(Text aus PDF, siehe auch Original)
Sehr geehrter Herr Papenberg,
lhren Antrag auf Erteilung von lnformationen nach dem IFG NRW lehne ich ab. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.
Beqründunq:
l.
Mit E-Mail vom 2. März 2012 beantragen Sie Aktenauskunft nach § 1 IFG NRW über die Verteilung von Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr an die einzelnen Verkehrsunternehmen nach § 45a Personenbeförderungsgesetz (PBefG) im Zeitraum vom Jahr 2000 bis zum Jahr
2011 (zumindest jedoch für das Jahr 2010). Hierzu erbitten Sie eine detaillierte Liste, für welche Anträge wie viel Geld an welches Verkehrsunternehmen gezahlt wurde.
Il:
lhr Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
Nach § 4 Absatz 1 IFG NRW sind Sie als natürliche Person anspruchsberechtigt. Der Antrag konnte auch in elektronischer Form gestellt werden, vgl. § 5 Absatz 1 Satz2lFG NRW. Er ist hinreichend bestimmt und lässt erkennen, auf welche lnformationen - eine detaillierte Liste aller Gelder, die aufgrund von § 45 a PBefG an die Verkehrsunternehmen gezahlt wurden - er gerichtet ist. Das lnformationsinteresse muss durch den Antragsteller auch nicht näher begründet werden.
Nach § 4 Absatz 1 IFG NRW besteht ein Anspruch jedoch nur auf vorhandene amtliche lnformationen. Bei vorhandenen amtlichen lnformationen handelt es sich um lnformationen, die bei ordnungsgemäßer Aktenführung Bestandteil des Vorgangs sind (vgl. Verwaltungsvorschriften zum Bundesinformationsfreiheitsgesetz). Die von lhnen erbetenen lnformationen liegen dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr (MWEB\I/V)jedoch nicht vor. Zwar handelt es sich bei den Mitteln, die die Verkehrsunternehmen erhalten, um Landesmittel. Bis zum 31.12.2010 wurden die Ausgleichszahlungen für den Ausbildungsverkehr nach § 45 a PBefG jedoch durch die fünf Bezirksregierungen auf Antrag an die Verkehrsunternehmen ausgezahlt. Eine Meldung an das MWEBWV über die einzelnen bewilligten Anträge der Verkehrsunternehmen durch die Bezirksregierungen war nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich, so dass dem MWEBWV auch keine Liste über die in den letzten Jahren bewilligten Anträge vorliegt. Seit dem 01.01.2011 werden die Ausgleichszahlungen für den Ausbildungsverkehr nicht mehr nach § 45a PBefG verteilt, sondern gemäß § 11 a des Gesetzes über den öffentlichen Personenverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW). Hierbei zahlt das Land den ÖPNV-Aufgabenträgern (gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 ÖPNVG NRW die Kreise und kreisfreien Städte, sowie einzelne kreisangehörige Städte) eine Pauschale. 87,5 o/o der Pauschalmittel sind nach einem festen Verteilungsschlüssel an die in lhrem Gebiet tätigen Verkehrsunternehmen, die einen Antrag stellen, auszuzahlen, vgl. § 11 a Absatz 2 ÖPNVG NRW. 12,5 o/o der Pauschalmittel stehen den Aufgabenträger nach eigenem Ermessen zum Zwecke des Ausbildungsverkehrs zur Verfügung, vgl. § 11 a Absatz 3 ÖPNVG NRW. Eine Meldung der einzelnen bewilligten Anträge der Verkehrsunternehmen an das MWEBWV findet auch nach neuem Recht nicht statt.
Die Anteile der Aufgabenträger an den Landesmitteln lassen sich den Veruiraltungsvorschriften zum ÖptlVC NRW entnehmen. Diese sind für jedermann in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen (2.8. dem lnternet) zugänglich, so dass ein Anspruch auf diese lnformationen gemäß § 5 Absatz 4 IFG NRW ebenfalls nicht besteht.
Auch eine Weiterleitung lhres Antrages an die zuständigen Behörden (mithin bis 2O1O die Bezirksregierungen, ab 2011 die ÖPNV-Aufgabenträger) würde zu keinem anderen Ergebnis führen.
Eine detaillierte Liste aller Anträge in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2000 bis 2011 ist auch bei den Bezirksregierungen und den Aufgabenträgern nicht verfügbar. Diese verfügen höchstens über Listen zu den von lhnen gewährten Ausgleichsansprüchen an die einzelnen in lhrem Bereich fah renden Verkehrsu nternehmen.
Eine Veröffentlichung dieser Daten scheitert jedoch am Ausschlusstatbestand des § B IFG NRW, da es sich bei den Ausgleichszahlungen für den Ausbildungsverkehr um ein Geschäftsgeheimnis der Verkehrsunternehmen handelt.
Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes lnteresse hat (BVerwG, Besch/uss v. 08.02.2011, Az.: BVenuG 20 F 13.10, Rn.: 17; Erlass des lnnenministerium NRW vom
08.09.2006 S. 6; Kloepfer, Rechtsgutachten zum lnformationsfreiheitsgesetz und Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Juni 2011 , S. 16). Berechtigte lnteressen sind dabei vor allem wirtschaftliche und wettbewerbliche lnteressen (BVerwG, Besch/uss v. 08.02.2011, Az.: BVerwG 20 F 13.10, Rn.: 17; Erlass des lnnenministerium NRW vom 08.09.2006, S. 7) Aus der von lhnen angeforderten Liste soll sich auch die Höhe und unternehmensspezifische Verteilung der Ausgleichszahlungen für den Ausbildungsverkehr ergeben. Diese lnformation ist bisIang nur einem beschränkten Personenkreis bekannt, mithin nicht offenkundig.
Die Verkehrsunternehmen haben bezüglich der erhaltenen Ausgleichszahlungen auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse.
Die Ausgleichsleistungen bilden für die Verkehrsunternehmen eine wichtige Kalkulationsgrundlage. Sie gehören vor allem für die eigenwirtschaftlichen Unternehmen neben den Fahrgeldeinnahmen für den öffentlichen Linienverkehr zu den einzigen Einnahmequellen. Kalkulationsgrundlagen von Unternehmen sind grundsätzlich geheimhaltungsbedürftig, da ihr Bekanntwerden sich grundsätzlich negativ auf die Stellung der Unternehmen im Wettbewerb auswirkt (VertGH NRW, Urteil vom 19.08.2008, Az.: VerfGH 7/07, Rn.: 259). Dies ist auch hier der Fall. Aus den lnformationen über die Höhe der Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr lässt sich die Rentabilität einzelner Linien errechnen. Kommen im Genehmigungswettbewerb konkurrierende Unternehmen an lnformationen über die Höhe der Ausgleichszahlungen, die das vorhandene Unternehmen erhält, würde dies zu einem Wettbewerbsnachteil für die vorhandenen Verkehrsunternehmen führen.
Die nach § 8 IFG NRW erforderliche lnteressenabwägung hat ergeben, dass im vorliegenden Fall das Geheimhaltungsinteresse der Verkehrsunternehmen dem I nformationsinteresse der Allgemeinheit vorgeht, mithin kein überwiegendes lnteresse der Allgemeinheit an der Gewährung des lnformationszugangs besteht.
Das Informationsinteresse der Allgemeinheit besteht zum Zweck der Kontrolle staatlichen Handelns und der Transparenz staatlichen Handelns. Daher kann man in den Fällen, in denen öffentliche Gelder eingesetzt werden oder durch öffentliche Stellen vertragliche Verpflichtungen eingegangen wurden, zwar grundsätzlich davon ausgehen, dass das I nteresse der Allgemeinheit an diesbezüglichen lnformationen übenruiegt (Erlass des lnnenministerium NRW vom 08.09.2006, S. 7).
Das Bedürfnis der Kontrolle staatlichen Handelns besteht dabei jedoch vor allem bei Ermessensentscheidungen zu staatlichen Leistungen, Subventionen oder öffentlich-rechtlichen Verträgen. Bei den Ausgleichsansprüchen für den Ausbildungsverkehr handelt es sich nach altem Recht und nach neuem Recht jedoch um ein gebundenes Verwaltungshandeln, vgl. § 45 a PBefG, § 11 a Absatz 2 ÖPNVG NRW. Den geleisteten Ausgleichszahiungen stehen konkrete und zurechenbare Leistungen der Verkehrsu nternehmen gegenüber. Die Voraussetzu ngen für die Verteilung der Ausgleichsleistungen an die Verkehrsunternehmen lassen sich deutlich den Gesetzen entnehmen, so dass das Allgemeininteresse an der Kontrolle staatlichen Handelns zurücktritt.
Es ist auch nicht erkennbar, wozu die unternehmensspezifische Verteilung der Ausgleichszahlungen für das berechtigte öffentliche lnteresse an Transpatenz und Kontrolle beitragen kann. Ein so weit reichender, die lnteressen Dritter berührender lnformationsanspruch wird insbesondere vor dem Hintergrund des möglichen großen wirtschaftlichen Schadens als nicht angemessen angesehen. Verliert ein Unternehmen infolge der Bekanntgabe der lnformationen über die Höhe der Ausgleichsleistungen im späteren Genehmigungswettbewerb eine Liniengenehmigung, kann dies für das Unternehmen zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden führen.
Als milderes jedoch gleich geeignetes Mittel, um das lnteresse der Allgemeinheit an lnformationen über die Verteilung der Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr zu bedienen, lassen sich sehr detaillierte lnformationen aus dem ÖPNVG NRW, sowie den Venrualtungsvorschriften ziehen. Wie oben dargestellt ergibt sich aus § 11 a ÖPNVG NRW nicht nur die Höhe der Landesmittel für das Jahr 2011 (100 Mio. €) sowie ab dem Jahr 2012 (130 Mio. €), sondern auch der genaue Verteilungsschlüssel und die Voraussetzungen, die die Verkehrsunternehmen erfüllen müssen, um einen Ausgleich zu erhalten.
Zudem besteht, sofern Sie weiterhin lnteresse daran haben, die Möglichkeit, lhnen eine Auflistung der insgesamt vom Land Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren für Ausgleichszahlungen im Ausbildungsverkehr geleisteten Mittel preiszugeben.
Da es nach der neuen Regelung des § 11 a ÖPNVG NRW offen ist, welcher konkrete Anteil der vom Land erhaltenen Pauschalmittel durch die Aufgabenträger an die Verkehrsunternehmen weitergegeben werden (zwischen 87,5 % und 100 % der Pauschalmittel), könnte auch über diese lnformation ein Auskunftsinteresse bestehen. Auch diese lnformationen können ohne Eingriff in die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter weitergegeben werden. Hierbei weise ich Sie jedoch darauf hin, dass diese lnformation dem Ministerium ebenfalls nicht vorliegt. Diese lnformation mussten Sie jedoch von den ÖplttV-Rufgabenträgern erhalten können.
Die Gebührenentscheidung ergeht aufgrund von § 11 Absatz 1 Satz 2 IFG NRW.
RechtsbeheIfsbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage bei dem Venrualtungsgericht Münster, Piusallee 38, 48147 Münster, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Falls die Frist durch das Verschulden eines von lhnen Bevollmächtigten versäumt werden sollte, würde dessen Verschulden lhnen zugerechnet werden.
Neben der Beschreitung des Rechtsweges haben Sie gem. § 13 Abs.2 des IFG NRW das Recht, den Landesbeauftragten für den Datenschutz und lnformationsfreiheit NRW, Kavallerieslr. 2-4, 40213 Düsseldorf, als Beauftragten für das Recht auf Information anzurufen.
Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
Dr. Raimund Gatzka