Wenn große Koalition erfolgreich ist, wird #Landesverrat nie ganz aufgeklärt
Das Bundesarchiv soll bürgerfreundlicher werden – nur die demokratische Kontrolle der Geheimdienste wird weiter eingeschränkt. Der Entwurf fürs neue Bundesarchivgesetz sieht vor, dass alle Behörden ihre Akten vor der Löschung dem Archiv anbieten müssen. Nur die Nachrichtendienste sollen selbst darüber entscheiden, was sie anbieten und was nicht.
Daran ändert auch eine Neuregelung des ursprünglichen Reformvorschlags nichts, der morgen um 15 Uhr nichtöffentlich im federführenden Kultur- und anderen Ausschüssen beraten wird.
„Quellen- und Methodenschutz“ sind auf alle Dokumente anwendbar
Danach müssen die Geheimdienste dem Archiv nur dann ihre alten Dokumente übergeben, "wenn sie deren Verfügungsberechtigung unterliegen und zwingende Gründe des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes sowie der Schutz der Identität der bei ihnen beschäftigten Personen einer Abgabe nicht entgegenstehen." Da der Bundesnachrichtendienst bei all seinen Affären eine Möglichkeit finden wird, "Quellen- und Methodenschutz" geltend zu machen, bedeutet die Regelung effektiv: Die Geheimdienste entscheiden selbst, was sie ans Archiv übergeben wollen und was nicht.
Entscheidet sich der Bundestag in der ersten Sitzung im Januar dafür, den Gesetzentwurf anzunehmen, hätte das ernsthafte Konsequenzen für die Aufklärung einer Reihe von Skandalen der Nachrichtendienste, darunter auch der #Landesverrat-Affäre. Bundesnachrichtendienst und Co. würden ihre Akten weiter unter Verschluss halten. Und damit auch Jahrzehnte danach eine öffentliche Einsichtnahme in die Dokumente verhindern. Das sehen auch die meisten Expertinnen und Experten so: Neben der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff sprachen sich im Oktober im Kulturausschuss die meisten Sachverständigen gegen eine Sonderregelung für die Nachrichtendienste aus.
Diese Skandale werden nie aufgeklärt
Wir würden also zum Beispiel nicht vollständig herausfinden, ob wir vor, während und nach den Ermittlungen zum angeblichen #Landesverrat von den Geheimdiensten überwacht wurden. Ähnlich würde auch die vollständige Aufklärung vieler weiterer Skandale vielleicht für immer verhindert werden. Darunter sind zum Beispiel
- Die SPIEGEL-Affäre und die Bespitzelung der Spiegel-Redaktion durch den BND 1962
- Verbindungen der christlichen Sekte "Colonia Dignidad" in Chile zu deutschen Regierungskreisen
- Hilfe deutscher Geheimdienste für Adolf Eichmann nach dem 2. Weltkrieg
- Die sogenannte Plutonium-Affäre 1994
- Die angebliche Beteiligung des BND im Irakkrieg
- Die Überwachung deutscher und ausländischer Journalisten
- Das Oktoberfest-Attentat von 1980
- Der NSA-BND-Skandal, der durch Edward Snowden bekannt wurde
Die absurde Schutzfristregelung für Dokumente, die bisher nach dem Informationsfreiheitsgesetz zugänglich waren, hat die Koalition immerhin offensichtlich wieder aus dem Reformentwurf entfernt.
Die Grünen-Fraktion wird morgen im Kulturausschuss einen Änderungsvorschlag einbringen, nach dem Dokumente zu bedeutenden Ereignissen wie den oben genannten spätestens nach 20 Jahren zu öffnen sind. Derzeit sieht es aber so aus, dass sie im Gegenteil für immer im Giftschrank landen. Selbst die USA haben transparentere Regelungen im Umgang mit FBI- und CIA-Akten. Wie es aussieht, setzt sich die CDU in der Debatte um die Geheimdienste abermals durch. Die Öffentlichkeit verliert.
Bild: Eingangstor an der alten BND-Zentrale in Pullach. Foto: CC-BY-SA 4.0Bjs / Wikimedia Commons
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