Stellungnahme des RKI dem BMG zur Forderung nach einer bundesweiten Meldefrist für Lyme-Borreliose vom 08.02.2011
In den Jahren 2007 und 2008 fand am Robert Koch-Institut ein internationales, interdisziplinäres Expertentreffen mit Wissenschaftlern zum Thema „Lyme-Borreliose: Forschungsbedarf und Forschungsansätze“ statt. Siehe auch: http://www.rki.de/cln_109/nn_466802/DE/Content/InfAZ/B/Borreliose/Lyme-Borreliose__Bgbl__1108,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Lyme-Borreliose_Bgbl_1108.pdf und die Veröffentlichung im Bundesgesundheitsblatt. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass die durch Zeckenstiche übertragene, bakterielle Infektionskrankheit Lyme-Borreliose (LB) in den nächsten 10 Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt. Einhellig war die Meinung, dass sich die Kosten durch die LB für das Gesundheitssystem in diesem Zeitraum deutlich erhöhen werden. Insbesondere auf dem Gebiet der Epidemiologie, der Immunologie und der Diagnostik wurden gravierende Forschungslücken ausgemacht.
Die Etablierung einer Surveillance der LB, die in Deutschland und Europa bisher nur unzureichend ist, ist nach Expertenmeinung unumgängliche Voraussetzung für ein besseres Verständnis der Biologie und Klinik der LB. Gegenwärtig, so die Experten, sei die Datenlage zur LB in Deutschland, aber auch in Europa nach Expertenmeinung unzureichend. Zur Einschätzung der epidemiologischen Situation, für die Risikokommunikation und Aufklärung der Allgemeinbevölkerung und für die Implementierung und Evaluierung von Präventionsmaßnahmen sind deutschlandweit erhobene, belastbare Daten notwendig, daher schlagen die Experten eine deutschlandweite Meldepflicht vor.
Eine Ausweitung der Meldepflicht durch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzs (IfSG) hätte den Vorteil, dass repräsentative Aussagen über die geografische Ausbreitung der LB getroffen und langfristige Tendenzen beobachtet werden könnten. Damit stünden Daten zur Verfügung, die notwendig sind, langfristige realistische Gesundheitsziele zu formulieren und Analysen zu Wirkung und Wirksamkeit von Interventionen zu ermöglichen.
In der Roadmap für das Gesundheitsforschungsprogramm der Bundesregierung, das eine Orientierung für zukünftige wichtige Themen der Gesundheitsforschung in Deutschland darstellt, werden Forschungsaktivitäten für die Prävention und Therapie von Infektionskrankheiten als dringend erforderlich angesehen. In diesem Zusammenhang ist bei dem Expertentreffen des RKI zur LB festgestellt worden, dass gerade diese Infektionskrankheit, die als eine besonders public-health relevante Zoonose in Deutschland gilt, bisher nicht die nötige Beachtung gefunden hat und Handlungsbedarf besteht.
In den Richtlinien der EU zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerkrankungen vom 17.11.03 wird die Lyme-Borreliose als eine überwachungspflichtige (d. h. meldepflichtige) Erkrankung je nach epidemiologischer Situation aufgeführt (EU-Amtsblatt L 325, Direktive des EU-Parlaments 2003/99/EC). Aufgrund der bisherigen Datenlage ist davon auszugehen, dass diese „epidemiologische Situation“ in Deutschland gegeben ist.
In den USA ist die LB seit Anfang der 90er Jahre eine meldepflichtige Erkrankung. Auch zahlreiche europäische Staaten haben bereits seit vielen Jahren eine entsprechende Meldepflicht eingeführt. Es ist deshalb in keiner Weise nachvollziehbar, dass dieses Instrument zur Überwachung von Infektionskrankheiten in Deutschland bei der LB nicht bundesweit angewendet wird.
Zuverlässige, epidemiologische Erkenntnisse im Rahmen eines Kontrollsystems (Meldepflicht) sind eine Grundvoraussetzung, um den Gesundheitsbehörden des Bundes, der Länder und der Kommunen, Ärzten, Tierärzten und Krankenhäusern, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie sonstigen Beteiligten als Grundlage für ihre Aktivitäten zur primären und sekundären präventiven Krankheitsverhütung und Prioritätensetzung bei der Diagnose und Therapie zu dienen.
Mit einem Schreiben des RKI vom 9.21.2011 nimmt das RKI zur Einführung einer bundesweiten Meldepflicht wie folgt Stellung: "Die Einführung einer bundesweiten Meldepflicht ist eine gesundheitspolitische Entscheidung, bei der die mit einer Meldepflicht verbundenen Ziele sorgfältig mit den zusätzlichen Belastungen der Meldepflicht abgewogen werden müssen (vgl. Anlage). Die Einführung einer Meldepflicht ist aus Sicht des RKI aus den dort genannten Gründen weiterhin fachlich nicht zu befürworten." In der Anlage argumentiert das RKI u. a. Lyme-Borreliose sei nicht von Mensch zu Mensch übertragbar, so dass keine Maßnahmen des Gesundheitsamtes möglich/erforderlich wären, um eine Weiterverbreitung der Krankheit zu verhindern.
Meine Anfrage:
Warum sind im IfSG grundsätzlich auch nicht von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionen aufgeführt, wie bspw. die Leptospirose und die FSME, die beide meldepflichtig sind? Warum ist FSME meldepflichtig, Lyme-Borreliose nicht?
Des Weiteren argumentiert das RKI, eine nichtnamentliche Meldepflicht für LB würde zwar zusätzliche Daten zur Verbreitung der Krankheit bieten, aus diesen Daten ließe sich aus heutiger Perspektive kein zusätzlicher Nutzen in einem Umfang ziehen, der eine Verpflichtung der Ärzteschaft zur Meldung Erkrankung geboten erscheinen lässt.
Meine Anfrage:
Welchen Nutzen bieten Daten, die durch die Meldepflicht der FSME und der Leptospirose gewonnen werden?
Auf welche Daten/Studien stützt sich das RKI bei der Einschätzung der Inzidenz und Prävalenz der LB in Deutschland?
Anfrage erfolgreich
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Datum10. Dezember 2011
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11. Januar 2012
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Beispiel: "Wir weisen darauf hin, dass die meldepflichtigen Krankheiten nicht vom RKI, sondern durch Parlamentsgesetz oder in Ausnahmefällen durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit bzw. der Landesregierungen bestimmt werden."
???
Die Fachministerien holen zuvor eine Empfehlung seitens des RKI ein. Im Fall der Lyme-Borreliose hat das RKI dem Bundesgesundheitsministerium von der Einführung einer Meldepflicht abgeraten. Das BMG hat prompt keine Meldepflicht für die Borreliose eingeführt, obwohl dies von zahlreichen Experten gefordert und für notwendig erachtet wird.
Nächstes Beispiel: "Die Überwachung der Borreliose gemäß Richtlinie 2003/00/EG zur Überwachung der Zoonosen und Zoonoseerreger bezieht sich auf Tierbestände."
??? Wirklich?
Offenbar handelt es sich 1. um einen Tippfehler, gemeint ist die Richtlinie 2003/99/EG zur Überwachung der Zoonosen etc. und 2. heißt es dort:
(4) ...
a) ihr Vorkommen in der Human- und Tierpopulation sowie in Lebens- und Futtermitteln,
b) Schwere ihrer Auswirkungen auf den Menschen,
c) ihre wirtschaftlichen Konsequenzen für die Tiergesundheit und das Gesundheitswesen
Nachzulesen: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServLexU…
"Ihr Vorkommen in der Tier- und H u m a n p o p u l a t i o n..."
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.