Geheimhaltung durch UrheberrechtWir verklagen das Finanzministerium

In der letzten Finanzkrise schrieben die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und die berüchtigte Anwaltskanzlei Freshfields ein politisches Konzept zur Abwicklung von Banken für das Bundesfinanzministerium. Das hält es jetzt unter Verschluss – weil Urheberrechte der Berater betroffen seien. Daher verklagen wir das Ministerium.

Gebäude aus Glas, trotzdem nicht transparent: KPMG –

Man stelle sich vor, das Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz lagerte seine gesamte Arbeit an Wirtschaftsberater:innen aus. Ginge es nach der Behörde, würde dann auch niemand mehr erfahren, wie politische Entscheidungen zustande kommen.

Zumindest im Kleinen ist dieses Szenario schon jetzt Realität: Die Kanzleien KPMG und Freshfields entwarfen im Jahr 2009 zu Hochzeiten der damaligen Finanzkrise ein Konzept für Bad Banks, das konkrete Empfehlungen für die Abwicklung von Banken aussprach. Das ursprüngliche Konzept für das sogenannte Aida-Projekt darf die Öffentlichkeit allerdings bis heute nicht sehen.

Das Finanzministerium argumentiert, das Urheberrecht stehe der Transparenz entgegen – obwohl die Behörde Auftraggeberin des Konzepts ist, habe sie nicht die erforderlichen Nutzungsrechte, um die Dokumente herauszugeben.

Gefahr unkontrollierbarer Klientelpolitik

Das ist aus unserer Sicht eine gefährliche Argumentation. Sollten Behörden beispielsweise in der kommenden Wirtschaftskrise grundsätzlich dazu übergehen, Konzepte von Wirtschaftsberatungsgesellschaften erstellen zu lassen und sich daran keine Nutzungsrechte sichern, könnten sie so ihr gesamtes Handeln mit Verweis auf Urheberrechte geheim halten.

Die Tendenz, den öffentlichen Dienst strukturell „kaputt zu sparen“ und über die daraus folgende Personalnot die Legitimation zu schaffen, auf Externe zurückzugreifen, ist bereits deutlich vorhanden. Wie sich aus der Beantwortung einer kleinen Anfrage im Bundestag ergibt, treten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften auf Bundesebene zunehmend in Konkurrenz zu dem in den Ministerien vorhandenen wissenschaftlichen Personal. Die Ausarbeitungen der Beamten müssen jedoch veröffentlicht werden.

Keine unabhängige Beratung, keine öffentliche Kontrolle

Ganz besonders im Finanzministerium geht es dabei um Themen, bei denen eine unabhängige Beratung durch Firmen wie KPMG und ganz besonders Freshfields nicht erwartet werden kann. Eine öffentliche Kontrollierbarkeit von Gutachten, Konzepten und Studien, die unmittelbar Grundlage politischer Entscheidungen und mit Kabinettsmehrheit schnell durchgebrachter Gesetze werden können, ist hier besonders wichtig.

Wir haben daher Klage gegen das Finanzministerium eingereicht. Das Urheberrecht darf der Informationsfreiheit nicht im Wege stehen – weder bei der Veröffentlichung von Informationen noch bei der Herausgabe.

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Arne Semsrott, c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Singerstraße 109, 10179 Berlin Verwaltungsgericht Berlin Kirchstraße 7 10557 Berlin 03. April 2020 In der Verwaltungsstreitsache Semsrott, Arne ./. Bundesrepublik Deutschland - VG 2 K 43/20 - begründet der Kläger die mit Schriftsatz vom 27.02.2020 erhobene Klage wie folgt: I. Sachverhalt Das Bundesministerium der Finanzen („BMF“) ist eine oberste Bundesbehörde. Ge- mäß § 3a, Satz 4/5 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz („FMStFG“) übt sie die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung („FMSA“) aus und ist hierbei befugt, alle Anordnungen zu treffen, um den Geschäftsbe- trieb der Anstalt mit den Gesetzen, der Satzung und den sonstigen Bestimmungen im Einklang zu halten und die zweckmäßige Wahrnehmung der Aufgaben der Anstalt si- cherzustellen und zu überprüfen. Der Kläger ist Journalist und Leiter des Projekts „FragDenStaat“ der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. Über die Plattform fragdenstaat.de können Nutzer unter anderem auf Basis des IFG Ansprüche auf Zugang zu amtlichen Informationen gegen- über den Behörden sowie sonstigen Organen und Einrichtungen des Bundes geltend machen. Der Kläger ersuchte die Beklagte am 16. Oktober 2019 um Übersendung des „Kon- zept[s] für eine Abwicklungsanstalt im Rahmen des Projekts 'Anstalt in der Anstalt (AI- DA)', das die KPMG AG 2009 für das BMF erstellt hat".
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2 Mit Ausgangsbescheid vom 29. November 2019 (Anlage K1, bereits eingereicht) lehnte die Beklagte den Anspruch des Klägers ab. Die Beklagte räumte ein, dass ihr das Kon- zept, das durch die FMSA beauftragt worden sei, zwar vorliege, dem Anspruch jedoch der Schutz des geistigen Eigentums der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesell- schaft KPMG gem. § 6 Satz 1 IFG entgegenstehe. Mit Schreiben vom 29. November 2019 legte der Kläger Widerspruch gegen den Ab- lehnungsbescheid ein (Anlage K2, bereits eingereicht). Zur Begründung verwies er auf die mangelnde Schutzfähigkeit des inhaltlich-konzeptionell vorbestimmten Konzepts und im Übrigen den fehlenden Eingriff in Urheberrechte. Jedenfalls müsse zwischen urheberrechtlich geschützten und nicht geschützten Passagen unterschieden werden, sodass urheberrechtlich geschützte Passagen im Zweifel vor Bereitstellung zu schwär- zen seien. Mit Schreiben vom 27. Februar 2020 wies die Beklagte den Widerspruch per Bescheid als unbegründet zurück (Anlage K3, bereits eingereicht). Zwar handele es sich bei dem der Beklagten vorliegenden „Konzept für eine „einheitliche Abwicklungsplattform mit institutsspezifischen Einzellösungen“ um eine amtliche Information gemäß § 2 Nr. 1 IFG. Das Dokument genieße jedoch insgesamt urheberrechtlichen Schutz, sodass auch ein teilweiser Zugang nur durch nahezu vollständige Schwärzung seines Inhalts möglich sei, wodurch der Informationsgehalt gegen Null tendiere. Der Schutz des geis- tigen Eigentums sei absolut, weshalb eine konkrete Bewertung des Informationsinte- resses des Klägers nicht vorgenommen werden müsse. Die Beklagte verwies darauf, nicht die für eine Erfüllung des Anspruchs des Klägers erforderlichen Urheberrechte zu besitzen. Urheber seien die KPMG AG sowie Freshfields Bruckhaus Deringer LLP. Im Übrigen habe auch nicht die Beklagte das Konzept bei KPMG und Freshfields in Auf- trag gegeben, sondern die FMSA. Der zugrunde liegende Vertrag schließe die „Weiter- gabe von Arbeitsergebnissen an Dritte grundsätzlich“ aus. Die Beklagte führte weiter aus, dass sowohl die Übersendung des Konzepts als auch dessen Bereitstellung im Wege der Akteneinsicht gegen Urheberrechte in Form des Urheberpersönlichkeits- rechts auf Erstveröffentlichung (§ 12 UrhG) sowie Urheberverwertungsrechte verstoße, sodass der Antrag zurückzuweisen gewesen sei. Daher ist nun Klage geboten.
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4 II. Rechtliche Würdigung Die zulässige Klage ist begründet. 1. Passivlegitimation Zunächst handelt es sich beim BMF um die richtige Antragsgegnerin, bei der Bundes- republik, vertreten durch das BMF, mithin um die richtige Beklagte (§ 78 VWGO). Der Vortrag der Beklagten aus dem Widerspruchsbescheid, das „Konzept für eine ein- heitliche Abwicklungsplattform mit institutsspezifischen Einzellösungen (nachfolgend „das Konzept“) sei nicht durch das BMF, sondern durch die FMSA in Auftrag gegeben worden, ändert daran nichts. Entscheidend ist, dass dem BMF das Konzept zu amtli- chen Zwecken vorliegt und das BMF den Anspruch auf Herausgabe des Konzepts nach § 1 IFG in Form des Ausgangs- und Widerspruchsbescheid zurückgewiesen hat. Im Übrigen untersteht die FMSA gemäß § 3a Abs. 1, Satz 4 und 5 FMStFG der Rechts- und Fachaufsicht des BMF. Das BMF ist hiernach insbesondere befugt, alle Anordnungen zu treffen, um den Geschäftsbetrieb der Anstalt mit den Gesetzen, der Satzung und den sonstigen Bestimmungen im Einklang zu halten und die zweckmäßi- ge Wahrnehmung der Aufgaben der Anstalt sicherzustellen und zu überprüfen. Wenn das BMF im Widerspruchsverfahren vorträgt, dem Informationsanspruch stehe ein Ausschlussgrund gemäß § 6 Satz 1 IFG wegen urheberrechtlichen Schutzes des Kon- zepts und eines Eingriffs in Urheberpersönlichkeits- und bei Erfüllung des Informati- onsanspruchs entgegen, so ist dies als eine Aussage in Zusammenhang mit der Aus- übung ihrer Rechts- und Fachaufsicht gegenüber der FMSA zu verstehen. Eine Erfül- lung des IFG-Anspruchs seitens der FMSA entgegen der Rechtsauffassung des BMF wäre dieser nicht möglich. Die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der FMSA wäre daher von vornherein zum Scheitern verurteilt. Nur hilfsweise ist darauf hinzuweisen, dass die Anträge im Zweifel so auszulegen wä- ren, dass das BMF in Anbetracht seiner den Informationsanspruch blockierenden Rechtsauffassung zu verpflichten wäre, die Übersendung des Konzepts (Antrag zu 1)
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5 bzw. die Akteneinsicht (hilfsweise Antrag zu 2) gegenüber der FMSA anzuordnden. Insofern wäre gegebenenfalls eine Beiladung der FMSA anzuregen. 2. Antrag zu 1) Der Kläger hat einen Anspruch auf Übersendung des Konzepts als amtliche Informati- on gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 IFG. Insbesondere steht dem nicht der Schutz des geistigen Eigentums für die KPMG AG (nachfolgend „KPMG“) und/oder Freshfields Bruckhaus Deringer LLP (nachfolgend „Freshfields“) gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 IFG entgegen. Hierbei bleibt nach dem bisherigen Vorbringen der Beklagten im Verwaltungsverfahren unklar, ob und inwieweit KPMG und Freshfields tatsächlich das vermeintliche Werk gemeinsam geschaffen haben (§ 8 Abs. UrhG). Hierfür ist bislang nichts vorgetragen; insbesondere hat die Beklagte keinen entsprechenden Nachweis einer Beauftragung vorgelegt. KPMG und Freshfields wären gegebenfalls beizuladen. a) Kein urheberrechtlicher Schutz für das Konzept Das Konzept als „Darstellung und Betrachtung struktureller, rechtlicher und wirtschaftli- cher Aspekte, die im Rahmen einer einheitlichen Bankenabwicklungsplattform zu be- achten sind“ (S. 3 des Widerspruchsbescheid), dürfte mangels persönlicher geistiger Schöpfung schon keinen urheberrechtlichen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG ge- nießen. In Betracht kommt von vornherein nur die Werkkategorie als Sprachwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Bei wissenschaftlich konnotierten Ausarbeitungen kann sich der erforderliche geistig-schöpferische Gehalt von vornherein nicht aus dem freihaltebe- dürftigen Inhalt, sondern nur aus der Form und Art der Sammlung, Einteilung und An- ordnung des dargebotenen Stoffes, nicht aber ohne weiteres auch, wie zum Beispiel bei literarischen Werken, aus der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts ergeben (statt aller BVerwG, Urt. v. 26.9.2019 – 7 C 1.18 – Zugang zu Umwelt- informationen, GRUR 2020, 189 Rn. 19; BGH, Urteil vom 1.12.2010 - I ZR 12/08 – Per- lentaucher, GRUR 2011, 134 Rn. 36). Weiterhin gereicht der Gebrauch einer im betref- fenden wissenschaftlichen Fachbereich üblichen Ausdrucksweise nicht zur den Schutz begründenden eigenschöpferischen Prägung. Auch ein Aufbau und eine Darstellungs- weise, die aus wissenschaftlichen Gründen geboten oder in Fragen des behandelten
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6 Gebiets weitgehend üblich sind, können nicht als eine eigentümliche geistige Leistung angesehen werden (ständige Rechtsprechung seit BGH, Urteil vom 27. 03. 1963 - I b ZR 129/61 – Rechenschieber, BGHZ 39, 306, 311). Schutz kommt auch nicht in Be- tracht, wenn die Darstellung aus der Natur der Sache oder nach den Gesetzen der Zweckmäßigkeit vorgegeben ist (BGH, Urteil vom 11.04.2002 – I ZR 231/99 – Techni- sche Lieferbedingungen, GRUR 2002, 958, 959). Im Rahmen des unionsrechtlich um- fassend harmonisierten Werkbegriffs ist ein Schutz hingegen dann anzunehmen, wenn der potenzielle Schutzgegenstand die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Daran fehlt es, wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde; Arbeitsaufwand, geistige Anstrengung oder bedeutende Sachkenntnis, die in die Gestaltung eingeflossen sein mögen, genü- gen demnach nicht (BVerwG, Urt. v. 26.9.2019 – 7 C 1.18 – Zugang zu Umweltinfor- mationen, GRUR 2020, 189 Rn 22 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 16.07.2009 – C-5/08 – Infopaq/DDF, GRUR 2009, 1041 Rn. 33 ff.; Urteil vom 13.11.2018 – C-310/17 – Levola/Smilde, GRUR 2019, 73 Rn. 33 ff.; Urteil vom 29.7.2019 – C-469/17 – Funke Medien/Bundesrepublik Deutschland, GRUR 2019, 934 Rn. 18 ff.; Urteil vom 12.9.2019 – C-683/17 – Cofemel/G-Star, GRUR 2019, 1185 Rn. 29; so auch Dreier/Schulze, 6. Auflage 2018, UrhG, § 2 Rn. 96; Fromm/Nordemann, 12. Aufl. 2018, UrhG § 2 Rn. 58/102a). Bei Gutachten von insbesondere auch betriebswirtschaftlicher Prägung wird die Struktur im Regelfall vollständig von den Gepflogenheiten und sachlichen Zwängen des jeweiligen Fachgebiets vorgegeben, so dass sich daraus kein urheberrechtlicher Schutz ergeben kann (vgl. Schricker/Loewenheim, UrhR, 4. Aufl. 2010, § 2 UrhG, Rn. 117 m.w.N.). Hiernach nicht schutzfähig ist beispielsweise ein zweckmäßiges, sachlich korrektes und in der üblichen Fachsprache verfasstes Gutachten über Verkehrswerte von Grundstücken, da hier das erforderliche Überragen der Durchschnittsgestaltung nicht gegeben ist (KG, Beschluss vom 11.05.2011 – 24 U 28/11, ZUM 2011, 566, 568; Dreier/Schulze, 6. Auflage 2018, UrhG, § 2 Rn. 96 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Für die Schutzfähigkeit eines Anwaltsschriftsatzes als wissenschaftliches Schriftstück verlangt der BGH „ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials“ (BGH, Urteil vom 17.04.1986 – I ZR 213/83 – Anwaltsschriftsatz, GRUR 1986, 739, 741). Insbesondere kommt ein Schutz auch nicht für ein juristisch geprägtes Kurzgutachten in Betracht, das in erster Linie aus der Idee besteht, eine bestimmte Regelung anzuwenden (KG,
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7 Beschluss vom 12.03.2014 – 24 W 21/14, ZUM 2014, 969; Richter, IWG, § 1 Rn. 327 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Auf Basis dieses Anforderungsprofils ist ein Schutz für das Konzept von vornehmlich regulatorisch-rechtlichem sowie verfahrensbezogenem und wirtschaftswissenschaftli- chem Inhalt fernliegend. Laut den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbe- scheid handelt es sich bei dem Konzept um eine Darstellung und Bewertung der „sei- nerzeit vorherrschenden rechtlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Rahmen- bedingungen“ zur Schaffung einer „Bankenabwicklungsplattform“ vor dem Hintergrund der „seinerzeit bestehenden internationalen Finanzkrise“ (S. 4 des Widerspruchsbe- scheids). Hierbei betont bereits die Beklagte die Vorherbestimmtheit von Aufbau, Ge- dankenführung und Struktur. So handele sich bei dem Konzept um eine Darstellung „struktureller, rechtlicher und wirtschaftlicher Aspekte, die im Rahmen einer einheitli- chen Bankenabwicklungsplattform zu beachten sind“ (S. 3 des Widerspruchsbe- scheids, Hervorh. durch Verf.). Auch die Umstände, auf die das Konzept maßzu- schneidern war, die damalige Finanzkrise und ihre Ursachen sowie die rechtlich eng verlaufenden Bahnen eines Lösungsansatzes für „Not leidende Banken“ waren hierbei vollständig vorgegeben. Sogar die Lösung war anscheinend vollständig vorgegeben: So folgt das Konzept laut der Beklagten dem Ansatz, nach Schilderung der Rahmen- bedingungen die „gewünschten Ergebnisse“ mit einer „juristischen Begründung“ (S. 4 des Widerspruchsbescheids) zu unterlegen. Hieraus ergaben sich zwangsläufig die „Strukturoptionen“ und „konkreten Empfehlungen“ für die besagte Bankenabwicklungs- plattform. Ohne das Konzept zu kennen, verdeutlichen daher bereits die Ausführungen der Beklagten, dass das Konzept in Aufbau und Struktur von sachlichen Zwängen und Gepflogenheiten der genannten Schnittmengenbereiche durchdrungen ist. Und auch als Laie kann man sich vorstellen, dass eine „Bankenabwicklungsplattform“ zur Lösung einer Finanzkrise strengen regulatorischen Vorgaben und wirtschaftswissenschaftli- chen Erkenntnisse zu folgen hat und insbesondere nicht „die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt“. (EuGH, Urteil vom 12.09.2019 – C-683/17 – Cofemel/G-Star, GRUR 2019, 1185 Rn. 30). Es ist daher davon auszugehen, dass eine jede Wirtschaftsprüfungsge- sellschaft auf Basis der vorgegebenen tatsächlichen, rechtlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen und den vorgegebenen „gewünschten Ergeb- nissen“ zu einem ganz ähnlichen Konzept gelangt wäre. Im Zweifel ist die Beklagte zur Vorlage des Konzepts anzuhalten, um eine Prüfung im Detail zu ermöglichen (§ 99 VwGO).
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8 b) Kein Eingriff in Urheberrechte Dritter Die Erfüllung des Informationsanspruchs durch Übersendung des Konzepts würde im Übrigen nicht in Urheberrechte Dritter eingreifen. aa) Kein Eingriff in das Erstveröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG Das Übersenden des Konzepts greift nicht in ein Recht zur Erstveröffentlichung aus § 12 UrhG von KPMG / Freshfields ein. Bei dem Erstveröffentlichungsrecht aus § 12 UrhG handelt es sich um ein Urheberpersönlichkeitsrecht, welches dem Urheber als natürliche Person zusteht und im Kern unübertragbar ist. Vor diesem Hintergrund hängt bereits die Zuordnung des Erstveröffentlichungsrechts zu KPMG / Freshfields durch die Beklagte „in der Luft“. Vermutlich bezieht sich die Beklagte auf den Grund- satz, dass das Erstveröffentlichungsrecht als Voraussetzung der nach § 29 Abs. 2 UrhG zulässigen Einräumung von Nutzungsrechten ebenfalls einem Dritten zur Aus- übung überlassen werden kann (BGH, Urteil vom 11.03.2010 – I ZR 18/08 – Klingeltö- ne für Mobiltelefone II, GRUR 2010, 920 Rn. 26; BVerwG, Urteil vom 25.06.2015 – 7 C 1/14 – Dokumentation für zu Guttenberg, BVerwGE 152, 241 = GRUR-RR 2016, 137 Rn. 39; Ahlberg/Götting, BeckOK Urheberrecht, 26. Edition, § 11 Rn. 10/11; Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, § 6 Rn. 59 ff.; Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage 2019, § 12 Rn. 2). Dieses Überlassen kann stillschweigend im Zusammenhang mit der rechtsgeschäftlichen Einräumung von Nutzungsrechten geschehen (OLG München, Urteil vom 20.07.2000 – 29 U 2762/00, ZUM 2000, 767, 769; Fromm/Nordemann, Ur- heberrecht, 12. Aufl. 2018, § 12 Veröffentlichungsrecht Rn. 11; Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, § 6 Rn. 60 m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung). Hierbei ist zwischen der Ausübung des Rechts und der Veröffentlichung selber zu unterscheiden; beides kann zeitlich auseinander fallen (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 12 Veröffentlichungsrecht Rn. 11; Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage 2019, § 12 Rn. 2). Dies bedeutet, dass die Veröffentlichungsbefugnis im Falle der Einräumung entsprechender Nutzungsrechte bereits ausgeübt worden ist, auch wenn das Werk selbst noch nicht veröffentlicht wurde. Haben die Parteien eines Vertrags nicht aus- drücklich geregelt, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, so bestimmt sich gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG nach dem von beiden Parteien zugrunde geleg- ten Vertragszweck, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt worden ist. Nach
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9 dem darin angelegten Zweckübertragungsgedanken räumt ein Nutzungsberechtigter im Zweifel in dem Umfang Nutzungsrechte ein, wie sie der Vertragszweck nach Maß- gabe der Auswertung durch den Vertragspartner auf Basis eines gemeinsamen Ver- ständnisses erfordert. Insoweit ist davon auszugehen, dass bereits die Mitarbeiter von KPMG / Freshfields ihren Arbeitgebern umfassende Nutzungsrechte am Konzept eingeräumt und damit auch bereits ihr Erstveröffentlichungsrecht ausgeübt haben. Es ist daher nur hilfsweise darauf hinzuweisen, dass bei der Erstellung von thematisch hoch spezifischen Konzep- ten und Gutachten durch einen privaten Auftragnehmer im Auftrag einer öffentlichen Stelle selbstverständlich umfassende Nutzungsrechte eingeräumt werden, jedenfalls aber solche, die es der öffentlichen Stelle ermöglichen, ihren gesetzlichen Pflichten zur Auskunftserteilung über ein betreffendes Gutachten oder Komnzept als notwendig amt- liche Information („jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung“, § 2 Nr. 1 IFG) nach den Informationsfreiheitsgesetzen nachzukommen, im Zweifel auch durch Erst- veröffentlichung. (1) Rechtsprechung zu Gutachten der wissenschaftlichen Dienste Für Gutachten der wissenschaftlichen Dienste ist entsprechend höchstrichterlich ent- schieden worden, dass „davon auszugehen [ist], dass ein Beamter, der in Erfüllung Dienstpflichten ein Werk geschaffen hat, seinem Dienstherrn seiner stillschwei gend sämtliche Nutzungsrechte einräumt, die dieser zur Erfüllung seiner Auf gaben benötigt […]. Hiernach beschränkt sich die Einräumung von Nutzungs rechten an den von den Mitarbeitern der Wissenschaftlichen Dienste erstellten Ausarbeitungen nicht darauf, diese dem auftraggebenden Abgeordneten zur Verfügung zu stellen. Vielmehr gehört zur behördlichen Aufgabenerfüllung auch die Gewährung von Zugangsansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz; insoweit hat sich die Zwecksetzung durch den Erlass dieses Gesetzes erweitert [...].“ (BVerwG, Urteil vom 25.06.2015 – 7 C 1/14 – Dokumentation für zu Guttenberg, BVerwGE 152, 241 = GRUR-RR 2016, 137 Rn 40).
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10 In dieser Konstellation kann daher das Erstveröffentlichungsrecht einem Informations- anspruch nach IFG nicht entgegen gehalten werden, da wesentlicher Teil eines recht- mäßigen Verwaltungshandelns die Erfüllung der gesetzlich geregelten Informationsan- sprüche ist. (2) Bedürfnis zur Übertragung der Transparenz-Rechtsprechung auf externe Gutachten Diese Rechtsprechung zu Gutachten der die Abgeordneten des Bundestags beraten- den Wissenschaftlichen Dienste muss auf Konstellationen wie die vorliegende zwin- gend übertragen werden. Anderenfalls könnten sich die Bundesministerien jeglicher gesetzlich vorgesehener Transparenzanforderungen entledigen. Sie müssten lediglich statt des eigenen wissenschaftliches Personals, insbesondere der wissenschaftlichen Beiräte als Pendant zu den Wissenschaftlichen Diensten aber auch sonstiger Fachre- ferenten im öffentlichen Dienst, externe Beraterfirmen engagieren. Die Tendenz, den öffentlichen Dienst strukturell „kaputt zu sparen“ und über die daraus folgende Personalnot die Legitimation zu schaffen, auf Externe zurückzugreifen, ist hier bereits deutlich vorhanden. Die Konsequenzen können bereits beobachtet werden und stehen bereits seit längerem im Mittelpunkt der politischen Berichterstattun (vgl. DER SPIEGEL, Nr. 5/26. Januar 2019, S. 14 ff. - „Die Berater-Republik“, Anlage K4): Der Verlust eigener Sachkompetenz in den Ministerien bei gleichzeitigen Interessenkonflik- ten der Beraterfirmen führt zu tendenziell lobbyistisch geprägten politischen Entschei- dungen. Auch im Bundestag ist diese Problematik jüngst Thema gewesen: Wie sich aus der Beantwortung einer kleinen Anfrage im Bundestag von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE zur Rolle von Beratungs- und Wirtschaftsprüfergesellschaften auf dem Feld der Politikberatung ergibt (BT-Drucksache 19/10767, Anlage K5), treten Wirtschaftsprü- fungs- und Beratungsgesellschaften auf Bundesebene zunehmend in Konkurrenz zu dem in den Ministerien vorhandenen wissenschaftlichen Personal. Aufträge werden an diese vergeben, „wenn ein Beratungsbedarf festgestellt ist und die Prüfung der Wirt- schaftlichkeit erfolgt ist“. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn kein eigenes Per- sonal vorhanden ist oder die erforderlichen Kenntnisse fehlen, sodass auch kompeten- te interne Nachkontrolle der Studien nicht gewährleistet ist (BT-Drucksache 19/10767, Antwort auf Frage 28 S. 11, Anlage K5, bereits vorgelegt). Dieses Vorgehen, Studien
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