151221-WeisungSenInnDSanPPr

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Weisung zur Durchführung von Direktabschiebungen aus Wohnheimen

/ 3
PDF herunterladen
Senatsverwaltung für Inneres und Sport
Abteilungsleiter Ill — Öffentliche Sicherheit und Ordnung

Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Klosterstr. 47 10179 Berlin

beim

II B 13-0301-1

Per E-Mail Bearbeiter/in: Schrader

Der Polizeipräsident in Berlin Dienstgebäude Berlin-Mitte
Klosterstraße 47, 10179 Berlin
Zimmer 3201
Telefon (030) 90223 - 2094
Vermittlung (030) 90223-0
intern 9223 - 2094
PC-Fax (030) 9028 - 4398
E-Mail Brigitte.Schrader@

seninnsport.berlin.de
E-Mail nicht für Dokumente mit elektroni-

scher Signatur verwenden,

Internet www.berlin.de/sen/inneres

21.12.2015

Nee ne 200
and or und“ ar Im

Direktabschiebung; Verbringen der Betroffenen aus ihrer Wohnung zwecks Durchfüh-
rung der Abschiebung

Besprechung zur Nachbereitung von Sammelchartermaßnahmen am 26.11.2015; Schreiben
PPr St 1211-05153 vom 01.12.2015

Sehr geehrter Herr Kandt,

anlässlich der erneuten Diskussion über Rechtsfragen im Zusammenhang mit den genannten
Maßnahmen möchte ich Folgendes klarstellen:

1.

Zur Abgrenzung zwischen Betreten und Durchsuchung einer Wohnung

Das bloße Betreten und Besichtigen einer Wohnung zwecks Abschiebung eines Auslän-
ders stellt keine Durchsuchung dar und unterliegt daher nicht dem Richtervorbehalt des
Art. 13 Abs. 2 GG.

Eine Durchsuchung ist ein im Vergleich zum Betreten tiefer gehender Eingriff, der es er-
laubt, innerhalb der Wohnung mithilfe von Suchhandlungen (Öffnen von Schranktüren
und Schubladen etc.) ziel- und zweckgerichtet nach Personen oder Sachen zu suchen.
Eine derartige Suche in der Wohnung ist im Regelfall nicht erforderlich, wenn es ledig-
lich darum geht, eine Person der Abschiebung zuzuführen, die sich in der Wohnung auf-
hält.

Es ist nicht notwendig, dass unmittelbar nach dem Betreten der Wohnung Sichtkontakt
zu dem Betroffenen besteht (anders FN PPr St 6 vom 22.03.2013). Im Rahmen des Be-

Geschäftszeichen (bitte angeben)
1

tretens ist auch eine Umschau in der Wohnung bzw. eine Besichtigung der Räumlichkei-
ten zulässig, solange keine weiter gehenden Suchhandlungen stattfinden.

Sollte im Einzelfall eine Wohnungsdurchsuchung erforderlich werden, weil der Betroffe-
ne sich innerhalb der Wohnung versteckt hält, ist die Maßnahme gegebenenfalls abzu-
brechen oder kurzfristig ein Durchsuchungsbeschluss zu erwirken.

Zur rechtlichen Begründung verweise ich auf den beigefügten Vermerk - III B 1 Fr - vom
17.12.2015.

. Zur Anwendung unmittelbaren Zwangs beim Öffnen der Wohnungstür

Die Anwendung unmittelbaren Zwangs beim Öffnen der Wohnungstür ist zulässig, wenn
dies zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung objektiv geeignet und erforderlich er-
scheint und die Maßnahme im engeren Sinne verhältnismäßig ist.

a) Die Maßnahme ist geeignet, wenn es in der konkreten Situation hinreichend wahr-
scheinlich erscheint, dass sich der Betroffene in der Wohnung aufhält.

Davon ist bei der Meldeanschrift des Ausreisepflichtigen regelmäßig auszugehen, so-
lange keine gegenteiligen konkreten Anhaltspunkte vorliegen, beispielsweise weil die
Wohnung von außen einsehbar und offensichtlich leer ist.

Nicht erforderlich ist dagegen, dass eindeutige Anzeichen wie Geräusche oder Licht auf
die Anwesenheit des Betroffenen schließen lassen oder gar dass der Betroffene bereits
vor dem Betreten der Wohnung zweifelsfrei vor Ort festgestellt werden kann (anders
Schreiben PPr St 1211 v. 01.12.2015). Rechtlich lässt sich eine derartige Beschränkung
der Befugnisse nicht begründen. Die Auffassung würde bei konsequenter Umsetzung im
Übrigen zu dem Ergebnis führen, dass Wohnungsöffnungen zur Durchsetzung der Aus-
reiseverpflichtung nur noch in Ausnahmefällen zulässig wären. Vor dem Betreten der
Wohnung wird es in der Regel nicht möglich sein, zweifelsfrei festzustellen, ob sich der
Ausreisepflichtige tatsächlich in Wohnung befindet. Dass sich der Betroffene, der seiner
Ausreisepflicht bislang trotz Androhung der Abschiebung nicht nachgekommen ist, auf
das Klopfen und Klingeln der Polizei durch die Tür hindurch bewusst bemerkbar macht
oder sogar eindeutig zu erkennen gibt, ist eher unwahrscheinlich.

b) Die Wohnungsöffnung ist auch erforderlich, solange der Betroffene die verschlossene
Tür nicht freiwillig öffnet.

In diesem Fall bleibt der Polizei zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung keine ande-
re Möglichkeit, als die Tür selbst zu öffnen oder öffnen zu lassen. Dies ist unabhängig
davon, ob der Betroffene aktiv Widerstand leistet oder seiner Verpflichtung durch Untä-
tigkeit nicht nachkommt. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs setzt keinen Widerstand
des Betroffenen voraus, der gemäß $ 15 Absatz 2 Satz 1 VwVG gebrochen werden
könnte (anders Schreiben PPr St 1211 vom 11.08.2015). $ 15 Absatz 2 Satz 1VwVG
stellt lediglich fest, dass ein Zwangsmittel auch gegen den aktiven Widerstand des Be-
troffenen mit Gewalt durchgesetzt werden kann.

c) Die geeignete und erforderliche Maßnahme ist im Regelfall auch verhältnismäßig im
engeren Sinne.

Die anordnungsbefugte Dienstkraft hat vor Ort zu prüfen, ob sich im Einzelfall unter Be-
rücksichtigung der konkreten Umstände eine Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme
ergibt. Dies kann in Ausnahmefällen anzunehmen sein, z. B. wenn für den Fall der
Wohnungsöffnung mit ernsthaften gesundheitlichen Gefahren für den Betroffenen zu

Seite 2 von 3
2

rechnen ist, z. B. bei glaubhaft geäußerten Suizidabsichten, und die Gefahren nicht an-
ders abgewehrt werden können.

Ich bitte Sie durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die eingesetzten Vollzugskräfte
vor Ort künftig entsprechend verfahren.

Mit freundlichen Grüßen

ul

Zuch

Seite 3 von 3
3