Sehr geehrteAntragsteller/in
Nach Prüfung Ihrer Anfrage kann ich Ihnen nunmehr folgendes mitteilen:
Sie haben sich an die Behörde für Schulentwicklung und Bildung (BSB) gewandt mit dem Antrag, Ihnen sämtliche Stellungnahmen von Schulkonferenzen zum Referentenentwurf des Schulentwicklungsplans (SEPL) 2019 zuzusenden.
Die BSB hat Ihnen zunächst eine Einsichtnahme in die Dokumente in den Räumen der Behörde angeboten, eine elektronische Zusendung aber verweigert. Inzwischen ist die BSB nicht weiter bereit, Ihnen die Dokumente zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen. Sie beruft sich dabei auf den Ausnahmetatbestand nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 HmbTG.
Im Grundsatz steht Ihnen ein Auskunftsanspruch gegen die BSB aus § 1 Abs. 2 HmbTG zu.
Eine Auskunft kann nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 HmbTG abgelehnt werden, wenn sie Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung betrifft, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsfindungen dienen Statistiken, Datensammlungen, Geodaten, regelmäßige Ergebnisse der Beweiserhebung, Auskünfte, Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.
Der Wortlaut des § 6 Abs. 2 Nr. 1 HmbTG entspricht insoweit dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 IFG. Laut dessen Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4493 S. 12) wird der Erfolgs einer Entscheidung vereitelt, wenn die Entscheidung bei Offenbarung der Information voraussichtlich überhaupt nicht oder mit anderem Inhalt oder wesentlich später zustande käme. Eine Erfolgsvereitelung unter zeitlichen Verzögerungsaspekten kann dabei nur angenommen werden, wenn der Erfolgseintritt zeitabhängig ist. Eine schlichte Verzögerung der Entscheidung als solche vereitelt noch nicht unbedingt den Erfolg dieser Entscheidung (vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2016, § 4, Rn. 29).
Ob die Herausgabe einer Information dazu führt, dass der Erfolg der Entscheidung vereitelt wird, ist anhand einer Prognose zu bestimmen. Je schwerer die drohende Beeinträchtigung des behördlichen Entscheidungsprozesses ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Beeinträchtigung zu stellen. Die Befürchtung einer Erfolgsvereitelung ist anhand greifbarer und belegbarer Tatsachen zu darzulegen; bloße Mutmaßungen genügen nicht. Weiter muss die Herausgabe der Information für das Eintreten dieser Erfolgsvereitelung kausal sein (vgl. hierzu Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2016, § 4, Rn. 29-31).
Die BSB führt hierzu aus, dass die Planungsentscheidung zum SEPL auf der Grundlage der Stellungnahmen der Schulkonferenzen getroffen werde, in denen sich die Akteure befinden, die von den Maßnahmen konkret betroffen sind (Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte). In diesen Gremien sei ein geschützter Bereich für den Diskussions- und Entscheidungsprozess enorm wichtig. Es stehe zu befürchten, dass die mit dem Beschluss der Schulkonferenz abgeschlossene schulinterne Debatte durch Druck Einzelner oder bestimmter Gruppen wieder neu geöffnet und der Beschluss revidiert wird.
Ich habe Zweifel, dass dieses Szenario eine Erfolgsvereitelung im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 1 HmbTG darstellt. Ein Aufflammen der schulinternen Debatten erscheint zwar möglich, seine Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess dürften aber überschaubar sein, selbst wenn Beschlüsse einer oder mehrerer Gremien revidiert würden. Denn die Gremien haben in Bezug auf den Schulentwicklungsplan kein Stimmrecht mit der Folge, dass sich bei einer Änderung von Beschlüssen eine Mehrheit verschieben könnte. Sie werden lediglich angehört (§ 54 Nr. 1 HmbSG); eine Entscheidung könnte mithin auch gegen ihr Votum ergehen. Die Tatsache, dass ein Gremium seinen gefassten Beschluss kurzfristig ändert, kann als Indiz gewertet werden, dass es an dieser Schule starke Vertreter unterschiedlicher Meinungen gibt, und auch so in das Gesamtbild mit einfließen. Soweit die Entscheidung über den SEPL sich hierdurch verzögern könnte, ist zu bedenken, dass sie nicht zeitabhängig ist, ihr Erfolg mithin durch eine Verzögerung allein nicht vereitelt würde.
Auch erscheint zweifelhaft, dass die Ablehnung, die Stellungnahmen der Gremien zugänglich zu machen, unter dem Gesichtspunkt des § 6 Abs. 1 HmbTG gerechtfertigt ist. § 6 Abs. 1 HmbTG nimmt die unmittelbare Willensbildung des Senats, Entwürfe, vorbereitende Notizen und vorbereitende Vermerke von der Informationspflicht aus. Dazu gehört auch die Vorbereitung von Senats- und Behördenentscheidungen, die sich vornehmlich in behördenübergreifenden und internen Abstimmungsprozessen vollzieht (Bü-Drs. 20/4466, S. 18).
Die Vorschrift ist Ausfluss der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der ein „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ aus den Informationsrechten des Parlaments, aber auch der Bürger ausgenommen ist. Hintergrund dieser Rechtsfigur ist der Grundsatz der Gewaltenteilung; sie soll gewährleisten, dass die notwendige Kontrolle der Regierung durch Dritte (insbesondere das Parlament) nicht in ein unzulässiges „Mitregieren“ der Kontrollinstanzen umschlägt (vgl. BVerfG, Beschl. V. 30. 3. 2004 - 2 BvK 1/01). Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber der Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen. (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.11.2011, 7 C 3/11, Rn. 30). Die Gefahr einer Beeinträchtigung muss durch die informationspflichtige Stelle anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls nachvollziehbar konkret dargelegt werden können.
Die hier in Rede stehenden Dokumente sind eingebettet in einen Prozess, der letztlich in einer Senatsentscheidung münden wird. Auf der Grundlage des SEPL, den die Behörde unter Berücksichtigung der Stellungnahmen erstellt, wird der Senat im Wege der Rechtsverordnung nach vorheriger (erneuter) Beteiligung der Gremien der betroffenen Schule die einzelnen schulorganisatorischen Maßnahmen regeln (§ 87 Abs. 3 HmbSG). Allerdings sind die Stellungnahmen in diesem Prozess der Senatsentscheidung so weit vorgeschaltet, dass eine Beeinträchtigung der Regierung nach den oben dargestellten Grundsätzen eher fernliegend erscheint. Zu bedenken ist, dass die BSB tatsächlich eine Veröffentlichung der Stellungnahmen im Zeitraum zwischen der Entscheidung über den SEPL und der Befassung des Senats mit den konkreten Maßnahmen plant. Eine öffentliche Diskussion im Vorfeld einer Senatsbefassung auf der Grundlage der Stellungnahmen der Schulgremien ist damit durchaus vorgesehen. Dann erschließt sich aber nicht, warum eine solche Diskussion bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Entscheidungsfähigkeit des Senats beeinträchtigen könnte.
Sie können gegen die Entscheidung der BSB, Ihnen die Informationen nicht zugänglich zu machen, Widerspruch einlegen. In ihrem Widerspruchsbescheid wird die BSB die hier aufgeführten Punkte berücksichtigen müssen. Die BSB erhält eine Kopie dieser Stellungnahme.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen