Sehr geehrter Herr Wall,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 8. Oktober 2015.
Die fachlich zuständigen Senatskanzlei, Amt Medien, antwortet Ihnen dazu wie folgt und fügt Aktenauszüge bei, die diese Antwort erläutern und belegen. Eine abschließende Aktenlage ergibt sich jedoch erst mit der Sitzung des Bundesrates am 27. November, in welcher das von Ihnen thematisierte Gesetz im zweiten Durchlauf als Gesetzbeschluss der Bundesregierung zur Beratung steht.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat stets eine ablehnende Haltung zum sogenannten Routerzwang vertreten. Bereits im Mai 2013 wurde der letzte Senat (20. Wahlperiode) durch die Bürgerschaft dazu aufgefordert, "sich bei der Bundesnetzagentur dafür einzusetzen, dass diese den Routerzwang der Internetprovider unterbindet (...)". Bei Nichterfolg solle sich der Senat "für eine gesetzliche Regelung einsetzen, die den Routerzwang bei Internetanschlüssen beendet" (Anlage 1: Bürgerschaftsdrucksache 20/8203).
Wie Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, hat die aktuelle Bundesregierung die Abschaffung des Routerzwangs 2013 als Ziel in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. 2014 stellte die Bundesnetzagentur dann fest, dass ihr die rechtliche Kompetenz fehlt, dies per Verordnung umzusetzen. Im Frühjahr 2015 legte die Bundesregierung deshalb einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, der im Sommer durch die EU-Kommission notifiziert und anschließend dem Bundesrat zugeleitet wurde. Inzwischen ist dieser Entwurf durch den Bundestag beschlossen worden und liegt dem Bundesrat erneut vor ("zweiter Durchgang").
Zu Frage 1: Ein Senatsbeschluss der Freien und Hansestadt Hamburg wurde bislang nur zu der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates, den beiden Prüfbitten an die Bundesregierung, gefasst (Anlage 2: Auszug aus Senatsbeschluss vom 22. September 2015, Senatsdrucksache Nr. 2015/01739 Teil II). Es erfolgte jedoch bereits die fachliche Votumsempfehlung einer Zustimmung zum Gesetzentwurf im Zusammenhang mit der Beratung im Wirtschaftsausschuss, bevor die Anträge bekannt waren (Anlage 3: Fachliche Stellungnahme zu Bundesratsdrucksache 365/15 im Wirtschaftsausschuss 852). Die Prüfbittenempfehlungen des Wirtschaftsausschusses wurden anschließend dennoch unterstützt, um in dieser technisch nicht einfachen Angelegenheit sicher zu gehen, dass die von einer Gruppe von Internetdiensteanbietern vorgebrachten Bedenken, vor allem technischer Art, gegen die neue gesetzliche Regelung nicht ungeprüft unter den Tisch fallen. Es ist im Bundesratsverfahren durchaus nicht unüblich, Prüfbitten, die von anderen Ländern eingebracht werden zu unterstützen, auch wenn man in der Sache anderer Auffassung ist. Eine genaue Prüfung bestimmter Punkte schadet nicht und präjudiziert auch kein Ergebnis.
Zu keiner Zeit wurde das Ziel verfolgt, den Gesetzentwurf unnötig zu verzögern oder gar zu verhindern. Hierfür wären Prüfbitten (zumal bei einem nicht zustimmungspflichtigen Gesetz) ohnehin nicht geeignet, schon weil es die Bundesregierung in der Hand hat, die Prüfbitte schnell zu entkräften. Erwartungsgemäß legte die Bundesregierung bereits etwa zwei Wochen nach dem Beschluss des Bundesrates eine Gegenäußerung vor, die inhaltlich die Bedenken für unzutreffend erklärte.
Zu Frage 2: Der Bundesrat hat sich stets gegen einen sogenannten "Routerzwang" ausgesprochen (Anlage 4: Auszug aus Beschluss des Bundesrates zu COM(2013) 627 final, Drucksache 689/13, Ziffer 34), so dass von einem "Streit" eigentlich nicht gesprochen werden kann. Insofern entsteht hier auch kein entsprechender Handlungsbedarf für die Freie und Hansestadt Hamburg. Abschließend entscheidet sich dies jedoch erst mit dem zweiten Durchgang des Gesetzes im Bundesrat am 27. November. Nach hiesiger Einschätzung ist eine Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat höchst unwahrscheinlich und es sind auch keine fachlichen Gründe absehbar, die für eine gegenläufige Position Hamburgs sprechen würden.
Die Interpretation einiger Medien, der Bundesrat würde das Gesetzesverfahren "blockieren", verkennt erstens die allgemeine Position der Länder zu diesem Regelungsaspekt und schätzt zweitens die Auswirkungen einer Prüfbitte bei einem nicht zustimmungspflichtigen Entwurf eines Bundesgesetzes im Bundesratsverfahren falsch ein.
Anlagen:
1.) Bürgerschaftsdrucksache 20/8203 - Ersuchen an den Senat zu den Themen Netzneutralität und Routerzwang
2.) Auszug aus dem Senatsbeschluss vom 22. September 2015 (Drucksache Nr. 2015/01739 Teil II) betreffend der Stellungnahme Hamburgs zur 936. Sitzung des Bundesrates, hier: TOP 35, Drucksache 365/15 bzw. 365/1/15, Entwurf eines Gesetzes zur Auswahl und zum Anschluss von Telekommunikationsendgeräten
3.) Fachliche Stellungnahme zu Bundesratsdrucksache 365/15 im Wirtschaftsausschuss 852
4.) Auszug aus Bundesratsdrucksache 689/13(B), Beschluss des Bundesrates zu COM(2013) 627 final, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents (...)
Mit freundlichen Grüßen