Neuer Lagebericht zu SyrienDesolate Menschenrechtslage im Bürgerkrieg

Das Auswärtige Amt hat uns einen neuen Lagebericht zu Syrien herausgegeben. Er zeigt, wie schlimm die Lage vor Ort ist – und dass Abschiebungen nach Syrien gegen Menschenrechte verstoßen würden.

-

Die Menschenrechtslage in Syrien ist weiterhin katastrophal. Zu diesem Schluss kommt ein Lagebericht des Auswärtigen Amtes von November 2019, den wir mit geringfügigen Schwärzungen veröffentlichen. Abschiebungen in das Bürgerkriegsland erscheinen damit in absehbarer Zeit sehr unwahrscheinlich.

Wie schon im Lagebericht des Ministeriums, den wir vor einem Jahr veröffentlicht haben, zeigen die Diplomaten, dass die Sicherheit von Personen in Syrien nicht garantiert werden kann:

„Nach wie vor besteht in keinem Teil Syriens ein umfassender, langfristiger und verlässlicher interner Schutz für verfolgte Personen; es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter.“

Immer wieder seien Rückkehrer aus anderen Ländern „erneuter Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen, bis hin zu unmittelbarer Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt.“

Mit Lageberichten zu verschiedenen Ländern liefert das Auswärtige Amt die Diskussionsgrundlage für mögliche Abschiebungen von Schutzsuchenden aus Deutschland. Wir bemühen uns derzeit, alle verfügbaren Lageberichte zu erhalten und zu veröffentlichen, darunter beispielsweise auch den aktuellen Lagebericht zu Afghanistan. Da das Auswärtige Amt für die Schwärzungen Gebühren in Rechnung stellt, zahlen wir pro Bericht rund 80 Euro. Wir möchten Sie bitten, uns dafür eine Spende zukommen zu lassen. Herzlichen Dank!

zur Anfrage

zum Lagebericht

/ 30
PDF herunterladen
'J"S N'11r Eiir den Bienstgehra11eh Berlin, den 20.11.2019 AUSWÄRTIGES AMT Gz.: 508-516.80/3 SYR Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien ( Stand: 20.11.2019) Der letzte reguläre Asyllagebericht zu Syrien erschien im September 2010. Aufgrund des seit Frühjahr 2011 anhaltenden Konflikts in Syrien war eine Überarbeitung des gesamten Berichts in den vergangenen Jahren weder möglich noch sinnvoll. Die Botschaft Damaskus ist seit Januar 2012 geschlossen. Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über die aktuelle Situation in der Arabischen Republik Syrien. Er stellt keinen regulären Asyllagebericht dar. Er wurde im Hinblick auf die Anfang Dezember 2019.stattjindende Innenministerkonferenz erstellt, nachdem die Innenminister der Länder bei der Innenministerkonferenz Anfang Dezember 2018 sowie der Innenministerkonferenz Mitte Juni 2019 um eine Fortschreibung der Lagebewertung vom 05. November 2018 gebeten und den Abschiebestopp nach Syrien (§ 60a AufenthG) bis Ende Dezember 2019 verlängert hatten. Besondere Hinweise zum aktuellen Bericht zu Syrien: Die Botschaft Damaskus ist seit Januar 2012 geschlossen. Dies beschränkt substantiell die Möglichkeiten, ein qualifiziertes und aussage- kräftiges Lagebild auf der Grundlage eigener Erkenntnisse zu erstellen. Seit Anfang 2012 besteht eine Reisewarnungfür Syrien, deutsche Staatsangehörige sind zur Ausreise mifgefordert. Der nachstehende Bericht beruht vorrangig auf Erkenntnissen, die das Auswärtige Amt im Rahmen seiner Kontaktarbeit zu Syrien gewonnen hat, insbesondere mit Organisationen und Agenturen der Vereinten Nationen wie dem UNHCR, UN OCHA, WFP, WHO und UNRWA in Syrien und seinen Nachbarländern sowie der internationalen unabhängigen Untersuchungskommission zur Men- schenrechtslage in Syrien, des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen, dem IKRK, syrischen Menschenrechtsorganisationen wie Syrian Network for Human Rights (SNHR), Syrians for Truth and Justice (STJ) und Syrian Violations Documentation Centre (VDC) sowie den in Damaskus ver- tretenen westlichen Staaten. Die Zentrale des Auswärtigen Amts sowie die Botschaften in Beirut, Ankara und Amman pflegen einen regelmäßigen Austausch mit diesen Institutionen. Darüber hinaus wird auffolgende, offen einsehbare, Quellen verwiesen: - - - - - - - United Nations: Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic, 15. August 2019 United Nations: Report of the Independent International Commission ofInquiry on the Syrian Arab Republic, 12. September 2018 United Nations: Report ofthe Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic, 9. August 2018 United Nations: "I lost my dignity ": Sexual and gender-based violence in the Syrian Arab Republic, 15. März 2018 United Nations: Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic, 6. März 2018 United Nations: Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic, 6. September 2017 United Nations: Report of the Independent International Commission of Inquiry on the SyrianArab Republic, 1. März 2017 ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
1

2 -vs -Nur für den Dienst~ehraueh - - - - - - - ·- - - - - - - - - - - - - - - - United Nations: Out ofSight, out ofMind: Deaths in Detention in the Syrian Arab Republic, 3. Februar 2016 United Nations General Assemb/)': Ch1"/dren and Armed Conjlict, Report of the Special Representative ofthe Secretary-Genera/for Children and Armed Conjlict, 20. Juni 2019 United Nations General Assembly: Children and Armed Conjlict, Report of the Special Representative of the Secretary-General for Children and Armed Conflict, 16. Mai 2018 World Bank: The Mobility of Displaced Syrians: An Economic and Social Analysis, 6. Februar 2019 World Bank: The Toll of War: The Economic and Social Consequences of the Conjlict in Syria, 10. Juli 2017 UN Humanitarian Response Plan for Syria 2019 und UN Humanitarian Needs Overview for Syria 2019 und UN OCHA Humanitarian Response Plan Monitoring Report Jan-June 2019 UN Regional Refugee and Resilience Plan 2018-2019 in Response to the Syria Crisis: Regional Overview, Dezember 2017 UN: Report of the Secretary General on the Implementation of Security Council reso/utions 2139 (2014), 2165 (2014), 2191 (2014), 2258 (2015), 2332 (2016), 2393 (2017), 2401 (2018) and 2249 (2018), 21 August 2019 lOM: The Intentions ofSyrian Internally Disp/aced, 2017 Amnesty International: Amnesty Internationa/2017/2018: The State ofthe World's Human Rights, 2018 Amnesty International: Human s/aughterhouse: Mass hangings and extermination at Saydnaya Prison, Syria. 2017 Amnesty International: Torfure was my Punishment- Abductions, Torfure and Summary Killings under Armed Group Rufe in Aleppo and Idleb, Syria. 2016 Amnesty International: 'We had nowhere to go" Forced Displacement and Demofitions in Northern Syria. 2015. Human Rights Watch: World Report 2018- Syria Human Rights Watch: Syria-Residents blockedfrom returning, 16.10.2018 Human Rights Watch: Under Kurdish Rufe- Abuses in PYD-Run enclaves ofSyria. Norwegian Refugee Counci/: Global Report on Interna/ Displacement 2018, 2018 Norwegian Refugee Council: Dangerous Ground: Syria 's Refugees Face an Uncertain Future, 2018 Carnegie Middle East Center: Unheard Voices: What Syrian Refugees Need to Return Home, 2018 1 The Syrian Human Rights Committee: The 16 h Annual Report on Human Rights in Syria 2017, January 2018 The Syrian Network for Human Rights: The Most Significant Human Rights Violations by Kurdish Democratic Union Party and the Kurdish Self-Management Forces. 2015. The Syrian Network for Human Rights: Enforced Disappearance is the Regime 's Most Painful and Brutal Weapon. August 2019. The Syrian Network for Human Rights: The Syrian Regime Continues to Pose a Violent Barbaric Threat and Syrian Refugees Should Never Return to Syria. August 2019. Syrians for Truth & Justice: Syrian Citizenship Disappeared: How the 1962 Census Destroyed Stateless Kurds ' Lives and Identities, 15 September 2018 Regelmäßig ausgewertet werden einschlägige soziale Medien sowie die Internet-Seiten oben genannter Institutionen, sowie Mitteilungen syrischer Menschenrechtsorganisationen und die Updates der VN-Organisationen. ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
2

. 3 -··-vs---Nurfüa den Dienstgebt auch '"' in 1'J'?SChl•,:~ ...",t.,. -~ .. .. . .. Fassung ni~ht als \. VS eingestuft Funktion: Diese Art Berichte sollen vor allem dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Verwaltungsgerichten als Entscheidungshilfe in Asylverfahren, aber auch den Innenbehörden der Länder bei ihrer Entscheidung über die Abschiebung ausreisepjlichtiger Personen dienen. In ihnen stellt das Auswärtige Amt asyl- und abschiebungsrelevante Tatsachen und Ereignisse dar. Wertungen und rechtliche Schlussfolgerungen aus der tatsächlichen Lage haben die zuständigen Behörden und Gerichte selbst vorzunehmen. Über diese Art Berichte hinausgehende Anfragen von Behörden und Gerichten wird das Auswärtige Amt beantworten, soweit die Anfragen einen konkreten tatsächlichen Sachverhalt zum Gegenstand haben. Die Beantwortung von Fragen, die bereits in der Fragestellung eine rechtliche Wertung enthalten (z. B. "Besteht für den Kläger das Risiko einer politischen Verfolgung?"), fällt in die Zuständigkeit der Gerichte bzw. Innenbehörden, nicht aber des Auswärtigen Amts. Diese Art Berichte sind als "Verschlusssache- Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft. Nur dieses restriktive Weitergabeverfahren stellt sicher, dass die Berichte ohne Rücksichtnahme auf außenpolitische Interessen formuliert werden können. Die Schutzbedürftigkeit ist auch aus Gründen des Quellenschutzes und in Einzelfällen sogar im Interesse der persönlichen Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amts geboten. Das Auswärtige Amt weist darauf hin, dass dieser Bericht nicht an Dritte, die selbst weder verfahrensbeteiligt noch verfahrensbevollmächtigt in einem anhängigen Verfahren sind, weitergegeben werden darf Die unbefugte Weitergabe dieser Informationen durch verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte stellt einen Verstoß gegen berufliches Standesrecht dar (§ 19 der anwaltliehen Berufsordnung) und kann entsprechend geahndet werden. Das Auswärtige Amt hat keine Einwände gegen die Einsichtnahme in diesen Lagebericht bei Verwaltungsgerichten durch Prozessbevollmächtigte, wenn die Bevollmächtigung in einem laufenden Verfahren nachgewiesen ist. Aus Gründen der Praktikabilität befürwortet das Auswärtige Amt, dass die Einsichtnahme unabhängig von örtlicher und sachlicher Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, bei dem der/die Prozessbevollmächtigte im Einzelfall Einsicht nehmen möchte, möglich ist. Der Bericht berücksichtigt die dem Auswärtigen Amt bekannten Tatsachen und Ereignisse bis zu dem angegebenen Datum der Erstellung. sofern nicht anders angegeben. ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
3

Inhaltsverzeichnis I. Allgemeine politische Lage .............................................................................................. 5 II. Politisch relevante Tatsachen ....................................................................................... lO 1. Staatliche Repressionen ............................................................................................. 10 1.1 Politische Opposition ............................................................................................... 10 1.2 Meinungs- und Pressefreiheit.. ............................. ;................................................... 11 1.3 Militärdienst ............................................................................................................. 11 2. Repressionen Dritter .................................................................................................. 12 111. Menschenrechtslage .................................................................................................... 13 1. Einsatz chemischer Waffen ........................................................................................ 13 2. Willkürliche Verhaftungen und Fo1ter ....................................................................... 14 3. Politisch beeinflusste JustizNerwaltung ................................................................... 16 4. Todesstrafe ....................................................................................... 17 5. Haftbedingungen ........................................................................................................ 17 6. Geschlechtsspezifische Verfolgung ........................................................................... 18 7. Handlungen gegen Kinder ........................ :................................................................ 18 8. Kurden und Situation in Gebieten mit kurdischer Bevölkerung ................................ 19 IV. Rückkehrfragen ........................................................................................................... 20 1. Sicherheit von Rückkehrerinnen und Rückkehrern ................................................... 22 1.1 Bedrohung durch Kampfhandlungen und Kampfmittel.. ......................................... 22 1.2 Bedrohung durch terroristische Anschläge .............................................................. 23 1.3 Weitreichende Zugangsbeschränkungen .................................................................. 24 1.4 Politische Verfolgung und willkürliche Verhaftungen ............................................ 25 1.5 Einzug in den Militärdienst ...................................................................................... 25 2. Situation für Rückkehrerinnen und Rückkehrer ....................................................... 26 2.1 Grundversorgung ..................................................................................................... 26 2.2 Medizinische Versorgung ........................................................................................ 28 2.3 Infragestellung von Eigentumsrechten durch neue Gesetzgebung, Enteignungen .. 29 ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
4

5 - YS Nurlüt den DieMtgelmtaelt-- in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft Vorbemerkung Angesichts der noch immer hohen Volatilität der Lage in Syrien kann dieser Bericht nur als Momentaufnahme angesehen werden. In den vergangeneo Jahren hat das syrische Regime mit militärischer Unterstützung Russlands und Irans die Kontrolle über große Teile des Landes zurückerlangt. Die Kampfhandlungen waren zwischenzeitlich insgesamt zurückgegangen, haben aber zuletzt insbesondere in der Provinz Idlib und dem Nordosten Syriens wieder deutlich zugenommen. Mehr als zwei Drittel der im Land verbliebenen Bevölkerung leben in Gebieten unter Kontrolle des syrischen Regimes. Aufgrund dieser Entwicklung legt dieser Bericht einen klaren Schwerpunkt auf die Situation dort. Eine einheitliche Lage ist in diesen Gebieten weiterhin nicht gegeben. Die faktische Ausübung der Kontrolle durch das syrische Regime unterscheidet sich stark von Gebiet zu Gebiet - Einzelheiten dazu finden sich in den jeweiligen Abschnitten des Berichtes. Es gibt jedoch weiterhin Landesteile, in denen das syrische Regime effektiv keine Kontrolle ausübt, wenngleich auch dies einer gewissen Dynamik unterworfen ist: Der Nordwesten wird teilweise durch bewaffnete Gruppen, teilweise durch das Regime kontrolliert. Gebiete im Norden und Nordosten werden durch die Türkei und mit ihr affiliierte bewaffnete Gruppen sowie- außerhalb des türkischen Einflussbereiches - durch die Syrian Democratic Forces (SDF) sowie seit Mitte Oktober teilweise durch das syrische Regime kontrolliert. Auch in diesen Gebieten ist die Lage weiterhin sehr volatil -Einzelheiten dazu finden sich in den jeweiligen Abschnitten des Berichtes. Das Assad-Regime hat wiederholt öffentlich erklärt, dass die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes weiterhin sein erklärtes Ziel sei. I. Allgemeine politische Lage Der bewaffnete Konflikt in Syrien befindet sich im neunten Jahr. Durch massive syrische und russische Luftangriffe und das Eingreifen Irans bzw. durch Iran unterstützte Milizen hat das syrische Regime mittlerweile alle Landesteile außer dem Nordwesten und Nordosten von der bewaffneten Opposition zurückerobert. Nach Angaben der Vereinten Nationen (VN) hat der Konflikt allein bis 2016 mindestens 400.000 Tote und 1,2 Mio. Verletzte gefordert. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen seitdem erheblich angestiegen sind, auch wenn die VN seit 2016 keine Zahlen mehr veröffentlichen. Die Syrische Beobachtungsstelle fiir Menschenrechte (SOHR) beziffert die Zahl der Todesopfer auf 570.000 (Stand März 2019). 5,6 Mio. Syrer sind als Flüchtlinge beim VN-Hochkommissariat fiir Flüchtlinge (UNHCR) registriert, v.a. in den Nachbarländern Syriens. Weitere 5,9 Mio. Syrer sind Binnenvertriebene. Das syrische Regime deklariert sein militärisches Vorgehen als Antiterroroperation. Ziele der Angriffe waren jedoch von Beginn an, und sind weiterhin, vor allem Kräft~ der bewaffneten Opposition und weite Teile der Bevölkerung. Neben Stellungen der Opposition wurden, und werden, gleichermaßen Wohngebiete sowie zivile Infrastruktur angegriffen, einschließlich Krankenhäuser und Schulen -teilweise mit Präzisionsraketen und zielgenauen Waffensystemen von Kampfflugzeugen. Diese offensichtlich gezielten Angriffe auf zivile Infrastruktur schlossen medizinische Einrichtungen ein, deren Koordinaten die Vereinten Nationen an die relevanten Konfliktparteien übermittelt hatten. Der VN-Generalsekretär hat eine Untersuchung dieser Vorfälle angekündigt, das dafür eingesetzte "Board of Inquiry" hat am 30. September seine Arbeit aufgenommen. Auch kam und kommt es unverändert zum massenhaften Einsatz von international geächteten Fassbomben. Recherchen des Syrian Network for Human Rights (SNHR) zufolge hat ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
5

in ge,..,.h .. r- .;li._,,INan:ter VS 6 Nur für deR DieB:stgehrttueh rassung . vs . nu:ht als , emgestuft das Regime von Juli 2012 bis Dezember 2018 mindestens 71.935 Fassbomben eingesetzt und dabei vor allem Zivilisten getötet. In den 2018 vom syrischen Regime zurückeroberten Gebieten wie Quneitra und Daraa im Süden und Südwesten des Landes bestehen die konfliktauslösenden Missstände fort und haben sich in den letzten Monaten verschärft. Dem syrischen Regime ist es bisher nicht gelungen, dort eine stabile politische und wirtschaftliche Lage zu schaffen: öffentliche Gelder für medizinische Versorgung sind kaum vorhanden, für Bildung gibt es derzeit kein Budget, Strom ist nur für wenige Stunden pro Tag verfügbar. Die im Rahmen der Regimeoffensive im Juli 2018 in Südwestsyrien ausgehandelten sog. "Versöhnungsabkommen" werden weiterhin häufig durch das Regime und seine Sicherheitsdienste verletzt. Anhaltende Verhaftungswellen, Gewaltausübung und gezielte Tötungen haben in den vergangeneo Monaten zugenommen. Infolge dessen kommt es auch immer wieder zu Demonstrationen gegen das syrische Regime. Die Absicht des syrischen Regimes, das gesamte Staatsgebiet zurückerobern und "terroristische" Kräfte vernichten zu wollen, wird v .a. von Russland und Iran explizit unterstützt. Zuletzt erklärte der syrische Außenminister im September 2019, die Entschlossenheit ,jeden Zentimeter des Landes zu befreien". Trotz der großen Gebietsgewinne durch das Regime besteht die Fragmentierung des Landes in Gebiete, in denen die territoriale Kontrolle von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt wird, jedoch weiter fort. Dies gilt insbesondere für den Nordwesten und Nordosten des Landes. Im Nordwesten hat die vom VN-Sicherheitsrat als Terrororganisation designierte, bewaffnete Gruppe Hayat Tahrir al Sham (HTS, zuvor Jabhat al Nusra) nach Kämpfen mit anderen bewaffneten Oppositionsgruppen im Januar 2019 die militärische Kontrolle über die sogenannte "Deeskalationszone", die aus der Provinz Idlib sowie nördlichen Gebieten der Provinz Hama und westlichen Gebieten der Provinz Aleppo besteht, weitgehend übernommen. Aufgrund von Kampfhandlungen sowie "Evakuierungen" aus zuvor belagerten Gebieten in den Gouvernoraten Damaskus, Horns, Daraa und Quneitra sind im Verlauf des Konflikts hunderttausende Menschen nach Idlib geflohen; aktuell leben Schätzungen zufolge drei Millionen Menschen in der "Deeskalationszone". Regimeangriffe erfolgten hier seit Jahren. Eine Einigung zwischen Türkei und Russland vom 17. September 2018 über eine demilitarisierte Zone in der Region Idlib unter Abzug schwerer Waffen und Kämpfer konnte bisher nicht vollständig umgesetzt werden. Mehrere Waffenstillstände wurden nach kurzer Zeit wieder gebrochen. Seit Mai 2019 ist ein signifikanter Anstieg der Kampfhandlungen zu beobachten, ohne dass eine schnelle und klare militärische Lösung absehbar ist. Insgesamt sind laut VN seit April 2019 1089 Menschen Opfer der Militäroffensive auf Idlib geworden, davon 1031 durch Angriffe des Regimes und Russlands. Laut Menschenrechtsorganisationen sollen mehr als 1840 Menschen zu Tode gekommen sein. Die VN- Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, verurteilte im Juli 2019 mit deutlichen Worten gezielte Angriffe auf die syrische Zivilbevölkerung, die Kriegsverbrechen darstellten, sowie die anhaltende Tatenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft, insbesondere des Sicherheitsrates. Im Norden um die Städte Afrin und Jarablus, die weiterhin unter der Kontrolle der Türkei und Türkei-naher Milizen stehen, haben sich Kampfhandlungen und gewalttätige Auseinandersetzungen seit dem Bericht von November 2018 intensiviert. Es kommt immer wieder zu asymmetrischen Auseinandersetzungen zwischen Türkei-nahen Gruppen, der Freien Syrischen Armee und den kurdischen, sog. "Selbstverteidigungseinheiten" (Yekineyen Parastina Gel (YPG)). Zudem halten Berichte über willkürliche Verhaftungen an. Im Juli 2019 starben bei einem Anschlag in Afrin mindestens elf Menschen durch eine Autobombe. ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
6

• tnaee-cJ., 7 VS Na• für den Dienstgehraaeh . J:as;o~g V~firzter Vs ein ntcht als 9estoft Im Nordosten, östlich des Euphrats, errichten die Syrian Democratic Forces (SDF) und das ihr bei- geordnete zivile Entscheidungsgremium des Syrischen Demokratischen Rats (SDC) staatsähnliche, in Kernbereichen von der Partei der Demokratischen Union ("Partiya Yekit'iya Demokrat" (PYD)) dominierte Verwaltungsstrukturen. Die YPG stellt einen wesentlichen Teil der SDF, welche in Kooperation mit der internationalen Anti-IS-Koalition militärisch gegen die Terrororganisation IS in Syrien vorgehen. Die Türkei unterstellt der PYDNPG Nähe zur von der EU als Terrororganisation geHsteten PKK und bezeichnet diese daher ebenfalls als Terroristen und Gefahr ftir die nationale Sicherheit der Türkei. Die sog. Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien ist von der Bundesregierung völkerrechtlich nicht anerkannt. Am 9. Oktober begann die Türkei eine Militäroffensive gegen die SDF I YPG in Nordostsyrien, die sogenannte "Operation Friedensquelle" und ftihrte seither Luft-und Artillerieangriffe auf Stellungen der SDF I YPG im gesamten Grenzgebiet Nordostsyriens durch. Laut VN wurden mit Stand vom 15. Oktober 2019 bis zu 200.000 Menschen infolge der Kampfhandlungen intern ve~rieben. Die meisten Menschen suchten Zuflucht und Schutz südlich der türkisch-syrischen Grenze, in den Provinzen Hassakeh und Raqqa. Bereits vor der türkischen Offensive waren in Nordostsyrien insgesamt 1,65 Mio. Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, davon mindestens 605.000 Binnenvertriebene. Es gibt Berichte über zivile Opfer und Verletzte, u.a. nach einem Angriff auf einen zivilen Konvoi mit internationalen Medienvertretern. Des Weiteren soll es Berichten zufolge zur Tötung mehrerer gefangener kurdischer Kämpfer sowie einer kurdischen Politikerin durch die Türkei-nahe syrische Miliz Ahrar al-Sharqiya gekommen sein. Vor Ablauf der am 17. Oktober 2019 zwischen US-Vize-Präsident Pence und dem türkischen Präsidenten Erdogan vereinbarten ftinftägigen Waffenruhe, einigten sich der russische Staatspräsident Putin und der türkische Staatspräsident Erdogan während ihres Treffens am 22. Oktober 2019 auf eine Regelung ftir das syrisch-türkische Grenzgebiet in Nordostsyrien. Demnach wurde die Waffenruhe verlängert und sollten Kräfte der SDF I YPG vollständig aus dem rund 30 Kilometer tiefen Geländestreifen (zwischen Euphrat im Westen und der irakiseben Grenze im Osten) abziehen. Davon ausgenommen sind die bereits zuvor zum Teil vom Regime, zum Teil durch die Kurden kontrollierte Stadt Quamishli und die türkisch-kontrollierte Zone zwischen Tal Abyad und Ras al-Ayn. Dies stellt die russische Militärpolizei gemeinsam mit syrischen Grenztruppen seit dem 23. Oktober 2019 sicher. Gleichzeitig werden türkische Kräfte in diesem Abschnitt präsent bleiben. Seit dem 0 I. November 2019 patrouillieren türkische und russische Kräfte gemeinsam innerhalb eines zehn Kilometer tiefen Korridors, außerhalb der türkisch kontrollierten Zone. Auch nach der russisch-türkischen Einigung kam es immer wieder zu lokalen Auseinandersetzungen, auch zwischen türkischen Truppen und Regimekräften. Der syrische Präsident Assad lobte die russisch-türkische Vereinbarung zum Abzug der Kurden in einer Rede am 31. November 2019, schloss aber gleichzeitig auch einen Krieg mit der Türkei nicht aus. Ziel ist und bleibt grundsätzlich auch dieses Gebiet wieder unter Regimekontrolle zu bringen. Die weitere Umsetzung der russisch-türkischen Vereinbarung und die daraus entstehenden Auswirkungen auf die Sicherheitslage sowie die künftigen Machtverhältnisse in Nordostsyrien können zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewertet werden. Festzustellen ist jedoch bereits, dass das Regime durch die Vereinbarung von Sotschi perspektivisch seinen Einfluss im Nordosten ausweiten kann. Nach einem Telefonat des US-Präsidenten Trump mit dem türkischen Präsident Erdogan am 6. Oktober, währenddessen die Türkei ihre unmittelbar bevorstehende Offensive auf Nordostsyrien ankündigte, erklärte das Weiße Haus, dass die USA sich nicht an der Militärintervention beteiligen und sich aus dem Operationsgebiet zurückziehen werden. Am Morgen des 7. Oktober begannen die USA mit der Umsetzung des Rückzugs. Rund I 000 Soldaten sollten Syrien verlassen, lediglich ein kleines Kontingent von 150 US-Soldaten auf dem südsyrischen Stützpunkt Al-Tanf stationiert ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
7

8 7 -lS Nut füt den Dieastgeln=au~b in g·sschw~rzter Fassung nicht als ·~ VS eingestuft ~leiben. Am 25. Oktober kündigten die USA schließlich an, weitere Soldaten zur Sicherung der Olquellen in Ostsyrien belassen zu wollen. Verhandlungen über einen dauerhaften "Sicherheitsmechanismus" fiir Nordostsyrien entlang der türkischen Grenze zwischen den USA und der Türkei hatten zuvor lediglich zur Einrichtung eines ersten Abschnitts, zwischen Tal Abyad und Ras al-Ayn (120 km Länge) mit einer Tiefe von 5-14 km, gefiihrt. Der türkische Staatspräsident Erdogan hat mehrfach die Absicht geäußert, bis zu drei Mio. syrische Flüchtlinge aus der Türkei nach Nordostsyrien zu bringen und dort anzusiedeln. Bei seiner Rede zur 74. Generalversammlung der VN am 24. September präsentierte er eine Karte mit der fiir eine potentielle Rückkehr syrischer Flüchtlinge angedach.ten Zone. Präsident Erdogan erwägt dafür auch eine Erweiterung der Sicherheitszone bis Raqqa und Deir ez-Zor. Der Plan soll die Errichtung von 140 Dörfern mit jeweils 5.000 Bewohnern und zehn Bezirksstädten mit jeweils 30.000 Bewohnern vorsehen. Sowohl das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) als auch die EU-Mitgliedsstaaten in einer gemeinsamen EU-28- Erklärung betonten erneut, dass eine Rückkehr in die Herkunftsorte nur freiwillig und in Sicherheit und Würde erfolgen könne. Zugleich hat die EU klargestellt, dass sie keine Hilfe für Stabilisierung oder Entwicklungsprojekte in Gebieten leisten werde, in denen die Rechte der lokalen Bevölkerung nicht gewahrt werden. Verhandlungen zwischen Vertretern der sog. kurdischen "Selbstverwaltung" und dem Regime in Damaskus über das zukünftige Verhältnis des Nordostens zum syrischen Staat dauern an. Die SDF erklärten am 13. Oktober eine Einigung mit dem syrischen Regime über die Verlegung von Regimetruppen entlang der gesamten türkisch-syrischen Grenze in Nordostsyrien erreicht zu haben. In den darauf folgenden Tagen konnte eine Verlegung u.a. nach Kobane, Manbidsch, Tal Tamr, Tabka und Ain-Issa beobachtet werden. Regimekräfte sind damit in allen größeren Städten in Nordostsyrien präsent. Die Terrororganisation des sog. "Islamischen Staates" (IS) hat nach intensiver Bekämpfung durch die YPG und moderate bewaffnete Oppositionsgruppen, sowie seit September 2014 auch durch die SDF, unterstützt von der internationalen Anti-IS-Koalition - und in getrennten militärischen Operationen - durch das Regime und Russland, schließlich im März 2019 seine territoriale Kontrolle in Syrien gänzlich verloren. Dauerhaft besiegt ist er jedoch nicht. In Teilen des syrisch- irakiseben Grenzgebiets besitzt IS weiterhin Rückzugsgebiete und verfügt dort laut VN- Schätzungen über Ressourcen von bis zu 300 Mio. USD • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Mehrere Tausend IS-Kämpfer sowie deren Angehörige befinden sich in Nordostsyrien zudem in Gefängnissen und Lagern in Gewahrsam unter Kontrolle der SDF. Laut Medienberichten soll es am 11. Oktober zum Ausbruch mehrerer IS-Häftlinge aus einem Gefängnis bei Qamischli sowie am 13. Oktober zur Flucht von über 700 IS-Anhängern (v.a. Frauen und Kinder) aus einem Lager nahe Ain Issa infolge eines Granateneinschlags in der Nähe des Lagers gekommen sein. Als asymmetrischer Akteur baut IS zunehmend Untergrundstrukturen auf und ist weiterhin grundsätzlich in der Lage, überall im Land Anschläge zu verüben (s. Kap. IV. 1.2. Bedrohung durch terroristische Anschläge). Die USA haben zuletzt wiederholt vor einem Wiedererstarken der Terrororganisation IS in Syrien gewarnt. Das Regime kann grundsätzlich weiterhin Luftangriffe im ganzen Land durchfUhren, außer über Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie über der von den USA kontrollierten Zone rund um das Flüchtlingslager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. In allen Teilen des Landes kann es nach wie vor zu Terroranschlägen kommen. Neben diesen Risiken besteht generell weiterhin die Gefahr, insbesondere für Menschen, die der Opposition angehören, vom Regime als ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
8

9 VS Nur für deR Die&stgehraueh • m ge~chw·· F arzter a:ssu~g nicht als emgestuft oppositionell eingestuft werden oder sich in sonstiger Weise den Missfallen des Regimes zugezogen haben, Ziel staatlicher und von Willkür geprägter Repression zu werden. Dies ist vor allem der Fall in Regimegebieten, potenziell aber auch darüber hinaus. Diese Bedrohung persönlicher Sicherheit ist somit nicht auf einzelne Landesteile beschränkt und besteht unabhängig von der Frage, in welchen Landesteilen noch Sicherheitsrisiken durch Kampfhandlungen und Terrorismus bestehen. Hinzu kommen weniger lebensbedrohliche, aber dennoch massive Rechtsun- sicherheiten aufgrund unklarer, korrupter und konfliktbedingt erodierter Verwaltungs- und Regierungsstrukturen sowie eine weiterhin sehr angespannte humanitäre V ersorgungslage. Eine von den Konfliktparteien verhandelte politische Lösung des Konflikts in Syrien ist weiterhin nicht erzielt. Zum Zeitpunkt des Verrassens dieses Berichts wurde durch den VN-Generalsekretär die Einigung zwischen dem syrischen Regime und der syrischen Opposition über die Einrichtung eines Verfassungskomitees im Rahmen des von den Vereinten Nationen unterstützten politischen Prozesses angekündigt. Das Komitee, bestehend aus Vertretern des Regimes, der Opposition und der Zivilgesellschaft ist am 30. Oktober zu einer ersten Sitzung in Genf zusammengetreten. Dies ist jedoch nur ein Teil der in der VN-Sicherheitsratsresolution 2254 mandatierten, umfassenden politischen Lösung des Konflikts, zu der neben der Ausarbeitung einerneuen Verfassung auch freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora gehören. Das Syrische Verhandlungskomitee der Opposition ("Syrian Negotiation Committee", SNC) vertritt die Opposition in den intra-syrischen Verhandlungen unter dem Dach der VN in Genf, welche_ jedoch angesichts der fortgesetzten Weigerung des syrischen Regimes, sich ernsthaft und konstruktiv auf die Verhandlungen unter Leitung des VN-Sondergesandten für Syrien, Geir Pedersen, einzulassen, in den letzten Jahren keine Fortschritte erzielen konnte. Im Dezember 2016 begründete Russland gemeinsam mit der Türkei und Iran das sogenannte Astana-Format. Seit Januar 2017 treffen die "Astana-3", teilweise unter Einbeziehung des syrischen Regimes und der syrischen Opposition, in regelmäßigen Abständen zu Verhandlungen zusammen. Seit Anfang 2018 bemüht sich die Syria Small Group, bestehend aus USA, Großbritannien, Frankreich, Ägypten, Jordanien, Saudi Arabien und Deutschland, dem politischen Prozess neue Impulse zu geben und kommt in regelmäßigen Abständen zu Treffen zusammen. Politisches System: Das politische System wird vom Präsidenten dominiert. Dieser wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt (Art. 86). Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich (Art. 88), was es dem aktuellen Präsidenten erlaubt, bei der für 2021 vorgesehenen Präsidentschaftswahl erneut zu kandidieren. Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein ehrenrühriges Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben (Art. 84). Damit sind im Exil lebende Politiker von einer Kandidatur ausgeschlossen. Der Präsident darf nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt, Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet. ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
9

10 --VB--Nur für den Dieasige&.ratulb ing F eschwä-t assun . •<- er 9 Vs e· n•cht als mgestutt Der Präsident' stützt seine Herrschaft auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Geheimdienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von Verwandten oder engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen defi- nierten Beschränkungen. Jeder Geheimdienst unterhält eigene Gefängnisse und Verhöreinrichtungen, bei denen es sich de facto um weitgehend rechtsfreie Räume handelt. Die Verfassung sieht Demokratie (Art. 1, 8, 10, 12), Achtung der Grund- und Bürgerrechte (Art. 33-49), Rechtsstaatlichkeit (Art. 50-53), Gewaltenteilung sowie freie, allgemeine und geheime Wahlen zum Parlament (Art. 57) vor. Die nächsten Parlamentswahlen sollen laut syrischer Verfassung 2020 stattfinden. Faktisch haben diese Prinzipien in Syrien jedoch nie ihre Wirkung entfaltet, da die Baath-Partei durch einen von 1963 bis 2011 geltenden, extensiv angewandten Ausnahmezustand wichtige Verfassungsregeln außer Kraft setzte. Zwar wurde der Ausnahmezustand 2011 beendet, aber mit Ausbruch des bewaffneten Konflikts in Syrien umgehend im Jahr 2012 durch eine genauso umfassende und einschneidende "Anti-Terror-Gesetzgebung" ersetzt. Sie führte zu einem Machtzuwachs der Sicherheitsdienste und massiver Repression, mit der das Regime auf die anfänglichen Demonstrationen und Proteste und den späteren bewaffueten Aufstand großer Teile der Bevölkerung antwortete. Weiterhin wird das System geprägt von grassierender Korruption in der Justiz, sowie Politisierung des Gerichtswesens durch das Regime. So hat sich in Syrien ein System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch Verfassung und bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut. Durch diese Entwicklungen der letzten Jahre sind die Schutzmöglichkeiten des Individuums vor staatlicher Gewalt und Willkür -welche immer schon begrenzt waren -weiterhin deutlich verringert worden. II. Politisch relevante Tatsachen 1. Staatliche Repressionen 1.1 Politische Opposition Syrische Oppositionsgruppen, die sich für eine Abschaffung des von Staatspräsident Assad geführten Baath-Regimes einsetzen und die Neuordnung Syriens nach demokratischen, pluralis- tischen und rechtsstaatliehen Prinzipien anstreben, werden durch das Regime verfolgt, ihre Mit- glieder verhaftet und mit allen Mitteln unterdrückt. Oppositionelle politische Tätigkeit, oder auch nur Verdacht dessen, werden vom Regime meist als "terroristische Aktivitäten", "Verschwörung gegen den Staat", "Hochverrat" oder ähnlich gravierende Vergehen behandelt. In der Anwendungspraxis der regimekontrollierten syrischen Justiz reicht der Verdacht hierauf aus, um vor Militärgerichtshöfen oder gesonderten Gerichtshöfen der Anti-Terror-Gesetzgebung von 2012 verfolgt zu werden, in denen wenige bis keine Rahmenbedingungen eines fairen Rechtsverfahrens bestehen. Die Anti-Terror-Gesetze wurden in den vergangeneo Jahren immer wieder dazu missbraucht, gegen in Syrien und im Ausland lebende Oppositionelle bzw. Regimegegner auch in Abwesenheit drakonische Strafen zu verhängen. Die Risiken politischer Oppositionstätigkeit beschränken sich nicht auf eine mögliche strafrecht- liche Verfolgung. Seit Beginn des Aufstands im März 2011 sind unzählige Fälle von willkürlicher Verhaftung, Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, Verschwindenlassen, tätlichen Angriffen, Folter und Tötung im Gewahrsam der Sicherheitskräfte sowie Mordanschlägen belegt (s. Kap. 111. 1. "Willkürliche Verhaftungen und Folter"). Viele Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger, die im Land blieben, mussten in den Untergrund gehen oder in die von der Opposition kontrollierten Gebiete fliehen. Aufgrund der weitreichenden Geländegewinne durch das syrische Regime sind die ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
10

Zur nächsten Seite

Für eine informierte Zivilgesellschaft spenden

Unsere Recherchen, Klagen und Kampagnen sind essentiell, um unsere Politik und Verwaltung transparenter zu machen! So können wir unsere Demokratie stärken. Daraus schlagen wir kein Profit. Im Gegenteil: Als gemeinnütziges Projekt sind wir auf Spenden angewiesen.

Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit!

Jetzt spenden!

Das Ende der FragDenStaat-App

Die FragDenStaat-App für iOS und Android wird keine weiteren Updates erhalten. Eine Erklärung.