Protokolle des KlimakabinettsWir ziehen vors Verfassungsgericht

Das Bundeskanzleramt will uns noch immer nicht die Protokolle des Klimakabinetts zusenden, die der Vorbereitung des sogenannten Klimapakets dienten. Nachdem das Oberverwaltungsgericht keine Eilanordnung erlassen wollte, ziehen wir jetzt vor das Bundesverfassungsgericht.

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Die Klimakrise wartet nicht auf die Corona-Krise. Angesichts der bevorstehenden Umsatzeinbußen für die Autoindustrie und andere klimaschädlichen Industrien fordern Lobby*isten derzeit, Fördergelder vom Staat. Tatsächlich könnte bald die Abwrackprämie kommen, ohne dass die Öffentlichkeit erfährt, wie genau es dazu gekommen ist.

Zumindest in Bezug auf das Bundeskabinett wollen wir die Geheimniskrämerei beenden. Im vergangenen Jahr fragten wir im Kanzleramt die Protokolle des Klimakabinetts an. Erst hielt das Amt die Protokolle geheim. Dann schwenkte das Bundeskanzleramt um und gab an, es hätte gar keine Protokolle. Die Bundesregierung versucht derzeit in seiner Klimapolitik jeden Schachzug, um sich nicht öffentlich kontrollieren zu lassen.

Wir glauben aber, dass gerade in Bezug auf neue Klimagesetze die Öffentlichkeit mehr Möglichkeiten haben muss, der Bundesregierung auf die Finger zu schauen. Deswegen ziehen wir jetzt vors Bundesverfassungsgericht, um die Protokolle des Klimakabinetts zu befreien.

Klima? Erstmal ein paar Jahre warten

Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht hatten zuvor unseren Eilantrag abgelehnt, mit dem wir die Protokolle in einem Schnellverfahren offenlegen wollten. Die Gerichte argumentierten jedoch, dass die Anträge nicht eilbedürftig seien – und wir auf eine Klärung des Rechtsstreits in einem sogenannten Hauptsacheverfahren warten müssten.

Wir können allerdings nicht Jahre darauf warten, bis wir irgendwann vor dem Bundesverwaltungsgericht Recht erhalten. Bei der Kontrolle der Bundesregierung geht es gerade in Gesetzgebungsverfahren zur Klimapolitik darum, schnell Zugang zu Informationen zu erhalten. Wenn sich das Bundeskanzleramt immer wieder – mit viel Steuergeld und teuren Anwälten ausgestattet – verklagen lassen kann, damit Informationen erst Jahre später öffentlich werden, wird das Grundrecht auf Information weitgehend wirkungslos.

Auch der Europäische Gerichtshof hätte Interesse

Deswegen muss jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Gerichte durch die Ablehnung der Eilbedürftigkeit das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt haben - also das Recht, Ansprüche wirksam vor Gericht durchsetzen zu können. Das Gericht könnte sich möglicherweise auch an den Europäischen Gerichtshof wenden. Der hätte mit Sicherheit etwas zu unserem Rechtsstreit zu sagen, zumal das deutsche Umweltinformationsrecht auf Europarecht basiert.

Parallel kämpfen wir natürlich weiterhin das Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin durch. Sollte das Bundesverfassungsgericht unsere Beschwerde also nicht annehmen, gehen wir trotzdem durch die Instanzen.

Update, 13.5.2022: Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde leider ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen.

Unsere Klagen sind teuer. Für die Klagen vor dem Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht haben wir bisher rund 7.000 Euro ausgegeben. Bitte unterstützen Sie uns mit Ihrer Spende – am besten einer Dauerspende – für mehr Klimatransparenz.

→ zur ursprünglichen Anfrage

→ zur Verfassungsbeschwerde

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re| Rechtsanwälte :: Neue Promenade 5 :: 10178 Berlin Neue Promenade 5 10178 Berlin Dr. Miriam Vollmer Rechtsanwältin Fachanwältin für Verwaltungsrecht Tel: 030 403 643 62‐0 Fax: 030 403 643 62 ‐ 3 Bundesverfassungsgericht Schlossbezirk 3 76131 Karlsruhe Vorab per Fax vollmer@re‐rechtsanwaelte.de www.re‐rechtsanwaelte.de Unser Zeichen: 57/19 14.03.2020 VERFASSUNGSBESCHWERDE In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Arne Semsrott, c/o Singerstraße 109, 10179 Berlin ‐ Beschwerdeführer ‐ Verfahrensbevollmächtigte: re|Rechtsanwälte, Neue Promenade 5 :: 10178 Berlin gegen Den Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin vom 13.11.2019, Az.: VG 2 L 277/19, und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin‐Brandenburg vom 20.12.2019, Az.: 12 S 53/19, zugegangen am 08.01.2020 wegen effektivem Rechtsschutz gegen Ablehnung einer Umweltinformation nach § 3 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz (UIG) erheben wir namens und im Auftrag des Beschwerdeführers – Vollmacht gemäß § 22 Abs. 2 BVerfGG anbei – Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht mit folgenden Anträgen: re| Rechtsanwälte :: Dr. Miriam Vollmer, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht :: Dr. Olaf Dilling, Rechtsanwalt
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1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13.11.2019, Az.: VG 2 L 277/19, und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin‐Brandenburg vom 20.12.2019, Az.: 12 S 53/19, zugegangen am 08.01.2020, verletzen Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 47 Abs. 1 Grundrechtscharta (GRC). Die genannten Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin‐Brandenburg zurückverwiesen. 2. Die Bundesrepublik Deutschland erstattet dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Die Verfassungsbeschwerde gliedert sich bis zur dritten Gliederungsebene wie folgt: I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. III. 1. 2. 3. 4. Vorbemerkung ............................................................................ 3 Sachverhalt und Verfahrensgang .................................................. 3 Beschwerdeführer ................................................................................. 3 Beschwerdegegenstand ........................................................................ 3 Gegenstand des Rechtsstreits ............................................................... 4 a. Die „Kohlekommission“ .................................................................... 4 b. Das Klimakabinett und sein Eckpunktepapier vom 20.09.2019 ......... 5 Antrag des Beschwerdeführers vom 20.09.2019 auf Aushändigung der Klimaprotokolle ..................................................................................... 5 Motivation des Beschwerdeführers: Öffentlichkeit im Zeitfenster „Umsetzung der Eckpunkte des Klimapakets“ ........................................................... 6 a. Ziel des Beschwerdeführers: Veröffentlichung der Protokolle zwecks Einflussnahme auf die öffentliche Meinung ...................................... 6 b. Das Zeitfenster für die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung .. 6 Ablehnung des Antrags am 25.10.2019 und Widerspruch vom 01.11.2019 .. 9 Eilantrag vom 11.11.2019 ....................................................................... 9 Widerspruchsbescheid vom 25.10.2019 und Klageverfahren ................10 Zur Frage der Protokolle des Klimakabinetts ........................................10 Beschluss des VG Berlin vom 13.11.2019 ............................................... 11 Beschwerdeverfahren........................................................................... 11 Anhörungsrüge vom 15.01.2020 ...........................................................12 Rechtliche Beurteilung............................................................... 12 Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde .............................................12 Begründetheit der Verfassungsbeschwerde ......................................... 13 a. Schutzbereich des Art. 47 Abs. 1 GRC .............................................. 13 b. Rechtfertigungsloser Eingriff in den Schutzbereich ......................... 17 c. Vorsorglich: Anregung der Vorlage an den EuGH ............................ 27 Annahmegründe ................................................................................. 28 Auslagenerstattung ............................................................................. 28 re|Rechtsanwälte 2
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I. Vorbemerkung Der Beschwerdeführer hat vom Bundeskanzleramt die Herausgabe der Protokolle des sog. „Klimakabinetts“, einem Kabinettsausschuss, der zwischen April und September 2019 tagte, verlangt und nicht erhalten. Gegen diese Versagung wehrt er sich in einem Klageverfahren vorm Verwaltungsgericht (VG) Berlin. Da absehbar ist, dass dieses Verfahren Monate, wenn nicht Jahre dauern wird, hat er flankierend vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Dieser wurde ihm von VG Berlin und Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin‐Brandenburg versagt. Diese Versagung ist Gegenstand der Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt, wenn es der Verwaltung letztlich freisteht, durch willkürliche Ablehnungen begründeter Umweltinformationsansprüche die gesetzlich geltende und unionsrechtlich fundierte Monatsfrist auszuhebeln und Informationen durch Zeitablauf zu entwerten. Dies wird der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG nicht gerecht, die es dem Bürger gerade ermöglichen soll, Informationen über die Umwelt in Erfahrung zu bringen, die die öffentliche Diskussion beeinflussen können. Da der Anspruch auf Umweltinformationen auf Gemeinschaftsrecht fußt, beruft sich der Beschwerdeführer nicht auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, sondern direkt auf Art. 47 Abs. 1 GRC. II. Sachverhalt und Verfahrensgang 1. Beschwerdeführer Der Beschwerdeführer ist Journalist. Er ist Projektleiter der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V., die sich für Transparenz einsetzt und unter anderem die Seite www.fragdenstaat.de betreibt, die er verantwortet. 2. Beschwerdegegenstand Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen zu Lasten des Beschwerdeführers ergangenen Beschluss des VG Berlin vom 13.11.2019 im einstweiligen Rechtsschutz, Az.: VG 2 L 277/19, anbei als Anlage B 1, re|Rechtsanwälte 3
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und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 20.12.2019, Az.: 12 S 53/19, zugegangen am 08.01.2020, anbei als Anlage B 2, mit dem dieses die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den vorbezeichneten Beschluss des VG Berlin zurückgewiesen hat. 3. Gegenstand des Rechtsstreits Der Beschwerdegegner verlangt die Herausgabe der Protokolle der Sitzungen des sog. „Klimakabinetts“ auf Grundlage von § 3 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz (UIG). Von diesen Protokollen erhofft er sich insbesondere Aufschluss über die Frage, aus welchem Grunde entgegen der Ankündigungen der Bundeskanzlerin im Januar 2019 die Empfehlungen im Abschlussbericht der „Kohlekommission“ (hierzu Punkt a.) im Eckpunktepapier des Klimakabinetts nicht aufgegriffen wurden und auch bezogen auf die anderen Sektoren außerhalb der Stromerzeugung keine Maßnahmen beschlossen wurden, die ihm in Hinblick auf die Bekämpfung des Klimawandels hinreichend erscheinen (Punkt b.). a. Die „Kohlekommission“ Im Vorfeld der Bildung des „Klimakabinetts“ gab es einen breit angelegten Meinungsbildungsprozess unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft. In der in der Öffentlichkeit als „Kohlekommission“ bekannten Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung diskutierten 28 stimmberechtigte Mitglieder aus Wissenschaft, Tarifparteien, Wirtschaftsverbänden und Umweltverbänden über den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Die Kohlekommission legte am 26.01.2019 ihren Abschlussbericht vor, der einen Pfad zur gesellschaftlich möglichst breit getragenen Beendigung der Nutzung von Kohle als Brennstoff zur Energieerzeugung darstellte (veröffentlicht durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, Januar 2019). Noch im Januar 2019 kündigte die Bundesregierung an, die Empfehlungen der Kohlekommission exakt so umzusetzen und entsprechende Gesetze vorzubereiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannte sich hierzu in einer Stellungnahme, die am 31.01.2019 in der „Tageschau“ veröffentlicht wurde. re|Rechtsanwälte 4
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Auch andere Regierungsmitglieder wie etwa Finanzminister Olaf Scholz und Umweltministerin Svenja Schulze äußerten sich öffentlich in diesem Sinne. b. Das Klimakabinett und sein Eckpunktepapier vom 20.09.2019 Im Nachgang der Meinungsbildung in der Kohlekommission bildete sich mit Beschluss vom 20.03.2019 ein mit Fragen des Klimawandels betrauter Ausschuss der Bundesregierung. Mitglieder dieses Ausschusses unter Vorsitz der Bundeskanzlerin sind die Bundesminister Svenja Schulze, Olaf Scholz, Peter Altmaier, Horst Seehofer, Andreas Scheuer und Julia Klöckner. Zusätzliche Mitglieder sind der Leiter des Bundeskanzleramts Helge Braun und der Regierungssprecher Steffen Seibert. Das öffentliche Interesse am Klimakabinett war von Anfang an groß. Die Frage, wie die Bundesrepublik ihren völkerrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen klimaschutzpolitischen Verpflichtungen nachkommen möchte, gehört zu den meist diskutierten Fragen des Jahres 2019. Insbesondere die von Jugendlichen getragene Bewegung „Fridays for Future“, die auch in Deutschland in vielen Großstädten über Monate Massendemonstrationen initiiert hat, hat immer wieder die Frage thematisiert, was die deutsche Regierung an klimaschutzpolitischen Initiativen plant. Dies bewegt auch den Beschwerdeführer. 4. Antrag des Beschwerdeführers vom 20.09.2019 auf Aushändigung der Klimaprotokolle In dem skizzierten politischen Umfeld stellte das Klimakabinett am 20.09.2019 ein Eckpunktepapier vor, das im Internet veröffentlicht wurde (vgl. https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1673502/768b67ba93 9c098c994b71c0b7d6e636/2019‐09‐20‐klimaschutzprogramm‐ data.pdf?download=1). Dieses Eckpunktepapier sollte ein „Maßnahmenbündel aus Innovationen, Förderung, gesetzlichen Standards und Anforderungen“ enthalten und den Ministerien konkrete Arbeitsaufträge u. a. zu einer CO2‐ Bepreisung (S. 4 des Eckpunktepapiers) erteilen, abgefedert durch Entlastungen für Bürger und Wirtschaft (S. 5 des Eckpunktepapiers). Für Gebäude (S. 6ff.) sollten ebenso konkrete Maßnahmen umgesetzt werden wie für den Verkehr (S. 8ff), aber auch für Landwirtschaft und Industrie. re|Rechtsanwälte 5
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Umweltverbände kritisierten dieses Eckpunktepapier direkt als klimaschutzpolitisch unzureichend. Auch der Beschwerdeführer war enttäuscht. Er vermutet, dass nicht die internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik und erst recht nicht die Erkenntnisse der Wissenschaft über die notwendigen Schritte zur Begrenzung der Erderwärmung die Diskussionen des Klimakabinetts prägten. Er fürchtet vielmehr, dass weitgehend sachfremde Erwägungen dazu geführt haben, dass die Maßnahmen, die das Eckpunktepapier ausweist, weit hinter dem zurückbleiben, was nicht nur Aktivisten, sondern auch Wissenschaftler fordern. Um dies zu verifizieren stellte der Beschwerdeführer direkt am 20.09.2019 den Antrag, ihm Teilnahmelisten und Protokolle des Klimakabinetts auszuhändigen. Beweis: Herausgabeverlangen vom 20.09.2019, anbei als Anlage B 3. 5. Motivation des Beschwerdeführers: Öffentlichkeit im Zeitfenster „Umsetzung der Eckpunkte des Klimapakets“ a. Ziel des Beschwerdeführers: Veröffentlichung der Protokolle zwecks Einflussnahme auf die öffentliche Meinung Der Beschwerdeführer plant, die Informationen auf der Homepage seiner Anstellungskörperschaft www.fragdenstaat.de zu publizieren und so wie alle über www.fragdenstaat.de angeforderten Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er möchte auf diese Weise auf den aktuellen politischen Prozess zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung des Klimaschutzes Einfluss zu nehmen. Er hofft, dass die ohnehin aufgewühlte Öffentlichkeit auf das sog. „Klimapaket“, das u. a. das Brennstoff‐Emissionshandels‐Gesetz, Klimaschutzgesetz umfasst, einwirkt. das Kohleausstiegsgesetz und das b. Das Zeitfenster für die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung Dem Beschwerdeführer ist die schnelle Aushändigung der Protokolle besonders wichtig. Denn aktuell bestehen politische Spielräume für die gesetzgeberische Umsetzung der Eckpunkte vom 20.09.2019 (vgl. Punkt II.3.b), die sich voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2020 schließen bzw. drastisch verengen: re|Rechtsanwälte 6
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 Das geplante Kohleausstiegsgesetz ist aktuell noch nicht einmal innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Nachdem über Monate immer wieder einzelne unvollständige Entwürfe an die Öffentlichkeit drangen, wurde auf eine Einigung in Spitzengesprächen zwischen den beteiligten Bundesministerien und einzelnen Ländern am 14.01.2020 hin am 22.01.2020 ein offizieller Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zwecks Stellungnahme an die Verbände versandt. Am 29.01.2020 hat das Bundeskabinett nach mehrfachen Versuchen der Einigung abgestimmt. Der Beschwerdeführer nimmt an, dass das Gesetzgebungsverfahren noch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen wird. Denn das Kohleausstiegsgesetz ist in seiner gegenwärtigen Form hoch umstritten. Insbesondere Umweltverbände rügen, dass von der sog. „Kohlekommission“ für 2025 geplante umfangreichere CO2‐Reduzierungen nun nicht mehr vorgesehen sind. Generell wird auch nicht stetig abgeschaltet, sondern große Kapazitäten konzentrieren sich auf die Jahre 2028/29 sowie 2038. Zudem soll das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 zusätzlich in Betrieb gehen, obwohl dies im Bericht der „Kohlekommission“ so keineswegs vorgesehen war. Überdies wird auf breiter Front kritisiert, dass Betreiber auch bereits für abgeschriebene Kraftwerke aus Steuermitteln entschädigt werden sollen. Die kommunalen Unternehmen wenden sich zudem gegen die Schlechterstellung von (oft kommunal betriebenen) Steinkohlekraftwerken zulasten von Braunkohlekraftwerken. Denn die Betreiber von Steinkohlekraftwerken sollen sich an einem Ausschreibungsverfahren beteiligen, das auf eine möglichst niedrige Vergütung der Stilllegung gerichtet ist. Ab 2026 soll es zudem gar keine Vergütung mehr für die Stilllegung von Steinkohlekraftwerken mehr geben. Dem gegenüber ist für Braunkohlekraftwerke durchgängig bis 2038 eine Entschädigung vorgesehen, ohne dass ersichtlich wäre, worauf diese unterschiedliche Behandlung der Betreiber von Stein‐ und Braunkohlekraftwerken beruht. Vor dem dargestellten Hintergrund ist anzunehmen, dass die Meinungsbildung über das Kohleausstiegsgesetz noch mindestens mehrere Monate dauert. Dies ist in Hinblick auf dieses Gesetz von besonderer Bedeutung. Denn es weist den konkreten Betreibern re|Rechtsanwälte 7
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konkreter Kraftwerke konkrete Zahlungen im Gegenzug zu den Stilllegungen ihrer Kraftwerke zu definierten Zeitpunkten zu. Tritt das Gesetz in dieser Form in Kraft, ist es damit zumindest nicht völlig fernliegend, dass eine spätere Änderung der Gesetzeslage, die die Stilllegungszeiträume deutlich nach vorn verlagert oder die Ansprüche auf Entschädigungszahlungen verkürzt, in Konflikt mit Art. 14 Abs. 1 GG stehen könnte. Schon aus diesem Grunde ist in Hinblick auf das geplante Kohleausstiegsgesetz die Frage, wann eine politische Diskussion stattfindet, alles andere als belanglos.  Das Brennstoff‐Emissionshandelsgesetz (BEHG) wurde zwar bereits beschlossen (BGBl. I S. 2728), doch sein Mechanismus soll gem. § 7 Abs. 2 BEHG erst dem 01.01.2021 angewandt werden. Ab diesem Zeitpunkt sollen Unternehmen, die Brennstoffe (zunächst vor allem Benzin, Diesel, Erdgas) in Verkehr bringen, über die mit der Lieferung verbundenen Emissionen an Treibhausgasen jährlich Bericht erstatten und ab 2022 Emissionszertifikate an die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) abführen. Pro t CO2 muss ein Emissionszertifikat abgeführt werden. Diese Emissionszertifikate müssen die Unternehmen vor der Abgabe käuflich erwerben. Sie sollen 2021 jeweils 25 EUR kosten, wobei sich dieser Preis jährlich steigert, 2025 soll ein Zertifikat schon 55 EUR kosten. Ab 2026 wird die Preisbildung dem Markt im Wege von Versteigerungen überlassen. Die eingenommenen Gelder sind u. a. für eine Senkung der „Pendlerpauschale“ und eine Entlastung der privaten und industriellen Verbraucher durch Senkung der Umlage nach dem Erneuerbare‐Energien‐ Gesetzes (EEG) vorgesehen. Bereits im laufenden Jahre 2020 muss nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Adressaten des BEHG Vorbereitungen treffen. So ist es vorgesehen, Überwachungspläne zu erstellen. Die betroffenen Unternehmen ändern zudem Preiskalkulationen. Doch erst ab 2022 führt der Mechanismus des BEHG zu wirklich einschneidenden und entsprechend schwer rückabzuwickelnden Maßnahmen: Haben erst einmal alle Adressaten Bericht erstattet und im Herbst 2022 für ihre Emissionen des Jahres 2021 Emissionszertifikate gekauft und abgeführt, ist eine Änderung des Gesetzes mit deutlich mehr Aufwand verbunden als heute. Entsprechend gilt auch für dieses Gesetz, dass es ein Zeitfenster re|Rechtsanwälte 8
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für Neuregelungen gibt, das sich in der zweiten Jahreshälfte 2020 schließt bzw. deutlich verengt.  Hinzu kommt ein von den konkreten Gesetzen abgelöster Aspekt: Abseits der konkreten Relevanz politischer Themen haben Gesetze ihr Momentum. Diese Zeitfenster für grundlegende Neuregelungen öffnen sich zwar abhängig von konkreten Anlässen, wie etwa die breite gesellschaftliche Debatte um islamischen Terrorismus und die mit seiner Bekämpfung verbundenen Forderungen nach Überwachungsmaßnahmen und weitgehenderen Eingriffsrechten der Sicherheitsbehörden nach dem 11.09.2001. Oder die aktuelle Debatte um den Berliner Mietendeckel, die durch den Anstieg der Mieten in Ballungsräumen wie München oder Berlin ausgelöst wurde. Dies gilt auch für die aktuelle Debatte um den besten und effektivsten Weg zu einer Einhaltung des Ziels einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5° C – 2° C: Die inzwischen auch für den unvoreingenommenen Bürger spürbaren Veränderungen der Temperaturen haben nicht nur die erwähnten Aktivisten, sondern breite Bevölkerungskreise davon überzeugt, dass nun schnell Maßnahmen getroffen werden müssen, die Erderwärmung auch durch weit radikalere und in das alltägliche Leben einschneidendere Maßnahmen zu begrenzen als noch vor wenigen Jahren als politisch durchsetzbar galt. 6. Ablehnung des Antrags am 25.10.2019 und Widerspruch vom 01.11.2019 Mit Bescheid vom 25.10.2019, zugegangen am 30.10.2019, wurde der Antrag des Beschwerdeführers unter Verweis auf den Schutz des Gesetzgebungsprozesses nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2a) Umwelt‐Informationsgesetz (UIG) und den Vertraulichkeitsschutz von Beratungen nach § 8 Abs. 1 UIG abgelehnt. Beweis: Ablehnung vom 25.10.2019, anbei als Anlage B 4. Hiergegen legte der Antragsteller am 01.11.2019 Widerspruch ein, den er direkt in der Widerspruchsschrift begründete. Beweis: Widerspruch vom 01.11.2019, anbei als Anlage B 5. 7. Eilantrag vom 11.11.2019 re|Rechtsanwälte 9
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Mit Schriftsatz vom 11.11.2019 beantragte der Beschwerdeführer über seine Verfahrensbevollmächtigten den Erlass einer Regelungsanordnung in der Hoffnung, schnell und damit noch vor Erlass der in den Eckpunkten angekündigten Gesetze mehr über die Motive des Klimakabinetts zu erfahren und publizieren zu können. Beweis: Eilantrag vom 11.11.2019, anbei als Anlage B 6. Dabei legte er dar, dass der Zeitablauf hier zu einer weitgehenden Entwertung der geltend gemachten Information führen würde. 8. Widerspruchsbescheid vom 25.10.2019 und Klageverfahren Noch während des laufenden erstinstanzlichen Eilverfahrens beschied das Bundeskanzleramt den eingelegten Widerspruch vom 01.11.2019. Der Beschwerdeführer erhielt die verlangten Teilnahmelisten, nicht aber die Protokolle. Beweis: Widerspruchsbescheid vom 20.11.2019, anbei als Anlage B 7. Das Bundeskanzleramt begründete die Ablehnung überraschend: Es habe keine Protokolle gegeben (Widerspruchsbescheid, dort S. 2). Da das am 05.12.2019 anhängig gemachte Klageverfahren noch nicht abgeschlossen ist, hat der Beschwerdeführer bis heute die Protokolle nicht in Händen. Bescheid: Klage vom 05.12.2019, anbei als Anlage B 8. 9. Zur Frage der Protokolle des Klimakabinetts Der Beschwerdeführer ist bis heute davon überzeugt, dass Protokolle existieren. Hierfür spricht schon die Akteneinsicht, die den Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 14.11.2019 zuging. Beweis: Akteneinsicht vom 14.11.2019, anbei als Anlage B 9. Hier heißt es in einer internen E‐Mail vom 25.09.2019 von Herrn Venzke an Herrn Baller: „Vorschlag wäre es, die Kabinettsbefassung (nächste Woche?) abzuwarten und dann zu bescheiden mit Freigabe.“ re|Rechtsanwälte 10
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