Kaputte VerwaltungWarum Berlin jetzt ein Transparenzgesetz braucht

Sollte es in Berlin zu einer rot-rot-grünen Koalition kommen, wird sie ein Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild verabschieden. Das ist zumindest das Ergebnis der Antworten der Berliner Parteien auf Wahlprüfsteine der Koalition Freies Wissen. Alle drei Parteien haben sich dafür ausgesprochen, die Verwaltung zur aktiven Veröffentlichung von zentralen Daten zu verpflichten.

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Wie drängend das Thema ist, zeigt neben dem Desaster um BER, Lageso und Staatsoper immer wieder das transparenzfeindliche Verhalten der Berliner Polizei: Neben ihrer vermutlich gesetzeswidrigen Weigerung, Einzelheiten zu Gefahrengebieten in der Stadt preiszugeben, erstickt sie Auskunftsbegehren immer wieder mit der Gebührenkeule oder auch mit dem Urheberrecht von Screenshots.

Recherche von vier Dateien dauert angeblich zwei Stunden

In einem aktuellen Fall verlangt die Behörde beispielsweise für die Zusendung von vier ausdrücklich nicht geheimen Geschäftsanweisungen insgesamt 132 Euro. Die Gebühr besteht zum einen aus angeblichen Kosten von 100 Euro für die "Ermittlungs- und Recherchetätigkeiten" nach den Geschäftsanweisungen. In ihnen geht es unter anderem um Schießstätten der Polizei und Arbeitszeitregelungen.

Zwar liegen durch den Antrag und eine kleine Anfrage schon Aktenzeichen und genaue Titel der Geschäftsanweisungen vor, trotzdem fallen laut Polizei zwei Stunden an, um den Speicherort der Dokumente zu ermitteln. Ist die Ermittlungstätigkeit der Beamten auch in anderen Bereichen derart langsam, hat die Polizei mutmaßlich noch höheren Reformbedarf als bisher gedacht.

32 Euro für eine E-Mail, 5 Euro für einen Brief

Die restlichen 32 Euro will die Polizei für das elektronische Zusenden der Dokumente berechnen. Möglich macht das das angestaubte Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das von 1999 stammt. In der dazugehörigen Gebührenordnung steht, dass pro per E-Mail versendeter Datei ein bis zwei Euro berechnet werden können, bei "veränderten Dateien" bis zu 13 Euro. Die Regelung nutzt die Polizei schamlos aus: Da sie die Geschäftsanweisungen ohne Anhänge schicken will, sieht sie die Dateien als verändert an und berechnet für die Zusendung von drei Anweisungen je 10 Euro.

Eine weitere Skurrilität der Regelung: Die Polizei bietet als Alternative zur E-Mail an, die Anweisungen per Post zu senden. Die Portokosten werden dabei nicht berechnet, jedoch Kopierkosten in Höhe von 5,55 Euro. Deutlich billiger als eine E-Mail.

Alleine dieser Fall zeigt, dass das Informationsfreiheitsgesetz zu einem Transparenzgesetz weiterentwickelt werden muss und Daten aktiv von der Verwaltung veröffentlicht gehören.

Die Gebührenordnung schreckt viele Personen von der Wahrnehmung ihrer Informationsrechte ab. Tatsächlich ist das Berliner IFG das einzige Informationsfreiheitsgesetz Europas, das selbst für einfache Anfragen an Behörden eine Mindestgebühr von 5 Euro vorsieht. Wenn die neue Koalition ein Transparenzgesetz anstrebt, sollte sie den Informationszugang grundsätzlich gebührenfrei anbieten, wie dies etwa auf EU-Ebene oder in Großbritannien üblich ist. Dort haben die Behörden erkannt, dass die Berechnung der Gebühren teilweise mehr Kosten und Bürokratie verursacht als durch die Erhebung der Gebühren wieder eingespielt wird. Eine Gebührenordnung, die den demokratisch garantierten Zugang zu Informationen zum Beispiel für Bezieher von ALG II oder Schüler erschwert, verträgt sich ohnehin nicht mit dem Ziel eines Transparenzgesetzes.

Veröffentlichung zentraler Verträge und Gutachten zu Lageso und BER

Mit der Einführung eines solchen Gesetzes sollte nicht nur die Veröffentlichung interner Weisungen verpflichtend werden, sondern auch unzähliger weiterer Daten, darunter Verträge zu BER, Lageso und Staatsoper sowie Gutachten dazu. Auf Bundesebene könnte die Hauptstadt Vorreiter der Transparenz werden.

Zudem bietet es sich an, die Modernisierung der Verwaltung und die Einführung der E-Akte mit der Einführung eines solchen Gesetzes zu verbinden, wie dies in Hamburg geschehen ist. Dort können viele Behörde ihre Informationen per Klick veröffentlichen, was in Berlin in der Regel angesichts von Papierakten in der Regel nicht möglich ist. Die kommende Koalition hat es jetzt in der Hand, die Verwaltung fit fürs 21. Jahrhundert zu machen - und gleichzeitig für mehr Transparenz zu sorgen.

Foto: Tim Rieckmann. CC BY-SA 2.0

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