Glyphosat-GutachtenBundesinstitut für Risikobewertung verliert erneut Klage gegen uns

Im Prozess um das Zensurheberrecht hat das Bundesinstitut für Risikobewertung auch in zweiter Instanz gegen uns verloren. Das Oberlandesgericht Köln hat geurteilt, dass wir ein umstrittenes Glyphosat-Gutachten veröffentlichen durften. Möglicherweise akzeptiert die Behörde von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner aber auch dieses Urteil nicht.

CC BY-NC 2.0, Christian Mang/Campact

Fehler bei der einstweiligen Verfügung, Verfahren in erster Instanz verloren, Verfahren in zweiter Instanz verloren: Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist mit einem weiteren Versuch gescheitert, uns die Veröffentlichung eines Gutachtens zu Krebsrisiken beim Einsatz der Chemikalie Glyphosat zu verbieten.

Das BfR argumentiert, wir hätten das Urheberrecht der Behörde verletzt, als wir im Februar 2019 das Gutachten auf unseren Seiten der Öffentlichkeit zugänglich machten – aus dem Urheberrecht wollte die Behörde von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ein Zensurheberrecht machen. Nach dem Willen der Regierung sollten wir der Behörde tausende Euro zahlen.

Nach dem Landgericht erkannte jetzt aber auch das Oberlandesgericht Köln an, dass unsere Veröffentichung zulässig war. Spätestens durch die Übersendung des Gutachtens an mehr als 43.000 Antragsteller:innen hat das Gutachten seinen Schutz eingebüßt. Ohenhin war unsere Veröffentlichung aber auch von der Zitat- und Berichterstattungsfreiheit gedeckt: „Die Zusammenfassung, die zunächst zum Abruf und Download bereitgehalten wurde und nunmehr als Kopie über den Beklagten abrufbar ist, stand und steht in Zusammenhang mit einer – wenn auch knappen – redaktionellen Berichterstattung des Beklagten.“

Steuergelder fürs Zensurheberrecht

Für den Kampf um die Befreiung von Informationen aus Originaldokumenten ist das Urteil ein wichtiger Erfolg. Es bedarf keiner aufwendigen journalistischen Auswertung von Dokumenten, die man veröffentlichen möchte, um das Urheberrecht in seine Schranken zu weisen.

In Angelegenheiten von öffentlichem Interesse, können Dokumente, die „für sich sprechen“, veröffentlicht werden. Dabei sollten sie auf den öffentlichen Diskurs Bezug zu nehmen, der dadurch belebt wird. Erst Recht gilt das, wenn die Behörde das Dokument vorab bereits selbst tausendfach geteilt hat.

Das Gericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Ob das BfR dies allerdings einsieht, ist zweifelhaft. Die Behörde hat bisher deutlich mehr als 100.000 Euro ausgegeben, um gegen die Veröffentlichung des Gutachtens vorzugehen – obwohl sein gesetzlicher und aus Steuergeldern finanzierter Auftrag eigentlich ist, die Öffentlichkeit umfassend zu informieren. Trotz der Niederlagen vor Gericht könnte die Behörde allerdings noch immer nicht klein beigeben. Wir erwarten, dass das BfR Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegt.

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Gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen haben wir uns bereits vor einem Jahr mit einem offenen Brief an die Bundesregierung gewandt, um sie zu einer Anpassung des Urheberrechts zu drängen. Solche Grundsatzfragen dürfen nicht nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten und abhängig vom Einzelfall vor Gericht geklärt werden. Es bedarf einer Klarstellung, dass das Urheberrecht nicht für Zwecke staatlicher Geheimhaltung missbraucht werden darf. Wir werden daher auch künftig weiter das Recht auf Informationsfreiheit verteidigen. Für eine lebendige Demokratie ist es essentiell, dass wichtige Informationen öffentlich zugänglich sind.

zum Urteil

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6 U 146/20                                            Verkündet am 12.05.2021 14 O 163/19 LG Köln OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Rechtsstreit des Bundesinstituts für Risikobewertung, vertreten durch den Präsidenten, Max-Dohrn-Straße 8 - 10, 10589 Berlin, Klägers und Berufungsklägers, Prozessbevollmächtigte:                 Rechtsanwälte Gleiss, Lutz u.a., Wa- shingtonplatz 3, 10557 Berlin, gegen Herrn Arne Semsrott, c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Sin- gerstraße 109, 10179 Berlin, Beklagten und Berufungsbeklagten, Prozessbevollmächtigte:                 Rechtsanwälte Thomas & Kollegen, Oranienburger Straße 23, 10178 Berlin, hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 23.04.2021 durch seine Mitglieder Nolte, Hammer und Chang-Herrmann für     Recht       erkannt: Die Berufung des Klägers gegen das am 12.11.2020 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O 163/19 - wird zurückgewie- sen.
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6 U 146/20                                                          Seite 2 Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt. Dieses Urteil und das des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu voll- streckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe I. Der Kläger macht gegen den Beklagten urheberrechtliche Unterlassungsan- sprüche im Zusammenhang mit der öffentlichen Zugänglichmachung der „Stel- lungnahme des BfR zu IARC-Monographie über Glyphosat vom 04.09.2015“ (im Folgenden: die Zusammenfassung) auf der Website www.fragdenstaat.de geltend. Der Kläger ist eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sein Aufgabenbereich umfasst unter anderem die Erstellung von wis- senschaftlichen Ausarbeitungen, die wissenschaftliche Beratung des Bundes- ministeriums und anderer Bundesbehörden, die Zusammenarbeit mit Dienst- stellen der Europäischen Gemeinschaft, auch auf dem Gebiet der Auswirkun- gen von Pflanzenschutzmitteln im Hinblick auf die Gesundheit von Menschen und Tieren, sowie die Unterrichtung der Öffentlichkeit auf diesem Gebiet. Das Herbizid Glyphosat wurde 2002 in der Europäischen Union als Pflanzen- schutzmittel amtlich zugelassen. Es handelt sich um das weltweit am häufigs- ten eingesetzte Pflanzenschutzmittel. Es steht jedoch im Verdacht, für schwere gesundheitliche Schäden beim Menschen verantwortlich zu sein. Seit 2013 läuft eine routinemäßige Neubewertung des Wirkstoffes. Die von den Mitarbeitern des Klägers erstellte, sechsseitige Zusammenfassung fasst die Inhalte eines gleichfalls von Mitarbeitern des Klägers erstellten, 95 Seiten langen Berichtes mit dem Titel „Renewal Assessment Report, Glyphosa-
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6 U 146/20                                                         Seite 3 te Addendum I to RAR, Assessment of IARC > Monographies Volume 112 (2015): Glyphosate“ vom 31.08.2015 (Addendum) in deutscher Sprache zu- sammen. Bei der Zusammenfassung handelt es sich um eine interne Bewer- tung des Klägers im Rahmen des europäischen Prüfverfahrens zur Wiederzu- lassung des Stoffes „Glyphosat“, welche ausschließlich für das Bundesministe- rium für Ernährung und Landwirtschaft bestimmt war. Der Beklagte stellt regelmäßig Beiträge auf der Website www.fragdenstaat.de ein. Auf den nach dem IFG gestellten Antrag des Beklagten vom 19.10.2018 hin übermittelte der Kläger diesem mit Bescheid vom 10.12.2018 die streitge- genständliche Zusammenfassung. Der Kläger erteilte zugleich den Hinweis: „Die Übermittlung von Daten erfolgt ausschließlich zu ihrem persönlichen Ge- brauch. Bestehende Urheberrechte des BfR oder Dritter werden hierdurch nicht berührt. Veröffentlichungen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung des BfR.“ Der Beklagte stellte die Zusammenfassung ab dem 14.02.2019 auf benannter Website unter zwei Subdomains im Volltext zum Abruf und zum Download ein. Mit Schreiben vom 07.03.2019 mahnte der Kläger den Beklag- ten ab und forderte ihn auf, es zu unterlassen, die Zusammenfassung auf sei- ner Website u.a. öffentlich zugänglich zu machen. Für diese Abmahnung sind dem Kläger Kosten in Höhe von 1.242,84 € entstanden. Nach Erlass der unter dem Aktenzeichen 14 O 86/19 ergangenen einstweiligen Verfügung vom 13.03.2019 entfernte der Beklagte die Zusammenfassung von den oben ge- nannten Subdomains. Der Kläger erließ am 23.04.2019 eine Allgemeinverfü- gung, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 03.05.2019, aufgrund derer Per- sonen, die einen Antrag gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 IFG auf Informationszugang zu der hier streitgegenständlichen Zusammenfassung stellen, über eine dafür ein- gerichtete Internetseite für die Dauer von jeweils 7 Tagen ein Lesezugang zu der Zusammenfassung gewährt wird. Die Beantwortung der Anträge sowie die Übermittlung der Zugangsdaten erfolgt seitens des Klägers in einem automati- sierten E-Mail-Verfahren. Bis zum 05.06.2019 waren bereits mehr als 43.000 Anträge gestellt und vom Kläger positiv verbeschieden worden. Nunmehr fordert der Beklagte die Besucher seiner Website dazu auf, bei dem Kläger eine automatisierte Anfrage auf Übersendung der Zusammenfassung zu stellen. Hierzu erhält der jeweilige Nutzer eine „Fragdenstaat“-E-Mailadresse
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6 U 146/20                                                            Seite 4 samt passwortgeschütztem E-Mailaccount. Wird eine entsprechende Anfrage von diesem E-Mailaccount gestellt, so gewährt der Kläger - wie oben beschrie- ben - dem Anfragenden Zugang zu der Zusammenfassung auf einer vom Klä- ger eigens dafür eingerichteten Website. Die Zusammenfassung kann dort nur eingesehen, nicht jedoch heruntergeladen werden. Werden die Anfragen über die Website des Beklagten gestellt, bietet der Beklagte den Nutzern zusätzlich die Möglichkeit an, eine Kopie der Zusammenfassung über den jeweiligen „Fragdenstaat“-E-Mailaccount zu erhalten. In diesem Fall kopiert der Beklagte die Datei in das E-Mailpostfach des Nutzers, von welcher aus sie gespeichert und weitgeleitet werden kann. Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe gegen den Beklagten aus § 97 Abs. 1 UrhG ein Unterlassungsanspruch zu. Er sei zur Geltendmachung des Unterlas- sungsanspruchs als Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte an der Zu- sammenfassung aktivlegitimiert. Die Zusammenfassung sei ein urheberrecht- lich geschütztes Sprachwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG. Durch Einblendung der streitgegenständlichen Zusammenfassung habe der Beklagte in die ihm, dem Kläger, zustehenden Verwertungsrechte aus §§ 19a und 16 UrhG eingegriffen. Hierzu sei der Beklagte nicht berechtigt gewesen, weil die Zusammenfassung nicht jedermann zur freien Nutzung zur Verfügung gestan- den habe und der Beklagte sich nicht auf Schrankenregelungen berufen könne. Ein amtliches Werk im Sinne des § 5 Abs. 2 UrhG liege nicht vor. Diese Vor- schrift erfasse nur amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden seien. Hinsichtlich der Schrankenrege- lung des Zitatrechtes fehle es schon an einer Veröffentlichung durch ihn. Dem Beklagten sei mit Zurverfügungstellung der Zusammenfassung die Veröffentli- chung ausdrücklich untersagt wurden. Zudem könne von einer Veröffentlichung nicht ausgegangen werden, weil die Weiterverwendung nicht nach dem IWG zulässig sei. Außerdem liege kein Zitat vor. Es fehle an einer inhaltlichen Aus- einandersetzung mit der Zusammenfassung. Der Kläger hat beantragt, 1. es dem Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhand- lung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Mo-
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6 U 146/20                                                              Seite 5 naten, zu untersagen, die Stellungnahme des BfR zur IARC Monogra- phie über „Glyphosat“ vom 04.09.2015, beigefügt als Anlage K 1, ohne seine Zustimmung a) zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder zu ver- vielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder öffentlich zugäng- lich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Anlagenkonvolut K 2 dargestellt und/oder b) Nutzern der Website „fragdenstaat.de“ als Anlage zu einer E-Mail zur Verfügung zu stellen, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlagen- konvolut K 3 dargestellt; 2. den Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.242,82 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte hat vorgetragen, der streitgegenständlichen Zusammenfassung komme bereits kein Urheberrechtsschutz zu. Die Zusammenfassung enthalte ebenso wie militärische Lageberichte reine Wiedergaben von Tatsachen und folge einem bestimmten Aufbaumuster. Bei Auswahl und Anordnung der Infor- mation sei der Kläger nicht frei gewesen, sie folgten wissenschaftlichen Vorga- ben. Ein kreativer Spielraum sei nicht nachvollziehbar. Ferner handele es sich um eine reine Übersetzung der englischsprachigen Abhandlung, welcher keine Schöpfungshöhe zukomme. Jedenfalls sei die Nutzung des streitgegenständli- chen Textes gemäß §§ 50, 51 UrhG gerechtfertigt, außerdem nach dem UIG und dem IWG. Es handele sich um voneinander unabhängige und nebenein- ander anwendbare Rechtfertigungsgründe. Auf Grundlage der Entscheidungen des EuGH vom 29.07.2019 (C-469/17 - Afghanistan Papiere, Rn. 64 und C- 516/17 - Volker Beck, Rn. 49) habe die Grundrechtsabwägung mit der In- formations- und Pressefreiheit im Rahmen der Tatbestände der Schrankenre- gelungen stattzufinden. Dabei sei im konkreten Fall von einem Vorrang der In-
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6 U 146/20                                                               Seite 6 formations- und Pressefreiheit auszugehen. Durch die Zugangsgewährung an ihn am 10.12.2018 habe der Kläger sein Veröffentlichungsrecht gemäß § 12 UrhG ausgeübt. Spätestens sei dies durch den massenhaften, automatisierten Informationszugang für alle Antragsteller in Form der Allgemeinverfügung ge- schehen. Die Zusammenfassung sei damit nunmehr auch als amtliches Werk im Sinne von § 5 Abs. 2 UrhG einzustufen. Mit Urteil vom 12.11.2020, auf das wegen der Begründung Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hält der Kläger sein erstinstanzliches Begehren aufrecht. Er rügt eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung und unrichtige Rechtsanwendung. Das Landgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dies beruhe im We- sentlichen auf der unzutreffenden Erwägung, er habe die Zusammenfassung i.S.d. § 6 Abs. 1 UrhG veröffentlicht. Tatsächlich habe er die Zusammenfas- sung gerade nicht einer größeren Anzahl von Personen „schlicht unbeschränkt“ zur Verfügung gestellt, sondern nur stark eingeschränkt und individuell für ein- zelne Personen. Ein Zitat nach § 51 UrhG liege nicht vor, da der Beklagte sich nicht inhaltlich mit der Zusammenfassung auseinandergesetzt habe. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 12.11.2020, Az. 14 O 163/19, wie folgt zu erkennen: 1. Dem Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwider- handlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, untersagt, die „Stellungnahme des BfR zur IARC-Mono- graphie über Glyphosat“ vom 04.09.2015, beigefügt als Anlage BK 1, ohne Zustimmung des Klägers a) zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder zu ver- vielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder öffentlich zugäng- lich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlagenkonvolut BK 2 dargestellt und/oder
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6 U 146/20                                                            Seite 7 b) Nutzern der Website „fragdenstaat.de“ als Anlage zu einer E-Mail zur Verfügung zu stellen, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlagen- konvolut BK 3 dargestellt. 2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.242,82 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshän- gigkeit der Klage zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertie- fung seines Vorbringens zu den Schrankenbestimmungen. II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. 1.          Der Kläger hat weder bezüglich der Veröffentlichung der Zusammen- fassung auf der Webseite fragdenstaat.de im Februar 2019 (Antrag zu Ziff. 1.a) noch im Zusammenhang mit dem Kopieren einer Datei mit der Zusammenfas- sung in die Postfächer der Nutzer von fragdenstaat.de ab Juni 2019 (Antrag zu Ziff. 1 b) einen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten aus § 97 Abs. 1 UrhG. Der Beklagte hat zwar hierdurch jeweils ein nach dem UrhG geschütztes Recht des Klägers verletzt, jedoch nicht widerrechtlich. a)          Dass der Kläger bezüglich der streitgegenständlichen Zusammen- fassung aktivlegitimiert ist und diese als Sprachwerk nach § 2 UrhG Urheber- rechtsschutz genießt, wird von dem Beklagten in zweiter Instanz nicht mehr in Abrede gestellt. b)          Der Beklagte ist als Betreiber der Webseite www.fragdenstaat.de passivlegitimiert. Er hat ohne Zustimmung des Klägers zunächst die streitge- genständliche Zusammenfassung auf seiner Webseite bereitgehalten und hier- durch in das Vervielfältigungsrecht des Klägers nach § 16 Abs. 1 UrhG sowie in das dem Kläger zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG eingegriffen. Nunmehr übermittelt der Beklagte den Besuchern sei-
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6 U 146/20                                                         Seite 8 ner Webseite auf Wunsch eine Kopie der Zusammenfassung. Hierdurch greift er in das Vervielfältigungsrecht des Klägers nach § 16 Abs. 1 UrhG ein (eine Verletzung des Rechts auf öffentliches Zugänglichmachen macht der Kläger in- soweit – zu Recht – nicht geltend). Auch dies steht im Berufungsverfahren au- ßer Frage. c)          Der Beklagte handelte und handelt nicht rechtswidrig. aa)         Die Zusammenfassung ist seit der Veröffentlichung der Allgemein- verfügung im Bundesanzeiger ein amtliches Werk i.S.d. § 5 Abs. 2 UrhG, das mithin jetzt vom Urheberrechtsschutz ausgenommen ist und von jedermann frei genutzt werden kann. Dem steht nicht entgegen, dass – wovon auch das Land- gericht ausgegangen ist – der Zugang zu der Zusammenfassung nur auf Antrag hin erfolgt, individuell und ausschließlich zum persönlichen Gebrauch gewährt wird sowie auf einen Lesezugriff für sieben Tage beschränkt ist. (1)         Voraussetzung für ein sonstiges amtliches Werk nach § 5 Abs. 2 UrhG ist zum einen, dass es aus einem Amt herrührt, also einer Verwaltungs- behörde zuzurechnen ist, und zum anderen, dass das Werk tatsächlich im amt- lichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden ist (s. Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 5 Rn. 9, m.w.N.). Die Zusammenfassung ist von Bediensteten des Klägers geschaffen worden und mithin dem Kläger ohne weiteres zurechenbar. Dass sie zunächst nur für den amtlichen Gebrauch erstellt worden ist, steht einer späteren Veröffentli- chung im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme nicht entgegen. Voraussetzung hierfür ist ein spezifisches Verbreitungsinteresse, d.h. das In- teresse muss nach Art und Bedeutung der Information gerade darauf gerichtet sein, dass der Nachdruck oder die sonstige Verwertung des die Information vermittelnden Werkes jedermann freigegeben wird. Ein solches Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht. In derarti- gen Fällen ist die rasche und umfassende Information der Allgemeinheit erfor- derlich. Auf der anderen Seite fehlt das besondere Interesse in der Regel, wenn das Werk nur allgemeine Informationen aus dem Bereich der Daseins-
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6 U 146/20                                                             Seite 9 vorsorge vermittelt, wie z.B. amtliche Statistiken, Kartenwerke oder allgemeine Merkblätter. In diesen Fällen erfordert das allgemeine Informationsinteresse nicht die Rechtsfolge des § 5 Abs. 2 UrhG. Im Zweifel sind alle Umstände des Einzelfalls abzuwägen. Je bedeutsamer die Information ist, desto eher liegt ein spezifisches Verbreitungsinteresse vor. Ist die Information weniger bedeutsam, wird die Abwägung in der Regel ergeben, dass die allgemeine Kenntnisnahme bereits durch eine erfolgte Veröffentlichung sichergestellt ist, ohne dass zusätz- lich eine urheberrechtsfreie Verbreitung erforderlich wäre (BGH, Urteil vom 20.07.2006, I ZR 185/03, juris, Tz. 17 f.). Hier diente die Einrichtung des auto- matisiert ablaufenden E-Mailverfahrens zur Abwicklung der Massenanfragen auf Einsicht in das Dokument der Erfüllung der Pflichten aus dem IFG. Der In- halt des Dokuments ist von hoher gesellschaftspolitischer Bedeutung. Es be- trifft die wichtige und seit Jahren kontrovers diskutierte Frage nach der Auswir- kung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen und Tiere. Das insoweit bestehende spezifische Verbreitungsin- teresse wird nicht bereits durch die Veröffentlichung des 95 Seiten langen Ad- dendums in englischer Sprache abgedeckt. Der seit Jahren anhaltende Diskurs um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat und seine (Neu)Zulassung erfordert vielmehr eine zusätzliche urheberrechtsfreie Verbreitung gerade der streitge- genständlichen Zusammenfassung in deutscher Sprache. Die Tatsache, dass bis Ende letzten Jahres bereits über 43.000 Einsichtnahmen erfolgt sind, belegt ein erhebliches Informationsinteresse der anfragenden Bürger und – damit kor- respondierend – das Interesse des Beklagten, den berechtigten Anfragen ord- nungsgemäß nachzukommen und die bedeutsamen Information nunmehr ohne weiteres gegenüber jedermann freizugeben. Die vom Kläger gegen das Vorliegen eines amtlichen Werkes i.S.d. § 5 Abs. 2 UrhG vorgetragenen Argumente überzeugen nicht. Der Kläger meint, aufgrund des Antragserfordernisses fehle es an dem für eine Veröffentlichung erforderlichen unbestimmbaren Personenkreis. Darauf dass bei jedem Anspruch nach dem IFG die theoretische Zahl der Antragsteller un- begrenzt sei, könne nicht abgestellt werden, da andernfalls der ausdrückliche Vorbehalt zum Schutz des geistigen Eigentums in § 6 IFG leerliefe. Außerdem
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6 U 146/20                                                            Seite 10 liege eine Veröffentlichung nur dann vor, wenn der Berechtigte auf eine unbe- stimmte Anzahl möglicher Rezipienten abziele, was hier aufgrund der Ein- schränkungen nicht der Fall sei. Andernfalls hätte er die Zusammenfassung selbst auf seiner Webseite veröffentlichen können. Diese Argumentation greift schon deshalb nicht, weil der Antragsteller nicht (mehr) jeden Antrag einzeln bescheidet, sondern ein automatisiertes E-Mail- Verfahren eingerichtet hat. Hierdurch hat er eine in personeller Hinsicht unbe- schränkte Zugangsmöglichkeit für einen faktisch unbestimmbaren Personen- kreis eröffnet und mithin objektiv zu erkennen gegeben, dass er das Werk jetzt der Öffentlichkeit widmet. Die zeitliche Beschränkung der Einsichtnahme auf sieben Tage ist für das Kriterium der Veröffentlichung ohne Belang. Dass die Anfragenden lediglich einen Lesezugriff erhalten, steht einer Veröffentlichung ebenfalls nicht entgegen, zumal zahlreiche Möglichkeiten bestehen, den Inhalt des eingesehenen Textes zu dokumentieren, z.B. durch einfaches Abschreiben oder die Fertigung von Fotografien. Bei einer Anknüpfung der Veröffentlichung erst an die Bekanntmachung der Allgemeinverfügung und das daraufhin automatisiert ablaufende Verfahren kann der Kläger auch nicht einwenden, dass § 6 IFG leerliefe, wonach der An- spruch auf Informationszugang nicht besteht, soweit der Schutz geistigen Ei- gentums entgegensteht. Ob auch schon die erste Gewährung des Informati- onszugangs nach dem IFG für die Annahme eines öffentlichen Werkes nach § 5 Abs. 2 UrhG ausreicht (§ 6 IFG greift jedenfalls für die Zeit davor und für die Urheberrechte Dritter, vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.2015, 7 C 1/14, juris, Tz. 37, 42; BVerwG, Urteil vom 25.06.2015, 7 C 2/14, juris, Tz. 39 ff.; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 12 Rn. 16) oder § 6 IFG gegen eine solche Ansicht spricht, kann dahinstehen. Soweit der Kläger meint, dass die Antragsteller nicht nach dem IWG zur Wei- terverbreitung der Zusammenfassung berechtigt seien, da er als Forschungs- einrichtung i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 6 IWG von dessen Anwendungsbereich ausge- nommen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass es um das Vorliegen eines amtli- chen Werkes und der damit verbundenen Urheberrechtsfreiheit geht, nicht um
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