Ein Jahr Intransparenzgesetz in HessenJetzt müssen die Gerichte ran (Update)

Vor einem Jahr trat nicht nur die Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Hessen führte als Teil seines Datenschutzgesetzes auch ein Informationsfreiheitsgesetz ein. Inzwischen zeigt sich aber: Das Gesetz ist sogar noch schlechter als befürchtet. Deswegen verklagen wir die Hessische Landesregierung.

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Wird von uns verklagt: Hessens Ministepräsident Volker Bouffier –

Update, Februar 2020: Wir haben die Klagen gewonnen.

Das Informationsfreiheitsgesetz, das die schwarz-grüne Regierung in Hessen vor über einem Jahr eingeführt hat, ist selbst im Vergleich mit anderen Bundesländern ziemlich besonders: Es gilt nur für Landesbehörden, nicht für die Kommunen, die in der Regel einen Großteil der Anfragen von Bürger*innen erhalten. Nicht nur das Landesamt für Verfassungsschutz, selbst die Polizei ist vom Gesetz ausgenommen. Es wird dementsprechend kaum genutzt. Und schließlich ist das Gesetz noch nicht mal ein eigenständiges Gesetz: Als Teil des Datenschutzgesetzes trat es parallel zur Datenschutzgrundverordnung Ende Mai 2018 in Kraft.

Die schlechten Vorzeichen verdichten sich inzwischen zu sehr schlechten Zeichen: So macht seit Einführung des Gesetzes das zuständige Innenministerium keine Anstalten, die Informationsfreiheit zu fördern. Und selbst der Landesdatenschutzbeauftragte, der die Einhaltung des Gesetzes kontrollieren soll, ist so passiv wie in sonst keinem anderen Bundesland. In seinem Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit nennt er Beschwerden in Bezug auf die Überschreitung von Antwortfristen „kleinlich“.

Klage zu NSU-Untersuchungsausschuss

In Bezug auf die unrechtmäßige Ablehnung einer unserer Anfragen ans Innenministerium antwortete der Landesbeauftragte lediglich in einem Satz, er beanstande das Vorgehen des Ministeriums nicht – ohne Gründe oder weitere Erläuterungen zu liefern. Die Rechtsauffassung der Behörde ist eigentlich so nicht haltbar. Angefragt hatten wir nämlich den Evaluationsbericht des Hessischen Innenministeriums, der der Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes vorausging. Das Ministerium lehnte ab mit Verweis auf die „Vertraulichkeit politischer Entscheidungsbildung“ – die das Informationsfreiheitsgesetz aber gerade ja abschaffen sollte.

Wenn wir uns nicht auf den Landesbeauftragten verlassen können, müssen jetzt eben die Gerichte ran. Jetzt haben wir doppelte Klage gegen das Innenministerium eingereicht: im genannten Fall des Evaluationsberichts sowie in Bezug auf die Stellungnahme einer Expertenkommission zum NSU-Untersuchungsausschuss, das das Innenministerium ebenfalls geheimhalten will. In diesem Fall übernehmen wir die Kosten für einen FragDenStaat-Nutzer.

Weitere Klagen möglich

Wir wollen damit nicht nur die Dokumente befreien. Wir wollen mit den Klagen zeigen, dass auch die Hessische Verwaltung sich an Gesetze halten muss. Solltet ihr weitere aussichtsreiche Fälle in Hessen haben, unterstützen wir euch gerne bei Klagen.

In einem weiterem Verfahren, einer Vermittlungsbitte zu einer Anfrage ans Kultusministerium, die Versuchsschulen in Hessen betraf, antwortete der Beauftragte, es sei „nicht Aufgabe“ des Beauftragten, darüber zu entscheiden. Dabei hatte das Ministerium dem Antragsteller zuvor beschieden, er dürfe als Beamter selbst keine Anfragen stellen, da er in einem besonderen Verhältnis zum Staat stehe. Diese äußerst zweifelhafte Rechtsauffassung des Ministeriums bleibt vorerst von offizieller Seite unbeanstandet. Auch in diesem Fall prüfen wir eine Klage.

Unsere Klagen werden zusammen in der ersten Instanz rund 2.200 Euro kosten. Um sie zu finanzieren, bitten wir euch um Unterstützung. Am meisten helfen uns Dauerspenden. Bitte unterstütze uns mit monatlich 5 oder 10 oder 20 Euro. Herzlichen Dank!

→ zur Klage in Bezug auf den NSU-Untersuchungsausschuss

→ zur Klage in Bezug auf den Evaluationsbericht

→ zu unseren weiteren Klagen

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KHN CARSTENSEN WIRTSCHAFTSRECHT Angela Carstensen Rechtsanwältin Kaiserstrasse 61 60329 Frankfurt T 069-269 480 37 F 069-269 480 36 ac@acarstensen.de www.acarstensen.de Verwaltungsgericht Wiesbaden Mainzer Straße 124 65189 Wiesbaden Datum 19.07.2019 Per eNachricht Unser Zeichen: 07/19-ac/okf Klage des Arne Semsrott ./. Hessisches Ministerium des Innern und für Sport wegen Informationsfreiheit (HDSIG) In der Verwaltungsstreitsache des Arne Semsrott, c/o Open Knowledge Foundation e.V., Singerstraße 109, 10179 Berlin - Klägers- Prozessbevollmächtigte: CARSTENSEN Wirtschaftsrecht, Kaiserstraße 61, 60329 Frankfurt am Main gegen das Land Hessen, vertreten durch das Hessische Ministerium des Inneren und für Sport, Friedrich- Ebert-Allee 12, 65185 Wiesbaden - Beklagten - wegen Informationsfreiheit (HDSIG) erheben wir namens und in Vollmacht des Klägers Klage und beantragen: Seiten 1 von 8
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Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Evaluation der Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze des Bundes und der Länder durch das Hessische Ministerium des Inneren und für Sport (HMdIS) zur Vorbereitung des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG) zu übersenden. I. Sachverhalt Der Klägerist Journalist und Projektleiter der Open Knowledge Foundation e.V., die u.a. das Portal FragDenStaat.de betreibt. Über das Portal können Anträge auf Informationszugang an informationspflichtige Stellen gestellt werden. Der Kläger stellte über das Portal FragDenStaat.de am 28. April 2018 bei dem Beklagten den Antrag auf Übersendung der Evaluation der Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze des Bundes und der Länder durch das HMdIS zur Vorbereitung des HDSIG sowie des zugehörigen Referentenentwurfs, Anlage K1. Am 14. Juli 2018 erinnerte der Kläger den Beklagten über das Portal FragDenStaat.de an seinen bisher unbearbeiteten Antrag, Anlage K2. Der Beklagte antwortete mit E-Mail vom 23. Juli 2018 über das Portal FragDenStaat.de und gab an, dass die Anfrage des Klägers vom 28. April 2018 ihn nicht erreicht habe. Er bat den Kläger um erneute elektronische Übersendung seiner Anfrage, Anlage K3. Der Bitte kam der Kläger mit E-Mail vom selben Tag nach. Der Beklagte bestätigte dem Kläger daraufhin mit E-Mail vom 1. August 2018, dass sein Antrag auf Zugang zu amtlichen Informationen zum 23.07.2018 gestellt und derzeit bearbeitet würde, Anlage KA. Der Kläger erneuerte am 17. September Informationsfreiheitsanfrage vom 28. April 2018, 2018 per E-Mail seine ursprüngliche Anlage K5. Am 20. Januar 2019 sowie am 1. Februar 2019 erinnerte der Kläger den Beklagten an seine gestellte und bisher unbeantwortete Anfrage, Anlage K 6, K7. Seiten 2 von 8
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Der Beklagte lehnte mit E-Mail vom 7. Februar 2019 über das Portal FragDenStaat.de den Antrag des Klägers vom 23. Juli 2018 ab. Er begründete die Ablehnung unter Verweis auf $ 84 Abs. 28.1 Nr. 1 HDSIG und gab an, dass die Evaluation der Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze des Bundes und der Länder zu schützen wäre, da sie den Kernbereich der Willens- und Entscheidungsbildung der Landesregierung beträfe. Als meinungsbildende Maßnahme im Entstehungsprozess eines Gesetzentwurfes beziehungsweise im Vorlauf eines Gesetzgebungsverfahrens beträfe das Dokument die Vertraulichkeit politischer Entscheidungsbildung innerhalb der Landesregierung. Des Weiteren gab der Beklagte an, dass ein Referententwurf zum HDSIG nicht vorläge, da der Gesetzentwurf von den Fraktionen der CDU und Bündnis 90/Die Grünen in den Hessischen Landtag eingebracht worden wäre (Drs. 19/5728) und der Beklagte lediglich eine Formulierungshilfe für den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen leistete. Eine Rechtsbehelfsbelehrungerging nicht, Anlage K®. Der Kläger schrieb am 7. Februar 2019 unter Verweis auf seine E-Mail vom 14. Juli 2018 den Hessischen Informationsfreiheitsbeauftragten über das Portal FragDenStaat.de an und bat um Vermittlung, Anlage K9. Der Hessische Informationsfreiheitsbeauftragte teilte dem Kläger zunächst mit E-Mail vom 13. Februar 2019 mit, dass er die Vorgehensweise des HMdIS nicht beanstande und führte auf Rückfrage des Klägers vom selben Tag per E-Mail vom 14. Februar 2019 aus, dass der Hinweis auf den Kernbereich der Willens- und Entscheidungsbildung der Landesregierung gemäß & 84 Abs. 2 S.1 Nr. 1 HDSIG rechtlich plausibel und respektiert würde, Anlage K10, K11, K12. II. Rechtliche Würdigung 1. Zulässigkeit Die Klageist zulässig. Die Verpflichtungsklage gemäß $ 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO iststatthaft. Der Kläger ist klagebefugt, denn er kann erfolgreich geltend machen, durch die Versagung des Informationszugangs in seinen Rechten verletzt zu sein, 8 42 Abs. 2 VwGO. Die sofortige Klageerhebung ist zulässig. Ein Vorverfahren gemäß 8 68 VwGO findet nichtstatt, 8 87 Abs.5 8.2 HDSIG. Der Bescheid erging ohne Rechtsbehelfsbelehrung. Die Klagefrist gemäß $ 58 Abs. 2 5.1, 1. Alt. VwGOist eingehalten. Seiten 3 von 8
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2. Begründetheit Die Klageist begründet. Der ablehnende Bescheid verletzt den Kläger in seinen Rechten gemäß & 113 Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat einen Anspruch auf Informationszugang gemäß & 80 Abs. 1S. 1 HDSIG. Unstreitig ist der Kläger als natürliche Person „jeder“ im Sinne des 8 80 Abs. 1 S. 1 HDSIG. Vgl. Schoch, IFG, 8 1 Rn. 57. Der Beklagte als Ministerium ist eine öffentliche Stelle gemäß 8 80 Abs. 1 S. 1 HDSIG iVm 82 Abs. 1S. 1 HDSIG. Öffentliche Stellen sind die Behörden[...] des Landes. Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011-7 C 3/11 -, juris Rn. 12ff. Mit der Normierung des HDSIG ist eine zukünftig offenere und transparentere Gestaltung des Verwaltungshandelns intendiert. Nach Ansicht des Landesgesetzgebers hat die Schaffung eines Anspruchs auf Informationszugang eine wichtige demokratische und rechtsstaatliche Funktion. Der freie Zugang zu bei öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen ist wesentlicher Bestandteil öffentlicher Partizipation und der Kontrolle staatlichen Handelns und fördert die demokratische Meinungs- und Willensbildung. Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENfür ein Hessisches Gesetz zur Anpassung des Hessischen Datentschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 und zur Informationsfreiheit, Drucksache 19/5728, S. 1f., 97; siehe zudem BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 -7C 4/11 -, juris Rn. 20. Insbesondere hat der Landesgesetzgeber den Anwendungsbereich des Gesetzes gerade nicht unter die Einschränkung der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben gestellt, so dass er sich grundsätzlich auf das Regierungshandelnerstreckt. So aber $ 2 Abs. 1 LIFG BW; vgl. dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 2. Februar 2018 — 14 K 2909/16 -, juris, Rn. 40f.; siehe zudem BVerwG, Urteil vom 03. November 2011 - 7 C 3/11 -, juris Rn. 19ff. Der Beklagte erhob die Evaluation der Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze des Bundes und der Länder zur Vorbereitung des HDSIG. Die ministerielle Vorbereitung von Gesetzen stellt eine Verwaltungshandlung dar und ist somit grundsätzlich dem Informationsanspruch zugänglich. Die Evaluation fällt darunter. Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Juni 2015 -— 15 A 2062/12, Rn. 40ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 20, 23, 27.; Urteil vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 6.10 -, juris Rn. 28f. Seiten 4 von 8
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Das HDSIG geht von einem gesetzlichen Anspruch auf Informationszugangzu den bei öffentlichen Stellen des Landes vorhandenen amtlichen Informationen aus. Der Zugang ist allgemein und materiellrechtlich voraussetzungslos und nur bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes zu versagen. Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENfür ein Hessisches Gesetz zur Anpassung des Hessischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 und zur Informationsfreiheit, Drucksache 19/5728, S. 2. Die Versagung des Zugangs zu Informationen ist nur in den engen Grenzen, die sich der Landesgesetzgeber selbst gesteckt hat, zulässig. Der Gesetzgeber hätte es in der Hand gehabt, in einem weiten Sinne einen speziellen Ausschlussgrund für Vorgänge aus dem Bereich der politischer Entscheidungsbildung innerhalb der Landesregierung zu statuieren. Das hat er jedoch nicht getan, sondern lediglich auf den Kernbereich der Willens- und Entscheidungsbildung der Landesregierung rekurriert, insofern muss er sich hieran messenlassen. Keine Versagung auf Informationszugang gemäß $ 84 Abs. 2 S.1 Nr. 1 HDSIG Der Beklagte hat die Übersendung der Evaluation der Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze des Bundes und der Länder rechtswidrig mit Verweis auf den Kernbereich der Willens- und Entscheidungsbildung der Landesregierung, &$ 84 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HDSIG, verweigert. Nach Auffassung des Beklagten betreffe das Dokument als meinungsbildende Maßnahme im Entstehungsprozess eines Gesetzentwurfes beziehungsweise im Vorlauf eines Gesetzgebungsverfahrens die Vertraulichkeit politischer Entscheidungsbildung innerhalb der Landesregierung. Der Beklagte verkennt, dass der Kernbereich der Willens- und Entscheidungsbildung der Landesregierung gemäß 8 84 Abs. 2 Nr. 1 HDSIG schongarnicht berührt ist. Dazu wiefolgt: a) Reichweite des Kernbereichs Als Ausläufer des Gewaltenteilungsgrundsatzes, Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, dient der Schutz des Kernbereichs der Willens- und Entscheidungsbildung der Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung. Vgl. BVerwG,Urteil vom 30. März 2017 - 7C 19/15 -Rn.11. Darunter fällt die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinett- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Seiten 5 von 8
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Vgl. dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83,juris, Rn. 127f.; VG Berlin Beschluss vom 23. Juni 2017 - 27 L 295.17 —, juris Rn. 63f. Der Versagungsgrund in 8 84 Abs. 2 Nr. 1 HDSIG verwirklicht mithin einfachgesetzlich den verfassungsrechtlich garantierten Schutz des Kernbereichs der Willens- und Entscheidungsbildung der Landesregierung. So soll verhindert werden, dass der Schutz, den eine Regierung im Verhältnis zu anderen Verfassungsorganen genießt, unterlaufen wird. Vgl. u.a. BVerwG,Urteil vom 30. März 2017 - 7C 19/15 - Rn. 11 unter Verweis auf BT-Drs. 15/4493 S. 12 sowie BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 - Rn. 119 m.w.N.: „Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbarenInitiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt.“ Der Schutz des Kernbereichs der Willens- und Entscheidungsbildung der Landesregierungerstreckt sich dabei vor allem auf laufende Verfahren. Die autonome Wahrnehmung der Regierungskompetenzen soll so gewahrt und ein Mitregieren Dritter verhindert werden. Vgl. BVerwG,Urteil vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, juris Rn. 5; Urteil vom 3. November 2011 - 7C 4/11 -, juris Rn. 35 sowie Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19/17 —, juris Rn. 18; ; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Mai 2017 - OVG 12 B 5.16 -, juris Rn. 27; OVGBerlin- Brandenburg, Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 6.14 —, juris Rn. 42. Ist ein Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen, so fällt als funktioneller Belang nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht, die durch eine nachträgliche Veröffentlichung eingeengt werden könnte. Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, Vorb 88 3-6 Rn. 28 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01, Rn. 51; zudem BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C19/15, Rn. 11; siehe zudem VGBerlin, Urteil vom 18. Dezember 2013-2 K 249.12 -, juris Rn. 35 sowie Beschluss vom 27. Januar 2015, 27 L 494.14, Rn. 28. Der Informationszugang liefe anderenfalls leer, und es würde eine Bereichausnahme für die Tätigkeit einer grundsätzlich informationspflichtigen Stelle geschaffen werden. BVerwG,Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19/15 -, juris Rn. 17; Urteil vom 3. November 2011-7 3.11 -, juris Rn. 31 sowie Urteil vom 15. November 2012 - 7C 1.12 —, juris Rn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 6.14 -,, juris Rn. 48. Bezieht sich der begehrte Informationszugang — wie hier — auf einen abgeschlossenen Vorgang, so kann folglich allenfalls ein Eingriff in die freie und offene Willensbildung innerhalb der Landesregierung vorliegen. Seiten 6 von 8
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b) Kein Eingriff in die freie und offene Willensbildung innerhalb der Landesregierung Es ist nicht erkennbar, inwieweit die Übersendung der Evaluation der Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze des Bundes und der Länder an den Kläger in die freie und offene Willensbildung innerhalb der Landesregierungeingreift. Der Beklagte verweist auf 8 84 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HDSIG und behauptet, die Evaluation betreffe als meinungsbildende Maßnahme im Entstehungsprozess eines Gesetzentwurfes beziehungsweise im Vorlauf eines Gesetzgebungsverfahrens die Vertraulichkeit politischer Entscheidungsbildung innerhalb der Landesregierung. Weitergehender Ausführungenenthält er sich. Zunächst heißt „meinungsbildend“nicht, dass die Evaluation des Beklagten an sich direkt in eine Entscheidung mündet. Erst in der Umsetzungdes durch die Evaluation erlangten Erkenntnissezeigt sich das Gepräge parlamentarischen Wirkens. Zudem verortet der Beklagte selbst die Evaluation als meinungsbildende Maßnahme im Entstehungsprozess (!) des Gesetzentwurfs. Damit verdeutlicht der Beklagte, dass die Evaluation Bestandteil vorgelagerter Beratungs- und Entscheidungsabläufe ist und insoweit einen geringeren Schutz genießt. Vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. August 2016 — 15 A 2024/13 -, juris Rn. 57. Die Evaluation steht dem gubernativen Entscheidungsprozess wohl kaum so nah, als dass eine Verweigerung ihrer Übersendung unter Verweis auf den Kernbereich der Willens- und Entscheidungsbildung der Landesregierung im Einklang mit dem voraussetzungslosen Informationsanspruch des HDSIG steht. Vgl. dazu VG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2011-2 K 46.11 -, juris Rn. 42 unter Bezugnahmeauf eine Ministervorlage. Im Gegenteil. Als Evaluation wird sie — wie bei sach- und fachgerechten Bewertungen üblich — mehrere Schlussfolgerungen zugelassen haben und kaum Rückschlüsse auf die politische Entscheidungsbildunginnerhalb der Landesregierung erlauben. Verweigert der Beklagte jedoch — so wie hier geschehen — unter Rückgriff auf 8 84 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HDSIG den Informationszugang, so muss er befürchtete negative Auswirkungen auf die zukünftige freie und offene Willensbildung innerhalb der Landesregierung — denn nur diese kann nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens noch betroffen sein — anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegen. Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2015 — OVG 12 B 6.14 -,, juris Rn. 44. Pauschale Hinweise reichen nicht aus. Vielmehr ist von einer Umkehr der Argumentationslast auszugehen, so dass der Beklagte gehalten gewesen wäre, seine Erwägungen gegenüber dem Klägertatsachengestützt vorzutragen. Seiten 7 von 8
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Vgl. dazu BVerwG,Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19/15, Rn. 12f.; BVerwG,Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, juris Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 54; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2015-12 B 16.14 —, juris Rn. 35 sowie Beschluss vom 30. Dezember 2016 -OVG 65 29.16 -, juris Rn. 25f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juni 2017 - 10 S 436/15 -, juris Rn. 44. Das ist nicht geschehen. Der Beklagte lässt pauschale Hinweise genügen und meint, damit einen grundsätzlich voraussetzungslosen Informationszugang verweigern zu können. Die nachträgliche Offenlegung der Evaluation wird kaum zu einer Beeinträchtigung der zukünftigen freie und offene Willensbildung innerhalb der Landesregierung führen. Es ist höchst zweifelhaft, dass die derzeitige Landesregierung oder auch zukünftige Landesregierungen in anderen Fällen gehindert sein werden, die von ihnen politisch und rechtlich für richtig gehaltenen Entscheidungen zu treffen einzig vor dem Hintergrund der Übersendungderstreitgegenständlichen Evaluation an den Kläger. Nach Vorgesagtem ist der Klage stattzugeben. Mit freundlichen Grüßen, Angela Carstensen Rechtsanwältin Seiten 8 von 8
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Imagefilm Vom Klassensprecher zum Verfassungsschützer

Der Verfassungsschutz ist in vielen Bundesländern vom Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ausgenommen – jedoch nicht in Mecklenburg-Vorpommern. Von dort haben wir einen skurrilen Imagefilm aus dem Jahre 1999 erhalten.