Profitmaximierung auf dem Rücken von Gefangenen
Die Stadt Hamburg will Verträge zwischen einem Gefängnis und dem marktführenden Unternehmen der Gefangenentelefonie geheim halten. Sie würden darüber Aufschluss geben, zu welchen Preisen Gefangene sich den Kontakt zur Außenwelt erkaufen müssen. Weil sich die Stadt schützend vor das Unternehmen stellt, ziehen wir vor Gericht.

Das Geschäft mit Gefangenen in Deutschland ist lukrativ. Das beginnt mit der Kommunikation: Wer aus einem Gefängnis heraus telefonieren will, ist vermutlich auf das Hamburger Unternehmen Telio angewiesen, das Telefon-Infrastruktur in Gefägnissen betreibt und in Deutschland de facto Monopolist in diesem Bereich ist.
Auch in den Gefängnissen der Stadt Hamburg organisiert Telio die Bereitstellung und Installation der Telefonanlagen. Für den Staat ist das bequem: Teilweise müssen die Justizvollzugsanstalten dafür keine Kosten tragen – die tragen dafür am Schluss die Gefangenen über die Kosten ihrer Telefonate. Das Unternehmen konnte seinen Umsatz in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifachen.
Der Unmut der Gefangenen über überhöhte Kosten für das Telefonieren schlug erstmals 2013 in eine Klage um: Ein Gefangener wehrte sich damals gegen seine Telefonrechnung von Telio in Höhe von über 12.000 Euro. Dieser Praxis erteilte das Landgerichts Stendal sodann eine Absage, indem es die Justizvollzugsanstalt Burg verpflichtete, die Telefongebühren auf ein “marktgerechtes” Niveau zu senken. Ein eingeholtes Sachverständigengutachten stellte nämlich fest, dass Gefangene bei Telio etwa 272 Prozent mehr bezahlen würden als bei dem günstigsten Anbieter auf dem Markt der Gefängnistelefonie. Auch das Bundesverfassungsgericht bestätigte, dass eine solche Gebührenhöhe die Gefangenen in ihren Grundrechten verletze.
Wenn die unsichtbare Hand das Monopol beschützt
Ob die Bundesländer als Reaktion auf die Gerichtsentscheidungen wirklich angemessen die Telefongebühren in den Gefängnissen gesenkt haben, ist fraglich. So verweigert beispielsweise die Stadt Hamburg die Herausgabe der Verträge, die die JVA Hahnöfersand mit Telio ausgehandelt hat. Die Stadt argumentiert, dass es sich bei den Preisen für die Telefongespräche um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens handele und deren Bekanntwerden die Wettbewerbsposition von Telio schmälern könnte. Dieses Geheimhaltungsinteresse von Telio sei höher zu werten als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.
Das sehen wir anders. Neben dem Empfangen von Besucher*innen sind Telefongespräche für Gefangene im Vollzugsalltag existentiell, vor allem wenn Besuche aufgrund des Coronavirus beschränkt bzw. gänzlich eingestellt werden. Dabei gehört die Pflege sozialer Kontakte, insbesondere über Telefongespräche, zur Resozialisierung von Häftlingen und unterstützt diese bei der Bewältigung psychischer Krisensituationen.
Sowohl die Wiedereingliederung in die Gesellschaft als auch das Entgegenwirken der schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges sind gesetzlich festgeschriebene Grundsätze der Ausgestaltung des Strafvollzuges. Auf das Geschäft mit Telio sind Gefangene wegen des gleichsam bestehenden Benutzungszwangs der Telefonanlagen in den JVAs angewiesen. Daher haben wir gemeinsam mit der Künstlerin Belia Brückner gegen die Stadt Hamburg Klage erhoben, um den Vertrag mit Telio zu erhalten.
Kl lexICT..... Theresia Rasche Rechtsanwältin lexICT legal per beA Korte Rasche Heermann An das Rechtsanwält:innen PartG mbB Fritz-Reuter-Straße 30 Verwaltungsgericht Hamburg 30916 Isernhagen Lübeckertordamm 4 20099 Hamburg Fax: 0511/165 80 40 99 rasche@lexict.legal www.lexict.legal Schriftverkehr bitte über 5 16.08.2021 Az: 803-2021 Klage Prozessbevollmächtigte: Theresia Rasche, lexICT legal, Fritz-Reuter-Straße 30, 30916 Isernhagen gegen Freie und Hansestadt Hamburg, Postfach 302822, 20310 Hamburg Beklagte wegen: Auskunft nach dem Hamburger Transparenzgesetz Namens und in Vollmacht der Klägerin erhebe ich unter Ankündigung folgender Anträge Klage: Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 07.08.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.12.2020 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 17.05.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2021 verpflichtet, der Klägerin die von ihr mit Schreiben vom 02.08.2020 und 01.05.2021 angefragten Verträge (Ursprungsvertrag sowie sämtliche Nachträge zum Vertrag) mit dem Tele- kommunikationsdienstleistungsunternehmen Telio über die Gefangenentelefonie in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand ungeschwärzt zugänglich zu machen.

FE lexICT... Begründung l. Sachverhalt Mit E-Mail vom 02.08.2020 stellte die Klägerin bei der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz, einer obersten Landesbehörde der Beklagten, Antrag auf Herausgabe der Verträge zwischen der JVA Hahnöfersand und dem in dieser Anstalt verfügbaren Telekommunikationsunternehmen. [Anlage K1] Diesen Antrag hat die Behörde mit Bescheid vom 7.8.2020 abgelehnt und wies auf die im Vertrag enthaltene Geheimhaltungsklausel sowie auf 8 7 HmbTG hin. [Anlage K2] . Am 24.08.2021 beantragte die Klägerin die Vermittlung durch den Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Am 12.11.2021 erhielt die Klägerin eine Stellungnahme von dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. In der Stellungnahme wurden Zweifel geäußert, dass die Behörde zu Recht die Herausgabe der Verträge verweigert habe. Insbesondere nahm der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Bezug auf das Missbrauchspotenzial, das dem Monopol des Telekommunikationsdienstleisters innewohne. Er stellte klar, dass sich die gesetzliche Informationspflicht nicht durch vertragliche Abreden aufheben oder einschränken lasse und beanstandete, dass die Behörde nicht begründet habe, inwiefern ein (vermeintliches) Geschäftsgeheimnis Auswirkungen auf den Wettbewerb haben könne. [Anlage K3] . Am 23.11.2020 legte die Klägerin Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ein. Sie wies, wie auch schon der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, auf das Missbrauchspotenzial des Telekommunikations- unternehmens hin sowie darauf, dass Verträge aus anderen JVAs bereits öffentlich einsehbar seien. Zudem beanstandete sie, dass bloß auf die Geschäftsgeheimnisse Bezug genommen werde und eine Abwägung mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit fehle. [Anlage K4] Daraufhin erließ die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz am 23.12.2020 einen Widerspruchsbescheid. Dem Widerspruchsbescheid waren vier Nachträge zu Verträgen zwischen der Behörde und dem Telekommunikationsunternehmen Telio hinzugefügt. Der Ursprungsvertrag wurde nicht herausgegeben und die herausgegebenen Nachträge sind zu einem großen Teil geschwärzt. Geschwärzt sind insbesondere die Tarife und die Freiminuten. Zur Begründung führte die Behörde zusätzlich an, dass es sich bei Gefangenentelefonie um einen sensiblen

RE lexICT..... Markt handele und sie die Gefahr des Missbrauchs nicht als überdurchschnittlich einschätze. Der Widerspruchsbescheid enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung. [Anlage K5] 6. Am 06.01.2021 bat die Klägerin erneut um Vermittlung beim Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Am 17.05.2021 teilte der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit der Klägerin mit, dass er in den geschwärzten Tarifen kein Geschäftsgeheimnis sehe und daher weiterhin Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung hat. [Anlage K6] 7. Am 01.05.2021 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Herausgabe des Ursprungsvertrages zwischen der JVA Hahnöfersand und dem Telekommunikations- unternehmen Telio. [Anlage K7] 8. Dieser ist mit Bescheid vom 17.05.2021 unter Verweis auf den Widerspruchs- bescheid vom 23.12.2020 abgelehnt worden. [Anlage K8] 9. Hiergegen legte die Klägerin am 08.06.2021 erneut Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2021 erneut abgelehnt wurde. [Anlage K9] Il. Rechtliche Würdigung Die Klage ist zulässig und begründet. Zur Zulässigkeit ist vorab insbesondere auszuführen, dass der Widerspruchsbescheid vom 23.12.2020 nicht über eine Rechtsbehelfsbelehrung verfügt und die in 8 58 Abs. 2 VwGO normierte Ausschlussfrist von einem Jahr ab Zustellung des Bescheides noch nicht verstrichen ist. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Es besteht ein Anspruch auf Zugänglichmachung der begehrten Informationen. Es wird zunächst Akteneinsicht in den Verwaltungsvorgang beantragt. Anschließend wird die Klage begründet werden. Theresia Rasche Rechtsanwältin
