Gesetzesänderung verhindert Aufklärung des Cum-Ex-Skandals

Versteckt in einem Gesetz zu Elektromobilität hat das Bundesfinanzministerium 2019 das Finanzverwaltungsgesetz ändern lassen. Ein neues Urteil zeigt jetzt, dass dadurch die Aufklärung von Steuer-Skandalen unmöglich gemacht wird.

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Banken in Frankfurt –

Die Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte sind der größte Steuerbetrug der deutschen Geschichte: Mindestens 32 Milliarden Euro hatten sich Finanzmarktakteure als Steuerrückerstattungen vom Staat auszahlen lassen, obwohl sie vorher keine entsprechenden Steuern gezahlt hatten.

Auf den Milliardenbetrug folgte der zweite Skandal, nämlich die mangelnde Aufklärung des Steuerbetrugs von politischer Seite. Viele Forderungen gegen die Betrüger sind bereits verjährt, ein politischer Wille zur Aufklärung oder überhaupt zur ursprünglichen Verhinderung der Betrugsgeschäfte ist nicht erkennbar.

Auskünfte zur Aufklärung des Cum-Ex-Skandals

Um diesen Skandal im Skandal aufzuklären, hat Martin Modlinger von der Stiftung Erneuerbare Freiheit bei allen Landesfinanzbehörden Einsicht in die Akten zum Umgang mit den Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften beantragt. Er berief sich dabei auf die Informationsfreiheitsgesetze der Länder und des Bundes. Sämtliche Finanzministerien lehnten die Anträge ab. Sie argumentierten, Bund und Länder müssten sich darauf verlassen können, dass die Protokolle zu Cum-Ex-Beratungen geheim sind und bleiben. Ansonsten würde die Vertrauenswürdigkeit der Behörden nachhaltig Schaden nehmen.

Modlinger sah das genau umgekehrt: Wenn die Finanzbehörden hier nicht transparent über ihr Handeln oder Nichthandeln informieren, nimmt deren Vertrauenswürdigkeit in der Öffentlichkeit irreparablen Schaden. Er klagte also gegen die Intransparenz.

Transparenzpflicht durch die Hintertür ausgehebelt

Währenddessen arbeitete das Bundesfinanzministerium daran, die Informationsfreiheitsgesetze durch die Hintertür auszuhebeln, wie wir vor einem Jahr berichteten. Im E-Auto-Gesetz versteckte es eine Vorschrift, die Auskunftsansprüche ausschließen soll. Der Bundestag beschloss das Gesetz, ohne dass die Änderung zur Sprache kam. In § 21a Finanzverwaltungsgesetz, der die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Finanzverwaltung regelt, heißt es seither: „Die Vertraulichkeit der Sitzungen ist zu wahren, wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde. Für Beratungen im schriftlichen Verfahren gilt entsprechendes.“

Unter Berufung auf diese Vorschrift hat das Verwaltungsgericht Bremen jetzt Modlingers Klage auf Herausgabe von Akten zum Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandal abgewiesen: „Durch die Weitergabe dieser Informationen würde die Beklagte ihre Vertraulichkeitspflicht aus § 21a Abs. 1 Sätze 4 und 5 FVG verletzen“, so das Gericht in seinem Urteil vom 8. Februar.

Verwaltungsgericht weitet „Vertraulichkeit“ aus

Indem das Gericht sämtliche beantragte Unterlagen als vertraulich einstuft, geht es sogar noch über die angeordnete Vertraulichkeit des Finanzverwaltungsgesetzes hinaus. Denn das Gesetz betrifft nach seinem Wortlaut nur die Beratungen zwischen Bund und Ländern über einheitliche Verwaltungsgrundsätze, Regelungen zur Zusammenarbeit und allgemeine fachliche Weisungen. Nicht erfasst ist danach die interne Kommunikation der Landesfinanzbehörden, etwa im Vorfeld oder im Nachgang der Bund-Länder-Beratungen.

Das Bremer Verwaltungsgericht sieht das offenbar anders und folgt damit der Auffassung der Bremer Finanzverwaltung, die behauptet, dass die interne Kommunikation nicht von den Bund-Länder-Beratungen zu trennen sei. Das führt faktisch dazu, dass die Finanzverwaltungen der Länder komplett von den Transparenzpflichten nach den Landes-Informationsfreiheitsgesetzen ausgenommen sind. Auch das Bundesfinanzministerium könnte sich künftig standardmäßig auf die Ausnahme berufen.

Keine Informationsfreiheit in der Finanzverwaltung

David Werdermann von Thomas Rechtsanwälte kritisiert das Urteil des Bremer Verwaltungsgericht: "Wenn sich die Auffassung des Gerichts durchsetzen sollte, können sich Bund und Länder praktisch immer wechselseitig von den Transparenzpflichten der jeweiligen Informationsfreiheitsgesetze befreien. Das entspricht weder dem Grundrecht auf Informationsfreiheit noch dem Sinn und Zweck der föderalen Ordnung."

Modlinger gibt sich mit dem Urteil nicht zufrieden und wird die Zulassung der Berufung beantragen. Sollte er damit scheitern, liegt die Aufklärung der Steuerskandale alleine in den Händen der Justiz und der Politik selbst – die daran allerdings kaum Interesse zu haben scheinen.

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zum Urteil

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Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen 4 K 1437/19 Im Namen des Volkes Urteil In der Verwaltungsrechtssache ██████████████████ – Kläger – Prozessbevollmächtigte: Raphael Thomas u. a., Rechtsanwalt Raphael Thomas, Oranienburger Straße 23, 10178 Berlin - 131-19 - gegen die Freie Hansestadt Bremen, vertreten durch den Senator für Finanzen, Rudolf-Hilferding-Platz 1, 28195 Bremen - Q11-2 - – Beklagte – hat das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Stahnke, den Richter am Verwaltungsgericht Ziemann, den Richter Grieff sowie die ehrenamtliche Richterin Kommer und die ehrenamtliche Richterin Lukaschewsky aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2021 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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2 Tatbestand Die Beteiligten streiten um einen Auskunftsanspruch des Klägers auf Grundlage des Bremer Informationsfreiheitsgesetzes (BremIFG). Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 19.05.2019 die Übersendung sämtlicher interner und externer Kommunikation der Beklagten zu den Themen „Cum/Cum- und Cum/Ex- Geschäfte“. Den Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2019 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Auskunft über die begehrte Kommunikation nicht erteilt werden könne. Der Anspruch bestehe im Hinblick auf den Schutz von besonderen öffentlichen Belangen nach § 3 Nr. 1a BremIFG insofern nicht, als das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Beziehungen zum Bund oder zu einem Land habe. Die Unterlagen, Protokolle und Ergebnisse der jeweiligen Gremiensitzungen seien nicht öffentlich. So sei insbesondere in der Geschäftsordnung zur Regelung der Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern nach § 21a FVG ausdrücklich festgelegt, dass diese Unterlagen nur für den Dienstgebrauch und nicht zur Weitergabe an Empfänger außerhalb der Finanzverwaltung bestimmt seien. Da weder der Bund noch ein anderes Land     die  Zustimmung      zur  Weitergabe  der   im   Rahmen      des  behördlichen Entscheidungsprozesses vertretenen Rechtsstandpunkts erteilt habe, ergäben sich zwangsläufig Beeinträchtigungen in den Beziehungen zu den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder. Soweit sich aus den Dokumenten Rückschlüsse auf einzelne Unternehmen/Steuerbürger ziehen ließen, stehe einer Bekanntgabe bereits das Steuergeheimnis entgegen. Der Kläger hat am 12.07.2019 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, ihm stehe der geltend gemachte Anspruch nach § 1 Abs. 1 BremIFG zu. Das BremIFG sei anwendbar, da das gegenüber einer Landesfinanzbehörde geltend gemachte Informationsbegehren nach Landesrecht zu beurteilen sei, auch wenn das Aufkommen der Einkommens-/ Umsatzsteuer teilweise dem Bund zufließe. Die Landesbehörde könne nicht als Bundesbehörde im funktionalen Sinne gelten. Die Behörde habe die Verfügungsgewalt über diese Informationen. Die Beklagte habe nicht umfassend dargelegt und bewiesen, dass durch eine Auskunftserteilung die Beziehung zu den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder beeinträchtigt wäre. Die Ablehnung aus Geheimhaltungsgründen sei nicht gerechtfertigt. § 21a Abs. 1 FVG sei eine Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht nicht zu entnehmen, da diese Norm nur zur Verbesserung und Erleichterung des Vollzugs und im Interesse des Zieles der Gleichmäßigkeit der
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3 Besteuerung erlassen worden sei. Der Anwendungsbereich der neu eingefügten Sätze 4 und 5 des § 21a Abs. 1 FVG sei eng auszulegen und begründe keine allgemeine Bereichsausnahme für Finanzbehörden. Es betreffe nur die in § 21a Abs. 1 Satz 1 FVG genannten Verwaltungsgrundsätze, Regelungen zur Zusammenarbeit und fachlichen Weisungen. Der Anspruch sei auch nicht nach § 4 BremIFG ausgeschlossen, da weder die Entscheidung selbst noch die allgemeinen Grundlagen der Entscheidungsfindung von dieser Vorschrift geschützt seien. Die Beklagte sei zudem ihrer Darlegungs- und Beweislast für einen Ausschluss nach § 4 BremIFG nicht ausreichend nachgekommen. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung sei ebenfalls nicht betroffen. Schließlich übersteige der Verwaltungsaufwand nicht das übliche Maß. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheids der Senatorin für Finanzen vom 13.06.2019 die folgenden Unterlagen herauszugeben: a. die Ergebnisse über Arbeitsgruppensitzungen sowie Besprechungen auf Referatsleiter- und Abteilungsleiterebene einschl. der dazugehörigen sitzungsvorbereitenden Stellungnahmen zu den Vorgängen „Cum/Cum- und Cum/Ex-Geschäfte“, b. jegliche interne und externe Kommunikation sowie alle Unterlagen, die anlässlich der BMF-Schreiben vom - 05.05.2009 zur Anrechnung und Erstattung von Kapitalertragsteuer sowie Erstellung von Steuerbescheinigungen im Sinne des § 45a Abs. 3 EStG bei über den Dividendenstichtag noch zu regulierenden Geschäften, BStBl. 2009 I S. 631, - 21.09.2010 zur Kapitalertragssteuer bei Leerverkäufen von Aktien über den Dividendenstichtag, BStBl. 2010 I S. 753, - 11.11.2016 zur wirtschaftlichen Zurechnung bei Wertpapiergeschäften, BStBl. 2016 I S. 1324, - 17.07.2017 zur steuerlichen Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen, BStBl. 2017 I 986, zu den Vorgängen „Cum/Cum- und Cum/Ex-Geschäfte“ angefallen sind. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klage sei unbegründet. Erteilte sie die von dem Kläger begehrten Auskünfte, berührte dies die Sphäre des Bundes und aller anderen Länder. Dies führte zu schwerwiegenden
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4 Nachteilen für die Beziehungen der bremischen Finanzbehörde zu den anderen Ländern bzw. dem Bund. Sie habe bei den anderen Ländern nachgefragt, ob die Informationen preisgegeben werden dürften. Kein Land habe bisher einer Veröffentlichung nach dem BremIFG zugestimmt. Eine Preisgabe der Informationen hätte zudem negative Auswirkungen auf künftige Verwaltungs- und Strafverfahren zum Thema der Cum/Cum und Cum/Ex-Geschäfte. Der Sachverhalt unterfiele auch dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses im Sinne von § 4 BremIFG. Insbesondere seien vorliegend die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung anwendbar. Ferner sehe die Bundesregierung den Schutz der Vertraulichkeit der Abstimmungen zwischen den Steuerbehörden von Bund und Ländern als so gewichtig an, dass nunmehr auch eine gesetzliche Klarstellung in § 21a Abs. 1 Sätze 4 und 5 FVG erfolgt sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Auskunftsanspruch auch nicht in einem angemessenen Verhältnis zum erforderlichen Verwaltungsaufwand stehe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zwar stellt die Gewährung des Zugangs zu den begehrten Informationen nur einen bloßen Realakt und damit schlichtes Verwaltungshandeln dar. Dem geht hier allerdings die – als Verwaltungsakt zu qualifizierende – hoheitliche Entscheidung der Beklagten voraus, ob dem Antrag auf Auskunft stattgegeben wird, weil ein entsprechender Anspruch besteht oder nicht besteht (vgl. dazu Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 42 Rn. 176 m. w. N.). Demnach begehrt der Kläger bei verständiger Würdigung seines Rechtsschutzziels die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der erforderlichen Bewilligung der Akteneinsicht verbunden mit der Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger tatsächlich Zugang zu den Informationen zu gewähren (§ 113 Abs. 4 VwGO). 2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der geltend gemachte Anspruch auf Auskunftserteilung steht dem Kläger nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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5 a) Anspruchsgrundlage für den beantragten Zugang zu Informationen ist § 1 Abs. 1 BremIFG. Gem. § 1 Abs. 1 BremIFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Landes, der Gemeinden und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen und auf Veröffentlichung der Informationen nach § 1 dieses Gesetzes. Bei den angeforderten Unterlagen handelt es sich um amtliche Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 BremIFG. Eine amtliche Information ist jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Die bei der Beklagten angefallenen Unterlagen zu den Cum/Cum und Cum/Ex-Transaktionen dienen amtlichen Zwecken, da sie zu den Verwaltungsvorgängen im Besteuerungsverfahren gehören. § 1 BremIFG ist anwendbar. Handelt eine Landesbehörde im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 108 Abs. 3 GG wird sie nicht im funktionalen Sinne zu einer Bundesbehörde. Die Auftragsverwaltung bleibt grundsätzlich auch dann Landesverwaltung, wenn der Bund von seinen Einflussrechten Gebrauch macht (Haratsch in: Sodan, GG, Art. 85 Rn. 5). b) Ferner ist die Beklagte richtiger Adressat des Informationszugangsanspruches und damit die informationspflichtige Stelle im Sinne des BremIFG. Der Kläger begehrt nach verständiger Würdigung seines Klageantrags Zugang zu Informationen über die Kommunikation, die von der bremischen Finanzbehörde ausgeht und bei dieser angefallen ist. Diese Informationen sind der Beklagten zuzurechnen. Dass die Kommunikation auch Informationen über den Bund oder andere Länder enthalten könnte, steht dem nicht entgegen. Die Adressateneigenschaft nach § 1 BremIFG bestimmt sich nicht nach dem Inhalt der begehrten Informationen, sondern vielmehr danach, bei welcher Behörde die Informationen angefallen sind. c) Der Anspruch des Klägers auf Informationszugang zu den Unterlagen hinsichtlich der Cum-Cum und Cum-Ex-Geschäfte ist nach § 3 Nr. 4 BremIFG ausgeschlossen. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Vorliegend unterfallen die von dem Kläger begehrten Informationen der Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht nach § 21a Abs. 1 Sätze 4 und 5 FVG. Hiernach ist die Vertraulichkeit der Bund-Länder-Sitzungen auf dem Gebiet des Steuerrechts bzw. der
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6 Beratungen im schriftlichen Verfahren zu wahren, wenn nicht einstimmig etwas anderes beschlossen wurde. Um den Steuervollzug im Bundesgebiet als einheitlichen Verwaltungsraum im Interesse der Gleich- und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung auf einen Mindeststandard zu bringen, räumt § 21a Abs. 1 Satz 1 dem Bundesministerium der Finanzen die Möglichkeit ein, die Bund-Länder-Zusammenarbeit näher zu regeln sowie fachliche Weisungen zu erteilen. § 21a FVG gewährleistet den bundeseinheitlichen Verwaltungsvollzug bei im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern, bei anderen bundesgesetzlich geregelten Steuern im Landeseigenvollzug und auf dem Gebiet des Steuerberatungsrechts. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und den obersten Finanzbehörden der Länder ist ein wesentlicher Bestandteil der bundesstaatlichen Ordnung und betrifft zugleich die Kernbereiche der exekutiven Eigenverantwortung      der   Finanzverwaltungen.       Die   Umsetzung     der   getroffenen Entscheidung erfolgt stets einheitlich für die gesamte Finanzverwaltung (BT-Drucks 19/13436, S. 183 f.). Der Bundesgesetzgeber hat mit § 21a Abs. 1 Sätze 4 und 5 FVG eine Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht normiert, an die die Beklagte gebunden ist. Es handelt sich dabei um eine Rechtsvorschrift des Bundes, die eine Vertraulichkeitspflicht der Länder gegenüber dem Bund begründet. Diese sind im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung an die fachlichen Weisungen des Bundes gebunden. Die Sitzungen der Gremien erfordern den freien, vertrauensvollen Austausch aller Beteiligten und sind nicht öffentlich. Vorbereitende und nachbereitende Sitzungsunterlagen, einschließlich Protokollen und Unterlagen über Sitzungsergebnisse sind daher, soweit nichts anders beschlossen ist, vertraulich und nicht zur Weitergabe an Empfänger außerhalb der Finanzverwaltung bestimmt. Das Gleiche gilt für Unterlagen des schriftlichen Verfahrens. Dies dient dazu, dass in den vertraulichen Beratungen in einer Atmosphäre der Offenheit und ohne Zwang zur      Berücksichtigung       von       außen       eingebrachter      Interessen      oder Rechtfertigungsforderungen ein allein an der Sache orientierter Austausch von Argumenten sowie eine unbeeinflusste Abstimmung erfolgen kann. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass sachbezogene Diskussionen nicht stattfinden bzw. in den informellen Bereich außerhalb der Sitzungen verlagert würden, oder eine Einigung gänzlich unterbliebe. Dies widerspräche der Zielsetzung des § 21a FVG eklatant (BT-Drucks 19/13436, S. 184). Da die Bund- und Länder-Abstimmungen zum Kernbereich der exekutiven    Eigenverantwortung      gehören,    soll   durch  diese   Einschränkung      die Willensbildung der Regierung geschützt werden (Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 163. Lieferung 10/2020, § 21a FVG).
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7 Die    von   dem    Kläger    begehrten   Unterlagen  betreffen    die   Ergebnisse    über Arbeitsgruppensitzungen, Besprechungen auf Referats- und Abteilungsleiterebene sowie jegliche interne und externe Kommunikation zu den Cum/Cum- und Cum/Ex-Transaktionen und unterfallen damit dem Anwendungsbereich des § 21a Abs. 1 Sätze 4 und 5 FVG. Durch die Weitergabe dieser Informationen würde die Beklagte ihre Vertraulichkeitspflicht aus § 21a Abs. 1 Sätze 4 und 5 FVG verletzen. Die Weitergabe würde im Übrigen selbstständig tragend auch zu einer Beeinträchtigung der Beziehungen der Beklagten zum Bund und anderen Ländern führen (vgl. § 3 Nr. 1a BremIFG). Insbesondere haben die Länder Sachsen-Anhalt, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, und Baden-Württemberg ausweislich der sich in der Behördenakte befindenden Stellungnahmen einer Weitergabe dieser Informationen ausdrücklich nicht zugestimmt. Da es im vorliegenden Fall um Gemeinschaftssteuern geht, die die Beklagte mit dem Bund gemeinsam verwaltet, würde eine Weitergabe ohne Zustimmung des Bundes auch das kooperative Zusammenwirken zwischen dem Bund und den Ländern beeinträchtigen. Das Land Bremen erwiese sich als vertrauensunwürdiger Partner in der föderalen Zusammenarbeit. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen, (Tag-/Nachtbriefkasten Justizzentrum Am Wall im Eingangsbereich) einzulegen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen, einzureichen. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt oder eine sonst nach § 67 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO zur Vertretung berechtigte Person oder Organisation vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag, durch den ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird.
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