In der Verwaltungsstreitsache
Semsrott, Arne ./. Bundesrepublik Deutschland
- 13 K 7214/17 –
nehmen wir zum Schriftsatz der Beklagten vom 24. November 2017 wie folgt Stellung:
Dem Kläger steht ein Auskunftsanspruch nach dem UIG zu. Die Beklagte „verfügt“ über die begehrten Informationen gem. § 2 Abs. 4 UIG (vgl. dazu unten I.) und der Auskunftsanspruch des Klägers ist hinreichend bestimmt (dazu II.). Entgegen der wiederholten Ausführungen der Beklagten besteht auch keine Bereichsausnahme für die Beklagte, da der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG nicht vorliegt (dazu III.). Schließlich stellt auch der von uns zur Illustration des klägerischen Begehrens auf Seite 7-8 im Schriftsatz vom 27. September 2017 aufgeführte Aktenplan kein aliud zu dem begehrten Verzeichnis dar, so dass es sich auch nicht um eine Klageände-rung handelt (dazu IV.).
I. Verfügen über Umweltinformationen
Dem Kläger steht ein Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 1 UIG zu. Bei den vom Kläger begehrten Informationen handelt es sich um Umweltinformationen im Sinne von § 2 Abs. 3 UIG.
Wenn die Beklagte auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 24. November 2017 ausführt, dass das vom Kläger begehrte Verzeichnis über verfügbare Um-weltinformationen im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UIG selbst keine Umweltin-formation im Sinne von § 2 Abs. 3 UIG darstelle, sondern diese lediglich enthalte, ist dies nicht nachvollziehbar.
Der aus Art. 2 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2003/46/EG übernommene Begriff der Umweltinformation ist grundsätzlich weit auszulegen (BVerwG, Urteil v. 25. März 1999, Az. 7 C 21.98). Von diesem sehr weiten Begriffsverständnis sind daher alle Maßnahmen oder Tätigkeiten umfasst, die lediglich einen gewissen Bezug zur Umwelt aufweisen. Wenn sich der klägerische Anspruch nunmehr auf ein Verzeichnis von Umweltinformationen im Sinne von § 2 Abs. 3 UIG bezieht, so muss denklogisch auch dieses Verzeichnis selbst dem Anspruch aus § 3 Abs. 1 UIG unterliegen. Anderenfalls wäre der Kläger gezwungen, bezüglich jeder einzelnen – ihm mangels Verzeichnisses unbekannten – Umweltinformation einen Anspruch geltend zu machen. Dies kann nicht sachgerecht sein und würde zu einer Aushöhlung des mit dem UIG verbundenen Ziels des vereinfachten Zugangs zu Um-weltinformationen führen.
Die Beklagte „verfügt“ auch über die von dem Kläger begehrten Umweltin-formationen gem. § 2 Abs. 4 UIG. Dies folgt schon aus dem Vortrag der Beklagten selbst, wenn sie auf Seite 3 der Klageerwiderung vom 4. Juli 2017 etwa auf „die Höhe der Abgasemissionen der im BfV eingesetzten Dienst-Kfz“ oder das „Bekanntwerden des Energieverbrauchs des Rechenzentrums“ anführt.
Wenn die Beklagte auf Seite 2-3 ihres Schriftsatzes vom 24. November 2017 darauf abstellt, dass sie lediglich über „Rohdaten“ verfüge und so den An-spruch des Klägers ohne weitere Beschaffungshandlungen nicht ohne un-zumutbaren Aufwand erfüllen könne, geht dies fehl.
Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum UIG unmittelbar ergibt, dient das UIG der Anpassung des nationalen Rechts an die zwingenden Vorgaben der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG (BT-Drs. 15/3406, Seite 11). Weiter heißt es dort:
„Hinsichtlich der Verbreitung von Umweltinformationen sieht die Richtlinie 2003/4/EG bestimmte Mindestvorgaben vor. Diese be-treffen auch die Aufbereitung und Verbreitung von Umweltin-formationen (…)“
In Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/4/EG wiederum wird unmissverständlich ausgeführt:
„Die Mitgliedstaaten ergreifen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Behörden die für ihre Aufgaben relevanten und bei ihnen vorhandenen oder für sie bereitgehaltenen Umweltinformationen aufbereiten, damit eine aktive und syste-matische Verbreitung in der Öffentlichkeit erfolgen kann, insbe-sondere unter Verwendung von Computer-Telekommunikation und/oder elektronischen Technologien, soweit diese verfügbar sind(…)“
Es geht somit entgegen der Ausführungen der Beklagten nicht um eine weitere Beschaffung von Informationen durch die Beklagte. Wie sich aus ihren eigenen Ausführungen ergibt, sind die vom Kläger begehrten Daten bei der Beklagten bereits vorhanden. Eine dem klägerischen Begehren entsprechende Aufbereitung der Umweltinformationen ist Teil des An-spruchs aus § 3 Abs. 1 UIG.
Dass die Beklagte zur Eröffnung der Zugangsart „Übersendung eines Ver-zeichnisses verfügbarer Umweltinformationen“ die entsprechenden Um-weltinformationen zusammenstellen muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Entgegen der Ausführungen der Beklagten ist dieses Zusammenstellen auch keineswegs als Ver- oder Bearbeitung der Informationen einzustufen.
II. Bestimmtheit des Auskunftsanspruchs
Der mit der Klage verfolgte Auskunftsanspruch ist auch bestimmt genug. Bei der Beurteilung der Bestimmtheit des klägerischen Begehrens muss berücksichtigt werden, dass die Beklagte keinerlei Informationen an den Kläger herausgegeben hat. Somit entzieht es sich der konkreten Kenntnis des Klägers, welche Umweltinformationen bei der Beklagten vorhanden sind. Gerade um dieser unbefriedigenden Situation zu begegnen, macht der Kläger den Anspruch aus § 3 Abs. 1 UIG auf Übersendung eines Ver-zeichnisses verfügbarer Umweltinformationen bei der Beklagten geltend.
Auch hier sind wiederum die europarechtlichen Vorgaben zu berücksichti-gen. So heißt es in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/4/EG:
„Ist ein Antrag zu allgemein formuliert, so fordert die Behörde den Antragsteller sobald wie möglich, spätestens jedoch innerhalb der in Absatz 2 Buchstabe a) vorgesehenen Frist, auf, den Antrag zu präzisieren, und unterstützt ihn dabei, indem sie ihn beispielsweise über die Nutzung der in Absatz 5 Buchstabe c) genannten öffentlichen Verzeichnisse unterrichtet (…)“
Eine solche Unterstützung durch die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Stattdessen hat sich die Beklagte in ihrem ablehnenden Bescheid vom 25. Januar 2017, im Widerspruchsbescheid vom 12. April 2017 sowie in der Klageerwiderung vom 4. Juli 2017 jeweils lediglich pauschal darauf berufen, dass sie über kein dem klägerischen Begehren ent-sprechendes Verzeichnis verfüge und darüber hinaus der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG einschlägig sei.
Erst in der Stellungnahme der Beklagten vom 24. November 2017 bringt sie vor, dass der Antrag des Klägers nicht erkennen lasse, zu welchen konkreten Umweltinformationen Zugang gewünscht werde. Dieses Vorgehen überrascht sehr, ist es doch der bisherigen Untätigkeit der Beklagten ge-schuldet, dass der Kläger seinen Informationsanspruch nicht weiter konkre-tisieren konnte.
III. Keine Ausschlussgründe
Es liegen auch nicht der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG vor.
Zwar ist es richtig, dass auf Seite 19 der Gesetzesbegründung zum UIG (BT-Drs. 15/3406) ausgeführt wird, dass ein Informationsanspruch grundsätzlich abzulehnen ist,
„ (…) wenn ansonsten nachteilige Auswirkungen auf bedeutsame staatliche Einrichtungen zu befürchten wären, etwa wenn die Funktionsfähigkeit des Staates durch die Preisgabe von Verfas-sungsschutzdaten bedroht wäre (…)“.
Allerdings heißt es zuvor auf Seite 18 auch:
„Absatz 1 erster Halbsatz UIG n. F. sieht nunmehr vor, dass ein Antrag auf Umweltinformationen grundsätzlich abzulehnen ist, wenn das Be-kanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkung auf die in Absatz 1 Nr. 1 bis 4 UIG n. F. genannten Schutzgüter hätte. Das heißt, es ist eine Prognoseentscheidung über die Auswirkungen des Bekanntgebens zu treffen (…)“
(Hervorhebung nur hier).
Entgegen der Auffassung der Beklagten, zuletzt ausgeführt auf Seite 3-4 ihres Schriftsatzes vom 24. November 2017 reicht es für das Vorliegen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG also gerade nicht aus, dass sich der Auskunftsanspruch auf Verfassungsschutzdaten bezieht. Vielmehr ergibt sich sowohl aus dem Gesetzestext („nachteilige Auswirkungen“) als auch der zuvor zitierten Ge-setzesbegründung („Prognoseentscheidung“) unmittelbar, dass gerade keine Bereichsausnahme für den Verfassungsschutz besteht.
Stattdessen ist stets eine Prognose zu treffen. Diese Prognose muss sich auf die mit der Veröffentlichung verbundenen Auswirkungen und deren Nachteiligkeit erstrecken (Karg, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 18. Edition, Stand: 01.02.2017, § 8 UIG Rn. 19). Es muss daher seitens der informationspflichtigen Stelle die konkrete Besorgnis des Eintritts einer nachteiligen Beeinträchtigung dargelegt werden (OVG Schleswig, Urteil v. 15. September 1998, Az. 4 L 139-98; NVwZ 1999, 670, 674).
Eine solche Prognoseentscheidung hat die Beklagte nicht vorgenommen. Es ist nicht ersichtlich, wie der Zugang zu den begehrten Umweltinformationen nachteilige Auswirkungen für die öffentliche Sicherheit haben könnte. Die Beklagte hat eine solche Beeinträchtigung auch nicht substantiiert dargelegt. Sie hat nicht vorgetragen, inwiefern mit der Veröffentlichung der begehrten Informationen nachteilige Auswirkungen für die öffentliche Sicherheit verbunden wären. Insbesondere die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 12. April 2017, wonach „Rückschlüsse auf die Ausstattung und damit auch Arbeitsweise des Verfassungsschutzes ermöglicht würden“, können in dieser Pauschalität nicht überzeugen und stellen nicht die vom Gesetz geforderte Prognoseentscheidung dar.
IV. Hinweis auf Aktenplan ist keine Klageänderung
Der Hinweis der Beklagten, dass es sich bei dem zur Illustration des klägeri-schen Begehrens auf Seite 7-8 im Schriftsatz vom 27. September 2017 auf-geführten Aktenplan um ein aliud zu dem begehrten Verzeichnis handele, ist schlichtweg falsch. Mit dem Hinweis auf den Aktenplan des BMI hat der Kläger lediglich ein Beispiel dafür gegeben, wie das von ihm begehrte Ver-zeichnis aussehen könnte. Dieser Hinweis war notwendig, weil sich die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt lediglich dahingehend eingelassen hatte, über dem klägerischen Begehren entsprechende Informationen nicht zu verfügen. Die Bezugnahme auf den Aktenplan stellt somit kein aliud, son-dern eine weitergehende Präzisierung des Antrags dar. Damit handelt es sich auch nicht um eine Klageänderung gemäß § 91 VwGO (vgl. dazu, Wolff, in: Posser/ Wolff, 43. Edition, Stand: 01.10.2016, § 91 VwGO, Rn. 13).
V. Verweis auf bisheriges Vorbringen
Im Übrigen verweisen wir zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Klagebegründung vom 17. Mai 2017 sowie auf die Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 27. September 2017.
Zwei beglaubigte Abschriften anbei.