Verstoßen die Strafverfolgungsorgane in Baden-Württemberg bei einem Gelegenheitskonsum von geringen Mengen an Cannabis gegen das Übermaßverbot?
Verstoßen die Strafverfolgungsorgane in Baden-Württemberg bei einem Gelegenheitskonsum von geringen Mengen an Cannabis gegen das Übermaßverbot?
Fragen an das Justizministerium:
a) Teilen Sie meine Schlussfolgerungen in Nr. 4 unten, dass die Strafverfolgungsorgane in Baden-Württemberg bei einem Gelegenheitskonsum von geringen Mengen an Cannabis gegen das Übermaßverbot verstoßen?
b) Falls nein, bitte ich um eine Begründung, an welcher Stelle ein Fehler in der Argumentation ist.
c) Falls ja: Wann und wie wird das JuM auf eine Änderung der gelebten Einstellungspraxis zu § 31a BtMG bei einem Gelegenheitskonsum von geringen Mengen an Cannabis hinarbeiten?
----------------
Begründung
1. Dritter Leitsatz des BVerfG im "Cannabis-Urteil" von 1994
Quelle: http://www.bverfg.de/e/ls19940309_2bvl004392.html
Zitat (mit Fokus auf dem letzten Satz):
"Soweit die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes Verhaltensweisen mit Strafe bedrohen, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabisprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, verstoßen sie deshalb nicht gegen das Übermaßverbot, weil der Gesetzgeber es den Strafverfolgungsorganen ermöglicht, durch das Absehen von Strafe (vgl. § 29 Abs. 5 BtMG) oder Strafverfolgung (vgl. §§ 153 ff. StPO, § 31a BtMG) einem geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat Rechnung zu tragen. In diesen Fällen werden die Strafverfolgungsorgane nach dem Übermaßverbot von der Verfolgung der in § 31a BtMG bezeichneten Straftaten grundsätzlich abzusehen haben.
2. Praxis der Strafverfolgungsorgane (Staatsanwaltschaften und im Sinne des §31a, Absatz 2 BtMG auch Strafgerichte) in Baden-Württemberg
Quelle:
Antwort des Justizministeriums (JuM) vom 8.6.2017 auf eine Anfrage des FDP-MdLs Nico Weinmann (et al.) im Umfeld §31a BtMG:
http://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/2000/16_2080_D.pdf
Zitat (als Teil der Antwort zu Frage 7, mit dem Fokus auf die Worte ‘im Jahresabstand’):
"Wenn keine Anhaltspunkte für Dauerkonsum vorliegen und auch sonst keine Straftaten begangen wurden, kann eine Einstellung gem. § 31a BtMG im Jahresabstand auch mehrfach erfolgen."
3. Gelegenheitskonsum
Zitat aus der in Nr. 2 genannten Antwort des JuM auf Frage 2:
"Nach verbreiteter Ansicht wird es für sachgerecht gehalten, die Grenze für den Gelegenheitskonsum i. S. d. §29 Abs.5 BtMG bei einem Konsum von einmal pro Monat anzusetzen."
Diese Grenze gilt dann auch im Sinne des neueren §31a BtMG.
4. Konsequenzen
Aus Nr. 2 und Nr. 3 ergeben sich:
Die Strafverfolgungsorgane in Baden-Württemberg stellen bei einem Gelegenheitskonsum von geringen Mengen an Cannabis, d.h. bei einem Konsum einmal pro Monat mit dem entsprechenden Besitz einer geringen Menge und entsprechenden Verfahren innerhalb eines Jahres, nicht wiederholt ein.
Die Leitlinie ‘grundsätzlich einstellen’ aus Nr. 1 und die gelebte Praxis ‘nur im Jahresabstand einstellen’ aus Nr. 2 stehen im direkten Widerspruch.
Damit verstoßen die Strafverfolgungsorgane in Baden-Württemberg bei einem Gelegenheitskonsum von geringen Mengen Cannabis gegen das Übermaßverbot.
Anfrage abgelehnt
-
Datum25. Juli 2017
-
24. August 2017
-
Ein:e Follower:in
Ein Zeichen für Informationsfreiheit setzen
FragDenStaat ist ein gemeinnütziges Projekt und durch Spenden finanziert. Nur mit Ihrer Unterstützung können wir die Plattform zur Verfügung stellen und für unsere Nutzer:innen weiterentwickeln. Setzen Sie sich mit uns für Informationsfreiheit ein!