Sehr
geehrteAntragsteller/in
Ihre o. g. Anfrage zu Masernelimination und -surveillance beantworten wir wie folgt:
1. Vorbemerkung
Die Gründe für Masernausbrüche in Staaten sind vielfältig. Die Impfquoten spielen eine wesentliche Rolle, sind aber nicht allein entscheidend für die Länge von Transmissionsketten der Masern. Neben der Art und der Umsetzung der Impfprogramme nach Zielgruppe und nach Impfalter können weitere Faktoren längere Transmissionsketten begünstigen, wie z. B.
- eine hohe Bevölkerungsdichte, die eine Ausbreitung der hochansteckenden Masern begünstigt,
- regionale Unterschiede in der Umsetzung von Impfungen,
- Unterschiede in der Umsetzung von Impfungen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die zur Akkumulation von ungeschützten Personen führen (z.B. bei Berücksichtigung von Ausnahmen aus religiös-ethischen Gründen oder für gesundheitliche Maßnahmen schwer erreichbare Bevölkerungsgruppen),
- "Catch-up" Strategien, um die Personen zu erreichen, die einer Routineimpfung nicht zugänglich waren oder diese aus anderen Gründen (noch) nicht erhalten haben.
Dies sind mögliche Gründe, warum Staaten mit niedrigeren Impfquoten bei der Routineimpfung bereits die Elimination der Masern erreicht haben. Eine Immunität von 95% in der Bevölkerung macht jedoch nach Modellierungen auch unter Berücksichtigung dieser Faktoren die Erreichbarkeit einer Herdenimmunität mit Unterbrechung der Infektionsketten sehr wahrscheinlich. Eine hohe Immunität verhindert also die Weiterverbreitung des Masernvirus sehr effektiv. Diese ist nur durch die Impfung zu erreichen.
In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, dass die Elimination der Masern nicht bedeutet, dass die Masern gänzlich verschwunden sind (im Gegensatz zur Eradikation; siehe auch
https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ-Liste_Masern_Impfen.html, dort "Was bedeutet eigentlich Elimination der Masern und Röteln?"). Elimination bedeutet, dass die Transmissionsketten eingeschleppter Masernviren rechtzeitig innerhalb von 12 Monaten unterbrochen werden. Es ist also durchaus möglich, dass in einem Staat gehäuft Masernfälle aufgetreten sind und dennoch der Status der Elimination aufrechterhalten werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass eine hohe Immunität in der Bevölkerung Transmissionsketten schnell unterbrochen hat und die Transmissionsketten durch die vorliegenden Daten gut erfasst sind (siehe z. B.
https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/68/wr/mm6840e2.htm).
Für die Darstellung der Transmissionsketten der Masern werden epidemiologische Daten und Daten der molekularen Surveillance berücksichtigt und gemeinsam betrachtet (siehe Berichte der Nationalen Verifizierungskommission:
https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/NAVKO/Berichte/Berichte_node.html). Für das Jahr 2016 hatte Deutschland bereits die erste Stufe der Elimination erreicht. Damals konnte erfolgreich nachgewiesen werden, dass die jeweiligen Transmissionsketten kürzer als 12 Monate andauerten.
Die Nationale Verifizierungskommission gelangte bezüglich des Jahres 2018 aufgrund der vorliegenden Daten erneut zu der Einschätzung, dass eine rechtzeitige Unterbrechung der Transmissionsketten im Jahr 2018 stattgefunden hatte. Die Regionale Verifizierungskommission schloss sich dieser Meinung jedoch nicht an. Eine aktuelle Herausforderung für die molekulare Epidemiologie in Deutschland ergibt sich aus der zunehmend beobachteten Einschleppung genetisch gleicher oder eng verwandter Virusvarianten aus dem Ausland. Die Unterscheidung zwischen individuellen Transmissionsketten und folglich die Darstellung ihrer zeitlichen Ausdehnung ist daher häufig schwierig.
2. Qualitätsansprüche/Formulare/Richtlinien für Meldungen der Gesundheitsämter
Die Meldepflicht für Masern ist im Infektionsschutzgesetz (IfSG) festgelegt (
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/ifsg_node.html). Einzelheiten hierzu sind unter
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Masern.html#doc2374536bodyText16 abrufbar. Die Umsetzung der Surveillance nach dem IfSG liegt in der Verantwortung der jeweiligen Bundesländer. Die Gesundheitsämter übermitteln meldepflichtige Fälle an die jeweils zuständigen Landesbehörden, die diese wiederum an das Robert Koch-Institut (RKI) übermitteln. Eine Übermittlung von Masernfällen durch die Gesundheitsämter direkt an das RKI erfolgt nicht.
Das RKI legt die Falldefinitionen für die Übermittlung nach IfSG fest, stellt Entwürfe für Meldebögen zur Verfügung und hat eine elektronische Meldesoftware entwickelt, die die Länder bei der Meldung, Bearbeitung und Übermittlung der Fälle unterstützen soll. Die Falldefinitionen für Meldungen nach dem IfSG sind unter
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Falldefinition/falldefinition_node.html abrufbar.
Ferner stellt das RKI weitere Empfehlungen und Ratgeber sowie aktuelle Analysen der übermittelten Meldedaten, wie das Infektionsepidemiologische Jahrbuch (abrufbar unter
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Jahrbuch/jahrbuch_node.html), zur Verfügung. Bei der Entwicklung der Ratgeber und Empfehlungen wird das RKI von den Bundesländern unterstützt. Ob und inwieweit diese Empfehlungen umgesetzt werden, entscheiden die Länder in eigener Verantwortung.
Hinsichtlich der Elimination von Masern wurden nicht nur vom RKI, sondern auch von Vertretern der Bundesländer sowie von Fachgesellschaften verschiedene Empfehlungen formuliert, die wie folgt abrufbar sind:
a) Informationen und Publikationen des RKI zu Masern
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/M/Masern/Masern.html?cms_box=1&cms_current=Masern&cms_lv2=2394202
b) Generischer Leitfaden für das Management von Masern- und Rötelnfällen und -ausbrüchen in Deutschland
https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/praevention/impfen/doc/2019_02_05_management_mr_leitfaden_finale_fassung.pdf
c) Nationaler Aktionsplan 2015 bis 2020 zur Elimination der Masern und Röteln in Deutschland
https://www.gmkonline.de/documents/Aktionsplan_Masern_Roeteln_2.pdf
d) Nationaler Impfplan
https://www.gesunde.sachsen.de/download/Download_Gesundheit/Nationaler_Impfplan.pdf
3. Labordiagnostik/Genotypisierung von Masernviren
Zur Häufigkeit der Inanspruchnahme der Labordiagnostik verweisen wir der Einfachheit halber auf den Bericht des Nationalen Referenzzentrums für Masern, Mumps, Röteln für die Jahre 2017 und 2018 im Epidemiologischen Bulletin 32/33 (als Anlage anbei), dort insbesondere S. 307.
Wir hoffen, dass wir Ihnen hiermit weiterhelfen konnten. Diese Auskunft erfolgt gebührenfrei.
Mit freundlichen Grüßen