Gegen die Lex FragDenStaatWir reichen Verfassungsbeschwerde gegen Transparenzgesetz Rheinland-Pfalz ein

Wir haben heute in Kooperation mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Verfassungsbeschwerde gegen das Transparenzgesetz Rheinland-Pfalz eingereicht.

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Damit wenden wir uns gegen zwei Regelungen, die seit Einführung des Gesetzes Anfang des Jahres in Rheinland-Pfalz gelten: Zum einen müssen Personen, die Auskunft bei einer Behörde beantragen, ihre Identität erkennen lassen. Zum anderen sind Hochschulen des Landes größtenteils vom Informationszugang ausgeschlossen.

Der Zwang zum Identitätsnachweis ist de facto eine FragDenStaat.de, Anfragen an Behörden ggf. anonym oder pseudonym zu stellen. Das ist vollkommen legitim. Schließlich gilt das Recht auf Auskunft ohnehin für jede Person unabhängig von Herkunft, Alter, Staatsangehörigkeit oder Wohnort. Da die neue Regelung sachlich nicht gerechtfertigt ist, soll sie offensichtlich von Anfragen abschrecken. Sie stellt einen unzulässigen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar.

Es kann nicht sein, dass für die Wahrnehmung des einen Grundrechts Teile eines anderen Grundrechts aufgegeben werden müssen. Im Gegenteil ist die Möglichkeit, anonym Anträge zu stellen, ein wirksames Mittel, um gerade beim Umgang mit Behörden nicht geübten BürgerInnen Ängste vor der Wahrnehmung von Informationsrechten zu nehmen.

Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit

Ein weiterer Kritikpunkt unser Verfassungsbeschwerde betrifft Hochschulen. Bis auf einzelne Informationen etwa über Namen von Drittmittelgebern müssen Wissenschaftseinrichtungen mit dem neuen Gesetz keine Auskunft mehr geben. Damit lässt sich nicht mehr überprüfen, ob zum Beispiel durch Kooperationen mit der Industrie eine Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit droht. Gerade in Rheinland-Pfalz ist das ein akutes Thema.

Unsere Verfassungsbeschwerde hat über Rheinland-Pfalz hinaus Bedeutung: Auch in anderen Bundesländern und auf Bundesebene fordern Behörden immer wieder Identitätsnachweise für Anfragen. Auch Bereichsausnahmen für bestimmte öffentliche Stellen sind Teil fast aller Informationsfreiheitsgesetze in Deutschland.

Wir haben die Verfassungsbeschwerde sowohl beim Bundesverfassungsgericht als auch beim Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz eingereicht. Hier geht es zur vollständigen Beschwerdeschrift.

Bild: Julia via flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

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VGH B 37/16 VERFASSUNGSGERICHTSHOF RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS IM NAMEN DES VOLKES In dem Verfahren betreffend die Verfassungsbeschwerde 1.   der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., vertreten durch den Vorstand, Herrn …, Singerstraße 109, 10179 Berlin, 2.   des Herrn …, c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Singerstraße 109, 10179 Berlin, Bevollmächtigte:             Rechtsanwalt Carl Christian Müller, LL.M., Sozietät MMR Müller Müller Rößner Rechtsanwälte Partnerschaft, Mauerstraße 66, 10117 Berlin, Rechtsanwalt Sören Rößner, LL.M., Sozietät MMR Müller Müller Rößner Rechtsanwälte Partnerschaft, Mauerstraße 66, 10117 Berlin, gegen         §§ 11 Abs. 2 Satz 1, 16 Abs. 3 Halbsatz 2 des Landestransparenzgesetzes Rheinland-Pfalz – LTranspG – vom 27. November 2015 (GVBl. S. 383)
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-2- hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 27. Oktober 2017, an der teilgenommen haben Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Brocker Vizepräsidentin des Oberverwaltungsgerichts Wünsch Präsident des Finanzgerichts Dr. Mildner Präsidentin des Oberlandesgerichts Dicke Landrat Dr. Saftig Rechtsanwältin Dr. Dr. Theis LL.M. Univ.-Professor Dr. Hassemer Kreisverwaltungsdirektorin Nagel Univ.-Professor Dr. Dreher LL.M. beschlossen: Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. Gründe A. Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen §§ 11 Abs. 2 Satz 1 und 16 Abs. 3 Halbsatz 2 des Landestransparenz- gesetzes – LTranspG – vom 27. November 2015 (GVBl. S. 383), die Regelungen zu den Voraussetzungen sowie zum Umfang des Zugangs zu amtlichen Informa- tionen enthalten. I. Das Landestransparenzgesetz ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Es führt die Regelungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG – vom 26. November 2008 (GVBl. S. 296), geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (GVBl. S. 427), und des Landesumweltinformationsgesetzes – LUIG – vom 19. Oktober 2005 (GVBl. S. 484) zusammen und erweitert den Anspruch auf Zugang zu bei der Verwaltung vorhandenen Informationen um eine aktive Ver- öffentlichungspflicht von Informationen auf einer (elektronischen) Transparenz- Plattform (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf LTranspG, LT-Drucks. 16/5173, S. 22). -3-
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-3- Der Antrag auf Zugang zu den bei den transparenzpflichtigen Stellen vorhandenen Informationen muss nach § 11 Abs. 2 Satz 1 LTranspG unter anderem die Identität der Antragstellerin oder des Antragstellers erkennen lassen. Gemäß § 16 Abs. 3 Halbsatz 1 LTranspG ist die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu gewährleisten; nach der von den Beschwerdeführern angegriffenen Regelung in § 16 Abs. 3 Halbsatz 2 LTranspG beziehen sich der Anspruch auf Informationszu- gang und die Transparenzpflichten im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre ausschließlich auf Informationen über den Namen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel und die Laufzeit der mit den Drittmitteln finanzierten abge- schlossenen Forschungsvorhaben, wobei die Schutzinteressen gemäß den §§ 14 bis 16 zu beachten sind. II. Der Beschwerdeführer zu 1) ist ein eingetragener Verein, der sich für offenes Wissen, offene Daten, Transparenz und Beteiligung einsetzt. Unter anderem betreibt er die Internet-Plattform „FragDenStaat.de“, auf welcher Nutzer namentlich, anonym oder pseudonym Anträge nach den Informationsfreiheitsgesetzen stellen können. Die Plattform enthält außerdem ein frei zugängliches Archiv bisher gestell- ter Zugangsanträge und Antworten. Der Beschwerdeführer zu 2) ist Projektleiter der Plattform und hat nach seinem Vortrag in der Vergangenheit selbst im eigenen Interesse oder für andere zahlreiche Informationszugangsanträge über die Platt- form gestellt. Er beabsichtigt, dies auch in Zukunft zu tun. Mit ihrer Verfassungs- beschwerde machen die Beschwerdeführer geltend, durch die angegriffenen Vor- schriften in ihren Grundrechten auf Informationsfreiheit aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – und auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 4a Abs. 1 Satz 1 LV verletzt zu sein. Die Verfassungsbeschwerde sei insbesondere auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Subsidiarität zulässig, obwohl die angegriffenen Normen vollzugs- bedürftig seien. Denn es sei ihnen – den Beschwerdeführern – nicht zumutbar, zunächst den Rechtsweg zu erschöpfen; zudem sei die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung. Sie sei wegen der geltend gemachten Grundrechts- verletzungen auch begründet. Aus der mit dem Landestransparenzgesetz getroffe- -4-
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-4- nen Entscheidung, Transparenz und Offenheit zu Leitlinien für das Handeln der Ver- waltung zu machen, ergebe sich bei Einbeziehung des Demokratie- und Rechts- staatsprinzips ein grundrechtlicher Zugangsanspruch zu vorhandenen amtlichen Informationen. Diese seien prinzipiell der Öffentlichkeit gewidmet, so dass die allgemeine Zugänglichkeit der Informationen einschränkende Regelungen in den Schutzbereich der Informationsfreiheit eingriffen. Eine verfassungsrechtliche Recht- fertigung gebe es weder hinsichtlich des zwingenden Erfordernisses der Preisgabe der Identität bei Antragstellung, welches unter anderem gegen das Übermaßverbot verstoße, noch im Hinblick auf den nur begrenzt gewährten Anspruch auf Informa- tionszugang im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Das gesetz- geberische Ziel des Schutzes der Forschungsfreiheit lasse sich durch die Beschrän- kung des Zugangsanspruchs nicht erreichen. Die Notwendigkeit, bei Anträgen auf Informationszugang die Person des Antragstellers erkennen zu lassen, greife zudem in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestim- mung ein, welches generell vor staatlicher Erhebung und Verarbeitung personen- bezogener Daten schütze. Besondere Bedeutung komme diesem Schutz durch das Demokratieprinzip zu, das vom freien Meinungsaustausch und von der Möglichkeit zu Staatskritik, die durch die Furcht vor den negativen Folgen eines Informations- zugangsantrags nur eingeschränkt ausgeübt werde, lebe. Eine den verfassungs- rechtlichen Anforderungen genügende gesetzliche Grundlage für den Eingriff fehle. III. Der Verfassungsgerichtshof hat dem Landtag, der Landesregierung und dem Lan- desbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. 1. Der Landtag hält die Verfassungsbeschwerde bereits für unzulässig. Beide Beschwerdeführer seien nicht beschwerdebefugt. Sie machten Popularinteressen geltend und seien von den angegriffenen Regelungen nicht unmittelbar betroffen. Ungeachtet dessen sei die Verfassungsbeschwerde auch unbegründet. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit sei bereits von vornherein nicht eröffnet, weil es hinsichtlich der vom Landestransparenzgesetz erfassten Informationen an der Bestimmung der allgemeinen Zugänglichkeit derselben fehle. Informationen, die einem Antragsverfahren mit einer Vielzahl von Prüfkriterien unterlägen, wolle der -5-
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-5- Gesetzgeber keine Allgemeinzugänglichkeit zuerkennen. Das Erfordernis der Preis- gabe der Person des Antragstellers verstoße darüber hinaus nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Eingriff in dieses Grundrecht erfolge auf- grund eines Gesetzes, welches ein praktikables Verwaltungsverfahren ermöglichen wolle und damit legitimen, zum Schutz eines überwiegenden öffentlichen Interesses unerlässlichen Zwecken diene. 2. Die Landesregierung sieht die Verfassungsbeschwerde ebenfalls schon als unzulässig an, weil es den Beschwerdeführern an der erforderlichen Beschwerde- befugnis fehle und diese dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungs- beschwerde nicht Rechnung getragen hätten. Darüber hinaus sei die Verfassungs- beschwerde auch unbegründet. Die Notwendigkeit, die eigene Identität bei Antrag- stellung offenzulegen, tangiere bereits nicht den Schutzbereich der Informationsfrei- heit, weil dieser erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem konkreten Umfang eröffnet sei. Das Erfordernis der Erkennbarkeit der Person des Antragstellers diene im Übrigen der Sicherung eines ordnungsgemäßen Ver- waltungsverfahrens. Ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestim- mung liege insoweit ebenfalls nicht vor. Der Beschwerdeführer zu 1) sei als juristi- sche Person bereits nicht Träger dieses Grundrechts. Hinsichtlich des Beschwer- deführers zu 2) greife die gesetzliche Verpflichtung zur Offenbarung der Identität des Antragstellers zwar in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, beschränke dieses aber in rechtmäßiger Weise. Die eingeschränkte Informa- tionspflicht im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre greife ebenfalls von vornherein nicht in den Schutzbereich der Informationsfreiheit ein. Denn der Landesgesetzgeber habe im Rahmen seines Bestimmungsrechts insoweit nur begrenzt eine allgemeine Zugänglichkeit geschaffen. 3. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit weist darauf hin, dass der mit dem Landestransparenzgesetz verfolgte Gesetzeszweck der Transparenz und Offenheit der Verwaltung aufgrund der Nähe zum Demokra- tieprinzip verfassungsrechtlich untermauert sei. Die Verpflichtung zur Preisgabe der Identität bei Antragstellung erschwere die Durchsetzung dieses Zwecks erheblich. Überdies greife die Verpflichtung in das Recht auf informationelle Selbstbestim- mung ein. Zwar könne dieser Eingriff durch die gesetzliche Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 LTranspG verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Die angegriffene -6-
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-6- Gesetzesbestimmung befinde sich aber an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit und bedürfe zwingend einer verfassungskonformen Auslegung, weil die Kenntnis der Identität des Antragstellers nicht immer notwendig sei. Die angegriffene Bereichsausnahme im Hochschulbereich sei sachlich nicht angemessen, weil die Erstreckung des Schutzes der Forschungsfreiheit auf Verwaltungstätigkeiten der Hochschule von Verfassungs wegen nicht gefordert sei. Die gesetzlichen Ein- schränkungen liefen der Transparenz zuwider, die in diesem Bereich gerade zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit beitrage. B. Die Verfassungsbeschwerde, über die der Verfassungsgerichtshof gemäß § 49 Abs. 1 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – ohne mündliche Verhandlung entscheidet (vgl. hierzu VerfGH RP, Beschluss vom 30. Oktober 2015 – VGH B 14/15 –, AS 44, 156 [158]), ist unzulässig. Die Beschwerdeführer sind nicht beschwerdebefugt. Die von ihnen geltend gemachte Verletzung in ihren Grundrechten auf Informationsfreiheit aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV (I.) sowie auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 4a Abs. 1 Satz 1 LV (II.) kommt nicht in Betracht. Ob sie sich darauf berufen können, durch die von ihnen angegriffenen gesetzlichen Regelungen gegenwärtig und unmittelbar in diesen Grundrechten betroffen zu sein, ist demnach nicht mehr entscheidungserheblich (III.). I. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Grundrechts auf Informations- freiheit aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV geltend machen, wird dessen Schutzbereich durch die von ihnen als verfassungswidrig erachteten Vorschriften von vornherein nicht berührt. 1.a) Die in Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV garantierte Informationsfreiheit schützt den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle dann, wenn sie geeignet und bestimmt ist, -7-
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-7- der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Infor- mationen zu verschaffen. Das Grundrecht gewährleistet insoweit grundsätzlich nur das Recht, sich ungehindert aus einer solchen für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informa- tionsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt. Dementsprechend umfasst das Grundrecht ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Informationszugang dann, wenn eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle auf Grund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit     bestimmt    ist. Legt    der    Gesetzgeber   die   grundsätzliche Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich deren Öffnung als Informationsquelle fest, wird in diesem Umfang auch der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet; dieser ist mithin normgeprägt. Erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang kann der Schutzbereich der Informationsfreiheit betroffen sein (vgl. zum Schutzbereich der mit Art. 10 Abs. 1 Satz 1   Halbsatz 2     LV   wort-    und     inhaltsgleichen –   hierzu    Dörr,  in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 10 Rn. 4, 30 – Informationsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Grundgesetz – GG – BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 BvR 1978/13 –, juris Rn. 20, unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung, insbesondere BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 1 BvR 2623/95 –, BVerfGE 103, 44; vgl. auch Gurlit, Die Verwaltung 50 [2017], 97 [102]: „gesetzesmediatisierter Grundrechtsschutz“). Über die Zugänglichkeit und die Art der Zugangseröffnung entscheidet, wer nach der Rechtsordnung über ein entsprechendes Bestimmungsrecht verfügt. Die Aus- übung dieses Rechts, welches sich nach den allgemeinen Vorschriften – für den Staat vornehmlich nach denen des öffentlichen Rechts – richtet, ist für Dritte keine Beschränkung im Sinne der grundrechtlichen Informationsfreiheit. Der Bestim- mungsberechtigte kann sein Bestimmungsrecht auch in differenzierender Weise ausüben und Modalitäten des Zugangs festlegen, zum Beispiel durch das Erforder- nis der Eintrittszahlung. Auch soweit der Staat bestimmungsberechtigt ist, kann er im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse Art und Umfang des Zugangs bestimmen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 1 BvR 2623/95 –, BVerfGE 103, 44 [60 f.]). -8-
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-8- Nimmt der Gesetzgeber bestimmte Bereiche oder Informationen schon als solche aus dem Zugangsanspruch heraus, fehlt es an der allgemeinen Zugänglichkeit der Informationen. Ihnen kommt damit von vornherein grundsätzlich nicht der Charakter als allgemein zugängliche Informationen im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV zu. Anders ist es bei Einschränkungen, die erst in Abhängigkeit vom Einzelfall wirksam werden; diese Einschränkungen stellen nicht in Frage, dass die dem Zugangsanspruch unterstellten Informationen nach der Entscheidung des Gesetzgebers der Öffentlichkeit grundsätzlich zugänglich sein sollen und der Informationsfreiheit unterfallen. Der Zugangsanspruch muss lediglich nach Maß- gabe einer solchen Einzelfallentscheidung unter Umständen hinter anderen Belangen – dies kann etwa zum Schutz der Grundrechte betroffener Dritter oder zum Schutz besonders gewichtiger öffentlicher Belange auch von Verfassungs wegen geboten sein – zurücktreten (vgl. zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 BvR 1978/13 –, juris Rn. 20 f.). b) An der beschriebenen Normgeprägtheit des Schutzbereichs der Informationsfrei- heit ist auch unter Einbeziehung der durch die Meinungsfreiheit in Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LV und das Demokratieprinzip in Art. 74 Abs.1 LV getroffenen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen festzuhalten; sie vermögen die Normprägung nicht aufzulösen und den Umfang des Schutzbereichs zu erweitern. Erfolglos bleibt daher der Einwand der Beschwerdeführer, es müsse von Verfassungs wegen einen „prinzipiellen“ grundrechtlichen Zugangsanspruch zu amtlichen Informationen geben, die dadurch umfassend der Öffentlichkeit gewidmet seien mit der Folge, dass die allgemeine Zugänglichkeit einschränkende Regelungen immer in den Schutzbereich des Art. 10 Abs.1 Satz 1 Halbsatz 2 LV eingriffen. Auch wenn die Informationsfreiheit eine notwendige Ergänzung der Meinungsfrei- heit bildet und ihre Bedeutung für die eigenverantwortliche Beteiligung des Bürgers am demokratischen Prozess nicht zu vernachlässigen ist (vgl. Dörr, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], a.a.O., Art. 10 Rn. 10, sowie die Begründung zum Gesetzentwurf      Landestransparenzgesetz       der   Landesregierung,     LT-Drucks. 16/5173, S. 20), ergibt sich hieraus allenfalls für den staatlichen Bereich eine objek- tive Verpflichtung zur Herstellung von Öffentlichkeit als Verfassungsdirektive (vgl. zur Meinungsfreiheit Degenhardt, in: Bonner Kommentar, 185. Aktualisierung Juli -9-
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-9- 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 178). Sollte das Demokratieprinzip über seine objek- tiv-rechtliche Zielrichtung hinaus einen Anspruch auf Sicherung eines Mindeststan- dards an Informationen gewähren, zwingt es dennoch im Zusammenspiel mit der Informationsfreiheit nicht zur Schaffung einer umfassenden allgemeinen Zugäng- lichkeit amtlicher Informationen (vgl. Degenhardt, a.a.O., Rn. 179; Wirtz/Brink, NVwZ 2015, 1166 [1168]; Roßnagel, MMR 2007, 16 [17]). Es bleibt deshalb dabei, dass staatliche Transparenz im Bereich der Verwaltung immer eine limitierte Trans- parenz ist (vgl. Gusy, DVBl. 2013, 941 f.; Wagner, in: Festschrift für Bamberger, 2017, S. 333 [353]). 2.a) Hieran gemessen tangiert die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 1 LTranspG, nach welcher der Antrag auf Informationszugang die Identität der Antragstellerin oder des Antragstellers erkennen lassen muss, nicht den Schutzbereich der Informationsfreiheit. Denn der Schutzbereich kann erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und – was hier entscheidend ist – nur in ihrem Umfang betroffen sein. Hierzu gehören auch gesetzgeberische Festlegungen zur Art der Zugangseröffnung und deren Modalitäten durch den Bestimmungsberechtigten (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 1 BvR 2623/95 –, BVerfGE 103, 44 [60 f.]). Hat der Gesetzgeber im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse die Modalitäten der Zugangseröffnung festgelegt, wird der Schutzbereich der Informationsfreiheit nur insoweit eröffnet. Die Ausübung des Bestimmungsrechts durch den Gesetzgeber ist für Dritte keine Beschränkung im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV. Mit dem Erfordernis der Preisgabe der Identität bei Stellung des Informationszugangsantrags hat der bestimmungsberechtigte Landesgesetzgeber die Art des Zugangs in diesem Sinne festgelegt. Dabei ist unbeachtlich, dass anonymer politischer Aktivismus die Bürgerinnen und Bürger vor negativen Folgen der Meinungsfreiheit schützen und letztlich der demokratischen Ausein- andersetzung dienen kann (so Kersten, JuS 2017, 193 [196]). Ein verfassungsrecht- licher Anspruch auf Informationszugang ohne Preisgabe persönlicher Daten lässt sich daraus nicht ableiten. Von einem Antragsteller darf erwartet werden, dass er ein ernsthaftes Begehren vorbringt und „zu seinem Anliegen steht“. Zudem kann ein Verwaltungsverfahren, wie es durch einen Antrag auf Zugang zu den bei den transparenzpflichtigen Stellen vorhandenen Informationen eingeleitet wird, nicht „aus dem Verborgenen heraus“ geführt werden. - 10 -
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- 10 - b) Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV wird durch die von den Beschwerdeführern angegriffene Regelung in § 16 Abs. 3 Halbsatz 2 LTranspG, die den Anspruch auf Informationszugang nach dem Landes- transparenzgesetz im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre auf Informa- tionen über den Namen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel und die Lauf- zeit der mit den Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben beschränkt, ebenfalls nicht berührt. aa) Zwar eröffnen die §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 LTranspG mit der in diesen Vorschriften getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung, amtliche Informationen (vgl. hierzu die Begriffsbestimmungen in § 5 Abs. 2 LTranspG: alle dienstlichen Zwecken die- nende Aufzeichnungen; Entwürfe und Notizen nur, wenn sie Bestandteil eines Vor- gangs werden sollen) der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV (vgl. zum Informations- freiheitsgesetz des Bundes – IFG – BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 BvR 1978/13 –, juris Rn. 21; so auch Wirtz/Brink, NVwZ 2015, 1166 [1169]). Der Einzelne hat damit einen grundrechtlichen Abwehranspruch gegen staatliche Beschränkungen seines (einfachrechtlichen) Zugangsrechts und – hieraus folgend – das verfassungsrechtlich verankerte Recht, sich dem Grunde nach ungehindert aus dem durch das Landestransparenzgesetz zugänglich gemachten Informations- bestand zu unterrichten. Die staatliche Versagung des Informationszugangs (im Einzelfall) stellt einen Grundrechtseingriff dar (so zum Informationsfreiheitsgesetz des Bundes – IFG – BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 BvR 1978/13 –, juris Rn. 21; vgl. auch Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. 2016, Einl. Rn. 286; Brink, in: Brink/Polenz/Blatt [Hrsg.], IFG, 2017, § 1 Rn. 22). bb) Indem der Gesetzgeber aber im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre einen Anspruch auf Informationszugang nur insoweit gewährt, als er sich auf Informationen über den Namen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel und die    Laufzeit     der   mit   den     Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben bezieht, hat er die weiteren Informationen im genannten Bereich schon generell aus dem Zugangsanspruch herausgenommen. Diese stammen daher nicht aus allgemein zugänglichen Informationsquellen im Sinne des - 11 -
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