Az: G6-12007/1#1 - Koskowik, Marina
Sehr geehrte Frau Koskowik,
ich bestätige den Eingang Ihres Schreibens vom 23. Juni 2018.
Zu Ihrem Schreiben nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Das Bundesinnenministerium nimmt nur zu Themen Stellung, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen. Fragen zu Münzprägungen und Prägejahren fallen in die Zuständigkeit der Deutschen Bundesbank.
https://www.bundesbank.de/Navigation/DE…
2.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Bundesstaat mit dem Bund als Zentralstaat und den 16 Ländern als Gliedstaaten. Dieser Aufbau und auch die Bezeichnung als Bund ergeben sich unmittelbar aus dem Grundgesetz.
Der Zusammenschluss der amerikanischen und britischen Besatzungszone (Bizone, 1947) wurde als Vereintes Wirtschaftsgebiet bezeichnet. Die Verwaltung waren die nach außen für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet handelnden Stellen, die z. B. Arbeitsverträge mit zivilen Angestellten geschlossen haben.
Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurden gemäß Artikel 133 Grundgesetz (GG) die Rechte und Pflichten der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets auf den Bund übertragen. Das heißt insbesondere, dass Arbeitsverträge oder andere vertragliche Verpflichtungen (z. B. Zahlung eines bestimmten Preises für die Lieferung von Büroausstattung) nach dem 23. Mai 1949 vom Bund zu erfüllen waren.
Durch die Übertragung der Rechte und Pflichten hat sich Artikel 133 GG erledigt, so dass die Vorschrift heute keine Bedeutung mehr hat. Das Grundgesetz wird jedoch als Verfassungsdokument so wenig wie möglich geändert. Es enthält damit zugleich ein Stück Rechtsgeschichte.
Informationen zu Artikel 133 GG finden Sie in öffentlichen Bibliotheken, insbesondere in Kommentaren zum Grundgesetz (z. B. bei Schwarz in Maunz/Dürig, GG, 69. Lieferung) oder z. B. bei Stolleis im Handbuch des Staatsrechts Band I, 2003, § 7 Historische Grundlagen.
3.
Sie schreiben:
Es irritiert mich, dass im Namen des Deutschen Reichs von Ihnen Gesetze erlassen werden.
Ihre Behauptung ist falsch. Sie können im Bundesgesetzblatt Teil I (
www.bgbl.de) selbst nachlesen, dass die Gesetze vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden. An keiner Stelle ist vom Deutschen Reich die Rede.
Artikel 123 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes besagt folgendes:
Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages gilt fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht.
Es dienten keineswegs alle Gesetze aus der NS-Zeit unmittelbar dem Nationalsozialismus, sondern es wurden auch einige vernünftige Regelungen geschaffen. Diese blieben bestehen und gehörten zu dem vorkonstitutionellen Recht, das die Bundesrepublik nach Artikel 123 Grundgesetz grundsätzlich übernehmen konnte, soweit es dem Grundsatz nicht widersprach. Dies betraf sowohl Gesetze aus der Kaiserzeit und der Weimarer Republik als auch Vorschriften, die zwischen 1933 und 1945 entstanden sind.
Um nur einige Beispiele zu nennen:
Das Bürgerliche Gesetzbuch ist am 01. Januar 1900 in Kraft getreten. Auch wenn der Gesetzgeber im Laufe der Zeit sehr viele Änderungen am Bürgerlichen Gesetzbuch vorgenommen hat, gilt es nach wie vor fort.
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) in ihrer heutigen Form geht auf das Jahr 1934 zurück. Das Reichsnaturschutzgesetz aus dem Jahre 1935 galt in der Bundesrepublik Deutschland bis 1976. Das Energiewirtschaftsgesetz, ursprünglich aus dem Jahre 1935, gilt heute noch, auch wenn es durch die Liberalisierung des Energiemarktes inhaltlich verändert worden ist. Das Rechtsberatungsgesetz vom13.12.1935 gilt auch heute noch und wurde nach umfangreichen Änderungen am 01.07.2008 in Rechtsdienstleistungsgesetz umbenannt.
Das Namensänderungsgesetz wurde erstmalig am 05. 01.1938 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht.
In Paragraph 1 dieses Gesetz ist noch vom Deutschen Reich die Rede oder in Paragraph 8 wird auf den Reichsminister des Innern hingewiesen.
In § 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen wurde der Name Deutsches Reich und Reichsminister des Innern deshalb noch nicht gestrichen, um auf die Entstehungszeit dieses Gesetzes vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland hinzuweisen. Ihr ist in Verbindung mit Artikel 123 Grundgesetz ein verfassungshistorischer Wert zuzubilligen, da es für das Verständnis der Verfassung hilfreich sein kann, die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes anhand des Textes nachvollziehen zu können. Selbstverständlich sind durch die staats- und verfassungsrechtliche Entwicklung in Deutschland die Begriffe Deutsches Reich und Reichsminister des Innern gegenstandslos geworden und werden möglicherweise bei einer weiteren Änderung des Namensänderungsgesetzes sprachlich angepasst.
Mit freundlichen Grüßen