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5 Schlaf und Lärm

5.1 Schlaf, Schlafstadien und Schlafstruktur

Schlaf ist kein monotoner Zustand, sondern besitzt eine komplexe Dynamik. Diese Erkenntnis
spiegelt sich auch in den verschiedenen Definitionen wider. So definiert Griefahn [Griefahn
1985b] den Schlaf als "eine reversible, periodisch auftretende Verhaltensweise mit qualitativ
verändertem Bewußtsein." In der Neuro und Sinnesphysiologie [Schmidt 1993] werden
Schlafen und Wachen als aktive endogene Rhythmen definiert, die im Zentralen Nervensystem
(ZNS) erzeugt werden und von Umgebungs- und Lernfaktoren moduliert werden können.
Nikodem [Nikodem 1995] kommt in ihrer Arbeit zu dem Schluß, daß die charakteristischen
Merkmale des menschlichen Schlafs Periodik, Dynamik, veränderte (nicht durchgängig
reduzierte) Motorik und Sensorik, veränderte Bewußtseinslage und der adaptive Charakter
sind.

W.P. Koella [Koella 1988] definiert den Schlaf folgendermaßen: “Schlaf ist nicht ein Zustand
genereller motorischer, sensorischer, vegetativer und psychischer Ruhe. Schlaf ist vielmehr ein
Nebeneinander von hoher Aktivität und/oder Funktionsbereitschaft im einzelnen und mäßiger,
niedriger bis gänzlich fehlender Aktivität und/oder Funktionsbereitschaft in allen Systemen.
Schlaf ist qualitativ, wie auch im Hinblick auf sein Zeitverhalten ein vielgestaltiges Phänomen.”

Durch die Aufzeichnung des Elektroenzephalogramms (EEG), des Elektromyogramms (EMG)
und des Elektrookulogramms (EOG) ist es möglich die Dynamik des Schlafes (Schlafverlauf)
objektiv zu beschreiben und zu beurteilen. Gemäß den Kriterien von Rechtschaffen und Kales
[Rechtschaffen 1968] werden folgende Schlafstadien unterschieden:

- Stadium 0 (Wachzustand)

- Stadium 1 (Einschlafstadium) - NONREM |

- Stadium 2 (Leichtschlafstadium) - NONREM 2
- Stadium 3 (mitteltiefer Schlaf) - NONREM 3

- Stadium 4 (tiefer Schlaf) - NONREM 4

- Stadium REM [Traumschlaf mit schnellen
Augenbewegungen (Rapid Eye Movements)].

Der Schlaf erweist sich als eine periodisch ablaufende psychobiologische Funktion [Hecht
1993]. Die folgende schematische Darstellung verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen den
psychischen und biologischen Komponenten des Schlafs. Das Schlaferleben ist an den
NONREM-Schlaf, das Traumerleben an den REM-Schlaf gebunden.

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1

Anhang B Kapitel 5: Schlaf und Lärm

  
   
  

 
    

  
 

psychische Schlaferleben
Komponente imperaliver
gewoliter Schlaf

   
  

 

  
 

subjektive
Aussage

    
 

NONREM-Schlaf

    
 

biologische
Komponente

    
   
 
 

   
 
  

objektive
Parameter

Abb. 5.1: Psychische und biologische Komponenten des Schlafes (Quelle: Hecht 1993)

Elektrophysiologie
Biochemie
Endokrinologie
Verhalten

      
 

    
 
  

Bei einer Untersuchung des Schlafes sollte stets ein psychisches und ein biologisches
Instrumentarium an Methoden verwendet werden.

Die biologische Komponente wird in der schlafmedizinischen Diagnostik mittels der
elektrophysiologischen Schlafpolygraphie (EEG, EMG, EOG; EKG, Atmung u.a.) untersucht
und als Schlafzyklogramm (Schlafprofil) dargestellt. Das Schlafzyklogramm enthält fünf
Schlafstadien, die in ihrer zeitlichen Abfolge über der Schlafzeit aufgetragen werden. Zusätzlich
werden die Zeiten erhöhter Muskelaktivität (Movementtime) und die Wachphasen
eingezeichnet. Der Schlaf beginnt mit dem Übergang vom Wachzustand in das Schlafstadium
I(NONREM I). Nach wenigen Minuten wird das Schlafstadium 2 (NONREM. 2) erreicht.
Wird der Schläfer nicht gestört, erreicht er nach einer kurzen Verweildauer im Stadium
3(NONREM 3) den Tiefschlaf (NONREM 4). Die Weckschwelle nimmt mit jeder
Schlafvertiefung zu. Die Ordinatenwerte der vier Schlafstadien spiegeln diese erschwerte
"Weckbarkeit" wider. Das Ende eines Schlafzyklus bildet der (meist) als Balken auf dem
Niveau des Stadium 1 verzeichnete REM-Schlaf (Traumschlaf). Im Traumschlaf ist eine EEG-
Tätigkeit zu beobachten, die dem Wachzustand sehr ähnlich ist. Dieses Schlafstadium wird
durch heftige Bewegungen der Augäpfel unter den geschlossenen Lidern (Rapid Eye
Movements) gekennzeichnet und daher als REM-Schlaf bezeichnet. Im ungestörten Schlaf
folgt auf eine Schlafvertiefung eine schnelle Schlafverflachung, die mit dem REM-Stadium
beendet wird. Diesen Schlafzyklus "durchwandert" der Schlafende während einer 8-stündigen
Nacht vier- bis fünfmal. Die Verweildauer in den tiefen Schlafstadien nimmt mit der Schlafzeit
ab, die Verweildauer im REM-Schlaf mit der Schlafzeit zu. Der zyklische Ablauf der
Schlafstadien ist Teil einer ultradianen Periodik. Ein typisches Schlafzyklogramm ist in der
Abbildung 5.2 dargestellt.

1111100 nn

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Kapitel 5: Schlaf und Lärm

 

i stage 1
stage 2
stage 3

stage 4

abs. imo

ral. time
movemem

|

 

] tights
L

 

Abb. 5.2.: Typisches Schlafprofil unter Ruhebedingungen (Quelle: Maschke 1992a)

Für einen guten erholsamen Schlaf ist die Ausgewogenheit der drei Kardinalzustände
Wachsein, NONREM- und REM-Schlaf maßgebend. [Hecht 1993] Sobald ein Ungleichgewicht
in diesem System auftritt, können Gesundheitsstörungen auftreten. Die Bedeutung der
einzelnen Schlafstadien ist bis heute nicht vollständig geklärt. Allerdings ist erwiesen, daß
NONREM- und REM-Schlaf überlebenswichtig sind. Der Tiefschlaf hat eine restaurative
Funktion für das Gehirn, während der REM-Schlaf für die Speicherung von vor allem
emotionalen Gedächtnisinhalten wichtig zu sein scheint [Schmidt 1993]. Diese beiden
Schlafzustände, in rhythmischer Ausgewogenheit ablaufend, bestimmen die Schlafqualität. Sie

lassen sich wie in Tab. 5.1 dargestellt charakterisieren.

Deltaschlaf

   
     
  
      
    

 

 

   

 

  
  
  
   
     

EEG Deltawellen
EOG keine Reaktion
EMG verminderte Aktivität

  

Wachstumshormon normal

 

Proteinsynthese sehr aktiv

erhöht
leitet REM-Schlaf ein
wenig ausgeprägt

verminderte Aktivität
»Sparflamme«

Traumerlebnis

 

Vegetative Funktionen
und Stoffwechsel

 

 

  

Geschlechtshormone normal erhöht

 

   

Schlafwandeln stark nicht

REM-Schlaf

schnelle Augenbewegungen

keine elektrischen
Muskelpotentiale

stark ausgeprägt
hohe Aktivität

flache Thetawellen ähnlich
denen des Einschlafstadiums

   
  
  
 
   
  
  
     
    

 

lallen

 

Sprechen im Schlaf | artikuliert

 

Tab. 5.1: Charakteristika des Delta- und REM-Schlafes (Quelle: Hecht 1993)

Wahrnehmung, Empfinden und Motorik sind in den einzelnen Schlafstadien sehr

unterschiedlich. Eine Übersicht ist in Tabelle 5.2 enthalten.

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Anhang B Kapitel 5: Schlaf und Lärm
en EEE... ..<-5-3 2... 8. -8.......,

 

NONREM Il NONREM Ill NONREM IV

 

Bewußtsein uneingeschränkt Aufnahme von erloschen erloschen erloschen erloschen
Informallonen noch
möglich, hypnagoge
Halluzinationen

 

Weckschwelle Normale Weckschwelle weitere welterer Anstieg | Weckschwelle Weckschwelle
Beantwortung gegenüber der Erhöhung der der Weck- ähnlich wie noch höher als
ußerer Reize Umwelt erhöht Weckschwelle schwelle Stadium III Im Stadium IV

Augen- schnelle und langsame schnelle
bewegungen langsame

 

Motorik Muskeltonus Muskeltonus Muskeltonus Muskeltonus Muskeltonus Muskeltonus
mittelhoch bis mittelhoch bis hoch, miltelhoch, mittelhoch, niedrig bis auf nahe Null
hoch, Reflexe Reflexe erhalten, Reflexe Reflexe mittelhoch, abgelallen,
erhalten, gelegentlich erhalten, erhalten, keine kelne gelegenuich
Bewegungs- Bewegungsartelakte, gelegenuich Bewegungs- Bewegungs- Zuckungen,
artelakte hypnagoge Muskel- Bewegungs- artefakte artefakte Reflexe

zuckungen artelakte erloschen

 

Alpha-Wellen Generelle Ver- Spindeln, 20-50 % Delta- Deltawellen mit | Betawellen mit

Im Wechsel mit minderung der K-Komplexe, wellen, die in hoher Amplitude | einzelnen

Betaaktlvität Alphawellen, Auf- Betawellen und Abschnitten von | (größer 75, u V], | Alpha- und
treten von flachen Thetawellen Thelawellen ein- | Anteil 50-100 %| Thetawellen,
Thetawellen gefügt sind Sägezahnwellen

 

Tab. 5.2: Wahrnehmung, Empfindung und Motorik in den verschiedenen Stadien des
Schlaf - Wach - Zykluses (Quelle: Hecht 1993)

Neben den biologischen sind auch die Aspekte der psychischen Komponente des Schlafes zu
beachten. So zeigt z.B. eine von Hecht [Hecht 1993] durchgeführte Befragung, daß über 80 %
der Befragten (Fachschullehrer) den Schlaf mit größerer Sehnsucht erwarten als das Wachsein.
Begründet wurde diese Antwort damit, daß der Schlaf Geborgenheit, Genuß, Erholung und
Wärme bringt, während im Wachsein Frust, Hektik, Termindruck, Konflikte u.a. auf dem
Menschen lasten. Jegliche Störung des Nachtschlafes wird daher von den Menschen als etwas
Unangenehmes, als ein Eingriff in ihre Intimsphäre bewertet. Das Erwachen während des
Nachtschlafes wird subjektiv als unangenehm erlebt und ruft negativ-emotionale Zustände
hervor: Personen, die nicht einschlafen oder nach dem nächtlichen Erwachen nicht wieder
einschlafen können beschreiben diesen Zustand als eine "psychische Qual", als "Folter der
Seele" oder als etwas Unerträgliches. Jeder erfahrene Schlafmediziner kennt derartige
Aussagen. Schlafstörungen erzeugen immer einen starken Leidensdruck.

5.2 Schlafstörungen

Als Schlafstörung werden alle objektiv meßbaren und/oder subjektiv empfundenen
Abweichungen vom normalen Schlafablauf bezeichnet. [Griefahn 1985b] Schlafstörungen
können sowohl durch endogene als auch durch exogene Einflußgrößen hervorgerufen werden.
Zum Spitzenfeld der exogenen Ursachen gehört der Lärm.

Das Internationale Diagnostik Code Manual für Schlafstörungen [Schramm 1995]
charakterisiert 88 verschiedene Formen von Schlafstörungen. Diese werden in vier großen
Klassen zusammengefaßt:

l. Dyssomnien
A. Intrinsische Schlafstörungen
B. Extrinsische Schlafstörungen
C. Störungen der zirkadianen (Schlaf)rhythmik

Ten nl ln ln nn nenn 0,
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Anhang B Kapitel 5: Schlaf und Lärm

2. Parasomnien
A. Aufwachstörungen (Arousal-Störungen)
B. Störungen des Schlaf-Wach-Überganges
C. REM-Schlaf-assoziierte Parasomnien
D. Andere Parasomnien

3. Schlafstörungen bei körperlichen/psychiatrischen Erkrankungen
A. Bei psychischen Störungen
B. Bei neurologischen Erkrankungen
C. Bei anderen körperlichen Erkrankungen

4. Andere Schlafstörungen

Die Dyssomnien, wozu auch die umweltbedingten Schlafstörungen zählen, werden in drei
Gruppen unterteilt.

Dyssomnien:
A. Intrinsiche Schlafstörungen

l. Psychophysiologische Insomnie
2. Fehlbeurteilung des Schlafes
3. Idiopathische Insomnie
4. Narkolepsie
5. Rezidivierende Hypersomnie
6. Idiopathische Hypersomnie
7. Posttraumatische Hypersomnie
8. Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
9. Zentrales Schlafapnoe-Syndrom
10. Zentrales alveoläres Hypoventilationssyndrom
11. Periodische Bewegung der Gliedmaßen
12. Restless-legs-Syndrom

B. Extrinsische Schlafstörungen
l. Inadäquate Schlafhygiene
. Umweltbedingte Schlafstörung
. Höhenbedingte Schlafstörung
. Anpassungsbedingte Schlafstörung
. Schlafmangelsyndrom
. Schlafstörung aufgrund mangelnder Schlafdisziplin
. Einschlafstörung durch Fehlen des gewohnten Schlafrituals
. Insomnie bedingt durch Nahrungsmittel-Allergie
9, Schlafstörung bedingt durch nächtliches Essen oder Trinken
10. Schlafstörung bei Hypnotikaabhängigkeit
11. Schlafstörung bei Stimulanzienabhängigkeit
12. Alkoholinduzierte Schlafstörung
13. Toxisch-induzierte Schlafstörung

oo SN1OWn P$RUWDN

C. Störungen des zirkadianen (Schlaf)rhythmus
1. Schlafstörung bei Zeitzonenwechsel (Jet-Lag)
2. Schlafstörung bei Schichtarbeit
3. Unregelmäßiges Schlaf-Wach-Muster
4. Verzögertes Schlafphasensyndrom
5. Vorverlagertes Schlafphasensyndrom
6. Schlaf-Wach Störung bei Abweichung vom 24-Stunden-Rhythmus

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Kapitel 5: Schlaf und Lärm

Schlafstörungen können gelegentlich auch chronisch auftreten.Chronische Schlafstörungen
liegen entsprechend des Internationalen Diagnostik Code Manual dann vor, wenn mindestens
dreimal in der Woche für die Dauer von mindestens einem Monat verminderte Schlafqualität
nachgewiesen wird, (u.a. Einschlafdauer > 30 Minuten, Schlafdauer < 6 Stunden, nächtliches
Erwachen > 60 Minuten) die zur permanenten Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, des
Wohlbefindens und der Lebensqualität führt.

Ein durch Fluglärm gestörter Schlafverlauf ist in der Abbildung 5.3 verzeichnet. Die
Versuchsperson schlief im Schlaflabor bei nominal 32 Überflügen, die in den ersten
2 Schlafstunden und ab der 7. Schlafstunde eingespielt wurden. Zum direkten Vergleich ist
auch das Schlafprofil des ungestörten Schlafs verzeichnet.

    
   
  
   
    
    

awake

stage 1

stage 3

abs, ime
ral, tima

 
    

| fights
l

 

stage 2 1

stage 4 +

movement

 

 

 

Abb. 5.2.: Typisches Schlafprofil unter Ruhebedingungen (Quelle: Maschke 1992a)

awake

stage 1

stage 2

stage 3

stage 4

obs. time

tel. Ume 9
movament

flights

 

Abb. 5.3.: Typisches Schlafprofil unter Fluglärm (Quelle: Maschke 1992a)

Vergleichen wir das Schlafzyklogramm des in Ruhe Schlafenden (Abb. 5.2) mit dem
Schlafzyklogramm der durch Fluglärm gestörten Person (Abb. 5.3), so ist sowohl eine
Reduzierung der Tief-und REM-Schlafphasen zu verzeichnen, als auch eine Zerstörung der
Schlafstruktur (Schlafzyklen), d.h. bei nächtlicher Fluglärmbelastung ist oft ein fragmentierter,
d.h. ein zerhackter Schlafverlauf zu beobachten.

 

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E20 ABllel: 95 BEIIAI ING Lac
5.2.1 Primär-, Sekundär und Tertiärreaktionen

Bei der Messung von Schlafstörungen wird i.a. zwischen objektiven und subjektiven
Methoden unterschieden. Subjektiv werden Schlafstörungen z.B. mit Hilfe von Befragungen
erfaßt. Als objektive Methoden gelten EEG-, EOG-, EMG-Messungen, Messungen der
motorischen und vegetativen Reaktionen und der Leistung nach einer lärmbelasteten Nacht.
Die Messung der motorischen Reaktionen erfolgt meist mit Beschleunigungsaufnehmern, die
unter dem Bett befestigt werden und die Körperbewegungen registrieren. Da die
Körperbewegungen mit den Schlafstadien korrelieren, kann der Schlafverlauf aus der
vegetativen Reaktion abgeschätzt werden. Im Stadium 3 und 4 werden nur wenige
Körperbewegungen registriert, während im REM-Schlaf mehr Bewegungen als im Tiefschlaf
aber weniger als im NONREM Schlaf unmittelbar vor und nach der REM Phase ermittelt
werden. [Nikodem 1995]

Die Messung der Leistung erfolgt mit Leistungstests, in denen häufig die Reaktionszeit
gemessen wird.

Für eine medizinische Bewertung der Auswirkungen von Lärm auf den Schlaf des Menschen
ist eine Einteilung in Primär-, Sekundär und Tertiärreaktionen vorzuziehen.

Zu den Primärreaktionen gehören: ,
- Verlängerungen der Latenzzeiten (insbesondere der Einschlaflatenz),
R kurzfristige Änderungen im EEG (Nullreaktionen),
- Verflachung der momentanen Schlaftiefe bis hin zu Aufwachreaktionen
(Stadienwechsel),
2 Veränderungen der Schlafstadienverteilung,
- Zunahme (Dauer) der Zeiten hoher Muskelanspannung (Movementtime)
- Verkürzung der Gesamtschlafzeit;

aber auch vegetative Reaktionen wie
- Änderungen der Atemfrequenz,
- Änderungen der peripheren Durchblutung
- Änderungen des Stoffwechsels und
B Änderungen der Hormonausschüttung.

Sekundärreaktionen sind reversible Beeinträchtigungen des Allgemeinzustandes nach dem

Erwachen. Zu ihnen gehören die:
- Beeinträchtigung der physischen Verfassung,
- Beeinträchtigung der psychischen Verfassung,
- Beeinträchtigung des Wohlbefindens,
- Beeinträchtigung der Leistung,
- Beeinträchtigung der Konzentration,
- Beeinträchtigung des Immunsystems.

Primär- und Sekundärreaktionen werden oft unter dem Begriff Sofortreaktionen
zusammengefaßt.

Tertiärreaktionen sind irreversible gesundheitliche Beeinträchtigungen, die in Folge
langanhaltender Lärmexposition zu beobachten sind. Sie bleiben auch nach Beendigung der
Exposition bestehen.

 

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Anhang B Kapitel 5: Schlaf und Lärm

5.2.2 Fragmentierter Schlaf und dessen Folgen für Gesundheit und
Leistungsfähigkeit

Als Schlafstruktur wird der periodische Ablauf des Schlafes bezeichnet, der hauptsächlich
durch das elektrophysiologische Schlafpolygramm charakterisiert wird. Hierzu zählen die
Abfolge der Schlafstadien, die Schlafzyklen und der Wechsel von NONREM- und REM-
Schlaf. Der Schlafzyklus wird durch den REM-Schlaf bestimmt. Während die Zeitspanne vom
Einschlafen bis zum ersten Auftreten der schnellen Augenbewegungen als REM-Latenz
bezeichnet wird, werden die Intervalle von der zweiten REM-Phase zur dritten, von der
dritten zur vierten usw. als Schlafzyklen bezeichnet. Sie stellen die Grundeinheiten der
Schlafstruktur dar.

Wird ein Schlafzyklus durch exogene oder endogene Stimuli unterbrochen, dann formiert sich
der Schlafzyklus von neuem. (z.B. [Dement 1960, 1966, 1969])

Dement überwachte den Schlaf durch die Aufzeichnung des EEG und weckte seine
Versuchspersonen stets bei Beginn des REM-Schlafes. Wenn sie wieder einschliefen begann
sich unverzüglich ein neuer Schlafzyklus auszubilden. Nach ca. 90 Minuten wurde erneut der
REM-Schlaf erreicht. Ein weiteres Wecken bewirkte wiederum die Formierung eines neuen
Schlafzyklus.

Da in der ersten Nacht infolge des Weckens, ein Verlust an REM-Schlaf auftrat, versuchten die
Schläfer diesen Verlust in der nächsten Nacht nachzuholen, d.h. die Schlafzyklen und somit die
Intervalle, in denen die Versuchspersonen geweckt werden mußten, wurden immer kürzer.

Die Untersuchung von Dement dauerte 7 Nächte. Dabei ergab sich bei einem etwa 8stündigem
Schlaf folgendes Bild:

1. Nacht: 6 Schlafzyklen
2. Nacht: 10 Schlafzyklen
3. Nacht: 17 Schlafzyklen
4. Nacht: 21 Schlafzyklen
7. Nacht: 24 Schlafzyklen

Die Schlafzyklen verkürzten sich von ca. 90 Minuten Dauer auf ca. 20 Minuten, d.h.,
innerhalb einer Stunde waren die Probanden gezwungen, 3 mal einen neuen Schlafzyklus zu
beginnen, wozu ein hoher Energieaufwand im Sinne der Streßtheorie notwendig ist.

Innerhalb von 7 Tagen wurde die Schlafstruktur, die auf der Basis biologischer Rhythmen
abläuft, nachhaltig gestört. Die untersuchten Probanden benötigten bis zur völligen Herstellung
der Ausgangsschlafstruktur weitere 7 Tage. Gleichzeitig waren bei den Betroffenen
Erhöhungen der Streßhormone (Kortisol) im Blut, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen,
Schwindelgefühle, Kopfschmerzen usw. zu verzeichnen [Koella 1988, Moore-Ede 1993].

Ein fragmentierter Schlafverlauf kennzeichnet eine starke negative Beanspruchung infolge
exogener oder endogener Reizeinwirkung. Als direkte Folge treten nachstehende
psychophysiologische Symptome auf:

- Zerschlagenheit
- chronische Müdigkeit am Tage
- Exzessive Schläfrigkeit tagsüber
- morgendlicher Kopfschmerz
- verminderte geistige Leistung
(Gedächtnisschwund, verminderte Konzentrationsfähigkeit u.a.)
- Persönlichkeitsveränderungen

 

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- sexuelle Funktionsstörungen
- Mikroschlaf-Mikroträume am Tage (hypnagoge Halluzinationen)
- Handlungs- und Reaktionseinschränkungen

Diese Form der Schlafstörung und ihre langfristigen Auswirkungen wurden nicht nur im
Zusammenhang mit Lärm sondern auch weltweit im Zusammenhang mit der Schlafapnoe
(Atemstillstandshypoxie) untersucht. Hier liegen Untersuchungen an mehreren
100.000 Personen vor [u.a. Dorow 1993, Fietze 1993, Guilleminault 1990, Lavie 1981, Peter
1989, 1990, 1993].

Nach übereinstimmenden Erkenntnissen kann die beschriebene Schlafstörung und ihre
Auswirkungen in 5 Stufen eingeteilt werden:

- Es treten Mikroarousal im Schlaf-EEG auf, die als unbewußtes Erwachen
(Suberwachen) interpretiert werden können.

- Der Schläfer verläßt sein augenblicklich ablaufendes Schlafstadium.
- Der Schlafzyklus wird unterbrochen, so daß er wieder neu begonnen werden muß.

- Bei häufiger Störung der Schlafzyklen kommt es zur pathologischen
Schlafstadienfragmentierung; die Schlafeffizens wird erheblich gesenkt.

- Langfristige Schlafstadienfragmentierung führt zur Zerstörung der Regulations-
mechanismen; die Gesundheit ist gefährdet.

Die permanente Störung des Schlafes ist als starker Disstreß zu interpretieren, der das interne
Milieu nachweislich verändert.

5.3 Auswirkungen von nächtlichem Straßenverkehrs- und
Fluglärm auf den Schlaf

5.3.1 Literaturauswertung

Im Auftrag des Umweltbundesamtes wurde 1995/1996 vom Institut für Technische Akustik
der TU-Berlin eine Literaturstudie zu dem Thema “Beeinträchtigung des Schlafes durch Lärm”
durchgeführt [Maschke 1996].

Ausgewertet wurden Primärstudien, die nach 1980 in englischer oder deutscher Sprache
veröffentlicht wurden. In die Literaturauswertung wurden folgende 28 Studien aufgenommen:

1 Carter, N. L.; Ingham, P.; Tran, K.; Hunyor, S. N. (1994). A field study on the effects of
traffic noise on heart rate and cardiac arrhythmia during sleep. Journal of Sound and
Vibration 169(2), 211-227

2 Carter, N. L.; Hunyor, S. N.; Crawford, G.; Kelly, D.; Smith, A. J. M. (1994). Environmental
noise and sleep - A study of arousals, cardiac arrhythmia and urinary catecholamines.
Sleep 17(4), 298-307

3 Eberhardt, J. L.; Akselsson, K. R. (1987). The disturbance by road traffic noise on the sleep
of young male adults as recorded in the home. Journal of Sound and Vibration 114(3),
417-434

4 Eberhardt, J. (1990). The disturbance by road traffic noise of the sleep of prepubertal
children as studied in the home. in Noise as a Public Health Problem 2(5), 65-74

5 Eberhardt, J. L.; Strale, L.-O.; Berlin, M. H. (1987). The influence of continuous and
intermittent traffic noise on sleep. Journal of Sound and Vibration 116(3), 445-464

 

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Anhang B Kapitel 5: Schlaf und Lärm

6 Eberhardt, J. L.; Öhrström, E. (1987). When during the night is traffic noise most disturbing
to sleep? in: Eberhardt, J. L. The influence on sleep of noise and vibrations caused by
road traffic. Universität Lund (Dissertation), 111-129 (enthält auch 3, 4 und 5)

7 Ehrenstein, W.; Schuster, M.; Müller-Limroth, W. (1982). Felduntersuchungen über
Wirkungen von Lärm auf schlafende Menschen. Abschlußbericht des Umweltbundesamtes,
1-101

8 Ehrenstein, W.; Müller-Limmroth, W.; Pirke, K. M. (1981). Experimentelle Untersuchungen
über Langzeitwirkungen von Lärm auf den schlafenden und wachen Menschen.
Umweltbundesamt, 1-141

9 Griefahn, B. (1986) Grenzwerte nächtlicher Belastbarkeit durch Straßengeräusche.
Applied Acoustics 19, 265-284

10  Griefahn, B.; Gros, E. (1985). Zur Wirkung von Straßengeräuschen auf den Schlaf. Arbeits-
medizin, Sozialmedizin, Präventivmedizin 20(4), 73-77

11 Hofman, W. (1994). An experimental study on the influence of traffic noise on sleep. in:
Sleep disturbance and sleep quality. Universität Amsterdam (Dissertation) S.95-131

12 _Kumar, A.; Hofman, W.; Eberhardt, J.; Spreeuw, |. (1995). Comparative evaluation of sleep
disturbance due to noises from airplanes, trains and trucks. Manuscript

13  Maschke, C. (1992). Der Einfluß® von Nachtflugärm auf den Schlafverlauf und die
Katecholaminausscheidung. TU Berlin (Dissertation), 1-168

14  _Maschke, C.; Arndt, D.; Ising, H.; Laude, G.; Thierfelder, W.; Contzen, S.,Hrsg. (1995).
Nachtfluglärmwirkungen auf Anwohner. Schriftenreihe des Vereins für Wasser-, Boden- und
Lufthygiene 96, 1-140

15  Maschke, C.; Ising, H.; Arndt, D. (1995). Nächtlicher Verkehrslärtm und Gesundheit:
Ergebnisse von Labor- und Feldstudien. Bundesgesundheitsblatt 38(4), 130-137

16 _Öhrström, E., Rylander R. (1982). Sleep disturbance effects of traffic noise - A laboratory
study on after effects. Journal of Sound and Vibration 84(1), 87-103

17 Öhrström, E.; Björkman, M. (1983). Sleep disturbance before and after traffic noise
attenuation in an apartment building. Journal of the Acoustical Society of America 73(3),
877-879

18 _ Öhrström, E.; Björkman, M. (1988). Effects of noise disturbed sleep - A laboratory study on
habituation and subjective noise sensitivity. Journal of Sound and Vibration 122(2), 277-
290

19 _ Öhrström, E.; Rylander, R. (1990). Sleep disturbance by road traffic noise - A laboratory
study on number of noise events. Journal of Sound and Vibration 143(1), 93-101

20 _Öhrström, E. (1995). Effects of low levels of road traffic noise during the night: A laboratory
study on number of events, maximum noise levels and noise sensitivity. Journal of Sound
and Vibration 179(4), 603-615

21  Saletu, B.; Grünberger, J.(1989). Straßenlärm und Schlaf:
Ganznachtsomnopolygraphische, psychometrische und psychophysiologische Studien im
Vergleich zu Normdaten. Wiener Medizinische Wochenschrift 139(11), 257-263

22 Sato, T., Kawada, T:; Ogawa, M.; Aoki, S.; Suzuki, S. (1993). Effect of some factors on
sleep polygraphic parameters and subjective evaluations of sleep. Environmental
Research 61, 337-348

23  Thiessen, G. J.; Lapointe, A. C. (1982). Effect of continuous traffic noise on percentage of
deep sleep, waking, and sleep latency. Journal of the Acoustical Society of America
73(1), 225-229

24  Vallet, M.; Gagneux, J.-M.; Blanchet, V.; Favre, B.; Labiale, G. (1983). Long term sleep
disturbance due to traffic noise. Journal of Sound and Vibration 90(2), 173-191

25  Vallet, M.; Gagneux, J. M. Simonnet, F. (1980). Effects of aircraft noise on sleep: An in
situ experience. ASHA Reports No. 10, 391-396

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