Sehr geehrter Herr Semsrott,
mit Ihrer E-Mail vom 21. Juni 2016 baten Sie um Übersendung einer
Übersicht, aus der die Zahl der in einem Kalenderj ahr aufgegriffenen
oder abgeschlossenen Einzelfallprüfungen wegen eines
moglichen VerstoBes gegen das Parteiengesetz seit 1999 hervorgeht.
Ihrem Antrag kann auf der Grundlage des IFG nicht entsprochen
werden.
Begründung:
Das IFG findet auf den Deutschen Bundestag nur Anwendung,
soweit offentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrgenomrnen
werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 IFG) und keine Ausschlussgründe
gemäß §§ 3 ff. IFG vorliegen.
Gemäß § 1 Abs. 3 IFG gehen Regelungen über den Zugang zu
arntlichen Inforrnationen in anderen Rechtsvorschriften dem IFG
vor. Unter Rechtsvorschriften sind zunachst Gesetze im formellen
Sinn zu verstehen. Zu diesen gehort auch das nach Artikel
21 Abs. 3 GG geltende Parteiengesetz.
Das Parteiengesetz stellt auch rnit Blick auf die Prüfung moglicher
Verstofie gegen das Parteiengesetz eine abschliefiende Regelung
irn Sinne van§ 1 Abs. 3 IFG dar, dessen Regelungen durch
einen parallelen Informationszugang nach dem IFG sinn- und
zweckwidrig unterlaufen würden.
Das Verhaltnis van speziellem Zugangsrecht und allgemeinem Inforrriationsanspruch
nach dem IFG richtet sich nach dem Gegenstand,
zu dessen Schutz die betreffende Sonderregelung - vorliegend
also die Regelungen nach §§ 23 ff. PartG- dienen (Rossi, IFG,
§ 1 Rn. 109).
Da politische Parteien als Vereinigungen van Bürgern über
Art. 21 GG Grundrechtstrager sind und somit nicht Teil der
Staatsorganisation, besteht für den Gesetzgeber die Erforderlichkeit
einer Abwagung zwischen dem Transparenzinteresse der
Allgemeinheit und dem
Rechtcl.er-Parteien a uf Wahrung der Vertraulichkeit.
Parteien haben insofern einen Sonderstatus, wie
sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der "Staatsfreiheit der
Parteien" ergibt.
Eine Normierung des Ergebnisses dieser Abwagung bezüglich allgemeinen
Transparenzanforderungen ist im Parteiengesetz in den
§§ 23 ff. PartG abschlieBend erfolgt. GemaB dieser Vorschriften
sind die Rechenschaftsberichte der Parteien, die auch Erlauterungen
zu Korrekturen in früher eingereichten Rechenschaftsberichten
enthalten, für die Óffentlichkeit bestimmt. Ein Bericht hierüber
erfolgt wiederum offentlich durch den Bundestagsprasidenten
im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenerfüllung, vgl.
§§ 23 Abs: 2 Satz 3, Abs. 4; 25 Abs. 3 Satz 3 PartG.
Die Transparenzvorschriften des Parteiengesetzes sehen damit
Regelungen vor, die erforderlich sind, um der verfassungsrechtlich
geforderten Transparenzpflicht der Parteien Genüge zu tun.
Sie werden begrenzt durch den ebenfalls verfassungsrechtlich
fundierten Schutz der Parteien, insbesondere vor Ausforschungen
durch die politische Konkurrenz, und die Personlichkeitsrechte
ihrer Mitglieder, insbesondere wenn es sich um Funktionstrager
unterhalb der Landesverbandsebene handelt. Das Parteiengesetz
trifft hinsichtlich der Abwagung dieser Rechtsgüter
eine abschließende Regelung.
So ist der Prasident des Deutschen Bundestages nach § 23 Abs. 4
PartG verpflichtet, alle zwei Jahre über die Entwicklung der Parteienfinanzen
und über die Rechenschaftsberichte der Parteien
Bericht zu erstatten. Dies schlieBt nach § 23 Abs. 3 Satz 2 PartG
die Pflicht ein, über die Ergebnisse seiner Prüfungen zu moglichen
Unrichtigkeiten in Rechenschaftsberichten nach § 23a
PartG zu berichten. VerstüBe gegen das Parteiengesetz bedingen
regelmiiBig auch eine Unrichtigkeit des Rechenschaftsberichts,
wodurch die Berichtspflicht ausgelost wird.
Bei der Erfüllung dieser Berichtspflicht hat der Bundestagspriisident
auch die legitimen Schutzinteressen der politischen Parteien
zu berücksichtigen, etwa indem Sachverhalte typisierend
dargestellt werden. Dies gilt beispielsweise bei Überprüfungsverfahren~
in<ienen sidreine tJnricilttgkeitnicht harnachweisen- -
lassen. Dieses Ermessen des Bundestagsprasidenten, nicht jeden
Einzelfall umfassend offen legen zu müssen, würde durch die
Gewiihrung eines allgemeinen Informationszugangs nach dem
IFG ausgehohlt.
Ferner hat die Verwaltung des Deutschen Bundestages neben der
Prüffunktion eine Beratungsfunktion. Die politischen Parteien
sallen im Rahmen ihrer Rechnungslegungsverpflichtung die Parteienfinanzierungsbehorde
jederzeit zum Umfang ihrer Rechnungslegungsverpflichtung!
zu Korrekturverpflichtungen etc. um
Rat fragen konnen, ohne befürchten zu müssen, dass entsprechender
Schriftverkehr Dritten zuganglich gemacht wird. Insofern
wird erneut auf die Berichte des Prasidenten des Deutschen
Bundestages über Entwicklung der Parteienfinanzen und Rechenschaftsberichte
gemiiB § 23 Abs. 4 PartG verwiesen, in denen jeweils
alle veroffentlichungspflichtigen Angaben enthalten sind.
[Rechtsbehelfsbelehrung]
Mit freundlichen Grüßen