Bericht zu KZ-ähnlichen Zuständen in libyschen Lagern bleibt geheim

Im Januar veröffentlichte die Welt Zitate aus einem Drahtbericht der deutschen Botschaft in Niger zum Zustand von Flüchtlingslagern in Libyen. Die Diplomaten berichteten darin von „allerschwersten, systematischen Menschenrechtsverletzungen in Libyen“.

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Interviews mit Flüchtlingen sowie "authentische Handyfotos und -videos" belegten nach Aussage von Botschaftsmitarbeitern "die KZ-ähnlichen Verhältnisse in den sogenannten Privatgefängnissen".

Die Berichte sind also politisch brisant, zumal die Europäische Union das libysche Regime finanziell und logistisch dabei unterstützt, Flüchtlinge vom Übersetzen nach Europa abzuhalten. Nach dem Willen des Auswärtigen Amts soll der Bericht jedoch geheim bleiben. Der Grund: Das Amt befürchtet bei einer Veröffentlichung des Berichts nach einer Anfrage per Informationsfreiheitsgesetz "nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen" zu den Machthabern in Libyen sowie der Regierung in Niger.

Behörden können willkürlich entscheiden

Rechtlich kann sich das Auswärtige Amt diese Position leisten. 2009 entschied das Bundesverwaltungsgericht nämlich, dass Behörden in weiten Teilen selbst entscheiden können, wann eine Herausgabe von Dokumenten zu Problemen in internationalen Beziehungen führen können. Dies sei "gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar". Eine Abwägungspflicht zwischen öffentlichen Interesse und Auswirkungen auf auswärtige Politik gibt es nicht - der Erhalt von Beziehungen zu anderen Staaten übertrumpft damit regelmäßig das Recht auf Zugang zu Informationen.

So können die Diplomaten inzwischen recht willkürlich Dokumente zurückhalten. De facto hat sich das Auswärtige Amt eine Bereichsausnahme vom Informationsfreiheitsgesetz für die Außenpolitik geschaffen. Transparenz über den diplomatischen Dienst gibt es kaum.

Geheimhaltung auch bei Fehlverhalten

Besonders problematisch dabei: Selbst wenn das Auswärtige Amt rechtlich und moralisch bedenklich handelt, kann es Transparenz darüber und eine öffentliche Kontrolle mit dem Verweis auf die internationalen Beziehungen verweigern. So geschehen etwa auch vor zwei Jahren im Zusammenhang mit einem Konflikt bei der Pressefreiheit: Auf Ersuchen der ägyptischen Militärdiktatur nahmen deutsche Behörden am Berliner Flughafen den Al-Jazeera-Journalisten Ahmed Mansour fest, um ihn möglicherweise nach Ägypten auszuliefern. Erst nach zwei Tagen und einem öffentlichen Aufschrei ließen sie ihn wieder frei. Dokumente dazu gab das Auswärtige Amt nicht frei - wegen möglicher Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen mit Ägypten.

Und auch das Gutachten des Auswärtigen Amts zur Klage des autoritären türkischen Regierungschefs Tayyip Erdoğan gegen den Komiker Jan Böhmermann blieb vergangenes Jahr mit derselben Begründung unter Verschluss: Die juristischen Einschätzungen der Diplomaten könnten von der Türkei als "Vertrauensbruch" gewertet werden, hieß es damals.

Um diese Transparenzlücke zu schließen, müsste die kommende Regierung für Ausnahmetatbestände im Informationsfreiheitsgesetz eine Abwägungspflicht mit dem öffentlichen Interesse einführen, wie dies 2012 die offizielle, aber unbeachtete Evaluation des Gesetzes anmahnte (pdf). Die Grünen haben sich im Wahlprogramm dafür ausgesprochen, das Informationsfreiheitsgesetz zu reformieren.

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