Erste Auskunftsklage gegen die Hacker-Behörde ZITiS

Die Hacker-Behörde ZITiS handelt auf einer außergewöhnlichen rechtlichen Grundlage. Ein Jura-Professor hat ein Rechtsgutachten zur Aufgabenerfüllung der ZITiS verfasst. Doch die Behörde verweigert die Herausgabe des Dokuments. Dagegen klagen wir mit netzpolitik.org.

Selbstbeschreibung der ZITiS: Schlüssel gegen verschlüsselte Verbrechen –

Alle Rechte vorbehalten: ZITiS

Seit vier Jahren hat Deutschland eine Hacker-Behörde. Die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich stellt Überwachungs-Technologien wie Staatstrojaner und Hochleistungsrechner für Polizei und Geheimdienste bereit.

Über ihre eigene Arbeit ist die Entschlüsselungsbehörde, von Allgemeinheiten und Werbe-Filmen abgesehen, wenig transparent. Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat ZITiS bisher alle abgelehnt, nicht einmal Informationen zum Logo gab sie heraus. Die Behörde verweigert außerdem die Herausgabe eines Rechtsgutachtens zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Dagegen haben wir jetzt mit netzpolitik.org Klage eingereicht.

Gründung ohne Gesetz

Die rechtliche Grundlage der Hacker-Behörde ist außergewöhnlich. Es gibt kein ZITiS-Gesetz. Weder Bundesregierung noch Bundestag haben beschlossen, die Behörde zu gründen. Das Bundesinnenministerium hat ZITiS im Alleingang ins Leben gerufen, per Ministerialerlass.

Kurz nach der Gründung hat ZITiS ein Rechtsgutachten zu ihrer Aufgabenerfüllung erstellen lassen. Erstellt hat das Papier der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Heinrich Amadeus Wolff von der Universität Bayreuth. Auf Nachfrage beschreibt die Bundesregierung den Inhalt in einem Satz:

Das Rechtsgutachten zur Aufgabenerfüllung der ZITiS führt dazu aus, welche Rechtsnatur die ZITiS aufweist, welche konkreten Aufgaben der ministerielle Errichtungserlass für ZITiS vorsieht, wer die ZITiS wie beauftragen kann und wer nicht und wie sich die Fachaufsicht im Einzelnen darstellt, insbesondere in Ausprägung des Jahresarbeitsprogramms.

Schrödingers Geheimdienst

ZITiS will das Gutachten nicht herausgeben und lehnt den Antrag von netzpolitik.org ab. Die Begründung ist abenteuerlich: Geheimdienste fallen nicht unter das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), wenn sie geheime Geheimdienst-Arbeit machen. Und ZITiS hat „besonders enge Beziehungen“ zu Geheimdiensten. Also fällt auch ZITiS nicht unter das Informationsfreiheitsgesetz.

Gegen diese Ablehnung hat netzpolitik.org Widerspruch eingelegt. Erstens schreibt ZITiS selbst auf ihrer Webseite: „ZITiS ist weder eine polizeiliche, noch eine nachrichtendienstliche Stelle, hat folglich keine derartigen Befugnisse.“ Auch das Bundeskanzleramt arbeitet mit Geheimdiensten und fällt trotzdem unter das IFG. Zweitens nimmt ZITiS keine gesetzlich definierten Sicherheitsaufgaben wahr, sie unterstützt und berät die Geheimdienste nur bei ihren Aufgaben.

Selbst wenn ZITiS wie ein Geheimdienst eingestuft wäre und Geheimdienst-artige Arbeit machen würde, hätten wir trotzdem Anspruch auf das Dokument. In dem Gutachten geht es gerade nicht um geheime Technologien und Methoden, sondern um die rechtlichen Grundlagen der Behörde. Laut Bundesregierung könnte sich ZITiS mit dem Gutachten auf „denkbare rechtliche Auseinandersetzungen vorbereiten“.

ZITiS wirbt damit, dass die Behörde angeblich umfassend kontrolliert wird, auch von Medien und der Öffentlichkeit. Diese Kontrollfunktion können wir nur erfüllen, wenn wir die Rechtsgrundlagen und Aufgaben kennen. Geheime Interpretationen von Geheimdienst-Gesetzen waren bisher regelmäßig illegal, siehe Funktionsträgertheorie und Weltraumtheorie. Die Veröffentlichung des Gutachtens sollte auch im Interesse von ZITiS sein.

ZITiS verklagen

Doch ZITiS hat den Widerspruch abgelehnt. Der größte Teil des Ablehnungstextes wiederholt die ursprüngliche Argumentation: ZITiS arbeitet mit Geheimdiensten, das Rechtsgutachten analysiert diese Zusammenarbeit, also darf das Gutachten nicht bekannt werden. Auch ein neuer Grund kommt hinzu: Mittlerweile hat ZITiS das Gutachten als Verschlusssache eingestuft. Dabei ist auch das kein Hinderungsgrund für IFG-Anfragen.

So einfach lassen wir uns nicht abwimmeln. Wir wehren uns vor Gericht und haben Klage gegen ZITiS eingereicht. Unsere Rechtsanwältin ist Anna Gilsbach von dka Rechtsanwälte. Mit diesem Team ziehen wir zunächst zum Verwaltungsgericht München.

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An das Verwaltungsgericht München Bayerstraße 30 80335 München Bitte wählen Sie direkt Vorab per Fax 089 5143-777 Tel.-Nr. (030) 44 67 92 35 Sekretariat Frau Plätke Berlin, den 17.05.2021 / AGI Unser Zeichen 774/2021-AGI Bitte stets angeben! Klage des Herrn Andre Meister, c/o netzpolitik.org, Schönhauser Allee 6-7, 10119 Berlin, - Kläger - Prozessbevollmächtigte: dka Rechtsanwälte Fachanwälte, Marion Burghardt, Christian Fraatz, Dieter Hummel, Mechtild Kuby, Nils Kummert, Sebastian Baunack, Dr. Lukas Middel, Damiano Valgolio, Daniel Weidmann, Dr. Raphaël Callsen, Dr. Laura Krüger, Sandra Kunze, Dr. Silvia Velikova, Wolfgang Kaleck, Sönke Hilbrans, Sebastian Scharmer, Dr. Kersten Woweries, Dr. Peer Stolle, Henriette Scharnhorst, Gesa Asmus, Norbert Schuster, Anne Weidner, Wolfgang Daniels, Anna Gilsbach, Benedikt Rüdesheim, Immanuelkirchstraße 3 - 4, 10405 Berlin, gegen die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, Zamdorfer Straße 88, 81677 München, - Beklagte - wegen Anfrage nach dem IFG.
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2 Namens und in Vollmacht des Klägers erheben wir unter Ankündigung der folgenden Anträge Klage: 1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 05.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids           vom    14.04.2021   –  zugestellt  am     16.04.2021   – verpflichtet, dem Kläger das von ihm am 14.12.2020 angefragte Rechtsgutachten zur Aufgabenerfüllung der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich zugänglich zu machen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Begründung Der Kläger begehrt von der Beklagten den Zugang zu amtlichen Informationen. I. 1. Der beruflich als Journalist tätige Kläger schrieb die Beklagte am 14.12.2020 über das Internetportal fragdenstaat.de per E-Mail an und bat um Übersendung des Rechtsgutachtens zur Aufgabenerfüllung der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) (E-Mail vom 14.12.2020 – Anlage 1). In dieser Anfrage nahm der Kläger Bezug auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu den von den obersten Bundesbehörden und deren nachgeordneten Behörden seit dem 01.06.2018 in Auftrag gegebenen Studien und Gutachten. In der Antwort ist für das Jahr 2018 die Erstellung eines Rechtsgutachtens zur Aufgabenerfüllung der ZITiS vermerkt, dass nicht veröffentlicht worden ist (s. S. 40 der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/24344 – Anlage 2). 2. Mit Bescheid vom 05.01.2021 wurde der Antrag des Klägers abgelehnt. Die Beklagte bestätigte zwar, dass es sich bei dem angefragten Rechtsgutachten um eine amtliche Informationen im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes handele. Jedoch bestehe ein Anspruch auf Informationszugang gemäß § 3 Nr. 8 IFG nicht gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes,
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3 soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wahrnähmen. Dabei gelte diese Privilegierung auch für solche Behörden, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung in einer besonders engen Beziehung zu Nachrichtendiensten stünden. Die Beklagte habe die Aufgabe, Behörden des Bundes mit Sicherheitsaufgaben, zu welchen der Nachrichtendienst des Bundesamts für Verfassungsschutz zähle, im Hinblick auf informationstechnische Fähigkeiten zu unterstützen und zu beraten. Dazu entwickele und erforsche die Beklagte Methoden und Werkzeuge. Damit stehe sie gerade in einer solch engen Beziehung zu Nachrichtendiensten. Das angefragte Rechtsgutachten analysiere die Aufgabenstellung der Beklagten in Bezug auf ihre Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten. Es bestehe daher hinsichtlich dieses Rechtsgutachtens gemäß § 3 Nr. 8 IFG kein Anspruch auf Informationszugang (Bescheid vom 05.01.2021 – Anlage 3). 3. Der Kläger erhob gegen die Ablehnung seines Antrages Widerspruch. Er wies darauf hin, dass die Beklagte keine Sicherheitsbehörde im Sinne des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes sei. Sie schreibe selbst auf ihrer Webseite, dass sie weder eine polizeiliche, noch eine nachrichtendienstliche Stelle sei. Eine bloße Zusammenarbeit mit Geheimdiensten sei jedoch kein hinreichender Grund für eine Ausnahme gemäß § 3 Nr. 8 IFG i.V.m. § 10 Nr. 3 SÜG. Auch habe die Bundesregierung nicht festgestellt, dass die Beklagte Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wahrnehme, wie es § 10 Nr. 3 i.V.m. § 34 SÜG vorsehe. Der Ministerialerlass über die Errichtung der Beklagten definiere als ihre Aufgabe „Behörden des Bundes mit Sicherheitsaufgaben im Hinblick auf informationstechnische Fähigkeiten zu unterstützen und zu beraten.“ Die Bundesregierung definiere damit also gerade nicht, dass die Beklagte selbst Sicherheitsaufgaben wahrnehme, erst recht nicht mit einer formalen Feststellung nach § 34 SÜG. Selbst wenn die Beklagte sich aber auf § 3 Nr. 8 IFG i.V.m. § 10 Nr. 3 SÜG berufen könnte, könne dies nicht pauschal für sämtliche angefragten Informationen herangezogen werden, sondern müsse jeweils auch auf die konkret angefragte amtliche Information zutreffen. Das angefragte Rechtsgutachten beziehe sich gerade nicht auf die Aufgaben nach dem SÜG, sondern auf die gesetzliche Grundlage der ZITiS und damit auch auf deren Aufsicht und Kontrolle (Widerspruch vom 19.01.2021 – Anlage 4).
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4 Mit E-Mail vom 04.02.2021 ergänzte der Kläger, dass er einer weiteren Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage entnommen habe, dass eine Erweiterung des von ihm angefragten Rechtsgutachtens ergeben solle, dass „die Möglichkeit bestünde, ZITiS in die Liste der Behörden gemäß § 1 SÜFV aufzunehmen“. Er wies darauf hin, dass dies, wenn es denn so wäre, ebenfalls keine generelle Ausnahme nach § 3 Nr. 8 IFG i.V.m. § 10 Nr. 3 SÜG begründen würde (E-Mail vom 04.02.2021 – Anlage 5). 4. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2021 – dem Kläger zugestellt am 16.04.2021 – wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Dem Kläger wurden die Kosten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von 30,00 EUR auferlegt. In der Begründung für die ablehnende Entscheidung führt die Beklagte zunächst erneut aus, dass es sich bei dem angefragten Rechtsgutachten um eine amtliche Information im Sinne des IFG handele. Sie verweist sodann jedoch erneut auf den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 8 IFG und führt unter Verweis auf den Bescheid vom 05.01.2021 aus, dass die Ausnahme zwar nicht vollumfänglich für ZITiS gelte, aber für die Bereiche, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung in besonders enger Beziehung zu Nachrichtendiensten stünden, also die Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten beträfen. § 3 Nr. 8 IFG sei funktional auszulegen, entscheidend für den Schutzbereich der Norm sei die Wahrnehmung von Sicherheits- und nachrichtendienstlichen Angelegenheiten. Dieser Ausnahmetatbestand müsse deshalb ebenfalls für   die Dokumente zur        Anwendung kommen,       die die entsprechenden Angelegenheiten beträfen. Andernfalls könnten gemäß § 3 Nr. 8 IFG ausgenommene Informationen über den „Umweg“ einer Anfrage bei der Beklagten erlangt werden. Ein solch funktionales Verständnis der Norm ergebe sich aus dem Wortlaut des Tatbestandes der zweiten Alternative durch das Wort „soweit“. Das vom Kläger angefragte Rechtsgutachten zur Aufgabenerfüllung der ZITiS betreffe gerade diesen Bereich, als es die Zusammenarbeit von ZITiS mit Nachrichtendiensten analysiere. Die Beklagte wies ferner darauf hin, dass ZITiS derzeit nicht als Behörde in § 1 SÜFV aufgenommen sei. Als weiteren Ablehnungsgrund nannte die Beklagte im Widerspruchsbescheid nunmehr auch § 3 Nr. 4 IFG, was sie damit begründete, dass das angefragte Gutachten einer Verschlusssacheneinstufung unterliege (Widerspruchsbescheid vom 14.04.2021 – Anlage 6).
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5 II. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Es wird zunächst Einsicht in den Verwaltungsvorgang beantragt und um Übersendung der Akte an unser Büro gebeten. Anschließend wird die Klage begründet werden. Eine Abschrift anbei. Anna Gilsbach, LL.M. Rechtsanwältin
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