Transparenz-Beauftragter zieht erstmals vor Gericht
In Hamburg kann der Beauftragte für Informationsfreiheit seit kurzem vor Gericht ziehen, wenn Behörden seinen Aufforderungen nicht nachkommen. Das geschieht jetzt erstmals.

Deutliche Worte im Tätigkeitsbericht: Der Hamburgische Beauftragte für Informationsfreiheit hat in seiner Bilanz der vergangenen zwei Jahre Teile der Transparenzpolitik in Hamburg kritisiert.
Zwar seien die gesetzlichen Grundlagen in Hamburg stark. In der Praxis werde dies allerdings „nicht durchgehend so gelebt wie vom Gesetzgeber vorgesehen.“ Es gebe immer wieder Behörden, die „auf Anfragen nicht mit der gebotenen Professionalität reagieren.“ Außerdem würden sich insbesondere die städtischen Unternehmen „offensiv den gesetzlichen Ansprüchen zu entziehen versuchen“.
Der Beauftragte hat daher zum ersten Mal in seiner Geschichte nicht nur Beanstandungen ausgesprochen – etwa im Fall der Uni Hamburg, die wir verklagt hatten – sondern hat gegen die Hamburger Flughafen GmbH Klage eingereicht. Das Hamburger Verwaltungsgericht muss nun klären, dass auch der Flughafen auskunftspflichtig ist.
Möglich ist dies, weil in Hamburg seit Änderung des Transparenzgesetzes im vergangenen Jahr der Beauftragte die Möglichkeit hat, Beanstandungen vor Gericht überprüfen zu lassen. Ein derart scharfes Schwert hat bundesweit kein anderer Transparenzbeauftragter. In diesem Jahr könnte eine weitere Klage folgen – wiederum gegen die Uni Hamburg.
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Tätigkeitsbericht Informationsfreiheit des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit 2020/2021

vorgelegt im Januar 2022 Thomas Fuchs (Redaktionsschluss: 30. November 2021)

I N H A LT S V E R Z E I C H N I S 1. VORWORT 6 GESETZGEBERISCHE ENTWICKLUNGEN 12 2. 1. Art. 56 HVerf: Transparenz als Verfassungswert 13 2. § 47 NDR-Staatsvertrag: Was lange währt … 16 AUFGABEN UND TÄTIGKEITEN DES 3. HAMBURGISCHEN BEAUFTRAGTEN FÜR DATENSCHUTZ UND INFORMATIONSFREIHEIT 22 1. Überblick 23 2. Anlassunabhängige Prüfungen und Beanstandungen 23 3. Zusammenarbeit mit anderen Informationsfreiheits- beauftragten 25 3.1. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten 25 3.2. Arbeitskreis Informationsfreiheit 26 3.3. Entschließungen des Konferenz der Informationfreiheitsbeauftragten 26 4. Der HmbBfDI als auskunftspflichtige Stelle 27 EINZELFÄLLE 30 4. 1. Wahlstände der AfD (Fortsetzung) 30 2. Beanstandung gegen die Flughafen Hamburg GmbH 33 3. Die Universität Hamburg und die Umweltinformationen 35 4. „Die üblichen Verdächtigen“ mit dem UKE in der Hauptrolle 39 5. Die Senatskanzlei im Fokus 40 5.1. Verlängerung der Bearbeitungsfrist 41 5.2. Erhebung von Gebühren 41 5.3. Schwärzungen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 42 5.4. Nicht vorhandene Dokumente 43

6. Vergaberecht schlägt Informationsfreiheit? 44 4. 6.1. Die BIS und die Vergabe der Glücksspielkonzession 45 6.2. Der LIG und die Angebotsunterlagen Diebsteich 47 7. Die HGV und ihre öffentliche Aufgabe 48 8. Zugang zu datenschutzrechtlichen Dokumenten für VIDEMO bei der Polizei Hamburg 51 9. Terminkalender des Ersten Bürgermeisters 53 10. Rechtsstreitigkeiten bei Auskunftsanträgen an den HmbBfDI 55 10.1. Anordnung an Facebook Ireland Ltd. 55 10.2. Warnung an die Senatskanzlei 57 10.3. Bußgeldbescheid H&M 58 11. Die BVM und die Verträge zum Nachtverkehr 60 12. Der LIG und die Grundstücksgeschäfte 62 RECHTSPRECHUNG 68 5. 1. Das UKE und die Veröffentlichung der Gehälter von Ge- schäftsführer:innen (VG HH, 17 K 3920/19 und OVG HH, 3 Bf 50/20.Z) 68 2. Auskunft über Drittmittelspenden von der Universität Hamburg (OVG HH, Urt. v. 25.11.2020 – 3 Bf 183/18) 71 3. Fortsetzung: Das Bezirksamt Altona und anwaltliche Schriftsätze (OVG HH, Urt. v. 20.9.2021 – 3 Bf 87/18) 75 4. Die Hochbahn und ihre öffentliche Aufgabe (VG HH, Urt. v. 20.1.2021 – 17 K 2383/19) 79 5. Das Thalia Theater und der Rechtsweg zum Verwaltungs- gericht (BVerwG, Beschl. v. 26.5.2020 – 10 B 1.20) 82 AUSBLICK 88 6. 1. Einbeziehung des Landesamts für Verfassungsschutz 88 2. Abwägungsklausel für die Forschungsfreiheit 89 3. Lobbyregister 89

ANHANG 94 1. Gesetzestexte 2. Entschließungen der Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten (IFK) 114

1. Vorwort Starke Rechtslage, schwache Praxis Eine im Wesentlichen gelungene Reform des Hamburgischen Trans- parenzgesetzes, die Aufnahme des Transparenzgebots in die Ham- burgische Landesverfassung und die Verpflichtung des NDR auf die Informationsfreiheit: In den vergangenen zwei Jahren hat die Trans- parenz in Hamburg erneut an Bedeutung gewonnen. Das Hambur- gische Transparenzgesetz zählt weiterhin zu den besten Regelungs- werken für die Informationsfreiheit in Deutschland und gilt nach wie vor als Vorbild für gesetzgeberische Mühen in anderen Bundes- ländern. Auch der Bund erwägt ausweislich des Koalitionsvertrags der Ampelkoalition die Schaffung eines Transparenzgesetzes mit entsprechenden Veröffentlichungspflichten, die sich in Hamburg be- währt haben. Und auch wenn noch unklar ist, wie sich die nun in Art. 56 HVerf ver- fassungsrechtlich verbriefte Pflicht der Verwaltung, Informationen zugänglich zu machen, auf die Rechtsanwendung auswirken wird, ist die Botschaft des Gesetzgebers doch eindeutig: Transparenz ist gekommen, um zu bleiben. Falls immer noch jemand hoffte, dass es sich bei dem Bemühen um staatliche Transparenz um eine Modeer- scheinung gehandelt hat, dürfte sich diese Hoffnung nun endgültig zerschlagen haben. Dieses eindeutige Bild der rechtlichen, politischen und demokra- tischen Lage wird aber in der Praxis nicht durchgehend so gelebt wie vom Gesetzgeber vorgesehen. Es gibt immer wieder Stellen, die – eventuell aufgrund (zu) seltener Berührung mit dem HmbTG – auf Anfragen nicht mit der gebotenen Professionalität reagieren. Dazu gesellen sich Stellen - insbesondere die städtischen Unternehmen -, die sich offensiv den gesetzlichen Ansprüchen zu entziehen versuch- en und die Anwendbarkeit der Gesetze auf sich in Gänze leugnen. Dies hat dazu geführt, dass der HmbBfDI – zum ersten Mal seit die Behörde 2009 die Aufgabe des Informationsfreiheitsbeauftragten übernommen hat – von formellen Befugnissen Gebrauch machen und Beanstandungen aussprechen musste. 6 Tätigkeitsbericht Informationsfreiheit 2020/2021 – HmbBfDI

Insgesamt ist eine Entkoppelung der Gesetzgebung von der be- hördlichen Praxis zu beobachten: Während die Rechtslage immer transparenzfreundlicher wird, bekommen Anfragende von einigen Stellen bisweilen sogar auf einfachste Anfragen keine Auskunft. Der Transparenz kommt in der Praxis damit leider nicht die Stellung zu, die der Gesetzgeber ihr zugedacht hat. Bei allem Verständnis … Es soll nicht bestritten werden, dass die Beantwortung der Informa- tionszugangsanträge für die Verwaltung ein mühsames und häufig undankbares Geschäft ist. Rechte Dritter sind zu wahren, Geschäfts- geheimnisse sind zu bewerten, Vorgänge müssen herausgesucht werden. In vielen Behörden trifft dies auf ungeschulte Sachbear- beiter:innen oder Referent:innen, die diese Aufgabe vielleicht zum ersten Mal und zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben erledigen. Nicht zuletzt weil Anfragen häufig darauf gerichtet sind, (vermeint- liches) Fehlverhalten aufzudecken, sind die Reaktionen oft zunächst abwehrend. Unzuständigkeit wird reklamiert, Anträge werden we- gen anderer, vermeintlich dringenderer Aufgaben erst noch etwas liegengelassen oder Ausnahmetatbestände unvertretbar weit aus- gelegt mit dem Argument, die Verwaltung könne doch nicht gläsern sein. Hier ist anzusetzen, um das Transparenzgesetz mit Leben zu füllen. Besonders groß ist die Gegenwehr in einigen Stellen der mittel- baren Staatsverwaltung und bei privatwirtschaftlich organisierten Beteiligungsunternehmen der Stadt. Hier ist es auch an den Senats- behörden, die die jeweilige Rechtsaufsicht innehaben, auf die sich weigernden Unternehmen oder Stellen der mittelbaren Verwaltung zuzugehen und eine Änderung der Praxis durchzusetzen. Dies geschieht leider nur selten. Es ist daher kein Zufall, dass sich die ersten transparenzrechtlichen Beanstandungen in der Geschichte des HmbBfDI gegen die Universi- tät Hamburg und die Flughafen Hamburg GmbH richten. Tätigkeitsbericht Informationsfreiheit 2020/2021 – HmbBfDI 7

Allen Schwierigkeiten, aller Arbeitslast und aller knappen Personal- decken auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Corona-Pande- mie zum Trotz: Die Verwaltung muss sich ihrer Aufgabe stellen, das Transparenzversprechen des Gesetzgebers in die Tat umzusetzen. Hierfür sind, wo dies noch nicht geschehen ist, geeignete interne Or- ganisationsstrukturen zu schaffen, Personalressourcen zu berück- sichtigen und Beschäftigte entsprechend zu schulen. 2022 feiert das Hamburgische Transparenzgesetz sein 10-jähriges Jubiläum. Der HmbBfDI wird das zum Anlass nehmen für eine Trans- parenzoffensive und auf die Behörden und öffentlichen Stellen zuge- hen, diese informieren und beraten, um sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Damit die Praxis so stark wird wie die Rechtslage! 8 Tätigkeitsbericht Informationsfreiheit 2020/2021 – HmbBfDI

Tätigkeitsbericht Informationsfreiheit 2020/2021 – HmbBfDI 9

