausnahme von der oben beschriebenen Regel vor, wenn das Bekanntwerden von Informationen nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann.
Unter internationalen Beziehungen versteht man die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 22/08 — Juris-Rn. 14; die Begründung des Gesetzentwurfs BTDrucks 15/4493 S. 9).
Vorliegend geht es mit den im Politischen Halbjahresbericht neben Afghanistan genannten Staaten um Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält. Im Falle eines Bekanntwerdens der geschwärzten Textpassagen in dem angeforderten Bericht besteht das Risiko nachteiliger Auswirkungen für eben diese Beziehungen.
Das Grundgesetz räumt der Bundesregierung einen weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob solche negativen Auswirkungen zu befürchten sind, ein. Maßgeblich ist allerdings, welche außenpolitischen Ziele die Bundesrepublik zu dem jeweiligen Staat verfolgt (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 — Juris-Rn. 15).
Im Hinblick auf die Länder in der Region und die Partnerländer gilt, dass die Bundesrepublik Deutschland vertrauensvolle auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung unterhält. Diese wären durch das Bekanntwerden der geschwärzten Informationen gefährdet.
Die Länder in der Region sind wichtige Partner in der derzeitigen Krisensituation, sowohl bilateral als auch multilateral. Die Bundesregierung hat ein großes Interesse an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit ihnen auf den verschiedensten Ebenen. Sie könnte Schaden nehmen, wenn Aussagen über deren außenpolitisches Verhältnis zu Afghanistan sowie deren wirtschaftspolitische Interessen an die Öffentlichkeit gerieten, die lediglich ausgesuchten diplomatischen Kommunikationskanälen vorbehalten bleiben, bzw. deren Offenlegung zu einer Einschränkung bislang offener und vertrauensvoller Kommunikationskanäle im bilateralen und multilateralen Verhältnis führen könnte.
Dies betrifft die Schwärzungen auf den Seiten 1, 6 und 7.
Ihrem uneingeschränkten Anspruch auf Informationszugang steht daher § 3 Nr. la IFG entgegen.
Schutz von Verschlusssachen, § 3 Nr. 4 IFG
Der Bekanntgabe des als VS-NfD eingestuften Politischen Halbjahresberichts zu Afghanistan steht § 3 Nr. 4 IFG i. V. m. § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (Verschlusssachenanweisung — VSA) entgegen (vormals Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen).
Die Unterlage unterfällt einer Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 VSA. Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 VSA werden Inhalte als VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuft, bei denen die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass Aspekte, welche aufgrund eben dieser Vorschriften der Geheimhaltung unterliegen, auch weiterhin unter Verschluss bleiben sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 — Juris-Rn. 46).
Aus Anlass Ihrer IFG-Anfrage wurde die Einstufung überprüft. Eine teilweise Herausgabe des Berichts mit Schwärzungen ist möglich. Bei den geschwärzten Passagen handelt es sich um Tatsachen bzw. Erkenntnisse i. S.d. §2 VSA. Die Passagen beinhalten insbesondere Aussagen zu Ländern in der Region sowie zu Partnerstaaten. Eine Veröffentlichung hätte nachteilige Auswirkungen auf die bilateralen und multilateralen Beziehungen zu diesen Staaten, was nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wäre (siehe Begründung unter §3 Nr. 1a IFG).
Des Weiteren wurden wertende Aussagen zu einzelnen Akteuren in Afghanistan (Seite 2) und Aussagen zur Sicherheitspolitik geschwärzt. Auch wenn die Bundesregierung derzeit keine diplomatischen Beziehungen mit Afghanistan unterhält, ist sie bemüht, Gesprächskanäle für die Rettung weiterer Schutzbedürftiger offen zu halten. Würden diese Aussagen an die Öffentlichkeit gelangen, könnte die Unterstützung von afghanischer Seite dafür ausbleiben, was nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wäre. Gleiches gilt für sicherheitspolitische Aussagen (Seite 5).
Ihrem uneingeschränkten Anspruch auf Informationszugang steht daher § 3 Nr. 4 IFG entgegen.
Bericht zur Menschenrechtslage in Afghanistan:
Die Einstufung wurde aufgehoben.
Personenbezogene Daten Dritter gem. § 5 IFG habe ich geschwärzt, da diese vermutlich nicht von Belang für Ihr Informationsinteresse sind. Sollten Sie damit nicht einverstanden sein, bitte ich um Rückmeldung.
Kostenentscheidung:
Für die Bearbeitung des IFG-Antrags wird eine Gebühr in Höhe von 85,00 Euro erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §10 IFG i.V.m. § 1 Abs. I der Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFGGebV).
Gemäß § 10 Abs. 1 IFG werden für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz Gebühren erhoben. Die Höhe dieser Kosten orientiert sich am entstandenen Verwaltungsaufwand; die Gebühren sind zudem so zu bemessen, dass der Informationszugang wirksam in Anspruch genommen werden kann. Die Gebühr darf zudem nach allgemeinen Gebührengrundsätzen nicht unangemessen sein.
Die Gebühren und Auslagen richten sich im Einzelnen nach § 10 Abs. 1 IFG i.V.m. Teil A, Nr. 2.2 der Anlage zur IFGGebV. Danach ist für die Herausgabe von Abschriften, wenn im Einzelfall ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand zur Zusammenstellung von Unterlagen entsteht, insbesondere, wenn Drittbeteiligungsverfahren durchgeführt werden müssen und zum Schutz öffentlicher und privater Belange Daten ausgesondert werden müssen, ein Gebührenrahmen von 30,00 bis 500,00 € vorgesehen.
Die Bearbeitung Ihres Antrags hat einen Aufwand von 85 Minuten für Mitarbeiter/-innen des höheren Dienstes für das Heraussuchen, Zusammenstellen und Kopieren der gewünschten Informationen sowie die Durchsicht der Unterlagen mit Schwärzung verursacht. Bei Zugrundelegung von pauschalierten Stundensätzen pro Arbeitsstunde von 60,00 Euro für Mitarbeiter/-innen des höheren Dienstes sind daher Gebühren in Höhe von 85,00 Euro angefallen.
Die Gebühr soll keine abschreckende Wirkung entfalten und in einem angemessenen Verhältnis zu der gewährten Auskunft stehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Informationszugang durch die Gebührenhöhe nicht wirksam ins Anspruch genommen werden kann, sind nicht ersichtlich.
Bitte überweisen Sie den Gesamtbetrag i. H. v. 85,00 EUR innerhalb von 4 Wochen auf das Konto der Bundeskasse:
Name der Bank: Deutsche Bundesbank, Filiale Leipzig Kontoinhaber: Bundeskasse Halle
IBAN:
DE38 8600 0000 0086 0010 40
BIC:
MARKDEF1860
Unter Verwendungszweck geben Sie bitte folgendes Kassenzeichen an: 880801014386 Gz.: 505-511.E IFG 230-2021
Mit freundlichen Grüßen