Sehr geehrter Herr Semsrott,
auf ihren Antrag vom 29.08.2017 hin ergeht folgender Bescheid:
A. Entscheidung
1. Ihnen wird Zugang zu dem im Auftrag des BMVI erstellten Rechtsgutachten vom 16.03.2016 zu Fragen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes durch Übersendung eines Exemplars des Gutachtens gewährt.
2. Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben.
B. Sachverhalt und Begründung der Entscheidung
1. Sachverhalt
Ende des Jahres 2015 gab das BMVI ein Rechtsgutachten zu Fragen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) in Auftrag. Dieses wurde unter dem Datum des 16.03.2016 fertiggestellt. Bestandteil des der Gutachtenerstellung zu Grunde liegenden Vertrages ist folgende Bestimmung:
§ 7 Nutzungsrechte
(1) Der AN räumt dem AG das ausschließliche, übertragbare sowie
dauerhafte, unwiderrufliche und unkündbare Recht ein, alle
Leistungen im Original oder in bearbeiteter oder umgestalteter
Form zu nutzen, unbegrenzt zu vervielfältigen, zu veröffentlichen,
zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.
(2) Bei den gemäß Absatz 1 dem AG eingeräumten Rechten hat
der AG sicherzustellen, dass bei der Ausübung dieser Rechte
der jeweilige Verfasser genannt wird.
(3) Mit der vereinbarten Vergütung sind sämtliche Ansprüche des
ANs im Zusammenhang mit der im Absatz 1 geregelten Übertragung
der Nutzungsrechte an den im Rahmen des Vertragsverhältnisses
erbrachten Leistungen abgegolten.
Mit Antrag vom 29.08.2017 beantragten Sie auf Grundlage des IFG
die Übersendung dieses Gutachtens.
Das BMVI gab der Auftragnehmerin des Gutachtenauftrags, einer aus Rechtsanwälten bestehenden Partnerschaftsgesellschaft mbH, als Drittbeteiligter Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 8 Abs. 1 IFG. Die Drittbeteiligte wandte mit Schreiben vom 09.10.2017 gegen eine Herausgabe des Gutachtens Folgendes ein:
• Einer Herausgabe des Gutachtens stehe der Schutz geistigen Eigentums
(§ 6 Satz 1 IFG) entgegen, nämlich das Urheberrecht der
Ersteller des Gutachtens. Das Gutachten sei ein dem Urheberrecht
unterfallendes Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz
(UrhG).
• Zum einen sollten nach Sinn und Zweck des Gutachtenvertrages
die dort in § 7 Abs. 1 dem BMVI eingeräumten Nutzungsrechte es
dem BMVI lediglich ermöglichen, das Gutachten für Zwecke der
öffentlichen Verwaltung des Bundes bei der Anwendung des IFG
zu nutzen, nicht aber, das Gutachten einem theoretisch unbegrenzten
Personenkreis zur Verfügung zu stellen.
• Entscheidend sei, dass die Wirksamkeit von § 7 Abs. 1 des Gutachtenvertrages
als allgemeine Geschäftsbedingung zweifelhaft
sei. Die Ersteller des Gutachtens würden durch die Klausel wohl
unangemessen benachteiligt. Denn die Klausel gestatte dem BMVI
eine Bearbeitung und Umgestaltung des Gutachtens ohne Beteiligung
der Ersteller. Demnach könne BMVI die Aussagen des Gutachtens
entgegen dem Willen seiner Ersteller entscheidend verändern
und zudem gleichzeitig die Namen der Ersteller nennen (§ 7
Abs. 2 Gutachtenvertrag).
• Da im Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen keine geltungserhaltende
Reduktion von Klauseln stattfinde, sei § 7 Abs. 1
Gutachtenvertrag insgesamt unwirksam. Eine Verwertung des
Gutachtens dürfe daher ohne Zustimmung der Ersteller nicht erfolgen,
und die erforderliche Zustimmung könne hier nicht erteilt
werden.
2. Begründung
Entgegen der rechtlichen Bewertung durch die Drittbeteiligte steht
einer Herausgabe des Gutachtens kein Schutz geistigen Eigentums (§
6 Satz 1 IFG) entgegen. Denn das Gutachten unterfällt nicht
Schutz der Urheberrechts (dazu 2.1). Auch andere Formen geistigen
Eigentums und ihres Schutzes (z. B. Leistungsschutzrechte, § § 70 ff
UrhG) sind hier nicht einschlägig. Im Ergebnis kommt es daher nicht
darauf an, ob die Bedenken der Drittbeteiligten gegen die Wirksamkeit
von § 7 Abs. 1 Gutachtenvertrag durchgreifen. Denn § 7 Abs. 1 Gutachtenvertrag
setzt den- hier nicht gegebenen- Fall voraus, dass das
zu erstellende Gutachten ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist.
Darüber hinaus ist dem Gutachtenvertrag auch keine Vereinbarung zu
entnehmen, das Gutachten dürfe nur zu verwaltungsinternen Zwecken
verwendet werden (dazu 2.2). Schließlich gebietet es der Schutz personenbezogener
Daten nicht, die Namen der Ersteller des Gutachtens
unkenntlich zu machen (dazu 2.3).
2.1 Fehlender urheberrechtlicher Schutz des Gutachtens
2.1. 1 Urheberrechtliche Schutzvoraussetzung: Gestaltungshöhe
Urheberrechtlichen Schutz genießen nur persönliche geistige Schöpfungen
(§ 2 Abs. 2 UrhG). Die fiir die Annahme einer persönlichen
geistigen Schöpfung geforderte Individualität eines Werkes wird als
Gestaltungshöhe bezeichnet. Sie ist Ergebnis der Ausfüllung eines
bestehenden Gestaltunfsspielraums des Urhebers. Die noch überwiegende
Rechtsprechung ) stellt an wissenschaftliche Texte sowie an
Gebrauchszwecken dienende Schriften höhere Anforderungen als an
literarische Texte, um ein schutzfähiges Sprachwerk anzunehmen. Die
Gestaltungshöhe muss das Alltägliche, das Handwerkliche, die mechanisch-
technische Aneinanderreihung des Materials deutlich überragen.
Es gibt für solche Texte also nicht den Schutz der sog. "kleinen
Münze", wonach auch ein sehr geringes Maß an individueller Gestaltungshöhe
einen urheberrechtliehen Schutz begründen kann. Vorliegend
handelt es sich bei dem Gutachten vom 16.03.2016 um einen
wissenschaftlichen Text, an den erhöhte Anforderungen für eine Anerkennung
als urheberrechtlich geschütztes Werk zu stellen sind.
Gemeinfrei bleiben müssen die in wissenschaftlichen Texten enthaltenen
Ideen, Methoden, Ergebnisse und wissenschaftlichen Lehren. Diese
dürfen nicht monopolisiert werden und können daher urheberrechtlieh
nicht geschützt werden. 2) Sie können daher auch nicht herangezogen
werden, um die individuelle Gestaltungshöhe eines wissenschaft-
liehen Textes zu begründen. Urheberrechtsschutzfähig ist hingegen die
konkrete schöpferische Formgebung, Sammlung, Einteilung, Anordnung
und Darstellung des Stoffs. 3)
Ebenso können zur Begründung einer besonderen Gestaltungshöhe
nicht herangezogen werden Fachbegriffe als Bestandteile der Wissenschaftssprache4)
und die übliche fachliche Ausdrucksweise5).
Hingegen können folgende Kriterien herangezogen werden, um die
individuelle Gestaltungshöhe eines wissenschaftlichen Textes zu bewerten:
• Form und Art der Sammlung bzw. Einteilung und Anordnung des
dargestellten Stoffes. 6) Diese dürfen nicht aus Sachgründen zwingend
geboten, insbesondere durch die Gesetze der Zweckmäßigkeit
vorgegeben sein, so dass kein Spielraum für individuelle Gestaltung
bleibt. 7 Daraus folgt, dass fehlende Gestaltungsspielräume
durch wissenschaftliche Arbeitsweise oder die konkrete Fragestellung
einer erforderlichen Gestaltungshöhe entgegenstehen. Zudem
genügt nicht, dass der Autor bei der Darstellung eine Wahlmöglichkeit
hat. Dem Autor muss es vielmehr gelungen sein, auf der
Grundlage der wissenschaftlichen Erfassung des Stoffes den Gegenstand.
seiner Untersuchung in einer besonderen Weise zu betrachten,
zusammenzufassen und zu ordnen. Es genügt daher kein
Aufbau, der der Logik entspricht und daher naheliegt und der sich
jedem geübten Rechtsanwender anbietet.8)
• Die Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts
kann auch bei wissenschaftlichen Texten eine für einen urheberrechtlichen
Schutz ausreichende Gestaltungshöhe begründen. Der
Text muss sich hierfür auszeichnen durch sprachliche Gestaltungskunst
als Zeichen tiefer Durchdringung des Stoffes und souveräner
Beherrschung der Sprach- und Stilmittel, durch einfache
und leicht verständliche Darstellung eines komplexen Stoffes.9)
• Die Länge eines Textes gibt (lediglich) Raum, die Reihenfolge
einer Darstellun9. als individuelle geistige Schöpfung urheberrechtlieh
zu schützen. 0) Die Textlänge ist also allein nicht hinreichende
Bedingung einer Schutzwürdigkeit
2.1.2 Gestaltungshöhe des Gutachtens vom 16.03.2016
Ergebnis der nachstehenden Prüfung ist, dass das Gutachten vom
16.03.2016 keine für den urheberrechtliehen Schutz erforderliche Gestaltungshöhe
erreicht. Damit ist keine Aussage zum inhaltlichfachlichen
Wert und zur praktischen Verwendbarkeit des Gutachtens
getroffen. Denn inhaltlich-fachlicher Wert und praktische Verwendbarkeit
sind kein ausschlaggebendes Kriterium für die urheberrechtliehe
Schutzfähigkeit eines Textes. 11)
Bei der Prüfung der urheberrechtliehen Schutzfähigkeit eines - wie
hier- wissenschaftlichen Textes ist zu unterscheiden zwischen dem
wissenschaftlichen Ergebnis und der wissenschaftlichen Lehre einerseits,
die gemeinfrei bleiben müssen, und der Darstellung und Gestaltung
der Lehre im Text andererseits, die grundsätzlich dem Urheberrecht
unterfallen können. 12) Das bedeutet, dass ein rechtlicher Gedanke
als solcher (z. B. "Fehlende Verfassungsunmittelbarkeit des Informationsfreiheitsrechts
und fehlende Begründung eines Informationsinteresses
sind in eine Abwägungsentscheidung zu Lasten des Informationsinteresses
einzubringen."; vgl. Seiten 74- 76 des Gutachtens)
nicht schutzfähig sein kann, sondern nur die Art der Darstellung dieses
Gedankens.
2.1.2.1 Aufbau des Gutachtens
Der Aufbau des Gutachtens entspricht in seinen Oberpunkten einem
vom BMVI als Auftraggeber zur Beantwortung vorgegebenen Fragenkatalog.
Unterhalb der Oberpunkte orientiert sich der Ausbau an
naheliegenden Kriterien (z. B. innerhalb von Ziffer 2.4 Untergliederung
nach "Rechtslage" und "Lösung des konkreten Falls"; innerhalb
von Ziffer 4.1 Untergliederung nach Schutzzweck und einzelnen Tatbestandsmerkmalen
des § 3 Nr. 3 lit. b) IFG; innerhalb von Ziffer
5.2.1 Aufgliederung nach Tatbestandsmerkmalen des § 5 Abs. 4 IFG).
Der Aufbau des Gutachtens weist keine für einen urheberrechtliehen
Schutz erforderliche Gestaltungshöhe auf, die das bei Rechtsgutachten
Alltägliche und Handwerkliche deutlich überragt. Vielmehr bietet er
sich dem geübten Rechtsanwender an.
2.1.2.2 Auswahl des behandelten Stoffes
Der von dem Gutachten behandelte Stoff ist zunächst im Sinne eines
"Rahmens" durch die konkreten Fragen des BMVI als Auftraggeber
vorgegeben. Innerhalb dieses Rahmens erfolgt eine Auseinandersetzung
mit Rechtsnormen und der zu ihnen ergangenen Rechtsprechung,
Kommentierung, amtlichen Gesetzesbegründung sowie behördlichen
Anwendungshinweisen. Diese Auswahl entspricht üblichem Vorgehen
bei der Fertigungjuristischer Gutachten, so dass es an einem erheblichen
Gestaltungsspielraum als Voraussetzung für eine besondere Gestaltungshöhe
fehlt. Die Auswahl des im Gutachten behandelten Stof-
fes weist keine für einen urheberrechtliehen Schutz erforderliche Gestaltungshöhe
auf, die das bei Rechtsgutachten Alltägliche und Handwerkliche
deutlich überragt.
2.1.2.3 sprachliche Formgestaltung
Soweit sich das IFG-Gutachten üblicher juristischer Ausdrucksweise
bedient, überragt es das im juristischen Alltagsgeschäft Übliche nicht
deutlich. 13) Es fehlt insoweit an einer für einen urheberrechtliehen
Schutz ausreichenden Gestaltungshöhe. Dies ist Folge geringen Freiraums
für eigenschöpferische Formulierungen, wenn sichjuristische
Gutachten- wie auch regelmäßig vom jeweiligen Auftraggeber erwartet
- an den Vorgaben der Fachsprache orientieren. Da das gesamte
Gutachten - sachgerecht - in juristischer Fachsprache gehalten ist,
kann ein urheberrechtlicher Schutz nicht mit seiner sprachlichen
Formgestaltung begründet werden. Anderenfalls wäre es urheberrechtlieh
auch nicht zulässig, dass ein anderer Gutachter sich zu gleich gelagerten
Fragen mit den gleichen Wendungen der juristischen Fachsprache
äußert.
2.1.2.4 Darstellung des behandelten Stoffes
Die Darstellung des Stoffes ( Gedankenformung und -führung) entspricht
dem in der Rechtswissenschaft Üblichen und begründet kein
deutliches Überragen des juristisch Alltäglichen und Handwerksmäßigen.
Dies gilt auch da, wo Aussagen nicht der Rechtsprechung oder
juristischer Kommentierung entnommen sind, also originären Überlegungen
der Ersteller des Gutachtens entstammen (z. B. Seite 17 Gutachten,
Ziffer 1.2 am Ende: Argument gegen die Auffassung in der
Literatur, die IFG-pflichtige Behörde dürfe nur in Ausnahmefällen
Vorschüsse nach § 15 BGebG verlangen; Seite 18 f Gutachten, Ziffern
1.3.2 und 1.3.3 mit rechtlichen Beurteilungen ohne direkten Rückgriff
auf Rechtsprechung und Literatur; Seite 29, Abs. 1 Gutachten: Entscheidung
zwischen konträren Literaturmeinungen; Seite 40 Ziff. 3.1.2
Gutachten: eigene Stellungnahme zu Literaturmeinung). Denn nicht
ein Gedanke als solcher ist schutzfähig, sondern nur seine Gestaltung
und Darstellung im Text. Die genannten Passagen des Gutachtens
übertreffen die von durchschnittlichen juristischen Gutachten zu erwartende
Gestaltung und Darstellung nicht so deutlich, dass ihr urheberrechtlicher
Schutz gerechtfertigt wäre, der im Ergebnis bedeuten
würde, dass andere Gutachter dieselben Rechtsfragen nicht in gleicher
oder ähnlicher Gestaltung der Darstellung beantworten dürften.
Eine umfangreiche eigenständige, nicht auf Rechtsprechung oder Literatur
gestützte Auseinandersetzung mit einer Argumentation des VG
Berlin findet sich auf Seite 54 f. des Gutachtens (beginnend mit Seite
54, letzter Absatz). Es geht dort um die obergerichtlich nicht überprüfte
Annahme des VG Berlin, es sei fernliegend, dass Behördenmitar-
heiter eine Stellungnahme zu Rechtsfragen innerhalb ihrer Behörde
scheuen würden, wenn sie mit dem öffentlichen Bekanntwerden ihrer
Stellungnahme rechnen müssten. Die vom Gutachten an dieser Auffassung
des VG Berlin formulierte Kritik ist eine eigenständige gedankliche
Leistung, die von einer Durchdringung des Problems zeugt
und dem Leser anschaulich dargestellt wird. Die Gedankenfiihrung
hinsichtlich der gegen die Auffassung des VG Berlin gefundenen Argumente
könnte zwar im Vergleich zum alltäglichen, mehr oder weniger
auf Routine beruhenden Schaffenjuristischer Gutachter ein erhöhtes
Maß an individueller Gestaltungshöhe aufweisen. Jedoch kann
nicht von einem nach der Rechtsprechung des BGH und mehrerer
Obergerichte erforderlichen deutlichen Überragen des alltäglichen
Schaffens juristischer Gutachter gesprochen werden. Daher kommt
dieser Passage des Gutachtens kein urheberrechtlicher Schutz zu.
Gleiches gilt für die eigenständige gedankliche Herleitung einer Begründung
dafiir, der Rechtsprechung des OVG Berlin-Erandenburg
zum Begriff der Unmittelbarkeit in § 4 Abs. 1 IFG zu folgen (Gutachten,
Seite 64 Absatz 2). Auch hier übertrifft die Individualität der Gedankenfiihrung
diejenige durchschnittlicher Rechtsgutachten nicht in
deutlicher Weise. Die gefundene rechtliche Argumentation ist nicht in
solchem Maße originell und damit individuell, als dass es fernliegend
erschiene, dass auch durchschnittlich beHihigte Juristen eine vergleichbare
Gedankenfiihrung entwickeln könnten.
Die Darstellung der Rechtsprechung des BVerfG zum Kernbereich
exekutiver Eigenverantwortung (Seiten 68 - 70 des Gutachtens) stützt
sich naheliegender Weise auf die Rechtsprechung des BVerfG selbst.
Gestaltungsspielraum für eine individuelle schöpferische Leistung
bestand daher nur für die Auswahl, Anordnung und Darstellung des in
der Rechtsprechung des BVerfG enthaltenen Stoffes. Die Zusammenfassung
der Rechtsprechung auf drei Seiten des Gutachtens erfordert
eine Gewichtung der einzelnen Aspekte der Rechtsprechung, eine darauf
gründende Auswahl des Wesentlichen und dessen sprachliche
Darstellung. Allein der Umstand, dass die Darstellung fachlich vertretbar
auch in anderer Weise hätte erfolgen können, bedeutet nur,
dass ein Gestaltungsspielraum bestand, nicht aber, dass er in einer
Weise ausgefiillt wurde, die das Schaffen durchschnittlicher juristischer
Gutachter deutlich überragt.14) Im vorliegenden Fall überragen
Auswahl, Anordnung und Darstellung der Elemente der Rechtsprechung
des BVerfG nicht in deutlicher Weise denkbare andere Möglichkeiten
der Auswahl, Anordnung und Darstellung. Daher unterfällt
diese Passage des Gutachtens nicht dem Schutz des Urheberrechts.
Gleiches gilt im Ergebnis fiir die Übertragung der vom Gutachten zuvor
dargelegten Maßstäbe des BVerfG auf Auskunftsansprüche nach
dem IFG (Seiten 71 - 76 des Gutachtens). Zwar enthält dieser Abschnitt
des Gutachtens Passagen mit originären, nicht auf Rechtsprechung
oder Literatur gestützten Schlussfolgerungen (z. B. Seite 72
Absatz 3 des Gutachtens zur subsidiären Ausfiillung von Schutzlücken
durch die Regeln zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung;
Seiten 75 Absatz 2 I 76 Absatz 1 zur Interessenahwägung bei Prüfung
des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung als V ersagungsgrund).
Die dort entwickelte Gedankenfiihrung ist gut nachvollziehbar.
Doch ist der behandelte Stoff nicht dermaßen komplex, dass eine
leicht verständliche Darstellung das durchschnittliche Schaffenjuristischer
Gutachter deutlich übertrifft.
In Ziffer 5 .1.1.1 (Seiten 81 ff.) des Gutachtens werden die Grundsätze
des Schutzes personenbezogener Daten nach dem IFG dargestellt und
auch eigene Bewertungen formuliert. Die Darstellung (Gedankenfiihrung)
ist eingängig. Jedoch gilt auch hier, dass der behandelte Stoff
nicht dermaßen komplex ist, als dass eine leicht verständliche Darstellung
das durchschnittliche Schaffen juristischer Gutachter deutlich
überträfe. Auch nutzt das Gutachten einen Spielraum bei der Auswahl
und Reihenfolge der darzustellenden Aspekte. Die Originalität von
Auswahl und Reihenfolge der Darstellung von Rechtsfragen überschaubarer
Komplexität überragt jedoch das von durchschnittlichen
juristischen Gutachtern zu Erwartende nicht deutlich. Anderenfalls
könnte ein anderer, später tätig werdender Gutachter urheberrechtlich
gehindert werden, seiner Prüfung gleicher oder ähnlicher Rechtsfragen
dieselbe Auswahl und Reihenfolge der Darstellung zu Grunde zu legen.
Eine solche Konsequenz wäre unangemessen angesichts des Umstandes,
dass die vorliegende Darstellung eine solche ist, die nach den
Regeln juristischer Gutachtenerstellung zwar nicht zwingend ist, von
der jedoch erwartet werden darf, dass sie so oder ganz ähnlich auch
von anderen Gutachtern gewählt worden wäre (Schutz juristischer
Personen; Dreiteilung personenbezogener Daten aufgrund der Sphärentheorie;
Kriterien der Zuordnung zu den Sphären; Schutzwürdigkeit
von Vertrauen in Geheimhaltung bzgl. Daten der Sozialsphäre;
Schutz besonderer personenbezogener Daten; Schutzwürdigkeit von
Daten, die zwei verschiedene Sphären betreffen; Berücksichtigung des
Verwendungszusammenhangs der Daten und der Folgen ihrer Veröffentlichung).
Das Gutachten stellt unter Ziffer 5.2.1.3 (Seiten 95 - 99) die Frage dar,
wann Ausnahmen vom Grundsatz des § 5 Abs. 4 IFG bestehen, wonach
der Zugang zu Bearbeiterdaten zu gewähren ist. Das Gutachten
erläutert den Streitstand zu dieser Frage anband von Rechtsprechung
und Literatur ausfUhrlieh und zieht daraus Schlussfolgerungen. Für
diese den Regelnjuristischer Gutachtentechnik entsprechende Darstellung
gilt das vorstehend zu Ziffer 5.1.1.1 des Gutachtens Gesagte entsprechend.
Gleiches gilt für die Ausführungen des Gutachtens zum Schutz amtlicher
Informationen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis (Ziffer 5.3,
Seiten 99 - 1 07). Das Gutachten erläutert ausführlich die vom IFG
selbst nicht definierten Anforderungen an das Vorliegen von Betriebsund
Geschäftsgeheimnissen anhand von Rechtsprechung und Literatur,
dies auch hinsichtlich der zeitlichen Dauer des Geheimnisschutzes.
Wegen hier bestehender Spielräume bei der Darstellung einen
urheberrechtliehen Schutz anzunehmen, würde bedeuten, Dritten die
Möglichkeit zu gleichen oder ganz ähnlichen Darstellungen zur Frage
des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach dem IFG
zu nehmen. Für eine solch einschneidende Folge ist hier kein Raum,
da die Darstellung des IFG-Gutachtens die von durchschnittlichen
juristischen Gutachtern zu erwartende Darstellung hinsichtlich Auswahl
und Anordnung des Stoffes sowie der Gedankenführung nicht
deutlich überragt. Dies auch deshalb, weil die bestehenden Spielräume
der Darstellung angesichts der Fragestellung und der Notwendigkeit
herkömmlicher Auswertung von Rechtsprechung und Literatur nicht
groß sind.
Diese Grundsätze führen dazu, dass auch die Ausführungen des Gutachtens
zum unverhältnismäßigen Aufwand iSd § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG
(Ziffer 6, Seiten 108 ff) nicht als durchschnittliches juristisches Gutachtenschaffen
deutlich überragend anzusehen sind. Sie sind daher
nicht vom Urheberrecht geschützt. Dies gilt auch für die Ausführungen
des IFG-Gutachtens auf Seite 110 letzter Absatz I Seite 111 erster
Absatz. Diese Passage formuliert eigenständige Überlegungen zum
Verständnis von § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG als allgemeinen Versagungsgrund
"unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand". Geschützt werden
kann urheberrechtlich nicht ein Gedankeninhalt als solcher, sondern
nur die Art der Gedankenführung und sprachlichen Darstellung. Die
im Gutachten angestellte Überlegung dazu, dass der Verwaltung durch
Zugang zu umfangreichen Dokumentenbeständen unverhältnismäßiger
Aufwand entstehen kann, ist in ihrer Gedankenführung und sprachlichen
Darstellung nicht so weit von dem entfernt, was von einem
durchschnittlichen juristischen Gutachten erwartet werden kann, als
dass eine Monopolisierung der Darstellung mittels Urheberrecht gerechtfertigt
wäre. Gleiches gilt für die eigenständigen Überlegungen
des Gutachtens auf Seite 117, wonach die in der Literatur geforderte
vorbeugende generelle Trennung behördlicher Akten in geheimhaltungs-
und nicht geheimhaltungsbedürftige Teile in der Praxis zu mehr
Verwaltungsaufwand führen würde als eine Aussonderung geheimhaltungsbedürftiger
Aktenteile im Einzelfall.
2.2 Kein vertraglicher Ausschluss einer Herausgabe des Gutachtens
Entgegen der Annahme der Drittbeteiligten verhält es sich nicht so,
dass nach Sinn und Zweck des Gutachtenvertrages die dort in § 7 Abs.
1 dem BMVI eingeräumten Nutzungsrechte es dem BMVI lediglich
ermöglichen sollen, das Gutachten fiir Zwecke der öffentlichen Verwaltung
des Bundes bei der Anwendung des IFG zu nutzen, nicht
aber, das Gutachten einem theoretisch unbegrenzten Personenkreis zur
V erfiigung zu stellen.
Da das Gutachten nicht dem UrhG unterfällt (siehe oben 2.1), kann die
von der Drittbeteiligten angenommene Verwendungsbeschränkung
des Gutachtens auf einen verwaltungsinternen Gebrauch nicht auf die
in § 31 Abs. 5 UrhG verankerte Übertragungszwecklehre gestützt
werden. Nach dieser bestimmt sich, sofern keine ausdrücklichen Regelungen
zum Umfang eingeräumter Nutzungsrechte getroffen wurden,
der Umfang nach dem von beiden Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck.
§ 31 Abs. 5 UrhG soll Urheber vor pauschalen, unangemessen
weitgehenden Rechteeinräumungen schützen.
Auch eine von urheberrechtlichem Schutz unabhängige, nach Sinn
und Zweck des Gutachtenvertrages getroffene Vereinbarung einer
Verwendungsbeschränkung besteht nicht. Das Gutachten hält zwar als
Auftragsgegenstand zutreffend fest, dass es als Handreichung fiir die
IFG-Anwendung (durch die öffentliche Verwaltung) dienen soll (Seite
6 des Gutachtens). Damit ist jedoch der Verwendungszweck nicht
abschließend beschrieben. Denn angesichts der Geltung des IFG, das
zudem gerade Gegenstand des Gutachtens ist, war zumindest dem
BMVI bei Abschluss des Gutachtenvertrages bewusst, dass das Gutachten
Gegenstand eines Anspruchs auf Informationszugang nach dem
IFG werden kann. Hätte das BMVI dennoch vereinbaren wollen, das
Gutachten im Fall von IFG-Anträgen nicht herausgeben zu dürfen, so
läge ein Konflikt einer solchen vertraglichen Regelung mit dem IFG
nahe. Denn sie wäre geeignet, die Möglichkeit zur Versagung von
Informationszugang über die in § § 3 bis 6 IFG aufgefiihrten Schranken
hinaus auszudehnen. Zu einer solchen, über die Versagungsgründe
des IFG hinausgehenden Vereinbarung von Zugangsschranken wird
man das BMVI als nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG grundsätzlich informationsverpflichtete
Behörde nicht befugt ansehen können.
Innerhalb der Zugangsschranken der § § 3 bis 6 IFG würde es sich
zwar bewegen, wenn es sich bei dem Gutachten um eine vertraulich
übermittelte Information im Sinne von § 3 Nr. 7 IFG handeln würde.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn das Eingreifen der Norm setzt eine
ausdrückliche oder sich aus den Umständen ergebende Übereinstimmung
· zwischen Informationsgeber (hier: Drittbeteiligte) und Informationsnehmer
(hier: BMVI) voraus, dass die Information der Öffentlichkeit
nicht zugänglich gemacht wird. Hinzukommen muss ein objektiv
schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse.15) Vorliegend fehlt es
bereits an einer Willensübereinstimmung. Denn BMVI ging davon
aus, dass das Gutachten seinerseits Gegenstand eines IFG-Antrages
und seine Zugänglichmachung nur aus vom IFG anerkannten Gründen
ausgeschlossen werden kann, die wiederum ein objektives Geheimhaltungsinteresse
begründen. Vorliegend einzig erkennbarer Grund eines
objektiven Geheimhaltungsinteresses wären fehlende notwendige urheberrechtliche
Nutzungsrechte des BMVI. Doch diese fehlen zum
einen mangels urheberrechtlicher Schutzfähigkeit des Gutachtens
nicht (siehe oben 2.1), zum anderen würde es im Falle ihres Fehlens
nicht auf § 3 Nr. 7 IFG ankommen, da der speziellere § 6 Satz 1 IFG
als Schranke des Informationszugangs eingriffe.
2.3 Kein überwiegendes Interesse am Schutz personenbezogener
Daten
Das Gutachten weist auf seiner letzten Seite Namen und Unterschriften
seiner Ersteller auf. Der hieraus zu ziehende Schluss, wonach die
Namensträger das Gutachten erstellt haben, ist ein personenbezogenes
Datum im Sinne von § 5 IFG. Bei Herausgabe des Gutachtens die
Namen und Unterschriften nicht zu schwärzen, würde eine Einschränkung
des Rechts der Ersteller auf informationeile Selbstbestimmung
bedeuten. Allerdings ist das Recht auf informationeile Selbstbestimmung
nicht unbeschränkt. Das IFG hat in seinem § 5 Abwägungen
zwischen informationeHern Selbstbestimmungsrecht und Informationsrecht
vorgegeben.
§ 5 Abs. 1 Satz IFG verlangt fiir den Zugang zu personenbezogenen Daten, dass - sofern wie hier die Dritten nicht eingewilligt haben - das Informationsinteresse des IFG-Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegen muss. Typischer Anwendungsfall der Norm ist, dass die informationspflichtige Stelle personenbezogene Daten in Anwendung hoheitlicher Befugnisse erlangt hat. 1 ) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr sind die Ersteller des Gutachtens aufgrund einer freiwillig eingegangenen vertraglichen Bindung der Drittbeteiligten für das BMVI tätig geworden. Dies legt nahe, dass im vorliegenden Zusammenhang die personenbezogenen Daten nicht der Privatsphäre, sondern vielmehr der gegen Eingriffe weniger geschützten Sozialsphäre zuzuordnen sind. Der vorliegende Fall, der nicht dem o. g. Regelfall des § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG entspricht, unterfällt zwar nicht § 5 Abs. 3 IFG, da das Gutachten nicht im Rahmen eines "Verfahrens" im Sinne der Norm angefertigt wurde. Der vorliegende Fall ist jedoch dem Fall des § 5 Abs. 3 IFG angenähert, in dem in der Regel das Informationsinteresse des IFG-Antragstellers überwiegt.
Die Drittbeteiligte hat in ihrer Stellungnahme vom 09.10.2017 fiir die Ersteller des Gutachtens keine Ausfiihrungen zur Schutzbedürftigkeit der personenbezogenen Daten gemacht. Daher ist nicht erkennbar, dass von der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 IFG (Überwiegen des 16) OVG Berlin- Brandenburg, Urt. v. 20.03.2012, 12 B 27.11, Rdn. 26 bei juris. Informationsinteresses des IFG-Antragstellers) abzuweichen ist. Die Unterschriften und Namensangaben der Ersteller des Gutachtens sind daher nicht unkenntlich zu machen.
3. Hinweise
• Eine Übermittlung des Gutachtens an den Antragsteller kann erst erfolgen, wenn dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist.
• Die nachstehende Rechtsbehelfsbelehrung richtet sich neben dem Antragsteller auch an die Drittbeteiligte und die Ersteller des Gutachtens.
[Rechtsbehelfsbelehrung]
Mit freundlichen Grüßen