Sehr geehrter Herr Semsrott,
Ihr Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ist am 13. Mai 2019 im Bundesministerium der Finanzen (BMF) eingegangen und wird im Referat VB 5 unter dem o. g. Geschäftszeichen bearbeitet.
Mit Ihrem IFG-Antrag bitten Sie um Übersendung von
"Informationen zu sämtlichen Sitzungen des BMF und den obersten Landesbehörden im Jahr 2018, insbesondere sämtliche vorbereitenden und nachbereitenden Sitzungsunterlagen, einschließlich Protokollen und Unterlagen über Sitzungsergebnisse [sowie} sämtliche Unterlagen des schriftlichen Verfahrens".
Wie Sie mit E-Mail vom 9. Juli 2019 mitteilen, sollen diese "Unterlagen" ausschließlich" die Themen Cum/Ex und Cum!Cum" betreffen.
Über Ihren Antrag entscheide ich nach § 1 Absatz 1 Satz 1 IFG wie folgt:
I. Ihren Antrag lehne ich ab.
II. Dieser Bescheid ergeht gebührenfrei.
Begründung:
§ 1 Absatz 1 Satz 1 IFG gewährt gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Was eine amtliche Information ist, regelt § 2 Nummer 1 IFG. Danach ist eine amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Der Anspruch auf Informationszugang besteht jedoch nur für die bei der jeweiligen Behörde vorhandenen Informationen bzw. Akten. Einen
Anspruch auf Informationsbeschaffung vermittelt das IFG hingegen nicht.
Die angeforderten Dokumente werden von Ihnen zunächst nur durch den Umstand definiert, dass diese im Jahr 2018 im Zusammenhang mit einer beliebigen Sitzung zwischen BMF und den obersten Landesbehörden entstanden sind, sowohl aus Anlass einer Sitzung oder in einem schriftlichen Verfahren. Die Organisationsform des Anlasses, aus dem Dokumente entstanden sein können, reicht jedoch nicht aus, um diese Dokumente als Antragsgegenstand im Sinne
des IFG zu bezeichnen.
Es fehlt Ihrem IFG-Antrag an einem "Vorgangsbezug" im Sinne des§ 2 Nummer 1 Satz 2 IFG. Für diesen muss ein Zusammenhang zwischen der begehrten Information und einem konkreten Verwaltungsvorgang bestehen (so auch: VG Ansbach, Urteil vom 27. Mai 2014-Aktenzeichen AN 4 K 13/01194; VG Chemnitz, Urteil vom 26. März 2014- Aktenzeichen 5 K 1237/13, BeckRS 2015, 42554, beck-online). Daher nimmt auch§ 2 Nummer 1 IFG Daten außerhalb eines Verwaltungsvorganges vom Informationszugangsanspruch aus. Daran
ändert auch nichts, dass Sie zusätzlich ein allgemeines Thema "Cum/Ex und Cum/Cum" vorgeben, denn zunächst einmal müssten sämtliche Sitzungsunterlagen bzw. sämtliche Unterlagen des schriftlichen Verfahrens, die in irgendeinem Zusammenhang mit einer Sitzung zwischen BMF und den obersten Landesbehörden entstanden sind, ermittelt werden. Erst an Seite
3 schließend könnten die so ermittelten Dokumente auf einen inhaltlichen Bezug zu dem von Ihnen vorgegebenen Thema untersucht werden.
Wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, hat eine erste Abstimmung mit den Fachreferaten des BMF ergeben, dass ein einheitlicher Vorgang "Unterlagen zu Sitzungen des BMF und den obersten Landesbehörden im Jahr 2018" nicht vorhanden ist. Entsprechend gibt es keinen einheitlichen Vorgang, in welchem diese Sitzungsunterlagen zum Themenkomplex "Cum/Ex und Cum/Cum" verwaltet werden.
Erst durch die abschließende Bearbeitung Ihres IFG-Antrages würde ein Vorgang "Unterlagen zu Sitzungen des BMF und den obersten Landesbehörden im Jahr 2018, die irgendeinen Bezug zum Thema "Cum/Ex und Cum/Cum" aufweisen, generiert werden. Dies ist nach hiesigem Verständnis des IFG nicht geschuldet.
Der Vorgangsbezug hat erhebliche praktische Relevanz: Erst durch diesen ist eine sinnvolle automatisierte Recherche möglich. Eine Schlagwortsuche nach Teilen des von Ihnen vorgegebenen Themas "Sitzungen des BMF und den obersten Landesbehörden" dürfte, wenn überhaupt, ein sehr unvollständiges Bild des tatsächlichen Aktenbestandes liefern. Das ist darauf zurückzuführen, dass die hiesigen Akten nicht nach den von Ihnen gesetzten allgemeinen Kriterien angelegt worden sind. Deshalb müsste zunächst versucht werden, die von Ihnen vorgegebenen Merkmale von Dokumenten in einen konkreten Bezug zu einem Arbeitsvorgang zu setzen. Das aber ist nicht möglich.
Dabei bitte ich ferner zu bedenken, dass allein das Dokumentenmanagementsystem (DOMEA) gegenwärtig mehr als 14 Millionen Dokumente in mehr als 2,5 Millionen Akten oder Vorgängen umfasst. Diesen werden monatlich durchschnittlich über 70.000 neue Dokumente zugeordnet. Allein für das Jahr 2018 wären damit ca. 1.000.000 Dokumente potentiell betroffen.
Die Suche nach den von Ihnen bezeichneten Dokumenten müsste also in erster Linie händisch erfolgen. Wegen der engen Beziehungen des Bundes zu den Ländern (dort regelmäßig den obersten Landesbehörden) könnte von den mehr als 160 Arbeitseinheiten aller Abteilungen des BMF nur ein Teil von vornherein ausgeschlossen werden, und zwar nur deshalb, weil unterstellt werden müsste, dass diese Arbeitseinheit keinen fachlichen Bezug zum Themenkomplex "Cum/Ex und Cum/Cum" hat. In allen verbliebenen Einheiten müsste dann eine
Prüfung Vorgang für Vorgang, ggf. "Blatt für Blatt" - oder, soweit Akten elektronisch geführt werden, "Seite für Seite" - durchgeführt werden. In dieser gewaltigen Dokumentenmenge muss zunächst ein inhaltlicher Bezug zu Bund-Länder-Sitzungen oder sonstigen Abstimmungen identifiziert werden. Anschließend müsste dann noch das Vorhandensein des zweiten Suchkriteriums "Cum/Ex und Cum/Cum" überprüft werden. Alle betroffenen Dokumente müssten anschließend auf das Vorhandensein etwaiger Ausschlussgründe nach § § 3, 4 IFG
bzw. Drittbeteiligungserfordernisse nach§§ 5, 6 IFG untersucht werden. Dabei steht bereits jetzt fest, dass ein Großteil der von Ihnen begehrten Sitzungsunterlagen-bereits seinem Wesen nach- der Vertraulichkeitsregelung des§ 8 Geschäftsordnung zur Regelung der Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern nach§ 21a Absatz 1 FVG (GO-Bund/Länder) unterliegen. In dieser GO ist die Zusammenarbeit des BMF mit den obersten Finanzbehörden
der Länder geregelt. Das von Ihnen vorgegebene Thema "Cum/Ex und Cum/Cum" dürfte zumindest weit überwiegend in diesen Bund-Länder-Gremien besprochen worden sein. Nach § 8 sind die Sitzungen der Gremien nicht öffentlich. Die Sitzungsunterlagen, -protokolle und Unterlagen über Sitzungsergebnisse sind grundsätzlich nur für den Dienstgebrauch und nicht
zur Weitergabe an Empfänger außerhalb der Finanzverwaltung bestimmt. Dies gilt auch für die Unterlagen des schriftlichen Verfahrens. Außerdem werden umfangreiche Abstimmungen mit betroffenen Ländern erforderlich. Anschließend müssten die geheimhaltungsbedürftigen Informationen dann aufwändig von den zugänglich zu machenden Informationen separiert werden. Wie Sie sich vorstellen können, wäre der Aufwand zur Durchführung all dieser Schritte immens und widerspricht damit dem in § 7 Absatz 2 IFG normierten Gedanken der
Verhältnismäßigkeit Insoweit hat auch das BVerwG ausdrücklich eine Interpretation des § 7 Absatz 2 IFG als Schutzvorschrift bejaht (BVerwG BeckRS 2016, 46247; BeckOK InfoMedienR/Sicko, 24. Ed. 1. Mai 2019, IFG § 7 Rn. 54). Dabei rekurriert das BVerwG aufdas Verhältnis des technisch-organisatorischen Aufwandes zum Erkenntnisgewinn und hält fest, dass eine Teilstattgabedann
wegen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes ausscheidet, "wenn die
Erfüllung des Teilanspruches einen im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn des Anspruchstellers und der Allgemeinheit unvertretbaren Aufwand an Kosten oder Personal erfordern würde oder aber auch bei zurnutbarer Personal- und Sachmittelausstattung sowie unter Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten die Wahrnehmung der vorrangigen Sachaufgaben der Behörde erheblich behindern würde" [vgl. VGH Kassel BeckRS 2014, 48106; VG Berlin
NVwZ-RR 2002, 810 (812), BeckOK InfoMedienR/Sicko, 24. Ed. 1. Mai 2019, IFG
§ 7 Rn. 55a]. Wie dargestellt, wächst durch den fehlenden Vorgangsbezug der zur Erfüllung Ihres Teilanspruches erforderliche Umfang des Verwaltungsaufwandes auf ein extrem hohes Maß an. Dieser Aufwand steht in keinerlei Verhältnis zum Erkenntnisgewinn Ihrerseits oder auch der Allgemeinheit: Ihr Antrag betrifft nicht einmal einen identifizierbaren· Vorgang.
Ein Erkenntnisstreben, das allein auf die Tatsache von Bund-Länder-Sitzungen abstellt, ohne diese näher zu spezifizieren, erfolgt ins Blaue hinein und rein spekulativ. Ein ggf. zufälliger, jedenfalls nicht vorab spezifizierbarer Erkenntnisgewinn stünde in krassem Missverhältnis zu dem erforderlichen Verwaltungsaufwand. Wie dargestellt, wäre ein Großteil der Unterlagen
gemäߧ 3 Nummer 4 IFG i. V. m. § 8 der GO-Bund/Länder vom Informationszugang ausgenommen.
Damit wird deutlich, dass der zur Erfüllung Ihres Teilanspruchs erforderliche
Aufwand im Verhältnis zu Ihrem Erkenntnisgewinn einen unvertretbaren Aufwand an seites Personal erfordern würde und die Wahrnehmung der vorrangigen Sachaufgaben, insbesondere in den Abteilungen IV und VII des BMF erheblich behindern würde. Dabei bitte ich auch zu berücksichtigen, dass hier jährlich mehrere hundert IFG-Anträge bearbeitet werden.
Insgesamt wird deutlich: Ihr Antrag ist nicht gerichtet auf den Zugang zu vorhandenen amtlichen Informationen im Sinne des§ 2 Nummer 1 IFG, sondern auf eine lnformationssuche, Informationsauswertung und Informationsaufbereitung und damit auf eine Informationsbeschaffung. Dieser Bescheid ergeht als einfache Auskunft gemäß § 10 Absatz 1 Satz 2 IFG gebührenfrei.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Bundesministerium der Finanzen, Wilhelmstraße 97, 1 011 7 Berlin, Widerspruch erhoben werden.
Mit freundlichen Grüßen