Aserbaidschan-ConnectionWir verklagen Berliner Humboldt-Universität

Über 10 Jahre lang ließ sich sich die Berliner Humboldt-Universität einen dubiosen Stiftungslehrstuhl zur aserbaidschanischen Geschichte finanzieren – direkt von der aserbaidschanischen Botschaft. Den Stiftungsvertrag will die Uni aber nicht herausgeben, weil die Botschaft das nicht will. Deswegen haben wir Klage eingereicht.

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Gute Beziehungen: Bundeskanzlerin Merkel trifft den aserbaidschanischen Machthaber Aliyev –

Bundesregierung

Im Herbst 2021 war der Spuk endlich vorbei: Mehr als zehn Jahre lang finanzierte der aserbaidschanische Staat über seine deutsche Botschaft einen Lehrstuhl zur „Geschichte Aserbaidschan“ an der renommierten Berliner Humboldt-Universität (HU). Ende September beendete die umstrittene Inhaberin der Professur am Institut für Geschichtswissenschaften, Eva-Maria Auch, ihre Tätigkeit.

Damit gab die HU Berlin unter anderem auch der großen Kritik am Stiftungslehrstuhl nach, die auch aus der eigenen Uni kam. Der RefRat der Hochschule nannte ihn einen „Lobby-Lehrstuhl, der sich mit den nationalistischen Narrativen des autoritären Alijew-Regimes gemein macht“. Am Lehrstuhl hätten „dem Regime genehme Lehre und Forschung unter anderem zur Nationen- und Elitenbildung Aserbaidschans“ stattgefunden. Tatsächlich fiel Professorin Auch immer wieder mit ihrer Parteinahme für das aserbaidschanische Regime auf, wie Recherchen etwa von VICE zeigten.

Millionen Euro vom autoritären Regime

Sollte die HU hoffen, dass mit der Abwicklung des Lehrstuhls auch die Debatte um ihre Verbindungen zum autoritären Staat beendet sind, hat sie sich allerdings getäuscht. Den Vertrag zur Errichtung des Lehrstuhls, der der HU seit 2010 jährlich 100.000 bis 150.000 Euro einbrachte, will die Hochschule nämlich weiterhin nicht herausgeben. Man dürfe ihn zwar in den Räumen der Uni einsehen, die aserbaidschanische Botschaft habe allerdings widersprochen, das „diplomatische Schriftstück“ herauszugeben.

Daher haben wir mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte Klage gegen die HU beim Verwaltungsgericht eingelegt. Der Stiftungsvertrag ist freilich kein diplomatisches Schriftstück – und die HU natürlich keine diplomatische Vertretung – und Transparenz über Lehrvereinbarungen sollte eigentlich im Interesse einer demokratischen Hochschule sein.

Würde die HU die Rechtswissenschaftler*innen im eigenen Hause befragen, kämen die vermutlich zu einem ähnlichen Ergebnis. Stattdessen verschleiert die Universität aber weiter. Kommunikation des Lehrstuhls mit der aserbaidschanischen Botschaft wurde bereits gelöscht, wie uns die HU-Pressestelle mitteilte. Und was angeblich nicht mehr da ist, kann auch nicht mehr angefragt werden. Welche weiteren Leichen die HU im Keller hat, wird das Ergebnis unserer Klage zeigen.

zur Anfrage

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RAe Beiler Karl Platzbecker & Partner, Palmaille 96, 22767 Hamburg HAMBURG Per beA                                                                                                                       1 Harald Beiler Jan Clasen Verwaltungsgericht Berlin                                                                                                      2 Reinher Karl Kirchstraße 7                                                                                                            Arne Platzbecker 3 Steffen Sauter 10557 Berlin                                                                                                        4,5 Sebastian Sudrow BERLIN Jan Simon Heiko Wiese WISMAR Hendrik Prahl 5 Roland Kuhn SACHBEARBEITER Sebastian Sudrow Palmaille 96 Hamburg, 25.10.2021                                                                                                       22767 Hamburg Unser Zeichen: 22-21-0965 Tel: 040 1818 980-0 Fax: 040 1818 98099 E-Mail: sudrow@bkp-kanzlei.de Internet: www.bkpkanzlei.com KLAGE des Herrn Arne Semsrott, c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Singerstra- ße 109, 10179 Berlin - Kläger - Verfahrensbevollmächtigte:                                   Rechtsanwälte Beiler Karl Platzbecker & Partner, Palmaille 96, 22767 Hamburg gegen die Humboldt-Universität zu Berlin, vertreten durch die Präsidentin Frau Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst, Unter den Linden 6, 10099 Berlin - Beklagte - wegen Zugang zu Informationen gemäß Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG BE). Vorläufiger Gegenstandswert: 5.000,00 € Namens und in Vollmacht des Klägers erheben wir Klage mit dem folgenden Antrag: 1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 21.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2021, insoweit das Informationsrecht des Klägers auf eine bloße Aktenauskunft bzw. Bankverbindung: DKB | IBAN DE79 1203 0000 1005 0836 11 | SWIFT BIC: BYLADEM1001 Partnerschaftsgesellschaft | AG Hamburg | PR 596 Standorte: Palmaille 96, 22767 Hamburg | Großbeerenstraße 56F, 10965 Berlin | Schweriner Straße 5, 23970 Wismar Fachanwalt für: 1 Arbeitsrecht 2 Urheber- und Medienrecht 3 für gewerblichen Rechtsschutz 4 IT-Recht 5 angestellter Rechtsanwalt
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-2- Akteneinsicht vor Ort bei der Beklagten beschränkt gewährt worden ist, verpflichtet, dem Kläger durch Zurverfügungstellung von Ablichtungen bzw. Ausdrucken Einsicht in die Kooperationsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Staat Aserbaidschan im Hinblick auf die Stiftungsgastprofessur „Geschichte Aserbaidschans“ zu verschaffen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Eine entsprechende Prozessvollmacht reichen wir als Anlage zur Akte. Begründung: Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Informationszugang nach dem Ber- liner Informationsfreiheitsgesetz (IFG BE) geltend. Namentlich geht es ihm um die Einsicht in die Kooperationsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Staat Aserbaidschan im Hin- blick auf die Stiftungsgastprofessur „Geschichte Aserbaidschans“ durch Zurverfügungstellung von Ablichtungen bzw. Ausdrucken dieses Vertrages. A. Sachverhalt Der Kläger ist als freier Journalist und als Projektleiter der von der Open Knowledge Foundati- on Deutschland e.V. betriebenen Plattform fragdenstaat.de tätig. Im Rahmen dieser Aktivitä- ten setzt sich der Kläger für Transparenz bei öffentlichen Stellen ein, um eine öffentliche De- batte und Kontrolle staatlicher Stellen zu ermöglichen und zu fördern. 1. Hintergrund des Rechtsstreits Gegenstand des hiesigen Gerichtsverfahrens sind Unterlagen im Zusammenhang mit der Ein- richtung und Unterhaltung eines Lehrstuhls „Geschichte Aserbaidschans“ an der Universität der Beklagten. Dieser steht seit seiner Einrichtung im Jahr 2010 in der Kritik. Die Stiftungspro- fessur wird größtenteils vom aserbaidschanischen Staat finanziert. Dem autoritären Regime des Präsidenten Ilham Alijew wird u.a. die Unterdrückung von Minderheiten im Land, eine fehlende Meinungs- und Pressefreiheit, sowie Korruption vorgeworfen. Im Hinblick auf die Stiftungsprofessur steht der Vorwurf im Raum, dass aufgrund der finanziellen und inhaltlichen Einflussnahme eine unabhängige Forschung und Lehre nicht möglich ist und die Stiftungspro- fessur stattdessen als PR-Aushängeschild und Karrierenetzwerk Aserbaidschans diene. Beweis:          Zeit-Artikel vom 13.02.2021 (Die Zeit Nr. 8/2014), Anlage K1 taz-Artikel vom 03.09.2021, Anlage K2 FAZ-Artikel vom 10.09.2021, Anlage K3 Als Studierendenvertretung der Beklagten spricht der RefRat der Humboldt-Universität in die- sem Zusammenhang von einem „Lobby Lehrstuhl“. Dies reiht sich ein in die Strategie der „Ka- viar-Diplomatie“ Aserbaidschans, in die auch mehrere Politikerinnen und Politiker der CDU/CSU verwickelt waren. Beweis:          Stellungnahme RefRat der HU vom 27.07.2021, Anlage K4 Wikipedia Aserbaidschan-Affäre, Anlage K5
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-3- Vor dem Hintergrund der Aserbaidschan-Affäre und der angekündigten Schließung des Stif- tungslehrstuhls zum Wintersemester 2021/22 ist es für den Kläger, als auch für die Öffentlich- keit von größtem Interesse, den Inhalt und den Regelungsgehalt der Kooperationsvereinba- rung zwischen der Beklagten und dem Staat Aserbaidschan zu erfahren. 2. Gang des Informationszugangsverfahrens Mit E-Mail vom 18.04.2021 wendete sich der Kläger an die Beklagte und bat ausdrücklich um Zusendung der Kooperationsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Staat Aserbaid- schan. Der Kläger wies die Beklagte darauf hin, dass personenbezogene Daten geschwärzt wer- den könnten. Beweis:        E-Mail des Klägers vom 18.04.2021, Anlage K6 Mit E-Mail vom 07.05.2021 teilte die Beklagte zunächst mit, dass dem Antrag grundsätzlich entsprochen werden könne. Aufgrund der abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung sei man aber verpflichtet, den Staat Aserbaidschan über das Ersuchen des Klägers zu informie- ren und etwaig vorgebrachte Einwendungen Aserbaidschans zu prüfen. Beweis:        E-Mail der Beklagten vom 07.05.2021, Anlage K7 Mit Bescheid vom 21.06.2021 lehnte die Beklagte den beantragten Informationszugang durch Übersendung von Ablichtungen der Unterlagen nun ab. Zur Begründung führt sie im Wesentli- chen aus, dass sie die Botschaft Aserbaidschans um Freigabe der angeforderten Unterlagen mit entsprechend geschwärzten Passagen der personenbezogenen Daten gebeten habe, von dieser aber die Zustimmung zu einer Versendung der Kooperationsvereinbarung an den Klä- ger verweigert worden sei. Bei den angefragten Unterlagen handele es sich um diplomatische Schriftstücke, die nur mit Einverständnis aller signierenden Parteien weitergegeben, verbreitet und/oder veröffentlicht werden dürften. Die Beklagte teilte mit, Aserbaidschan habe über seine Botschaft keine Einwände dagegen erhoben, dass die HU ohne Weitergabe der Unterlagen über die Inhalte der Vereinbarung einschließlich finanzieller Verpflichtungen Auskünfte aus den Akten erteilt. Beweis:        Bescheid der Beklagten vom 21.06.2021, Anlage K8 Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom selben Tag Widerspruch ein. Er trat der Be- gründung des ablehnenden Bescheids argumentativ entgegen. Es sei unzutreffend, dass es sich bei der streitgegenständlichen Vereinbarung zur Errichtung des Stiftungslehrstuhl um ein „diplomatisches Schriftstück“ handele, da die Beklagte keine diplomatische Mission darstelle. Zum anderen kenne das Berliner IFG keinen Ausnahmetatbestand für „diplomatische Schrift- stücke“. Es obliege allein der Beklagten, die Entscheidung über den Informationszugang zu treffen. Diese könne die Beklagte nicht an den autoritären Staat Aserbaidschan delegieren. Beweis:        Widerspruch vom 21.06.2021, Anlage K9 Mit E-Mail-Wechsel vom 03. und 16.08.2021 macht der Kläger deutlich, dass sein Antrag auf Zusendung der Aktenkopie abzielt. Beweis:        E-Mails der Parteien vom 03.-16.08.2021, Anlagenkonvolut K10
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-4- Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2021 (Az. VII 31 -III- 105/21) zurückgewiesen. In seiner Begründung wiederholte und vertiefte die Beklagte ihre Ausführun- gen aus dem Bescheid. Die Beklagte beruft sich im Wesentlichen auf einen Ausschlussgrund aus § 10 Abs. 3 Nr. 2 IFG. Danach bestehe das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, soweit durch das Bekanntwerden des Akteninhalts Angaben und Mitteilungen öffentli- cher Stellen, die nicht dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes unterfallen, ohne deren Zu- stimmung offenbart werden. Unter diesen Ausschlussgrund soll nach der Rechtsauffassung der Beklagten auch die Botschaft Aserbaidschans fallen. Die Zustimmungsverweigerung der Botschaft stelle für die Beklagte eine zu beachtende Grenze des Informationsfreiheitsrechts dar und bewirke eine Beschränkung auf eine bloße Aktenauskunft oder -einsicht in den Räu- men der Beklagten. Beweis:        Widerspruchsbescheid vom 23.09.2021, Anlage K11 Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 28.09.2021 – ausgerechnet am internatio- nalen Tag der Informationsfreiheit – zugestellt (https://de.wikipedia.org/wiki/Internationa ler_Tag_des_allgemeinen_Informationszugangs). Die weitere und vollständige Korrespondenz zwischen den Parteien ist unter https://fragdenstaat.de/anfrage/stiftungslehrstuhl-geschichte-aserbaidschans-am-institut-fur- geschichtswissenschaften-der-hu/ im Internet abrufbar. Da der Anspruch auf Informationszugang durch die Beklagte im Hinblick auf die vom Kläger ausdrücklich beantragte Durchführungsart bislang nicht erfüllt worden ist, war nunmehr die Einleitung des Klagverfahrens geboten. B. Rechtliche Würdigung Die Klage ist zulässig und begründet. I. Zulässigkeit Die Verpflichtungsklage ist insbesondere die statthafte Klageart. Die Statthaftigkeit richtet sich gem. § 88 VwGO nach dem Klägerbegehren. Der Kläger begehrt im Sinne von § 88 VwGO die Aufhebung des Widerspruchsbescheids und die Verpflichtung zum Erlass eines rechtmä- ßigen Bescheids auf Einsicht in die Kooperationsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Staat Aserbaidschan im Hinblick auf die Stiftungsgastprofessur „Geschichte Aserbaid- schans“ und zwar durch Zurverfügungstellung von Ablichtungen bzw. Ausdrucken. Die Ver- pflichtungsklage ist statthaft, da die zuständige Behörde über das „Ob“ des Informationszu- gangs in der beantragten Durchführungsart durch Verwaltungsakt entscheidet. Der Kläger ist zudem klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, da der Kläger einen Anspruch aus § 1 IFG BE auf Informationszugang geltend macht. Die Humboldt Universität ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. §§ 1 und 2 Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) richtige Beklagte, vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
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-5- II. Begründetheit Die Klage ist auch begründet, da der Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2021 rechtswidrig ist und der Kläger durch die Ablehnung des Informationszugangs in der beantragten Form in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Klä- ger steht mithin der geltend gemachte Anspruch auf Zurverfügungstellung von Ablichtungen bzw. Ausdrucken der Kooperationsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Staat Aserbaidschan zu. Es wird zunächst Akteneinsicht in die Akte des Verwaltungsvorgangs der Beklagten beantragt. Das Gericht wird gebeten, bei der Beklagten die Akten zu den streitgegenständlichen Verwaltungsvorgängen anzufordern und uns diese zur Einsichtnahme in unsere Kanzleiräume zu überlassen. Im Anschluss werden wir die Klage (weiter) begründen. Sebastian Sudrow Rechtsanwalt
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