KlageWie beriet das Karenzzeit-Gremium zu Sigmar Gabriel?

Ob Tönnies oder Deutsche Bank – der ehemalige Bundesminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel ist schon länger in der deutschen Wirtschaft umtriebig. Ob er dabei gegen rechtliche Auflagen verstoßen hat, überprüft ein Gremium, dessen Beratungen jedoch geheim bleiben. Daher klagen wir.

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Vom SPD-Vorsitzenden und Bundesminister zum Aufsichtsrat und Berater: Sigmar Gabriel –

Und sie bewegt sich doch: Die sogenannte Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft steht kaum still. Immer wieder nutzen ehemalige Minister:innen und Staatssekretär:innen ihre Kontakte und ihr Insider-Wissen, um wirtschaftliche Interessen von Konzernen und Lobbyverbänden durchzusetzen. So sorgten unter anderem Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seinem Wechsel zu Gazprom und Ex-Entwicklungsminister Gerd Niebel mit dem Seitenwechsel zum Rüstungskonzern Rheinmetall in den vergangenen Jahren für Aufsehen.

Bei solchen Karriereaussichten nach der Amtszeit ist eine unvoreingenommene und gemeinwohlorientierte Regierungsführung nicht mehr gesichert. 2015 beschloss der Bundestag daher eine Karenzzeit. Verlassen Regierungsmitglieder die Regierung, dürfen sie danach für eine befristete Zeit keine neuen Jobs in Unternehmen und Verbänden annehmen, die geeignet sind, einen Interessenkonflikt hervorzurufen. Diese Karenzzeit ist mit 12 bis 18 Monaten jedoch deutlich zu kurz, wie Transparency International und LobbyControl kritisieren.

Emsiger Ex-Minister Gabriel

Zuletzt reihte sich der ministeriale Tausendsassa Sigmar Gabriel in die Liga der Seitenwechsler:innen ein. Erst Anfang des vergangenen Jahres sorgte der ehemalige Bundeswirtschafts- und Bundesaußenminister sowie ehemalige Vizekanzler für Aufsehen, als bekannt wurde, dass er für den umstrittenen Fleischproduzenten Tönnies als Berater tätig war.

Während Gabriel im Amt war, hatte er die schlechte Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft selbst noch kritisiert. Zusammen mit Tönnies und weiteren Fleischkonzernen hatte er eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung sozialer Standards eingeführt, die sich als Papiertiger herausstellte. Von Tönnies wurde er später mit einem lukrativen Beraterjob belohnt. Mit seiner Tätigkeit verstieß er formell nicht gegen die Karenzzeit, da er diese erst im März 2020 aufnahm - zwei Jahre nach seinem Austritt aus der Bundesregierung 2018.

Ein weiterer großer Coup gelang Gabriel mit der Aufnahme in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Pünktlich zum Ablauf der Karenzzeit Mitte September 2019 trat der Aufsichtsratschef Paul Achleitner an Gabriel heran und bot ihm den Posten an, den er prompt Anfang 2020 übernahm.

Karenzzeitgremium hüllt sich in Schweigen

Doch was machte Gabriel eigentlich während seiner Karenzzeit? Für Job-Angebote in dieser Zeit ist das Karenzzeitgremium zuständig. Unter dem Vorsitz des Ex-Ministers und Seitenwechslers Theo Waigel soll es überprüfen, ob möglicherweise Interessenkonflikte besteht. Wie das Karenzzeitgremium im Fall von Sigmar Gabriel beraten hat, bleibt jedoch geheim. Das Bundeskanzleramt verweigerte auf unsere Anfrage die Veröffentlichung entsprechender Dokumente. Daher verklagen wir es.

Seine Entscheidung begründete das Kanzleramt mit dem Bundesministergesetz, nach dem Beratungen des geheim seien. Nur Verbote werden im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Zudem legte auch Sigmar Gabriel höchstpersönlich sein Veto ein - er meint, dass von der Veröffentlichung seine personenbezogenen Daten betroffen seien. Ob die Einwände des Kanzleramts zutreffen, klärt nun das Berliner Verwaltungsgericht.

Update, 13.5.2022: Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Urteilsgründe folgen.

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