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Bundsskriminalamt

 

  

Weiterentwieklurlg
der Bekämpfung

  

der Politisch motivie te ‚Kriminalität -rechts-
und der Hasskriminalität

in der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz

 

Stand: 07.11.2019
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LAGE POLITISCH MOTIVIERTE KRININALITÄT -RECHTS- (PMK-RECHTS-)

 

e Das Grundgesetz bildet das Fundament für unser gemeinschaftliches Zusammenleben,

ist Werteordnung und bietet Schutz für individuelle Freiheiten.

e Der Mord an dem ehemaligen Regierungspräsidenten im Regierungsbezirk Kassel,
Dr. Walter Lübcke, am 02.06.2019 sowie der mutmaßlich antisemitisch
motivierte/fremdenfeindliche Anschlag am 09.10.2019 in Halle/ST haben bundesweit

Trauer und Entsetzen ausgelöst. Die Taten erfolgten in Ablehnung des freiheitlich-

demokratischen Gesellschaftssystems der Bundesrepublik"

 

Klima von Angst und Einschüchterung vor il flichen, grundlosen und gewaltsamen

Angriffen hervorgerufen wird. Übersdie "Verletzung individueller Rechtsgüter der

   
   
   
 

geschädigten Personen hinaus‘ ; ächtigen die Taten die Funktionsfähigkeit der

staatlichen Verwaltung und erlangı somit auch eine gesamtstaatliche Bedeutung.

e Verstärkt wird dies alich. gerem zu beobachtende, nach Häufigkeit und Intensität

 

zunehmende - Afzahlpolitigh rechts motivierter Agitationen und Straftaten. Dieses

   

her Gesamtheit betrachtet darüber hinaus geeignet, das Ansehen

x Staatengemeinschaft zu beeinträchtigen.

e Vor diesem Hintergrund müssen die Sicherheitsbehörden ihre Anstrengungen erheblich.
intensivieren, um den gegen unsere Werte gerichteten Aktivitäten wirksam
entgegentreten zu können. Um der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) -rechts- mit
all ihren Ausprägungen begegnen zu können, bedarf es daher einer uneingeschränkten,

ganzheitlichen und nachhaltigen Bekämpfungsstrategie.
2

NATIONALE LAGE

 

«e Fallzahlen PMK -rechts-: Die Fallzahlen im Phänomenbereich PMK -rechts- stellen seit
Jahren mit mehr als der Hälfte des Gesamtaufkommens den mit Abstand größten Anteil
der Straftaten innerhalb der PMK (2014: 17.020/32.700; 2016: 23.555/41.549; 2018:
20.431/36.062).

Fallzahlenentwicklung seit 2014

45.000 m a
30.000
| 5.000

 

 

 
 
   
   
  
  
 
 

| -&PMK -gesa mt-

i =-PMK -rechts-
“Propaganda -rechts- |
Gewalt -rechts-

 

davon PMK | Davon Propaganda | davon
-rechts- PMK-rechts-

  
 
  
 
  

‚Gesamtfällzahten

   
 
  

 

  
 
  
 
   

     

17.020 11.071 3.368 1.029

Dora a0
(ao s0csı  j2nsso fm ja [1a
(20a [36068 janası [sans ass ja

 

e Für das erste Halbjahr 2019 wurden bisher ca. 20.000 PMK-Straftaten gemeldet, davon
entfallen mehr als die Hälfte (ca. 10.500) auf den Phänomenbereich der PMK -rechts-
(vorläufige Fallzahlen!). Der negative hohe Fallzahlen-Trend dürfte sich auch für 2019 im

Bereich der PMK -rechts- wie bisher fortentwickeln.
3

Im Jahr 2018 ist eine Zunahme der Gewaltstraftaten (2018: 1.156, 2017: 1.130), der
Propagandadelikte (2018: 14.088; 2017: 12.032) sowie der fremdenfeindlichen Straftaten
(2018: 7.064; 2017: 6.166) zu verzeichnen. Waren in den Jahren zwischen 2001 und 2014
im Durchschnitt 2.818 fremdenfeindliche Straftaten festzustellen, ergibt sich für die
Jahre von 2015 bis 2018 ein Durchschnittswert von 7.492 Straftaten. Etwa jede achte
fremdenfeindliche Straftat (durchschnittlich 950 Gewalttaten) im Phänomenbereich PMK
-rechts- ist eine Gewalttat. In den Jahren 2014-2019 wurden insgesamt etwa 4.100

Verletzte polizeilich registriert.

Mit ursächlich für den Anstieg der Gewaltdelikte in diesem Phänomen ist auch die

Zunahme entsprechender Delikte durch „ReichsbürgeriSelbstverwalter“, die sich

   
 
   
 
 

vornehmlich in Form von Bedrohungen Erpressungen gegen

Behördenmitarbeiter/innen richten.

Die Anzahl der seit 1990 durch rechte Gewä zu e gekommenen Opfer beziffert sich

aktuell auf 83 Personen. Für das Jahr’2918° ind sechs Tötungsversuche und ein

  
  

vollendetes Tötungsdelikt zu verzeichne
insbesondere durch die Veröffentlighu

offiziellen Zahlen der Bundesregierung stets stark nach oben abweicht, immer wieder

m öffentlichen Diskurs werden diese Zahlen

’der sogenannten Jansen-Liste, die von den

kritisch betrachte Dahgf‘ ilt es, ungeklärte Tötungsdelikte weiterhin verstärkt

   

hinsichtlich einer möglich

a

litischen Tatmotivation zu betrachten.

Gegenüber, dem Vorjahr ist auch ein Anstieg der antisemitisch motivierten Straftaten

(2018: 1.603; 17°1.412) zu verzeichnen. Antisemitisch motivierte Straftaten stehen im

2
n;

besonderen Interesse medialer Berichterstattungen und bedingen eine hohe Sensibilität

 

"auf Seiten der Politik und nationaler Sicherheitsbehörden. Insbesondere für die rechte

Szene in Deutschland stellt der Antisemitismus seit jeher eines der bedeutendsten, die

Szene verbindenden bzw. einenden Elemente dar.
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Angriffe auf Amts- und Mandatsträgerinnen und Mandatsträger: Neben dem Angriff
auf die heutige Oberbürgermeisterin der Stadt Köln/NW am 17.10.2015 als Kandidatin
im Wahlkampf und auf den Bürgermeister der Stadt Altena/NW am 27.11.2017 zeigt der
Mord an Dr. Lübcke prägnant, dass die Zielauswahl bei entsprechenden extremistischen

Straftätern nicht ausschließlich fremdenfeindlich motiyi it sein oder sich gegen

 
   
 
  

Angehörige der linken Szene richten muss. Auch Repräsenta ten der Bundesrepublik
Deutschland wie Politiker (einschließlich der Landes- Kommunalebene), Personen
des öffentlichen Lebens, die sich ste? kritisch mit dem Thema
Rechtsextremismus auseinandersetzen entsprechend „gegen Rechts“

engagieren, können im Fokus st hen. Gese Schaftlich bedeutende Ereignisse, wie z.B.

 

Wahlen, aber auch politische ie “Themeh/Entscheidungen/Verlautbarungen bieten

Angriffsfläche für rechte ‚Aggression

Gerade bei rechtsexfremist chen und selbstradikalisierten Einzeltätern (vgl. Anschlag
am 09.10.2019;ifl Halle) steher

 

den Sicherheitsbehörden im Vorfeld von Angriffen bisher

 

wirksame Präventions- und Ermittlungsansätze zur Verfügung, da die

 

nur sehr begrer
Tatmittel häufig ‘äinfach zu beschaffen sind und die Täter bei geplanten Taten sehr
konspirativ, kuräfristig oder gar spontan gegen ein Ziel in ihrer nahen Umgebung

vorgehen.

Rechtsextremistische/-terroristische Strukturen: Neben diesen einzelnen schweren
Gewaltstraftaten durch rechtsextremistische Einzeltäter oder Kleinstgruppen, muss auch
die Bildung terroristischer Gruppierungen innerhalb des rechten Spektrums in Betracht
gezogen werden. Die Taten des „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), aber auch
die Aktivitäten der „Old School Society“ (OSS) und der „Gruppe Freital“ belegen dies

nachdrücklich.
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e_ Personenpotenziale: Die Polizeien der Länder haben im Phänomenbereich PMK -rechts-
zurzeit 46 Gefährder und 123 Relevante Personen eingestuft (Stand: November 2019).
Das Personenpotenzial der sonstigen Gewalttätigen und Gewaltaffinen ist weitaus höher.
Das BfV beziffert in seinem aktuellen Verfassungsschutzbericht das gewaltbereite
Personenpozential Rechts derzeit auf 12.700 Personen (2014: 10.500, 2015: 11.800, 2016:
12.100, 2017: 12.700).

Entwicklung der Zahlen der
Gefährder und Relevanten Personen PMK -rechts-

    
 

egehung schwerer Gewalttaten durch Personen des

Risiko

; "hen Spektrums zukünftig besser bewerten zu können, ist ein

 

Insgesamt ist hier ein sprunghafter Anstieg der dann kategorisierten Personen zu

erwarten. Eine seriöse Aussage über die Anzahl ist nicht möglich.

a
6

e Internet: Im Internet sind generell eine Verrohung der Sprache sowie ein ausgeprägter
Verbalradikalismus festzustellen. Die dort verbreitete Propaganda, die zum Teil
-unterschwellig, nicht offen rechtsextrem verbreitet wird und desinformierend wirkt, kann
dazu führen, dass Radikalisierungsprozesse entfacht bzw. gefördert werden. Das Internet
ist inzwischen die zentrale Diskussions- und Mobilisierungsplattform für
Rechtsextremisten. Sie nutzen aus, dass die Algorithmen der Sozialen Netzwerke die
Bildung sogenannter „Echokammern“ begünstigen. Das bedeutet, dass Facebook,
YouTube etc. den Nutzern ähnliche Inhalte „empfehlen“. So entstehen Communities, die
sich gegenseitig in ihrer Weltsicht bestätigen, verbunden mit einer Vielzahl sogenannter

„Hasspostings“.

Entwicklung der Fallzahlen Hasspostings: °

 

Fehler! Es ist nicht möglich, durch die BerbetuigvrFeldfunktionen Objekte

3177 | 2458 1962
2270 1472

e Die Zahlen deräpolizeilich erfassten Hasskriminalität i. V. m. Tatmittel Internet haben

zu erstellen.

  
     
   

   

i.V.m. Tan |
Internet

   
  

  

Hasspaging
(ab 2017),

  
 

sich im Jahr 2015 sprunghaft auf ein nahezu dreifaches Niveau entwickelt (2014: 1.119
Fälle; 2015: 3.084 Fälle). Seit 2017 weisen die Fallzahlen einen leichten Rückgang auf
(2017: 2.458 Fälle; 2018: 1.962 Fälle). Hierzu dürften u.a. die gesetzgeberischen
Maßnahmen (NetzDG), der Rückgang des Zuzugs von Flüchtlingen, die verstärkt
wahrzunehmende gesellschaftliche Debatte und auch die intensivierten polizeilichen und

justiziellen Aktivitäten (fünf Aktionstage seit 2016) beigetragen haben.

e Dunkelfeld: Darüber hinaus ist von einem sehr hohen Dunkelfeld auszugehen, da viele

strafrechtlich relevante Posts nicht zur Anzeige gebracht werden oder sich der Kenntnis
7

EEE
der Sicherheitsbehörden entziehen, da sie vielfach in geschlossenen Foren und
Diskussionsgruppen geäußert werden, auf die die Sicherheitsbehörden keinen Zugriff
haben. Nach hiesiger Erfahrung kommen viele strafbare Hasspostings nicht zur Anzeige.
Insbesondere Mandatsträger, Abgeordnete, Journalisten und weitere gesellschaftlich
oder politisch aktive Personen zeigen entsprechende Sachverhalte oftmals nicht an.
Hasspostings haben sich mittlerweile zu einem gesellschaftlichen Massenphänomen/- -
problem entwickelt. Aufgrund der derzeitigen personellen Ausstattung der
Sicherheitsbehörden im Bereich Internetermittlungen und auch mangelnder rechtlicher

Verpflichtung zur Meldung durch die Telemediendienste (TM-Dienste) kann durch

anlassunabhängige bzw. ermittlungsinitiierende Recherchen nur ein geringer Bruchteil
se
2 IR

  
 
  

   

von Hasspostings überhaupt entdeckt werden.

 

  

 

Outings: Auch ist es zwischenzeitlich gängige Praxis gehe echt nr Szene, Informationen

über den politischen Gegner zu sammeln,, i iese:informationen über Outings zu

    
 

veröffentlichen. Ziel der handelnden Personen ist es hierbei vor allem, Angst zu schüren

   
  
  

und Verunsicherung zu verbreite . Zuffiehmend werden auch Personen des öffentlichen

Lebens, Amtspersonen, Bürgerin und Medieneinrichtungen, aber auch
Privatpersonen, die sich kritisch it dem Rechtsextremismus sowie den handelnden

Personen auseinandgfsetz Gegenstand dieses Vorgehens.

   

r Radım Internet: Daneben dient das Internet der rechten Szene als

 

Raum“, der den Zusammenschluss von zu Straffälligkeit neigenden

„vorstrukturet

   
   

un

Personen erleichtert und auch überregionale Bekanntschaften ermöglicht/vereinfacht.
Als Tatmittel kommt .dem Internet und seinen virtuellen Kontaktmöglichkeiten in
sozialen Netzwerken und rechtsextremistischen Foren eine hohe Bedeutung, wenn nicht
sogar eine impulsgebende Wirkung für Radikalisierungsprozesse, Rekrutierung und
Mobilisierung bis hin zur Begehung von schwersten Straftaten zu. Oft werden mehrere
Internet-Kanäle gleichzeitig genutzt, und neue Angebote gewinnen schnell an
Bedeutung, wobei der Trend zu geschlossenen Kommunikationsräumen in der rechten
Szene ungebrochen ist. Darüber hinaus sind offene, aber anonymisierte Dienste zu
nennen - und hier insbesondere „Imageboards“, auf denen Teilnehmende als

„Anonymous“ posten.
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Zum Schutz vor Sperrungen und Verfolgungsdruck des Staates werden zudem eigene
„patriotische“ Netzwerke aufgebaut und Verschleierungssoftware eingesetzt. In diesem
Zusammenhang ist auch das Darknet zu nennen. Der hohe Grad der Anonymisierung
lockt Einzelpersonen mit rechten Einstellungen an, die in verschiedenen Foren - oftmals
unwidersprochen - offen Äußerungen tätigen, die beispielweise als volksverhetzend
einzustufen sind. Bekannt wurde etwa das Forum „Deutschland im Deep Web“ durch den
Amoklauf von München im Juli 2016. Der Täter hatte sich in diesem Forum die Tatwaffe

bestellt.

Alarmierend ist auch, wie beispielsweise der Anschlag des Norwegers BREIJVIK als auch

das Attentat in Christchurch/NZE durch den Rechtsextrei isten TARRANT im Internet

 

eine schnelle und die Tat bejahende Verbreitung rechter Hetzki immentierungen fanden.
Seit dem Attentat von Christchurch bezogen sich min jeßtens drei weitere Attentäter auf

TARRANT und kündigten ihre Terxora ‚chläge

 

ebenfalls auf politischen

je vernetzte rechte Szene propagiert

   
 

Diskussionsforen von Imageboards an. Ausb
und platziert derzeit sehr erfolgreich re Themen. Dies ist sehr eng verbunden mit der

veränderten Medienlandschaft und dem, Medienkonsum. Radikalisierungsprozesse, die

 

Entstehung neuer gewaltbereiter Personengruppen und eine weitere Verrohung des

 

irften zunehmend über das Internet erfolgen. Bezüglich

  
   
 

gesellschaftlichen Um; an
der Entwicklung: von. Hasspestings ist jederzeit ein anlassbezogenes Aufflammen der
Fallzahlen d&nkbar? bspw.

altstraftat eines Migranten (Bsp.: aktuelles Ereignis am Bahnhof in

ufgrund eines Anschlags (Simultananschläge von Sri Lanka)

 

     

 

oder einef
Frankfurt/M.)

beitragen und insofern auch vermehrt Hasspostings nach sich ziehen.

£ erartige Ereignisse können erheblich zur Mobilisierung der Szene

 

Erleichtert und beschleunigt durch soziale Medien und das Internet allgemein besteht
die Gefahr der Entwicklung eines gesellschaftlichen Klimas, in dem radikale
Einstellungen, Hetze oder gar Befürwortung von Gewalt als zunehmend hinnehmbar
oder gar mehrheitsfähig erscheinen. Gruppenbezogene Ausgrenzungen und Hass werden
dadurch weiter verbreitet. Gleichzeitig fehlt es den Sicherheitsbehörden bisher an

ausreichenden rechtlichen und tatsächlichen Optionen, dieser (insbesondere digitalen)
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|

Entwicklung durch ein umfassendes Monitoring und eine konsequente Strafverfolgung

entschieden entgegenzutreten.

e Die rechtsextremistische Gruppi

Jahr 2000 durch den Bundesi

 

Nach Umsetzung dieser Verbote besteht für die
Polizeien die Herausforderung, deren Einhalten kontinuierlich zu überwachen und ein

Weiterführen durch strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu unterbinden.

 

e Im Bereich der PMK -rechts- gibt es auch international eine vergleichbare
Lageentwicklung: In vielen (europäischen) Ländern gibt es erhebliche Drohungen und

teilweise physische Gewalt zum Nachteil von Politikern. Im November2018 wurde in

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