Datenschutz für Arm und Reich

Gegen eine Gebühr erhält man Zugriff auf Datensätze des Handels- und Melderegisters. Es fehlt eine sinnvolle Abwägung von privaten und öffentlichen Interessen.

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"Private Daten schützen, öffentliche Daten nützen!" Der einprägsame Leitsatz zur Informationsfreiheit, den der Chaos Computer Club Ende der 1980er-Jahre in der Hackerethik formulierte, ist auch heutzutage noch eine sinnvolle Grundlage für politische Projekte.

Wie viel Schutz private Daten verdienen, ist allerdings immer wieder umstritten. Während Polizei und Geheimdienste lieber ihre eigenen öffentliche Daten schützen als die Daten von Bürger:innen, gibt es auch Datenberge, bei denen eine Verortung zwischen privat und öffentlich nicht offenkundig ist.

Zum Beispiel, wenn es um die Eigentümer von Unternehmen geht. Mit dem Handelsregister schufen Regierungen schon vor hunderten Jahren öffentliche Register, die es Händlern (und dem Staat selbst) ermöglichten, zu überprüfen, ob ihre möglichen Handelspartner vertrauenswürdig sind. Die Daten sind für ein funktionierendes Wirtschaftssystem essenziell, weil sie die Namen von hunderttausenden einzelnen Personen prinzipiell öffentlich einsehbar machen. Auch die heutigen Register funktionieren noch nach dem analogen Prinzip wie im 19. Jahrhundert.

Einen Unterschied zu damals gibt es natürlich: Inzwischen lässt sich das Handelsregister auch online einsehen. Wer bereit ist, pro Eintrag 4,50 Euro an das zuständige Land Nordrhein-Westfalen zu bezahlen, kann sich PDF-Abzüge aus dem Handelsregister für einzelne Unternehmen herunterladen. Ähnlich funktioniert auch das relativ neue Transparenzregister, in dem nach Vorgaben der EU die "wirtschaftlichen Eigentümer", also zum Beispiel auch die Hinterleute von Briefkastenfirmen, eingetragen werden müssen.

Obwohl der Zugang zu den Wirtschaftsregistern damit formell öffentlich ist, ist er das in der Praxis nur bedingt. Denn zum einen kostet jeder Zugriff auf die Register Geld, zum anderen ist ein gesammelter Download der Daten nicht möglich. Analysen der Daten, die beispielsweise häufig auftretende Adressen und damit mögliche Briefkastenfirmen in den Blick nehmen, sind nicht möglich. Auch Zirkelregistrierungen – ein Unternehmen wird als Tochter eines anderen eingetragen, das wiederum als Tochter eines weiteren und das als Tochter des ersten – werden mit Blick auf einzelne Einträge nicht deutlich. Das große öffentliche Interesse des Transparenzregisters, wirksam gegen Geldwäsche vorzugehen, verfehlt der deutsche Staat damit.

Grund dafür ist der Datenschutz, der von Unternehmenslobbyisten gegenüber der Bundesregierung ins Spiel gebracht wurde. Sollten Daten wirtschaftlicher Eigentümer öffentlich einfach verfügbar werden, seien sie und ihre Familien in Gefahr, argumentierten sie. Belege für diese These lieferten sie keine.

Ganz im Gegensatz dazu gibt es zahllose Fälle, in denen Zugriffe auf ein weiteres Register, nämlich das Melderegister, tatsächlich Gewalt ermöglichten. Ob Stalking-Opfer oder Journalist:innen, die zu Nazis recherchierten – sie alle müssen damit rechnen, dass der Staat ihre Meldeadresse für wenige Euro an alle möglichen Menschen herausgibt. Diese Auskunftsmöglichkeit wird vor allem von Adresshändlern genutzt, im Einzelfall aber auch von anderen Menschen.

Mit einer Gesetzesinitiative will die Bundesregierung jetzt dafür sorgen, dass Betroffene es leichter haben, Auskunftssperren für sich zu beantragen. Sie müssen allerdings weiterhin eine mögliche Bedrohung beweisen und möglicherweise intime Details gegenüber dem Amt preisgeben. Wie die Beamten dann entscheiden (und ob sie mit den Details wiederum vertrauenswürdig umgehen), steht in den Sternen.

Was dem Umgang des deutschen Staates dabei tatsächlich fehlt, ist eine sinnvolle Abwägung von privaten und öffentlichen Interessen. Legt man nämlich den Leitsatz "Private Daten schützen, öffentliche Daten nützen!" der Registerfrage zugrunde und verbindet sie mit den Interessen von Privatpersonen und der Öffentlichkeit, erkennt man: Wirtschaftsregister sollten alle öffentlich nützen, Melderegisterdaten sollten wir standardmäßig schützen. Nicht andersrum.

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