SAARLAND
Ministerium für Inneres, Bauen und Sport
Abteilung D – Polizeiangelegenheiten und Bevölkerungsschutz
Referat D4 – VIII – TR
Anfrage nach dem SIFG - Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen
Sehr geehrter Herr Kempen,
bezüglich Ihrer Anfrage vom 27. Februar 2023 stellen wir Ihnen die in Anlage gestellten Dokumente zur Verfügung und teilen darüber hinaus Folgendes mit:
In den Leitgedanken des aktuellen Studienplans für die Ausbildung zum gehobenen Polizeivollzugsdienst wird als Ausbildungsziel formuliert, dass die Studierenden den Status und die Rolle der Polizei in unserem gesellschaftlichen System erkennen und darüber hinaus in die Lage versetzt werden, durch Ausprägung und Förderung von Verantwortungsbewusstsein sowie von fachlich und sozial kompetentem Verhalten ihr späteres berufliches Handeln an der Werteordnung unserer Verfassung auszurichten.
Mit der Durchführung von Projekten, Übungen sowie verhaltensorientierten Seminaren in den Bereichen Kommunikation, soziale Kompetenz und Konfliktmanagement, gepaart mit Studienfächern wie Berufsethik, Soziologie, Psychologie sowie Staats- und Verfassungsrecht, werden die notwendigen Schlüsselqualifikationen vermittelt und erlernt, um insbesondere im Umgang mit Minderheiten sowie Menschen mit sozialen oder auch medizinischen Problemen sensibel vorzugehen. Dabei werden die Menschenrechte, die Grundrechte nach dem Grundgesetz, allen voran die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sehr intensiv im Fach Staats- und Verfassungsrecht, aber auch fächerübergreifend behandelt.
In diesem Zusammenhang wird insbesondere Bezug genommen auf besonders schutzbedürftige Personengruppen, für die z.B. aufgrund psychischer Erkrankungen ein hohes Maß an Eigengefährdung besteht, die aber auch in besonderer Art und Weise gefährdet sind, Opfer von Straftaten und Verkehrsunfällen zu werden.
Weiterhin wird der Umgang mit Minderheiten, Randgruppen und Einzelpersonen mit Problemen in Seminaren, Projekten und Übungen sowie in den berufspraktischen Studienabschnitten bei den Dienststellen der saarländischen Vollzugspolizei erlernt und gefördert. Die Studierenden werden nachhaltig dafür sensibilisiert, dass die elementaren Grundwerte für alle Gruppen der Bevölkerung in gleicher Weise Geltung haben, insbesondere auch für Menschen, die diesen Grundwerten aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung nur in unzureichendem Maße selbstständig Geltung verschaffen können.
Im Rahmen des allgemein fachlichen Unterrichts erwerben die Studierenden auch im Fach Psychologie wissenschaftliche Kenntnisse aus den Bereichen Kommunikation und Konfliktforschung, auf deren Basis in Verhaltenstrainings situationsgerechtes polizeiliches Verhalten eingeübt werden kann. Sie erfahren, dass Experten eine wachsende Zahl an Menschen mit psychischen Störungen in der deutschen Gesellschaft beschreiben und werden hierfür besonders sensibilisiert. Dies dient sowohl der Eigensicherung als auch der kompetenten Realisierung des jeweiligen gesetzlichen Auftrags.
Im Studienfach Berufsethik reflektieren die Studierenden besondere ethische Herausforderungen innerhalb des sozialen Systems Polizei und entwickeln eigene Positionen zu ausgewählten Fragestellungen. Hierbei werden Erfahrungen des Polizeialltags mit besonderer ethischer Wirkung erörtert, wie z.B. die Begegnungen mit Opfern, der Umgang mit Personen mit besonderen sozialen oder psychischen Problemen und insgesamt mit der gesellschaftlichen Vielfalt.
Die besonderen Gefahrenlagen, in denen sich psychisch kranke Menschen befinden, wenn sie ihr gewohntes Wohnumfeld verlassen, werden intensiv im Studienfach Einsatzlehre erörtert, wenn es z.B. um das Themenfeld „vermisste Personen“ geht. Die Studierenden lernen diesbezüglich effektive Such- und Fahndungsmaßnahmen zur schnellstmöglichen Gefahrenabwehr sowie Meldewege/Anforderungen und die Zusammenarbeit mit beteiligten Stellen und Behörden kennen. Hier ist insbesondere die enge Zusammenarbeit mit den Trägern der Sozialhilfe und den Unterbringungsbehörden zu nennen.
Über die allgemeinen Studienfächer hinausgehend bieten Wahlpflichtfächer die Möglichkeit, den Studierenden aktuelle und für die Polizei wichtige Themen zu vermitteln. Die Studierenden haben dabei nach eigener Wahl jeweils eine solche Veranstaltung pro Fachgruppe zu belegen. Innerhalb der Fachgruppe Polizeiwissenschaften bot bereits mehrfach eine Wahlpflichtveranstaltung „Umgang mit psychisch Kranken“ einen Überblick zum Verwaltungshandeln und zu einzelnen Problemstellungen in der Praxis in diesem Themenbereich.
Darüber hinaus bearbeiteten Studierende bereits in Form der zu erstellenden Diplomarbeiten Probleme und Fragen aus der polizeilichen Praxis im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen wissenschaftlich unter Anleitung von Dozentinnen und Dozenten der FHSV, z.B. unter den nachfolgend aufgeführten Themenstellungen:
* Die Unterbringung psychisch kranker Menschen - Grenzen der polizeilichen Möglichkeiten
* Der Umgang mit psychisch erkrankten Menschen - Ein vermehrt auftretendes und facettenreiches Phänomen im beruflichen Alltag von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten
* Rechtliche und praktische Problemstellungen für die Polizei bei der Unterbringung psychisch kranker Personen nach dem Saarländischen Unterbringungsgesetz
* Der psychisch auffällige Mensch - erkennen, beschreiben und einordnen von psychopathologischen Symptomen im Kontext täglicher Polizeiarbeit
* Professioneller Umgang mit psychisch Kranken im polizeilichen Alltag; Krankheitsbilder (Erscheinungsformen), geeignete Kommunikationsstrategien, Ist-Stand und Optimierungsbedarf
* Schizophrenie - Klinische Klassifikation, sowie der Umgang mit psychisch Kranken im polizeilichen Dienst
* Der Umgang mit psychisch Kranken exemplifiziert an der Persönlichkeitsstörung Schizophrenie - Eine Analyse polizeilichen Handelns
* Ausgesuchte polizeirechtliche Möglichkeiten der Freiheitsentziehung und -beschränkung unter besonderer Betrachtung der Problematik erlaubter/nicht erlaubter Selbstgefährdung und der Unterbringung psychisch kranker Personen
Im jährlichen Fortbildungsprogramm des Geschäftsbereichs Polizeiliche Fortbildung der Fachhochschule für Verwaltung (FHSV) wird regelmäßig das Fortbildungsseminar „Der polizeiliche Umgang mit psychisch Kranken und Süchtigen“ angeboten und jeweils in Zusammenarbeit mit der MEDIAN Klinik Berus – Fachkrankenhaus für Psychotherapie und Psychosomatik - durchgeführt. Zielgruppe sind hier alle Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landespolizeipräsidiums.
Dieses Fortbildungsseminar besteht aus zwei zusammenhängenden Modulen. Modul 1 wird an der FHSV als theoretische Präsenzveranstaltung durchgeführt und von einem hauptamtlichen Lehrbeauftragten der FHSV geleitet. Es folgt im Modul 2 ein Praxistag in der MEDIAN Klinik Berus. Dort wird der hauptamtliche Lehrbeauftragte der FHSV durch einen leitenden Arzt der Klinik Berus als Gastreferent unterstützt. Verpflichtende Fortbildungsveranstaltungen hinsichtlich des Einsatzes mit psychisch kranken Menschen gibt es nicht, da die Lehrinhalte im Rahmen des Studiums und der Fortbildung integriert sind.
Neben den in Anlage gestellten Unterlagen sind die darüber hinausgehenden Dokumente als Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD) - eingestuft und konnten bei der Auskunftserteilung nicht berücksichtigt werden.
Mit freundlichen Grüßen