Sieg gegen #Zensurheberrecht nach 7 JahrenHier sind die Afghanistan-Papiere!

Nach einem langen Rechtsstreit steht jetzt durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs fest: Die Afghanistan-Papiere dürfen veröffentlicht werden. Die Blockade der Veröffentlichung durch Zensurheberecht war und ist rechtswidrig. Deswegen veröffentlichen wir sämtliche Dokumente heute wieder.

Sieben Jahre hat das Bundesministerium der Verteidigung geklagt, um die sogenannten Afghanistan-Papiere mithilfe des Urheberrechts aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist seit heute klar: Die Afghanistan-Papiere durften veröffentlicht werden. Deswegen veröffentlichen wir sie hier endlich wieder komplett! Gemeinsam mit Correctiv stellen wir sämtliche Dokumente durchsuchbar und zum Download bereit.

Der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte 2013 eine Klage gegen die WAZ eingereicht, weil sie Lageberichte aus dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr veröffentlicht hatte. De Maizières Nachfolgerin Ursula von der Leyen trieb die Klage weiter durch die Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), die aktuelle Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer verlor das Verfahren jetzt in letzter Instanz, nachdem der EuGH das Verfahren zurück an den Bundesgerichtshof verwiesen hatte.

Der Generalanwalt des EuGH hatte zuvor kritisiert, dass das – ursprünglich beispielsweise für Künstler:innen gedachte – Urheberrecht nicht als Mittel gedacht sei, um missliebige Berichterstattung zu behindern. Die Bundesregierung war offenkundig nicht daran interessiert, die militärischen Lageberichte kommerziell zu verwerten.

5000 Seiten zur Niederlage der Bundeswehr in Afghanistan

Als letzten Anker hatte das Verteidigungsministerium dann jüngst vor Gericht argumentiert, die Veröffentlichung der Lageberichte durch die WAZ habe das Leben von Soldaten gefährden können. Einen Beleg dafür gab es nicht – und schon gar nicht ist das Urheberrecht das passende Mittel, um eine Veröffentlichung zu untersagen. Es soll schließlich die persönliche Beziehung eines Urhebers zu seinem Werk schützen und dessen Vermarktung absichern.

Es dürfte sich aber ohnehin nur um eine Schutzbehauptung gehandelt haben. Alles deutet darauf hin, dass der Bundesregierung jedes noch so fernliegende Instrument recht ist, um Details zu ihrem Afghanistan-Einsatz zu verheimlichen und kritische Berichterstattung über betreffende politische Entscheidungen zu erschweren. Nicht von ungefähr sagten in einer infratest-Umfrage im Jahr 2009 77 Prozent der Deutschen, dass die Bundesregierung nicht umfassend und ehrlich über den Einsatz informiere.

Urheberrecht dient nicht der staatlichen Geheimhaltung

Dass gerade im Gegenteil die Veröffentlichung der ungeschönten Afghanistan-Papiere und die damit einhergehende Skandalisierung des Bundeswehreinsatzes und der politischen Führung geeignet gewesen sein könnte, Menschenleben zu retten, davon kann sich die Öffentlichkeit jetzt wieder selbst überzeugen. Die mehr als 5000 Seiten und über 300 Lageberichte der nun erneut veröffentlichten Afghanistan-Papiere verdeutlichen, dass die Lage der Bundeswehr während ihres Einsatzes am Hindukusch zwischen 2001 und 2014 aussichtsloser war als von der Bundesregierung kommuniziert und politisches Handeln dringend geboten gewesen wäre.

Der BGH hat vor diesem Hintergrund nun ausdrücklich klargestellt: Urheberrechte schützen nicht das Interesse an einer Geheimhaltung von Informationen, auch wenn dies Nachteile für staatlichen Interessen haben könnte. Da die Veröffentlichung der Lageberichte erfolgte, um über den Auslandseinsatz deutscher Soldaten zu diskutieren und staatliche Entscheidungen zu kontrollieren, war sie gerechtfertigt. Sie dient der Auseinandersetzung darüber, ob die jahrelange öffentliche Darstellung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan als Friedensmission zutrifft oder ob in diesem Einsatz stattdessen eine Beteiligung an einem Krieg zu sehen ist.

Urheberrecht als Zensurheberrecht

Das Urteil des Bundesgerichtshofs dürfte auch Auswirkungen auf unser eigenes Zensurheberrechtsverfahren haben. Im ähnlichen Fall eines Glyphosat-Gutachtens verklagt uns die Bundesregierung derzeit, weil wir einen Bericht über den möglicherweise krebserregenden Stoff veröffentlichen. Voraussichtlich am 4. Juni wird das Landgericht Köln darüber entscheiden.

Soweit es notwendig sein sollte, werden wir auch in diesem Fall eine höchstrichterliche Entscheidung herbeiführen. Das Urheberrecht darf nicht als Mittel staatlicher Geheimhaltungsinteressen missbraucht werden.

→ zu den Afghanistan-Papieren

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