Polizeiakten zeigen Sicherheitsprobleme
Auch 29 Jahre nach dem Mord an Detlev Karsten Rohwedder ist unklar, wer den damaligen Treuhand-Chef umgebracht hat. Wir veröffentlichen Dokumente des Polizeipräsidiums Düsseldorf, die vor und unmittelbar nach der Tat entstanden sind. Sie zeigen, warum Rohwedders Wohnhaus unzureichend gesichert war.
War es die RAF alleine? Oder doch die Stasi? Bis zum heutigen Tag ist der Mord an Detlev Karsten Rohwedder nicht aufgeklärt. Am Ostermontag 1991, in der Nacht des 1. April, erschoss eine Person den damaligen Chef der umstrittenen Treuhandanstalt in seinem Düsseldorfer Wohnhaus mit einem Gewehrschuss und verletzte seine Frau mit einem weiteren Schuss.
Vor allem die Umstände des Mordes geben bis heute Rätsel auf: So schoss der oder die Täter*in aus einer gegenüberliegenden Schrebergartensiedlung mit einem Sturmgewehr mit großer Präzision auf das Ehepaar. Hergard Rohwedder vermutete später, die Tatsache, dass ihr Mann kurz davor gestanden habe, das verschwundene Parteivermögen der SED aufzuspüren, hätte zum Anschlag geführt.
Fenster trotz Hinweisen nicht gesichert
Weil nur die Fenster im Erdgeschoss von Rohwedders Wohnhaus mit Panzerglas gesichert waren, jedoch nicht die Fenster im ersten Stock seines Arbeitszimmers, konnten die Gewehrkugeln das Glas durchschlagen und trafen Rohwedder tödlich. Wie Dokumente des Polizeipräsidiums Düsseldorf, die wir veröffentlichen, zeigen, hatten Sicherheitsmitarbeiter der Hoesch AG, deren Chef Rohwedder zuvor war, schon 1990 auf die fehlende Sicherung der Fenster hingewiesen.
Das Ehepaar Rohwedder entschied sich laut einem Vermerk der Polizei, angefertigt drei Tage nach dem Mord, jedoch dagegen, im ersten Stock Panzerglas einsetzen zu lassen. Ansonsten habe es in dem Haus eine „gründliche und qualifizierte Planung von Schutzmaßnahmen“ gegeben.
Nach dem Mord an Rohwedder wurde das Hauptgebäude des heutigen Bundesfinanzministeriums nach ihm benannt. Die Treuhandanstalt, die er leitete, wurde im Jahr 1995 umbenannt und in Folgegesellschaften aufgegliedert. Zumindest in Bezug auf die Treuhand, die einen Großteil der DDR-Staatsunternehmen privatisierte und abwickelte, wird es bald mehr Aufklärung geben. Die umfangreichen Unterlagen der ehemaligen Behörde – insgesamt rund 170.000 Akten auf 12 Kilometern – werden derzeit vom Bundesarchiv gesichtet und nach und nach freigegeben.
DER R POLIZEIPRASIDENT DUSSELDORF IHRg Der Polizeipräsident - Jürgensplatz 5-7 : 4000 Düsseldorf 1 Dienststelle: Bnidäs nachrichtlich Abt. Kriminalpolizei Innenministerium NW An den Sachbearbeiter: TO NRRNREN Regierungspräsidenten Zimmer: - Dezernat 25.3 - Fernsprecher: Sa.-Nr. (0211) 87 00 4000 Düsseldorf Durchwahl: (0211) 870- 4000 Düsseldorf . Bitte mein Zeichen in der Antwort angeben! Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom Mein Zeichen Düsseldorf, den 03.04.1991 Betr.: Bauliche Sicherungsmaßnahmen am Wohnhaus der Familie Rohwedder Bezug: Fernmündliche Berichtsanforderung durch PD Glietsch vom 03.04.1991 In der Anlage überreiche ich den in 2 Berichten der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle niedergelegten Erkenntnisstand. Im Auftrag Ltd. Kriminaldirektor Telex: 8588052 kvdf d - Telefax: (0211) 870-2356 Kanten der Stadtkasse Düsseldorf: Stadtsparkasse, Kto.-Nr. 10000495, BLZ 300 501 10 - Postgiro, Kto.-Nr. 3269-431, BLZ 360 10043
Kriminalpolizeiliche Düsseldorf, den 03.04.1991 Beratungsstelle Hö./mx Setr.: Mord z.N. Ronwedder (Höcker), } nier: Feststellungen bezüglich der Fenstergläser im Arbeitszimmer des Obergeschossas . Die im Schreiben der £riminalpolizeilichen Beratungsstelle vom 02.94.1991 niedergelegten Empfehlungen zur Ausrüstung der Fenster mit beschußnemmenden Glas sind nur zum Teil realisiert worden. Die 2 straßenwärtigen Fenster im Erdgeschoß wurden entsprechend der Empfehlung durch ein inneres Zusatzfenster mit beschußhenmendem Glas der Klasse C 3 gesichert. Alle Fenster im Obergeschoß, einschließlich der Fenster im Arbeitszimmer, sind lediglich mit üblichem Einscheibenglas ausgerüstet. Die inneren Zusatzflügel sind - nach Angaben der Tatortgruppe des BKA - ebenfalls nur mit 5 mm starkem Einscheibenglas versehen. Die für die Sicherheit verantwortlichen Mitarbeiter der Fa. Hoesch, Herr Haneke und Herr Niesen, erklärten auf telefonisches Befragen am 02.04. und 03.04.1391, die beschußnemmenden Gläser seien auf Yunsch der Familie Rohwedder - Gesprächspartner war jeweils Frau Rohwedder - nur im Erdgeschoß und ausdrücklich nicht im Obergeschoß eingebaut worden. Yes miu Er ger BE zS ai AS
- Beratungsstelle - Düsseldorf, den 2. April 1991 Betr.: Mord z.. N. Rohwedder hier: Bericht über die kriminalpolizeiliche ‘ Beratung am 20. Sept. 1990 am Wohnhaus Bez. : Ersuchen der Firma HOESCH und des PB II, KHK Ewers 1. Angetroffen: Herr Ing. HANEKE, Fa. Hoesch, Tel.: 0231 / 841 - 2153, Berr NIESEN, Hauptsicherheitsbeauftragter der Fa. Hoesch, Tel.: 0231 / 841 - 2153, Herr Schmitz, Fa. INFORM und weitere Mitarbeiter 2. Es wurde mitgeteilt, daß Umfang und Konzept der Sicherung von der Fa. Hoesch selbständig festgelegt werde. An mich wurde im wesentlichen die Frage nach der Auswahl des geeigneten Verbundsicherheitsglases gerichtet. Dazu habe ich folgende Empfehlung gegeben: Alle Gläser sollten durchschußhemmend gemäß DIN 220 „ Teil'2, ausgelegt sein. Innerhalb der _Durchschußhemmung (Klassen C1-C5) sollte mindestens die Klasse C 3 - Schutz gezen Schußwaffen bis einschließlich Kal. Masnum „ 4 - gewählt werden. Ergänzend wurde zur Sicherung der Haustür vorge- schlagen, diese gleichwertig durchschußhemmend herzurichten ( M 3 mit 5 mm Schwarzblech oder Zmm Niro).
3» während der Objektbesichtigung waren mehrere Mitarbeiter der Firma INFORM Düsseldorf nit der Projektierung und Montage einer Video - Überwachungsanlage beschäftigt. Die Herren der Firma Hoesch berichteten von einer bereits vorhandenen Einbruch - Meldeanlage, :die beim Werkschutz der Firma Hoesch aufgeschaltet sei. Bei der Umsetzung der beabsichtigten Aufschaltung einer zusätzlichen Überfall - Meldeanlage auf den Hauptmelder der Polizei würde von üir Hilfe zugesagt. Diesbezüglich habe ich mit Herrn Reinicke, Firma Telenorma und Herrn Andersen, Fernmeldeanmt IL, Postanschlußvergabe, Gespräche geführt und auf die besondere Dringlichkeit hingewiesen. Installation und. Aufschaltung erfolgten im Wege eines besonderen Eilverfahrens. Aufgrund des bekanntgewordenen Sicherungskonzeptes entstand der Eindruck einer sründlichen und qualifizierten Planung von Schutzmaßnahnen.
PT Se N KI/KGI Düsseldorf, den 05.04.1991, 12.30 Uhr Vermerk Fernmündlich übermittelte heute um 12.30 Uhr LLD Glietsch „ IM/NW, Iv C 2, folgende Fragen an den PP Düsseldorf, die ihm telefonisch vom Innenminister NY, Dr. Schnoor, gestellt worden waren. Er bittet um schriftliche Beantwortung, die Antwort soll per Boten an ihn - noch heute - überbracht werden. 1. Welche Munition wurde seitens der/des Täter/s beim Anschlag auf Dr. Rohwedder verwendet? 2. Welche Gefährdungslagebild/Täterbild wurde zur Grundlage der Sicher- heitsempfehlungen für das Haus von Dr. Rohwedder gemacht - gegen welche Art von Waffeneinwirkung sollte geschützt werden, - warum wurde C 3-Verglasung empfohlen? 3. Präzise Darstellung der Klassisifzierung der unterschiedlichen Schutzverglasungen bezogen auf - Schutzwirkung - Glasstärke - Gewichte der Verglasungsarten - Auswirkungen auf die statischen Verhältnisse eines Hauses bzw. der Isolation. UIOU (Jüschke)
LE E77: I. 02.04.1991 m .. i de sshaden,, wi n IN tCı o) © S X m & a AN a Betr. ior Fe LU Patbmun] en) - = Uutersuchure de 4 da £> 12 Ü en ‚I —. oO rt Sn aaa | un 13 Kt * 8} 3 DU in 2 ® 1) On - A Ri “d & 2 55 . ri © ui N Ix1 un £ = Ka <q 1 a a 9) n ® uralı w 2 ® 4 2» 15 d> 3» re: eier | 1-> al 9a u Pre 1 gg a8 v4 ,Q «u oo @® = +2 » HS - ® [Dr ver os OÖ > D nn. mn an r4 oO ®% > O7 a RI #1 e 7 ai 0 cd 1 © ° AH “el of 43 In ei Gr ren n Ft 1-2 41 ul in 12) I: x- €] Sg [e u Be B N En. wear e Ze f a 2 ve Yun ma ER vu am nams olila: ın 4> ag ‚ct > o en) iD m» ri 7 “ u ıQ UENL? “ ar B— am Absc ER ke: Are I- I n „N > = 2 & ae Ge. 5 \
ad 2 Den Sicherheitsempfehlungen für das Haus Rohwedder, die von Beamten meiner Behörde ausgesprochen wurden, lag die Zielvorstellung zugrunde bei einem Angriff mittels Schußwaffe Schüsse durch die Fenster zu hemmen. Daher wurde die in diesen Fällen übliche C 3-Verglasung vorgeschlagen weil sie nach unserer Meinung eine sinnvolle und sachgerachte Auswahl darstellte. Eine C 3-Verglasung hemmt unter den im Prospekt aufge- führen DIN-Bedingungen (Schußwinkel, Schußentfernung) Geschosse bis zu einem Kaliber .44 MAGNUM. Die Alternative einer C 5-Verglasung wäre nur umsetzbar unter den Vor- aussetzungen einer komplett neuen Fensterkonstruktion - nicht zu schwenkende Fensterflügel, - öffnen des Fensters auch aus Sicherheitsgründen nur in einge- schränkter Kippstellung möglich. Davon wurde Abstand genommen, weil nach unserem Kenntnisstand eine derartige Verglasung wegen der technischen Probleme und der damit ver- bundenen Beeinträchtigung einer "normalen" akzeptablen Lebensführung im Privatbereich bisher an keiner Stelle zum Einsatz gekommen ist. Eine Verglasung zum Schutz gegen Sprengmittel scheidet aus, weil in der Regel das angrenzende Mauerwerk weniger sprengwirkungshemmende Eigen- schaften aufweist.
ad 3 Die Glasstärken, Gewichte und Schutzwirkungen bei definierten Ent- fernungen ergeben sich auf dem in der Anlage beigefügten Prospekt. Zu den statischen Verhältnissen einer Installation von Schutzverglasung können von hier keine präzisen Aussagen gemacht werden. Wegen der Viel- zahl der zu berücksichtigen Variablen sind detaillierte Aussagen zur Auswirkung auf die Statik von der Polizei nicht möglich, dazu kann nur ein Baustatiker unter Zugrundelegung der konkreten Daten eines Objektes Auskünfte geben.