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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Stellungnahmen zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG M-V)

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Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern Nur per E-Mail Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern Alexandrinenstraße 1 19055 Schwerin bearbeitet von: Telefon: Aktenzeichen: III300 i.V./4760-22 (Bitte bei Antwort angeben.) Schwerin, 9. November 2018 Entwurf für ein „Gesetz zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes und weiterer Gesetze“ hier: Ressortanhörung Ihr Schreiben vom 04.10.2018 - Az. II 400d - II-201-15093-2011/173-007 In der Kürze der hier zur Verfügung stehenden Zeit war nur eine kursorische Prüfung des Entwurfs möglich. Hiernach wird wie folgt Stellung genommen: Vorab sei darauf hingewiesen, dass sich in Folge der geplanten Änderungen des SOG gerade für die Amtsgerichte am Sitz der anordnenden Polizeibehörde - also Schwerin, Rostock und Neubrandenburg - aufgrund der neuen Richtervorbehalte und sonstigen notwendigen richterlichen Entscheidungen offensichtlich eine Mehrbelastung durch die Befassung mit u.U. kurzfristig zu entscheidenden und komplexen Fragestellungen ergeben dürfte. In der Gesetzesbegründung findet sich allerdings unter „Vollzugsaufwand bei der Justiz“ dazu lediglich der Satz: „Der zusätzliche personelle Aufwand ist nicht bezifferbar, da die Anzahl der notwendigen unter Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen nicht absehbar ist.“ Damit wird diese Begründung den Pflichtvorgaben der GGO II für Gesetzentwürfe zum Landesrecht nicht gerecht. § 6 Abs. 2 Nr. 3 GGO II verlangt in diesem Zusammenhang u.a. eine Zusammenfassung über die zu erwartenden jeweiligen Kosten für die an der Umsetzung beteiligten Stellen und § 7 Abs. 2 Nr. 1 GGO II die Darstellung der Auswirkungen auf die Ausgaben für die Aushalte des Landes einschließlich der voraussichtlichen vollzugsbedingten Auswirkungen. Hausanschrift: Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern Puschkinstraße 19-21, 19055 Schwerin Postanschrift Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern 19048 Schwerin Telefon: Telefax: E-Mail: 0385 588-0 0385 588-3453 poststelle@jm.mv-regierung.de
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2 Das Justizministerium bittet insofern ausdrücklich darum, dass die Darstellung der Gesetzesfolgen, soweit es seine Zuständigkeit betrifft, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nach § 7 Abs. 1 S. 4 GGO II im Benehmen erfolgt. Im Grundsatz bestehen im Übrigen gegen die geplanten Änderungen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG), des Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes und des Landeskatastrophenschutzgesetzes aus hiesiger Sicht im Grundsatz keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zu einigen angedachten Vorschriften sind allerdings Anmerkungen zu machen: 1) § 25b SOG-E (Gerichtliche Zuständigkeit, Verfahren) Der Anwendungsbereich des § 25b S. 1 SOG-E ist zumindest missverständlich. Hier wird davon ausgegangen, dass die Vorschrift sich auf die in Abschnitt 3 des Gesetzes (Verarbeitung personenbezogener Daten) angeordneten Richtervorbehalte bezieht. Dafür spricht, dass die Gesetzesbegründung im zweiten Satz des ersten Absatzes von den „betroffenen Befugnisnormen“ und der „besseren Lesbarkeit“ spricht. Im geltenden SOG enthält noch jede der betroffenen Befugnisnormen eine Zuständigkeitszuweisung zum Amtsgericht. Eine Zusammenfassung in einer zentralen Vorschrift ist insoweit auch aus hiesiger Sicht sinnvoll. Allerdings könnte der Wortlaut der Vorschrift („Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ist für eine richterliche Entscheidung ...“) dahin missverstanden werden, dass das Amtsgericht auch für den gesamten nachträglichen Rechtsschutz gegen polizeiliche Verwaltungs- und Realakte zuständig sein soll, soweit das SOG nichts anderes regelt. Das würde beispielsweise auch den nachträglichen Rechtsschutz gegen die auf die Generalklausel gestützten Verfügungen betreffen. Dieses Verständnis der Vorschrift könnte dadurch hervorgerufen werden, dass der Wortlaut nicht nur auf Abschnitt 3 des Gesetzes, sondern auf „dieses Gesetz“ insgesamt abstellt und darüber hinaus etwas unklar von „einer richterlichen Entscheidung“ spricht, ohne deutlich zu machen, dass die Vorschrift nachträglichen Rechtsschutz, jedenfalls außerhalb des Abschnitts 3, wohl nicht meint. Hinzu kommt, dass die Gesetzesbegründung im ersten Satz des ersten Absatzes ausführt, bei § 25b SOG-E handele es sich um eine „zentrale Norm zur Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit und des Verfahrens (...)“. Auch hier findet sich also keine Beschränkung auf Abschnitt 3 des Gesetzes. Mit einer Zuweisung des allgemeinen Rechtsschutzes gegen Polizeiverfügungen zu den Amtsgerichten bestünde hier kein Einverständnis. Daher sollte der Anwendungsbereich des § 25b S. 1 SOG-E entsprechend klargestellt werden. Dies könnte etwa durch folgende Formulierung geschehen:
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3 „Für die in diesem Abschnitt geregelten richterlichen Anordnungen ist das Amtsgericht zuständig (...)“. Die Gesetzesbegründung wäre entsprechend anzupassen. In § 25b S. 3 HS. 2 SOG-E ist angeordnet, dass die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat. Diese Regelung ist überflüssig und zu streichen, da Beschwerden nach den §§ 58ff. FamFG regelmäßig keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. Bahrenfuss, FamFG, 3. Auflage 2017, § 58, Rn. 28) und die in § 570 Abs. 1 ZPO genannten Ausnahmen im vorliegenden Zusammenhang offensichtlich nicht greifen. 2) § 26a SOG-E (Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung) Die Begründung zu § 26a Abs. 1 SOG-E führt aus (Auszug): „In Absatz 1 wird zunächst das Verbot der Durchführung einer Maßnahme, die auf die ausschließliche Erhebung kernbereichsrelevanter Daten ausgerichtet ist, verankert (siehe auch Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Bundeskriminalamtsgesetz vom 20. April 2016, Randnummer 125). Ein ausschließlicher Kernbereichsbezug kann vor allem dann vorliegen, wenn die betroffene Person mit Personen kommuniziert, zu denen sie in einem besonderen, den Kernbereich betreffenden Vertrauensverhältnis - wie zum Beispiel engsten Familienangehörigen, Geistlichen, Telefonseelsorgern, Strafverteidigern oder im Einzelfall auch Ärzten - steht. Soweit ein derartiges Vertrauensverhältnis für Ermittlungsbehörden erkennbar ist, dürfen Maßnahmen nicht durchgeführt werden. (…).“ Dagegen lautet der Entwurf der Regelung schlicht: „Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt werden, ist diese unzulässig.“ Obwohl damit erkennbar die Vorschrift des § 100d Abs. 1 StPO übernommen werden soll, könnte es sich für eine bessere praktische Handhabung der Bestimmung und angesichts der Bedeutung des Kernbereichs anbieten, die in der Begründung genannten Merkmale als indizierende Regelbeispiele in den Tatbestand aufzunehmen.
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4 In die Vorschrift des § 33d Abs. 8 SOG-E, die ebenfalls auf den Kernbereich privater Lebensgestaltung abstellt, könnte dann hinsichtlich der näheren Bestimmung der Begrifflichkeit unproblematisch eine Verweisung auf den § 26a Abs. 1 SOG-E eingefügt werden. 3) § 52 SOG-E (Platzverweisung und Wegweisung) In § 52 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SOG-E ist u.a. festgehalten, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Vor dem Hintergrund, dass sich nach § 25b SOG-E das gerichtliche Verfahren vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht insgesamt nach dem FamFG richtet, ist dieser Satzteil zu streichen. 4) § 52a SOG-E (Aufenthalts- und Betretungsverbot) § 52a SOG-E regelt in Ergänzung des § 52 SOG-E das längerfristige Aufenthalts- und Betretungsverbot. Bzgl. § 52a Abs. 2 S. 2 SOG-E - aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage - gilt zunächst das zu § 52 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SOG-E Gesagte; er ist zu streichen. Die erstmalige Anordnung eines Aufenthalts- und Betretungsverbots, das nach § 52a Abs. 5 S. 1 SOG-E nunmehr statt zehn Wochen bis zu drei Monaten dauern kann, erfolgt durch die Leitung der zuständigen Ordnungs- oder Polizeibehörde und nur im Falle der Verlängerung durch ein Gericht. Bei dem Aufenthalts- und Betretungsverbot handelt es sich um eine Freiheitsbeschränkung im Sinne des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG, da jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen gehindert wird, einen ihm faktisch wie rechtlich zugänglichen Ort aufzusuchen, ohne, dass wohl die für eine Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG und den damit verbundenen Richtervorbehalt erforderliche Intensität erreicht wird (vgl. Sachs, Art. 104, Rn. 4f.). Allerdings stellt das Verbot allein schon aufgrund seiner möglichen Dauer einen erheblichen Grundrechtseingriff dar, sodass bereits bei der erstmaligen Anordnung ein Richtervorbehalt vorgesehen werden sollte. Das BVerfG fordert einen solchen zur Sicherung eines effektiven Grundrechtsschutzes bzw. der Verhältnismäßigkeit (vgl. Sachs, Vor Art. 1, Fn. 366 zu Rn. 116 m.w.N.). Ab einem „großen Eingriffsgewicht“, das m.E. vorliegend erreicht wird,… „…reicht es nicht, die Anordnung der Maßnahmen zunächst der Sicherheitsbehörde selbst zu überlassen und die disziplinierende Wirkung wegen des Erfordernisses einer richterlichen Entscheidung erst für deren Verlängerung – möglicherweise auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse – vorzusehen“, so das BVerfG ausdrücklich in seinem Urteil zum BKAG vom 20.04.2016 (Az.: 1 BvR 966/09, Rn. 174).
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5 Andernfalls müsste in der Begründung eine Auseinandersetzung damit erfolgen, warum bei einem solch intensiven Eingriff kein Richtervorbehalt bereits im Rahmen der erstmaligen Anordnung vorgesehen werden soll. Im Rahmen des § 52b SOG-E (Meldeauflage) jedenfalls findet sich auf den Seiten 307/308 im Ansatzpunkt eine Begründung, warum dort ein Richtervorbehalt nachvollziehbarerweise nicht erforderlich ist. 5) § 52b SOG-E (Meldeauflage) In § 52b Abs. 2 S. 3 SOG-E ist festgehalten, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Vor dem Hintergrund, dass sich nach § 25b SOG-E das gerichtliche Verfahren vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht insgesamt nach dem FamFG richtet, ist dieser Satz zu streichen. 6) § 59 SOG-E (Betreten und Durchsuchung von Räumen) In § 59 Abs. 5 S. 4 SOG-E ist ebenfalls festgehalten, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Vor dem Hintergrund, dass sich nach § 25b SOG-E das gerichtliche Verfahren nach dem FamFG richtet, ist dieser Satz ebenfalls zu streichen. 7) § 67a SOG-E (Elektronische Aufenthaltsüberwachung) Nach § 67a Abs. 3 S. 3 Nr. 4 SOG-E darf die Datenverarbeitung im Rahmen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung ohne Einwilligung der betroffenen Person nur erfolgen, soweit dies „zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr“ erforderlich ist. Es fehlt an der Bezeichnung der Rechtsgüter, für die diese Gefahr bestehen muss. § 56 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 BKAG macht hier eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für „Leib, Leben oder Freiheit einer dritten Person“ zur Voraussetzung. Der Entwurf sollte entsprechend ergänzt werden. 8) § 67b SOG-E (Aufenthaltsanordnung) Bzgl. § 67b Abs. 2 S. 2 SOG-E - aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage - gilt zunächst das zu § 52 Abs. 2 S. 3 HS. 2 SOG-E Gesagte; er ist zu streichen. Nach § 67b Abs. 2 S. 1 SOG-E dürfen Maßnahmen nach Abs. 1 (nur) von der Leitung der zuständigen Polizeibehörde angeordnet werden. Lediglich eine Verlängerung steht nach Abs. 4 S. 4 der Vorschrift unter Richtervorbehalt. Auch wenn es sich - wie im Fall des Aufenthalts- und Betretungsverbots - um eine Freiheitsbeschränkung und nicht um eine Freiheitsentziehung handeln dürfte, sollte wegen der Erheblichkeit des Grundrechtseingriffs - anfangs wiederum bis zu drei Monaten Dauer - schon für die erstmalige Anordnung ein Richtervorbehalt vorgesehen werden.
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6 An dieser Stelle gilt das zu § 52a SOG-E Ausgeführte entsprechend. Untermauert wird dieser Befund an dieser Stelle noch durch den Blick in § 55 Abs. 3 S. 1 BKAG, der für den gleichartigen Eingriff der sog. Aufenthaltsvorgabe von Anfang an eine gerichtliche Anordnung verlangt. Andernfalls müsste in der Begründung eine Auseinandersetzung damit erfolgen, warum bei einem solch intensiven Eingriff kein Richtervorbehalt bereits im Rahmen der erstmaligen Anordnung vorgesehen werden soll. Im Rahmen des § 52b SOG-E (Meldeauflage) jedenfalls findet sich auf den Seiten 307/308 im Ansatzpunkt eine Begründung, warum dort ein Richtervorbehalt nachvollziehbarerweise nicht erforderlich ist. Im Auftrag
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