Burggraben um BundestagWir verklagen das Parlament

Schon lange vor den Verschwörungs-Demos Ende August hat der Bundestag beschlossen, einen Burggraben um Teile des Parlamentsgebäudes bauen zu lassen. Den Beschluss selbst will er aber nicht herausgeben. Deswegen verklagen wir den Bundestag – und klären dabei eine Grundsatzfrage.

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Der Reichstag in Berlin, bald mit Burggraben –

Der Reichstag in Berlin ist ein Ort großer Symbolkraft: Die gläserne Kuppel des Parlamentsgebäude soll Transparenz symbolisieren, Bürger:innen schauen von ihr auf den Sitzungssaal herab und kontrollieren die Mitglieder des Bundestags. Mit Verschwörungsideologen, die Ende August auf den Treppen des Reichstags Reichskriegsflaggen schwenkten, geriet das Gebäude besonders in den öffentlichen Fokus. Symbolträchtig ist in diesem Zusammenhang auch ein Beschluss, den der Bundestag im Jahr 2018 gefällt hat: Um Teile des Reichstags soll bald ein zehn Meter breiter Burggraben gebaut werden.

Damit will sich das Parlament offenbar vor Anschlägen schützen. Durch die Baumaßnahmen wird sich das zentrale Gebäude der deutschen Demokratie künftig anders präsentieren: Die berühmte Westseite mit dem großen Parlamentseingang wird durch einen sogenannte Aha-Graben vom Platz der Republik getrennt sein.

Grundsatzklage zum Ältestenrat

Um mehr über den dazugehörigen Beschluss des Bundestags zu erfahren, den der Bauausschuss des Ältestenrats gefällt hat, haben wir ihn vom Bundestag angefordert. Allerdings ohne Erfolg: Die Bundestagsverwaltung argumentiert, der gesamte Ältestenrat sei vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen.

Der Ältestenrat ist das höchste Gremium des Parlaments und setzt sich den Stärkeverhältnissen entsprechend aus Mitgliedern der Fraktionen zusammen. Unter anderem legt er die Tagesordnung des Bundestags fest und regelt die Geschäfte des Hauses.

Weil Abgeordnete hier auch über parlamentarische Fragen entscheiden, gefährde eine Offenlegung von Beschlüssen das freie Mandat der Abgeordneten, also die freie Entscheidung ohne Bindung an Weisungen und Aufträge, so die Bundestagsverwaltung.

Das sehen wir anders. Zwar mögen tatsächlich Fragen des parlamentarischen Ablaufs nicht per Informationsfreiheitsgesetz zugänglich sein. Der Ältestenrat ist allerdings auch das höchste Gremium der Parlamentsverwaltung, die eben beispielsweise für Baumaßnahmen zuständig ist. Sie ist ausdrücklich auskunftspflichtig nach dem Gesetz.

Teure externe Anwälte

Deshalb haben wir Klage gegen den Bundestag eingereicht. Wir wollen nicht nur den Beschluss des Ältestenrats zum Burggraben befreien, sondern auch die grundsätzliche Frage klären, ob der Ältestenrat unter das Gesetz fällt.

Die Parlamentsverwaltung ist sich ihrer Sache offenbar nach Eingang unserer Klage nicht mehr so sicher. Sie hat mit Steuergeldern die teure Berater-Kanzlei KPMG Law engagiert, die sie jetzt im Gerichtsverfahren vertritt. Die Bundestags-Anwälte boten uns an, die Kosten der Klage zu übernehmen, wenn wir die Klage zurücknehmen und die Grundsatzfrage nicht klären lassen. Das haben wir abgelehnt. Wir halten an unserer Klage fest.

Um diese und weitere Klagen zu finanzieren, sind wir auf Spenden angewiesen. Am meisten helfen uns Dauerspenden. Bitte unterstützen Sie uns mit monatlich 5 oder 10 oder 20 Euro. Herzlichen Dank!

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Katja Pink Rechtsanwältin _________________________________________________________________________________ Anwaltsbüro Pink.• Rechtsanwältin • Hohenzollerndamm 7 • 10717 Berlin Hohenzollerndamm 7 10717 Berlin Verwaltungsgericht Berlin Kirchstr. 7 10557 Berlin Telefon 030 – 88 62 48 59 Telefax 030 – 88 62 48 67 E-Mail kanzlei@rechtsanwaeltin-pink.de www.rechtsanwaeltin-pink.de Berlin, 23. Dezember 2019 Mein Az: P013K181 pi d1/d12795 Klage des Herrn Arne Semsrott, c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. Singerstr. 109, 10179 Berlin - Kläger - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin Katja Pink, Hohenzollerndamm 7, 10717 Berlin, gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Deutschen Bundestag, - Verwaltung - Platz der Republik 1, 11011 Berlin, - Beklagte - wegen Antrag zu amtlichen Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Gegenstandswert (vorläufig) 5.000,- € 1
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Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin mit dem Antrag, I. die Beklagte Bundestages unter Aufhebung vom 19. des August Bescheides 2019 in des Deutschen Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2019 zu verpflichten, dem Kläger durch Überlassung von Ablichtungen bzw. Ausdrucken Zugang zu gewähren zu dem von der Kommission des Ältestenrates für Bau- und Raumangelegenheiten gefassten Beschluss, wonach ein Graben vor dem Reichstagsgebäude gebaut werden soll, II. der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Eine entsprechende Prozessvollmacht wird als Anlage K 1 eingereicht. Begründung Sachverhalt Der Kläger begehrt vom Deutschen Bundestag Zugang zu dem Beschluss einer Kommission des Ältestenrates zum Bau eines Grabens vor dem Reichstagsgebäude. Der Kläger ist freier Journalist und setzt sich durch seine Tätigkeit in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen und publizistischen Beiträgen für offenes Wissen und Transparenz in der Politik und Verwaltung im Interesse der freien politischen Meinungsbildung und die zivilgesellschaftlichen Beteiligung der Bürger ein. Er ist Projektleiter der von der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. zur Förderung der Informationsfreiheit betriebenen Internetplattform FragdenStaat. Mit E-Mail vom 18. Juli 2019 (Anl. K 2) beantragte der Kläger beim Deutschen Bundestag gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) die Übersendung des Beschlusses der zuständigen Kommission des Ältestenrates, nach dem ein Graben vor dem Reichstag gebaut werden soll. Hierbei nahm der Kläger Bezug auf eine Berichterstattung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ vom gleichen Tag mit dem Titel „Neue 2
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Sicherheitsmaßnahmen – Ein Graben für den Reichstag“. Danach soll vor dem Reichstagsgebäude in Berlin eine neue Sicherheitszone entstehen. „Der Bund will dafür einen zweieinhalb Meter tiefen und zehn Meter breiten Graben auf dem Platz der Republik errichten lassen“ (So der Spiegel-Artikel vom 18. Juli 2019 „Neue Sicherheitsmaßnahmen – Ein Graben für den Reichstag“ (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/reichstag-graben-fuer-mehr-schutz- geplant-a-1277938.html). Nach einer kritischen Medienberichtserstattung wird der als Teil eines bauplanerischen Sicherheitskonzeptes im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben für ein neues Besucherzentrum vorgesehene Graben in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert (vgl. hierzu beispielhaft die Berichterstattung der Zeitung „Berliner Zeitung“ vom 18.07.2019 „Parlament diskutiert - Schützt ein Graben den Reichstag vor Terror-Angriffen ? “ (https://archiv.berliner-zeitung.de/berlin/parlament-diskutiert--schuetzt-ein-graben-den-reichstag- vor-terror-angriffen---32879402); der Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 19.07.2019 „Bundestag soll besser geschützt werden durch ein Graben“ (https://www.waz.de/politik/bundestag-soll-besser-geschuetzt-werden-mit-einem-graben- id226529987.html); der Welt vom 12.08.2019 „Ein Graben der unsere technologische Rückständigkeit symbolisiert“ (https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus198380673/Reichstag-bekommt-Graben-Ein- Schutz-wie-im-Mittelalter.html.)). Die vom Bundestag geplanten Baumaßnahmen sollen auf einen bereits am 06. Juli 2018 von der zuständigen Kommission für Bau- und Raumangelegenheiten (im Folgenden: Baukommission) gefassten Beschluss zurückgehen (vgl. Bericht vom 18.07.2019 der Zeitung „Der Tagesspiegel“ – „Neue Sicherheitszone auf dem Platz der Republik - Ein Graben vor dem Reichstag“ (https://www.tagesspiegel.de/berlin/neue- sicherheitszone-auf-dem-platz-der-republik-ein-graben-vor-dem-reichstag/24675158.html ). Nach eigenen Angaben der Beklagten habe sich laut dem Vorsitzenden Herr Wolfgang Kubicki die Baukommission unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes nach eingehender Beratung einstimmig für einen sogenannten „Aha“-Graben entschieden, um „das westliche Areal zu sichern“ (vgl.https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw35-biz-reichstagsgebaude-655554). 3
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Der Deutsche Bundestag lehnte mit Bescheid vom 19. August 2019 (Anl. K 3) den vom Kläger begehrten Informationszugang zu dem Beschluss der zuständigen Kommission des Ältestenrates mit der Begründung ab, dass die Beratungen und die Entscheidungsfindung im Ältestenrat und in seinen Kommissionen zur mandatsbezogenen Aufgabenerfüllung der Ältestenratsmitglieder gehören würden. Die Protokolle der Sitzungen des Ältestenrates und der Kommissionen würden diese Beratungen und Entscheidungsfindung abbilden und seien daher als spezifisch parlamentarische Angelegenheiten vom Anwendungsbereich des IFG ausgenommen. Es wird insoweit auf den als Anlage K 3 beigefügten Bescheid des Deutschen Bundestages vom 19. August 2019 Bezug genommen. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 26. August 2019 beim Deutschen Bundestag Widerspruch. Er wies darauf hin, dass sich die angefragten Informationen auf Baumaßnahmen vor dem Reichstagsgebäude und damit auf öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben des Deutschen Bundestags beziehen würden. Es wird insoweit auf den als Anlage K 4 vorab per E-Mail übersandten Widerspruch vom 26. August 2019 Bezug genommen. Mit Bescheid vom 7. November 2019 (Anl. K 5) wurde der Widerspruch durch den Deutschen Bundestages mit der weiterführenden Begründung zurückgewiesen, dass die Beratung und die Entscheidungsfindung der Kommission des Ältestenrats für Bau- und Raumangelegenheiten in Erfüllung einer mandatsbezogenen Aufgabe der Abgeordneten erfolge, die wesentlicher Bestandteil ihres freien Mandats gemäß Art. 38 GG sei. Ähnlich wie die Bundestagsausschüsse unterlägen der Ältestenrat und seine Kommissionen als parlamentarische Gremien selbst nicht dem IFG. Der Deutsche Bundestag und mit ihm seine Gremien seien nicht nur in der Funktion als Gesetzgeber und bei der Ausübung des Budgetrechts, sondern umfassend im Bereich der Wahrnehmung auch sonstiger parlamentarischer Angelegenheiten nicht informationspflichtig. Hierbei wurde auf die Gesetzesbegründung - BT-Drs. 15/4493 S. 8 - verwiesen. Es wird insoweit auf den als Anlage K 5 beigefügten Widerspruchsbescheid vom 7. November 2019 Bezug genommen, der dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde (Anlage K 6) erst am 27. November 2019 zugegangen ist. Mit der hier erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Informationsbegehren weiter. 4
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Rechtliche Begründung Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Deutschen Bundestages vom 19. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Informationszugang zu dem begehrten Beschluss der Baukommission des Ältestenrates über den Grabenbau vor dem Reichstagsgebäude (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). 1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes – IFG. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger ist als natürliche Person „jeder“ im Sinne des Gesetzes und damit anspruchsberechtigt. 2. Der Deutsche Bundestag ist in Bezug auf die begehrten Informationen eine auskunftspflichtige Behörde. Der Deutsche Bundestag ist ein Bundesorgan im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, das bezogen auf die vorgenannten amtlichen Informationen öffentlich- rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Der Regelung des § 1 Abs.1 IFG liegt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kein organisationsrechtlicher, sondern ein funktioneller Behördenbegriff zugrunde (BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2015 - BVerwG 7 C 1.14 – juris Rn.13, vom 27. November 2014 – BVerwG 7 C 19.12 und BVerwG 7 C 20.12 – juris Rn. 17, vom 15. November 2012 – BVerwG 7 C 1.12 – juris Rn. 22 und vom 3. November 2011 – BVerwG 7 C 3.11 – juris Rn. 11 ff.). Eine Behörde ist demnach jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, was sich wiederum nach materiellen Kriterien richtet (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012, a.a.O. Rn. 22). In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Verwaltung grundsätzlich negativ im Wege der Abgrenzung zu anderen Staatsfunktionen zu bestimmen. Auf den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes kommt es ebenso wenig an wie auf eine rechtliche Außenwirkung des Handelns. (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - BVerwG 7 C 1.14 – juris Rn. 13). Durch § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG wird lediglich klargestellt, dass Institutionen, denen organisationsrechtlich keine Behördeneigenschaft zukommt, bezogen auf bestimmte Tätigkeitsfelder gleichwohl Behörden im funktionellen Sinne sein können (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O., juris Rn.13). Maßgeblich ist danach eine nach der jeweils wahrgenommenen Staatsfunktion differenzierende Betrachtungsweise 5
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(BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 – juris Rn. 11, 16 ff. und vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - juris Rn. 22 f.). Die funktionelle Zuordnung einer Tätigkeit zur Verwaltung ist hierbei nicht durch staatsrechtliche Begrifflichkeiten zwingend vorgegeben, da es auf das dem Informationsfreiheitsgesetz insbesondere nach dessen Regelungszusammenhang und Entstehungsgeschichte zugrunde liegende Begriffsverständnis ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - BVerwG 7 C 1.14 – juris Rn.15). Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken und vor allem auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 4/11 -, juris Rn. 20; BT-Drs. 15/4493 S. 6). Zur Erreichung des Gesetzeszwecks ist begrifflich daher von einem weiten Verwaltungsverständnis auszugehen. Für die Abgrenzung zwischen Verwaltungstätigkeit und parlamentarischer Tätigkeit des Deutschen Bundestages ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs.15/4493, S.8), dass der Gesetzgeber nur den „spezifischen Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung, Wahlprüfung, Wahrung der Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder – z. B. in Immunitätsangelegenheiten, bei Petitionen und bei Eingaben an den Wehrbeauftragten -, parlamentarische Kontakte zu in- und ausländischen sowie supranationalen Stellen)“ vom Informationszugang ausnehmen wollte (VG Berlin, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 K 176.14 – juris Rn. 22; vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - BVerwG 7 C 1.14 – juris Rn.15). Danach umschreiben die in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG genannten Staatsfunktionen (BT-Drs.15/4493 S. 8), soweit es um die ihnen zuzuordnenden spezifischen Aufgaben geht, im Wesentlichen die Tätigkeitsbereiche, auf die das Informationsfreiheitsgesetz sich nicht erstreckt (BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2015, a.a.O., juris Rn. 15, vom 15. November 2012, a.a.O., juris Rn. 24 und vom Urteil vom 3. November 2011, a.a.O., juris Rn. 18). Gemessen an diesen Kriterien nimmt die Baukommission bei ihrem Beschluss über den Grabenbau eine Verwaltungsaufgabe im materiellen Sinne war. Denn entscheidend für Anwendbarkeit des IFG ist, dass die Tätigkeit sich als Wahrnehmung einer im Öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe im Gegensatz zur Wahrnehmung anderer Staatsfunktionen darstellt (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Beschluss vom 31. Januar 2005 – 21 E 1487/04 – OVG Münster NJW 2005, 2028 f.; Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 1 Rn. 165; 6
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Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 1, Rn. 53a; Berger/Partsch/Roth/ Scheel, IFG, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 26;). 3. Keine spezifische Parlamentstätigkeit des Deutschen Bundestages bei Entscheidungen einer Kommission des Ältestenrates über Baumaßnahmen Der beantragte Informationszugang im Zusammenhang mit den geplanten Baumaßnahmen betreffen nicht die spezifische Parlamentstätigkeit des Deutschen Bundestages. Die für die Planung und Durchführung einer öffentlichen Baumaßnahme des Bundes einschlägigen Regelungen sind insgesamt dem öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandeln zuzuordnen. Dies gilt auch für die Beschlussfassung der Baukommission des Ältestenrates über ein Bauvorhaben unter Beachtung der für die Parlamentsautonomie geltenden Grundsätze. Als verfassungsrechtlich eigenständige Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) und unmittelbar demokratisch legitimierte Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 1 GG) steht dem Bundestag ein autonomes Selbstorganisationsrecht zur Sicherung der Wahrnehmung seiner Funktion zu. Dieses Funktionsprinzip erfordert die allgemeine Befugnis, sich selbst zu organisieren und sich dadurch in Stand zu setzen, seine Aufgaben zu erfüllen (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 - , BVerfGE 80, 188 [219]). Dazu gehört auch, dass die Selbstorganisation des Parlaments von Personen vorgenommen wird, die ihm als Mitglieder angehören wie dies für die Mitglieder des Ältestenrates und der Baukommission oder dem Bundestagspräsidenten, der das Hausrecht und Polizeigewalt ausübt, der Fall ist. Die allgemeine Regelungsbefugnis des Parlaments in eigenen Angelegenheiten wird als Parlamentsautonomie im Grundgesetz nicht abschließend geregelt, sondern nur in ihren bereichsspezifischen Ausprägungen vereinzelt hervorgehoben. Zum Kern der verfassungsrechtlich begründeten Parlamentsautonomie gehören die Geschäftsordnungs- autonomie (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG), das Selbstversammlungsrecht (Art. 39 Abs. 3 GG), die Wahl eigener Organe (Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG), das Enqueterecht (Art. 44 Abs. 1 GG), die Immunität der Abgeordneten (Art. 46 GG) sowie Hausrecht und Polizeigewalt (Art. 40 Abs. 2 GG) (BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 – juris Rn. 51). Der Bau eines Grabens zum Schutz vor Terroranschlägen dient der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bundestages und unterfällt damit der Regelungsmacht des Parlaments in eigenen Angelegenheiten. Die rechtliche Zuordnung einer Tätigkeit zum 7
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Bereich der Parlamentsautonomie kann jedoch für die Qualifizierung zu einer spezifischen Parlamentstätigkeit nicht ausreichend sein. Andernfalls müsste bereits jede Erledigung einer Selbstverwaltungsangelegenheit als Wahrnehmung einer organspezifischen Staatsfunktion des Parlaments gelten. Es bedarf daher auch hier nach der jeweils wahrgenommenen Funktion einer differenzierenden Betrachtung: Mit dem Erlass der Geschäftsordnung, insbesondere der hier für die Beschlussfassung über den Grabenbau einschlägigen Kompetenzregelung des § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (im Folgenden: GO-BT), dem Plenarbeschluss über die Einsetzung des Ältestenrates sowie deren Delegation ihrer Entscheidungsbefugnis an die Baukommission hat der Deutsche Bundestag von der ihm verfassungsrechtlich zugewiesenen Selbstorganisationsfunktion Gebrauch gemacht. Zu diesen Vorgängen der binnenorganschaftlichen Konstituierung und Kreation der Organisation der Selbstverwaltung wird hier kein Informationszugang begehrt. Gegenstand des Informationsbegehrens ist allein der Beschluss der Baukommission über den Grabenbau. Die Baukommission ist ein Unterausschuss des Ältestenrates des Deutschen Bundestages. Der Ältestenrat hat über den in § 6 Abs. 4 GO-BT vorgesehenen Unterausschuss hinaus weitere Unterausschüsse sog. Kommissionen für besondere Aufgabenbereiche der inneren Angelegenheit des Bundestages eingesetzt, dem auch solche Mitglieder des Bundestages angehören können, die nicht Mitglieder des Ältestenrates sind (Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Stand März 2019, Art. 40 Rn. 124). Demgemäß hat die Baukommission den Beschluss über den Grabenbau in Ausübung der dem Ältestenrat nach § 6 Abs. 3 GO-BT übertragenen Verwaltungsaufgaben gefasst. Hierzu im Einzelnen: Doppelfunktion des Ältestenrates als zentrales Leitungsorgan Der Ältestenrat ist ein zentrales Leitungsorgan zu einem (1.) für die Gewährleistung eines geordneten Geschäftsganges bei der Organisation der parlamentarischen Arbeitsabläufe (§ 6 Abs. 2 GO-BT) und zum anderen (2.) für die Erledigung der Selbstverwaltungsangelegenheiten des Deutschen Bundestages, soweit diese nicht dem Präsidenten oder dem Präsidium vorbehalten sind (§ 6 Abs. 3 GO-BT). In dieser Doppelfunktion dient der Ältestenrat als Unterorgan des Deutschen Bundestages der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit des Parlaments (vgl. Schliesky, in: Mangold/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Bd. 2, Art. 40 Rn. 13) 8
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Der Ältestenrat besteht aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und 23 weiteren Mitgliedern, die von den Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke zu benennen sind (§§ 7 Abs. 1,12 GO-BT). Nach § 6 Abs. 2 GO-BT unterstützt der Ältestenrat vor allem den Präsidenten bei der Führung der Geschäfte und nimmt im Wesentlichen eine Vermittlungs-, Koordination- und Beratungsfunktion auch bei der Besetzung der Stellen der Ausschussvorsitzenden und ihrer Stellvertreter sowie über den Arbeitsplan des Bundestages wahr (vgl. Brocker, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand September 2019, Art. 40 Rn. 195; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Stand März 2019, Art. 40 Rn. 120,121). Der Ältestenrat ist in dieser historisch gewachsenen und ihm von § 6 Abs. 2 GO-BT zugewiesenen Funktion mit der Erledigung von Angelegenheiten befasst, die ihm eine Mitwirkung auf die organisatorische Gestaltung der unmittelbaren Ausübung der parlamentarischen Tätigkeit im Plenum und in den Ausschüssen und damit auf die Handlungen des Bundestages ermöglicht. Der Ältestenrat ist daher bei Wahrnehmung dieser Aufgabe auch kein Beschlussorgan (vgl. Schliesky, in; Mangold/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Bd. 2, Art. 40 Rn. 13; Brocker, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand September 2019, Art. 40 Rn. 195; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Stand März 2019, Art. 40 Rn. 120). Die fehlende Beschlusskompetenz in diesen Angelegenheiten wird für die Unterstützung des Präsidenten bei der Führung seiner Geschäfte von der Geschäftsordnung nochmals ausdrücklich hervorgehoben (§ 6 Abs. 2 S. 3 GO-BT). Lässt sich eine Verständigung im Ältestenrat durch einvernehmliche Absprachen nicht erzielen, obliegt es dem Bundestag insgesamt, also dem Plenum, die notwendigen Beschlüsse zu fassen (20 Abs. 2 GO-BT) (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Stand März 2019, Art. 40 Rn. 121; Zeh, Der Ältestenrat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, HStR III., 2005, § 52 Rn. 35). In deutlicher Abgrenzung hierzu steht die Wahrnehmung derjenigen Aufgaben, die dem Ältestenrat nach § 6 Abs. 3 GO-BT zur selbstständigen Erledigung der inneren Angelegenheiten übertragen wurden. Der Ältestenrat wird hier ausdrücklich zur Beschlussfassung ermächtigt, wenn er seine Mitwirkungsbefugnisse bei den inneren Angelegenheiten des Bundestages nach § 6 Abs. 3 GO-BT ausübt. 9
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Die Selbstverwaltungsbefugnis in inneren Angelegenheiten (§ 6 Abs. 3 GO-BT) Der Ältestenrat nimmt nach § 6 Abs. 3 und Abs. 4 GO-BT eine Beschlussbefugnis in sämtlichen Bereichen der inneren Angelegenheiten des Bundestages war, soweit diese nicht der Zuständigkeit des Präsidenten oder des Präsidiums unterfallen. Die in § 6 Abs. 3 und 4 GO-BT genannten Angelegenheiten der Verwendung der Räume, Bibliothek, Archiv und Dokumentationen sind hier zur Erläuterung nur beispielhaft aufgeführt. Der Begriff der inneren Angelegenheiten ist umfassend zu verstehen (vgl. v.Boetticher, Parlamentsverwaltung und parlamentarischer Kontrolle, 2001, S. 92; Roll, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, S. 823 Rn. 42; Maibaum, Der Ältestenrat des Deutschen Bundestages, 1986, S. 132; Ritzel/Bücker, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 6 Abs. 3 Anm. 1b.). Inhaltlich untergliedern sich die inneren Angelegenheiten in die Bereiche der sog. „Hausverwaltung“ und „Parlamentsverwaltung“ (v.Boetticher, Parlamentsverwaltung und parlamentarischer Kontrolle, 2001, S. 92; vgl. auch Kleinschnittger, Die rechtliche Stellung des Bundestagspräsidenten, 1963, S. 150.; Maibaum, Der Ältestenrat des Deutschen Bundestages, 1986, S. 132; Brink, in: Brink/Polenz/Blatt, IFG, 2017, § 1 Rn. 95). Von der sog. „Hausverwaltung“ sind Fragen betroffen, die nur mittelbar die parlamentarische Tätigkeit Bundestagssitzungen, berühren, die wie z.B. Regelungen über Raumverteilung, bauliche Besuche der Maßnahmen an Parlamentsgebäuden, die Zulassung von Besuchergruppen, die Benutzung der Fahrbereitschaft des Bundestages, sowie die Erteilung von Hausausweisen für die Gebäude des Bundestages (Maibaum, Der Ältestenrat des Deutschen Bundestages, 1986, S. 132; vgl. auch Boetticher, Parlamentsverwaltung und parlamentarischer Kontrolle, 2001, S. 92; Kleinschnittger, Die rechtliche Stellung des Bundestagspräsidenten, S. 150). Die „Parlamentsverwaltung“ hat zur Aufgabe, die Arbeit des Bundestages organisatorisch zu begleiten; tangiert davon ist u.a. die Protokollierung der Plenarsitzung (Maibaum, Der Ältestenrat des Deutschen Bundestages, 1986, S. 132, vgl. auch Kleinschnittger, a.a.O.). Der Ältestenrat wird bei seiner Beschlussfassung über die inneren Angelegenheiten als kollegiales Selbstverwaltungsorgan des Deutschen Bundestages tätig. Diese Tätigkeiten des Ältestenrates weisen gegenüber seiner Vermittlungs-, Koordination- und Beratungstätigkeit nach § 6 Abs. 2 GO-BT keinen spezifischen Bezug auf die unmittelbare Gestaltung des organisatorischen Arbeitsablaufs des Parlaments im Plenum und in den Ausschüssen auf, da sie lediglich die allgemeinen sachlichen 10
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