Sehr geehrteAntragsteller/in
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 08.10.2019 zum Thema verpflichtende Einführung von Abbiegeassistenten.
Leider ereignen sich immer noch viel zu oft schreckliche Abbiegeunfälle, bei denen vor allem Fahrradfahrer, darunter häufig Kinder, zu Schaden kommen. Der Vorfall an der Corneliusbrücke in München am 20.05.2019 ist ein besonders tragischer Fall.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat sich bereits auf EU-Ebene für eine schnelle und verpflichtende Verbreitung von Lkw-Abbiegeassistenzsystemen stark gemacht, da eine verpflichtende Einführung von Lkw-Abbiegeassistenten im nationalen Recht ohne eine europäische Regelung von Lkw derzeit leider nicht möglich ist. Die bei Rechtsabbiegeunfällen besonders im Fokus stehenden Güterkraftverkehrsfahrzeuge ab 3,5 t Gesamtmasse (u.a. Lkw) und Kraftomnibusse unterliegen dem EU-Typgenehmigungsrecht und dementsprechend den Anforderungen der derzeit anzuwendenden EU-Richtlinie 2007/46/EG.
Zur Durchführung dieser Richtlinie werden in Rechtsakten besondere technische Anforderungen für den Bau und den Betrieb von Fahrzeugen festgelegt. Die Richtlinie enthält jedoch keine Aus- oder Nachrüstpflicht bzw. einen Rechtsakt für Abbiegeassistenzsysteme. Die Mitgliedstaaten dürfen dementsprechend die Zulassung, den Verkauf, die Inbetriebnahme oder die Teilnahme am Straßenverkehr von Fahrzeugen nicht unter Verweis auf die von dieser Richtlinie erfassten Aspekte des Baus oder der Wirkungsweise untersagen, beschränken oder behindern, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen. Eine von der Richtlinie und deren Anforderungen abweichende Aus- bzw. Nachrüstungsverpflichtung ist daher national nicht umsetzbar. Dies kann nur über eine Änderung der EU-Vorschriften erfolgen.
Es ist der Initiative des BMVI zu verdanken, dass zukünftig neue Güterkraftverkehrsfahrzeuge ab 3,5 t Gesamtmasse und Kraftomnibusse verpflichtend mit Abbiegeassistenzsystemen auszurüsten sind. Bei den Diskussionen zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Anpassung der technischen Anforderungen hinsichtlich der allgemeinen Sicherheit und dem Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer an den Stand der Technik hat das BMVI die verpflichtende Ausrüstung von Nutzfahrzeugen ab 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht und Kraftomnibussen mit Abbiegeassistenzsystemen eingebracht und durchgesetzt. Eine Ausrüstungspflicht ab 2020 für alle entsprechenden Neufahrzeuge, die das BMVI in diesem Zusammenhang vorschlug, wurde von den anderen EU-Mitgliedstaaten jedoch mehrheitlich abgelehnt. Die Ausrüstungspflicht wird daher nach derzeitigem Stand für neue Fahrzeugtypen erst ab 2022 und neue Fahrzeuge ab 2024 gelten.
Um Unternehmen, Kommunen und Organisationen zu bewegen, ihren Fuhrpark bereits vor dem verbindlichen Einführungsdatum auf EU-Ebene mit Abbiegeassistenten nachzurüsten bzw. ausschließlich Neufahrzeuge mit Abbiegeassistenten anzuschaffen, hat Bundesminister Andreas Scheuer im Sommer 2018 die "Aktion Abbiegeassistent" ins Leben gerufen. Wer sich freiwillig zur Nachrüstung bzw. Neubeschaffung von Lkw mit Abbiegeassistenten verpflichtet, kann offizieller Sicherheitspartner des BMVI werden und unterstützt damit die Verbreitung von Abbiegeassistenten zur Erhöhung der Verkehrssicherheit insbesondere für Radfahrer und Fußgänger. Wir haben inzwischen schon 114 Sicherheitspartner einschließlich großer deutscher Handelsketten, verschiedener Städte, Landkreise und kommunaler Betriebe (wie der Abfallwirtschaftsbetrieb München) und der Johanniter-Unfall-Hilfe ernannt. Diese nutzen mindestens 4.000 Lkw mit Abbiegeassistenten, bis Jahresende sollen noch mindestens 1.000 weitere hinzukommen. Wir werden die Zahl der Sicherheitspartnerschaften konsequent weiter ausbauen. Zudem unterstützen uns 30 Verbände, weil inzwischen ein gesellschaftlicher Konsens besteht, schnell möglichst viele Lkw mit Abbiegeassistenten aus- bzw. nachzurüsten.
Als Teil der Aktion Abbiegeassistent geht das BMVI mit gutem Beispiel voran und rüstet die Fahrzeuge im eigenen nachgeordneten Bereich mit Abbiegeassistenten aus. Derzeit sind bereits über 80 Fahrzeuge der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung mit Abbiegeassistenten unterwegs.
Darüber hinaus hat das BMVI ein Förderprogramm für die freiwillige Aus- und Nachrüstung von Lkw und Bussen mit Abbiegeassistenten aufgelegt. Das Programm fördert bis Ende 2024 neben der Ausrüstung von Neufahrzeugen auch die Nachrüstung von Bestandsfahrzeugen. Für das Jahr 2019 stehen insgesamt 10 Mio. Euro zur Verfügung, die aufgrund der großen Nachfrage bereits gebunden sind und in den nächsten Jahren verstetigt werden. Damit können jährlich bei gleichbleibendem Fördervolumen und unter Zugrundelegung der Höchstfördersumme ca. 6.200 Kraftfahrzeuge aus- und nachgerüstet werden. Allerdings geht das BMVI davon aus, dass bei Marktgängigkeit weiterer Abbiegeassistenzsysteme deren Kosten fallen werden, so dass mehr Abbiegeassistenzsysteme gefördert werden können.
Das BMVI hat darüber hinaus in den vergangenen Jahren verschiedene Aufklärungsmaßnahmen initiiert und fördert Maßnahmen und Aktionen des Deutschen Verkehrssicherheitsrats sowie der Deutschen Verkehrswacht zum Thema "Radverkehrssicherheit".
Das BMVI wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass so viele Lkw und Busse wie möglich schnellstmöglich mit Abbiegeassistenten ausgestattet werden.
Mit freundlichen Grüßen