Interaktiv und in Farbe10 Jahre Informationsfreiheit in Zahlen

Seit 2006 veröffentlicht das Bundesinnenministerium jährliche Statistiken zu Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG), die an Bundesbehörden gerichtet waren. Welche Behörde ist besonders transparent, welche wird am häufigsten verklagt? Unsere interaktive Datenvisualisierung gibt Antworten.

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Ordner mit Diagramm

Die kürzliche Veröffentlichung der IFG-Statistik für 2020 haben wir zum Anlass genommen, die letzten zehn Jahre Informationsfreiheit auf Bundesebene auszuwerten. Das Bundesinnenministerium stellt die Daten der obersten Bundesbehörden jedes Jahr zusammen.

Zahl der Anfragen konstant

Seit 2017 gab es kaum große Sprünge bei den Anfragezahlen. Einzig das Jahr 2019 stellt eine Ausnahme dar: als Teil unserer Aktion zum #Zensurheberrecht fragten über 40.000 Menschen das Glyphosat-Gutachten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) an. Das BfR steht unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), weshalb bei dieser Behörde ein erheblicher Ausschlag im Diagramm sichtbar ist.

Auch wenn das eine beachtliche Zahl ist, wird im internationalen Vergleich klar, wie zaghaft das IFG bisher genutzt wird. In den USA werden im Jahr etwa eine Million Anfragen an Bundesbehörden gestellt – Deutschland bewegt sich hier im Bereich der Zehntausend-Marke. Gerade für investigativen Journalismus bietet das Informationsfreiheitsgesetz noch viele bisher ungenutzte Möglichkeiten. Es braucht dringend einen Mentalitätswechsel zu mehr IFG-Anfragen.

Bemerkenswert ist, dass mehr als die Hälfte aller Anfragen an Bundesbehörden 2020 über FragDenStaat gestellt wurden, Tendenzen steigend. Statistiken basierend auf den Zahlen unserer Plattform werden übrigens vom Fraunhofer-Institut angeboten.

    Mit gedrückter Strg-Taste und dem Mausrad kann die Ansicht vergrößert werden. CC-BY 3.0. Quelle

    Finanzbehörde unter Klagebeschuss

    Während die meisten Behörden höchstens Klagen im mittleren zweistelligen Bereich zu verzeichnen haben, sieht es im Bundesministerium für Finanzen (BMF) ganz anders aus: im Rekordjahr 2015 wurde es ganze 870 Mal verklagt. Im Jahr 2017 dann der abrupte Stopp, plötzlich sind es nur noch fünf Klagen. Der Grund: eine dubiose Anwaltskanzlei konnte tausende Kapitalanleger:innen davon überzeugen, ihre Verluste durch Klagen gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wieder gutzumachen. „Dazu stellte die Kanzlei zahlreiche Anträge auf Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) – mit der Begründung, dies sei erforderlich, um eine Staatshaftungsklage gegen die Behörde vorzubereiten“, so der Fachverlag JUVE.

    Dieselskandal sorgt für viele Widersprüche

    Zahlreiche Volkswagen-Besitzer:innen verklagten das Unternehmen zu Beginn der Abgasaffäre auf Schadensersatz. Um vor Gericht Erfolg zu haben, muss jedoch im konkreten Fall (sprich für jedes Auto) nachgewiesen werden, dass eine unzulässige Abschaltung der Abgasreinigung eingebaut ist. Ein Bescheid des Kraftfahr-Bundesamtes (KBA) belegte jedoch, dass alle VW-Motoren des Typs „EA 189“ diese installiert hatten.

    Für Kläger:innen ein entscheidendes Beweisstück – doch das KBA, welches unter der Leitung des Verkehrsministeriums steht, behält diese Informationen, zum Vorteil von VW, vor. Nach Berichten von ZEIT Online wies Andreas Scheuer den Vorwurf, das KBA reagiere unangemessen auf den Dieselskandal, zurück.

    Die vertretenden Jurist:innen versuchten per Informationsfreiheitsgesetz an das Dokument zu kommen, doch das KBA lehnte ab. Ganze 819 Widersprüche wurden daher 2017 eingereicht, wie es deutlich in der Visualisierung zu erkennen ist.

    Ablehnungsrate der Anfragen steigend

    In 61 % aller Fälle wurde der Informationszugang 2020 gewährt – fünf Jahre vorher waren es knapp 20 Prozentpunkte mehr, trotz höherer Anfragezahl. Besonders das Kanzleramt, das Auswärtige Amt, und der Bundestag beantworten besonders ungern Anfragen: letzterer 2018 nur schlappe drei Prozent von fast 3.000.

    CC-BY 3.0. Quelle

    Ist eine Anfrage erfolgreich, kann dies jedoch mit Gebühren verbunden sein: im Bundesdurchschnitt wird für zehn Prozent der Akteneinsichten eine Zahlung fällig. Dies hat einen enorm abschreckenden Effekt für Anfragesteller:innen. Auf FragDenStaat wird nur an einem Fünftel aller gebührenpflichtiger Anfragen festgehalten. Somit wächst die Problematik, dass das Recht auf Information vom Geldbeutel abhängt. Besonders das Bundesfinanzministerium und die Behörden in seinem Geschäftsbereich verlangen besonders häufig – in rund einem Fünftel aller Fälle.

    Daten und Quellcode der Visualisierung
    Artikel der Vorjahre

    Hinweise zur Visualisierung:

    • Die Zählarten der Anfragen unterscheiden sich zwischen den beiden Visualisierungen. Im ersten Diagramm werden alle eingehenden Anfragen des Jahres dargestellt, im zweiten nur jene, zu denen im entsprechenden Jahr Informationszugang gewährt, teilweise gewährt, abgelehnt oder anderweitig erledigt wurden.
    • Die Zählweise zwischen FragDenStaat und den Behörden kann ggf. abweichen. Insofern sind leichte Ungenauigkeiten im direkten Vergleich möglich.
    • Die Anzahl über FragDenStaat gestellter Anfragen beinhaltet auch solche, die nicht öffentlich sind. Somit weichen die hier verwendeten Zahlen von öffentlichen Quellen (etwa der API) ab.

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