Alle verbliebenen Akten im Bundeskanzleramt
Die Schmiergeldzahlungen rund um die Privatisierung der Leuna- und Buna-Werke werfen bis heute Schatten auf die Bundesregierung von Helmut Kohl und die Treuhand. Wir veröffentlichen die letzten Akten, die das Kanzleramt zur Leuna-Affäre noch finden kann.
Rund 80 Millionen D-Mark Schmiergeld flossen in den Jahren 1992 und 1993 vom französischen Ölkonzern Elf Aquitaine, um sich im Zuge der Privatisierung der Leunawerke in Sachsen-Anhalt den Zuschlag zu sichern. Der französische Präsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl sollen davon gewusst haben, auch wenn Kohl dies vehement bestritt. Die Entgegennahme von Schmiergeldzahlungen konnte ihnen nicht nachgewiesen werden.
Wir veröffentlichen jetzt die letzten verbleibenden Akten zur Leuna-Affäre sowie zur Privatisierung der Buna-Werke im Kanzleramt, die wir nach Anfragen und Widersprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz von der Behörde erhalten haben. Sie zeigen die internen Beratungen rund um die Privatisierung sowie Teile des Lobby-Versuche, die der Geschäftsmann Dieter Holzer in der Leuna-Affäre durchführte.
Lobbyist hinter Gittern
Holzer setzte sich unter anderem dafür ein, dass der deutsche Staat Investitionen von Elf Aquitaine mit Subventionen in Höhe von 2 Milliarden D-Mark rentabel machte. Das wird auch aus einem Schreiben von Holzer im November 1993 deutlich, das letztlich den Bundeskanzler erreichte. Darin warnte Holzer davor, dass Elf aus dem Leuna-Geschäft aussteigen wolle. Es solle eine Intervention von Helmut Kohl geben.
Lobby-Schreiben von Dieter Holzer
Holzer erhielt für die Lobbying-Maßnahmen rund 270 Millionen Francs als Provisionszahlung auf ein Konto der Offshore-Gesellschaft Nobleplac bei einer Schweizer Bank. Im Jahr 2003 wurde der Lobbyist in Frankreich von einem Strafgericht wegen Schmiergeldzahlungen gemeinsam mit zwei Elf-Managern schuldig gesprochen. Beweise für Zahlungen an deutsche Politiker fanden jedoch weder die Staatsanwaltschaft noch der Ende 1999 eingesetzte Parteispenden-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.
Wie aus den Dokumenten hervorgeht, war das Bundeskanzleramt darüber informiert, dass veranschlagte Kosten von Elf Aquitaine deutlich überhöht waren. Offenbar war eine Subvention aber trotzdem politisch gewollt.
Akten in den Bundeslöschtagen
Berüchtigt sind die Akten zur Leuna-Affäre auch deshalb, weil bis heute unklar ist, ob einige der Dokumente im Rahmen der sogenannten Bundeslöschtage zerstört wurden. Während ein Untersuchungskommission im Bundestag im Jahr 2000 noch zu dem Schluss kam, dass Akten gelöscht wurden, tauchten manche von ihnen später zumindest als Kopie wieder auf.
In den kommenden Jahren öffnet das Bundesarchiv seine Akten zur Treuhand und den Privatisierungen in Ostdeutschland nach 1990 Schritt für Schritt. Dabei könnten – zusätzlich zu den jetzt veröffentlichten Akten aus dem Kanzleramt – auch noch weitere Dokumente an die Öffentlichkeit kommen, die Licht ins Dunkel der Privatisierungen und Schmiergeldzahlungen bringen.