Deutsche Welle verweigert Herausgabe von brisanten Dokumenten – Wir klagen mit VICE

Warum wird ein steuerfinanzierter Auslandssender zum Kunstsammler? Welche Rolle spielte Intendant Peter Limbourg dabei? Und auf welchem Weg kam dazu ein Beratervertrag zustande? Weil die Deutsche Welle bei der Aufklärung nicht hilft, klären wir diese Fragen vor Gericht.

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DW-Intendant Peter Limbourg kennt sich inzwischen mit Kritik aus –

Vor wenigen Monaten erschütterte die Deutsche Welle ein Antisemitismus-Skandal, der von verschiedenen Medien aufgedeckt wurde, unter anderem auch von VICE. Der Intendant des steuerfinanzierten Auslandssenders, Peter Limbourg, setzte daraufhin eine Kommission ein, die die Vorwürfe untersuchte. Nach der Untersuchung zog die Deutsche Welle personelle Konsequenzen und überarbeitete ihre redaktionellen Standards.

Bei den Recherchen erhielt VICE zudem Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit einer wertvollen Kunstsammlung der Deutschen Welle. Insbesondere geht es um die Frage, ob Intendant Peter Limbourg eine Kunstwissenschaftlerin mit einem hoch dotierten Beratervertrag ausgestattet hat – ohne ein gesetzlich vorgeschriebenes Vergabeverfahren. Öffentliche Aufträge müssen laut Gesetz nach einem streng geregelten Prozedere vergeben werden. Die Deutsche Welle ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und muss sich an diese Regeln halten.

Warum wird ein steuerfinanzierter Auslandssender zum Kunstsammler?

Außerdem ist sie laut Informationsfreiheitsgesetz (IFG) dazu verpflichtet, Zugang zu internen Informationen zu gewähren. Doch wenn es um Informationen rund um die Kunstsammlung geht, mauert die Deutsche Welle. Eine Anfrage, die sich auf das IFG berief, wollte die Deutsche Welle in den letzten Monaten nicht beantworten, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet ist. Eine zusätzliche, detaillierte Presseanfrage über Hintergründe der Kunstsammlung ließ die Deutsche Welle zunächst unbeantwortet (siehe Update unten).

Wie kam es dazu, dass der steuerfinanzierte Auslandssender teure Kunst anschafft? Welche Rolle spielte Intendant Peter Limbourg dabei? Und auf welchem Weg kam der Beratervertrag zustande, über den sich die Deutsche Welle ausschweigt? Diese Fragen wollen wir klären.

Deshalb reicht FragDenStaat zusammen mit VICE Klage gegen die Deutsche Welle ein. Vor Gericht wollen wir erreichen, dass DW-Intendant Peter Limbourg alle Dokumente herausgibt, die Licht ins Dunkel der Kunstsammlung bringen. Die Klage veröffentlichen wir hier vollständig. 

Nicht das erste Mal, dass die Deutsche Welle Transparenz verweigert

Arne Semsrott, Projektleiter von FragDenStaat erklärt zu den Hintergründen der Klage: „Die Deutsche Welle muss als staatliche Einrichtung Auskunft zu ihren Verwaltungstätigkeiten geben. Dass sie sich hier – nicht zum ersten Mal – weigert, für Transparenz zu sorgen, wirft ein schlechtes Licht auf den Sender. Wer Steuergelder verwendet, muss darüber auch Rechenschaft ablegen.”

FragDenStaat und VICE werden regelmäßig über den Fortgang der Klage berichten.

*Update vom 11.05.2022, 12:35 Uhr:

Nach Ablauf der Frist erreicht uns eine Antwort der DW-Pressestelle zu unserer Presseanfrage. Der Beratervertrag liege in seinem finanziellen Volumen unterhalb des EU-Schwellenwertes, die Vergabeverordnung sei deshalb nicht anzuwenden gewesen, somit habe kein Gesetzesverstoß vorgelegen. Die DW habe sowohl Verwaltungsrat, Rundfunkrat und die damalige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien über das Vorhaben informiert. Die Initiative, im „kleinen Rahmen eine zielgerichtete Sammlungstätigkeit aufzunehmen”, sei vom Intendanten ausgegangen. Der Intendant habe vor Einleitung der förmlichen Preisanfrage durch die zuständige Fachabteilung auf „Frau Dr. S. als eine für die anstehende Aufgabe qualifizierte Expertin aufmerksam gemacht.” Man habe sie neben anderen Unternehmen in die förmliche Preisanfrage einbezogen. Der Intendant sei „dabei gegenüber allen intern Beteiligten stets transparent mit der Tatsache umgegangen”, dass „er und Frau Dr. S. bekannt” seien.

zur Klage

zum Bericht bei VICE

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Theresia Rasche Rechtsanwältin lexICT legal Korte Rasche Heermann Rechtsanwält:innen PartG mbB Fritz-Reuter-Straße 30 lexICT legal – Fritz-Reuter-Str. 30 – 30916 Isernhagen                              30916 Isernhagen per beA Tel: 0511/165 80 40 90 An das                                                                          Tel: 0151/507 984 94 Verwaltungsgericht Köln                                                       Fax: 0511/165 80 40 99 rasche@lexict.legal Appellhofplatz                                                                       www.lexict.legal 50667 Köln Schriftverkehr bitte über Zweigstelle: Gartenstraße 2 49377 Vechta 11.05.2022 Az:401-2021 Klage des Aiko Kempen, c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Singerstraße 109, 10179 Berlin, - Kläger - Prozessbevollmächtigte: Theresia Rasche, lexICT legal, Fritz-Reuter-Straße 30, 30916 Isernhagen gegen Deutsche Welle, Kurt-Schumacher-Str. 3, 53113 Bonn, vertreten durch den Intendanten Peter Limbourg - Beklagte - wegen: Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz Streitwert: 5000,- Euro Namens und in Vollmacht des Klägers wird beantragt: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 03.02.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2022 verpflichtet, dem Kläger sämtliche Kreditinstitut: GLS Gemeinschaftsbank eG IBAN: DE04 4306 0967 1247 7682 00 | BIC: GENODEM1GLS PR 201360 (AG Hannover) | USt-IdNr.: DE345506665
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Unterlagen (u.a. Dokumente, Notizen, Verträge, interne und externe Korrespondenz inkl. Emailverkehr) im Zusammenhang mit der Planung und Realisierung der „Neuen Kunstsammlung der DW“ entsprechend seines Antrags vom 04.01.2022 zugänglich zu machen. Begründung Der Kläger macht einen Anspruch auf Informationszugang gegen die Beklagte geltend. I. Sachverhalt Der Kläger ist Journalist. Seit Februar 2022 ist er bei der von der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. betriebenen Transparenz- und Investigativ-Plattform FragDenStaat tätig. Gemeinsam mit den Journalist:innen Vera Deleja-Hotko und Arne Semsrott recherchiert er u.a. mittels Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu gesellschaftlich relevanten Themen. Die Recherchen werden gemeinsam mit Medien wie dem ZDF, Spiegel, Zeit, VICE und anderen veröffentlicht. Die Beklagte ist eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts des Bundes. Sie unterhält eine Kunstsammlung, die vor allem Kunstobjekte aus dem afrikanischen Raum umfasst. Hierüber berichtet sie auf ihrer Website mit Datum vom 14.04.2018 (Anlage K1). Im Rahmen einer Recherche, die der Kläger in Kooperation mit dem Magazin VICE zu der von der Beklagten betriebenen Kunstsammlung durchführt, beantragte er am 04.01.2022 die Zusendung sämtlicher Unterlagen gemäß dem Klageantrag (Anlage K2). Die erste Antwort erhielt der Kläger am 13. Januar 2022, mit der die Beklagte pauschal auf einen inhaltlichen Bezug der Kunstsammlung zum Programm der Beklagten verwies, welcher Auskunftsansprüche nach dem IFG “explizit” ausschließe (Anlage K3). Am 03.02.2022 teilte das Justiziariat der Beklagten darüber hinaus mit, dass das IFG nicht auf die Beklagte anwendbar sei. Man wende das IFG gleichwohl “entsprechend” an, jedoch sei über die im Gesetz genannten Schutzgüter hinaus auch der gesamte Programmbereich aufgrund der Rundfunkfreiheit von einer Auskunft ausgenommen. Das Auskunftsbegehren des Klägers sei auf die Kunstsammlung der DW gerichtet. Diese Kunstgegenstände seien durch kontextbezogene Berichte, Projekte und Partnerschaften mit der Programmarbeit verzahnt und bildeten die Grundlage für die Entstehung des Programms. Somit bestehe ein inhaltlicher Zusammenhang der Kunstgegenstände mit der Programmgestaltung und Produktion. (Anlage K4). Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 07.02.2022 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass das IFG auf die Beklagte anwendbar sei und dass der behauptete inhaltliche Zusammenhang mit dem Programm der Beklagten nicht bestehe, da die Beklagte hier als Kunstsammlerin handele und nicht im Rahmen ihrer Programmgestaltung (Anlage K5). Im Widerspruchsbescheid vom 29.03.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie bei ihrer Auffassung bleibe. Den behaupteten inhaltlichen Zusammenhang zwischen Kunstsammlung und Programm konkretisiert sie nicht (Anlage K6). 2
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II. Rechtliche Würdigung Die als Verpflichtungsklage statthafte Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klage fristgemäß erhoben. Der Widerspruchsbescheid vom 29.03.2022 verfügte nicht über eine Rechtsbehelfsbelehrung und die in § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO normierte Ausschlussfrist von einem Jahr ab Bekanntgabe des Bescheides ist noch nicht verstrichen. Die Klage ist auch begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Es besteht ein Anspruch auf Zugänglichmachung der begehrten Informationen. Insbesondere ist das IFG auf die Beklagte anwendbar und die Ablehnung kann nicht durch einen vermeintlichen Programmzusammenhang gerechtfertigt werden. Im Einzelnen: Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zugänglichmachung der begehrten Informationen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Hiernach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. a) Anwendbarkeit des IFG auf die Beklagte Das IFG ist auf die Beklagte anwendbar. Ziel des IFG ist es, Verwaltungshandeln für Bürger:innen transparenter und nachvollziehbarer zu machen. Auch die selbstständigen Verwaltungsträger, derer sich der Bund zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Form der mittelbaren Staatsverwaltung bedient, unterfallen dem Begriff der Behörde und damit dem IFG. Ein solcher selbständiger Verwaltungsträger ist die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie ist damit grundsätzlich informationspflichtig nach dem IFG (ebenso Schoch, IFG, 2. Aufl 2016, § 1 Rn. 169, BeckOK InfoMedienR/Debus IFG § 1 Rn. 141a, Tätigkeitsbericht 2012/2013 der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit BT-Drucks. 18/1200, S. 97, auszugsweise beigefügt als Anlage K7). Die Aussage der Beklagten vom 03.02.2022, das IFG sei auf sie (grundsätzlich) nicht anwendbar, ist dementsprechend unzutreffend. b) Kein Programmbezug Die Beklagte ist im vorliegenden Fall auch nicht deswegen vom Anwendungsbereich des IFG ausgenommen, da sie sich mit Blick auf die angefragten Informationen auf ihre Rundfunkfreiheit berufen könnte. Aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Redaktionsgeheimnisses (Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG) ergibt sich, dass Informationen aus journalistisch-redaktioneller Tätigkeit nicht dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes unterliegen. Die Beklagte ist daher nur insoweit verpflichtet, einen Informationszugang zu gewähren, als sie außerhalb ihres Programmauftrags und der Wahrnehmung der Rundfunkfreiheit handelt (vgl. Tätigkeitsbericht der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, aaO). Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insofern, ob die betroffenen Tätigkeiten der Rundfunkanstalten zur inhaltlichen Gestaltung des Rundfunks beitragen. Geschützt sind alle Phasen der Entstehung und Vorbereitung des Programms bis zur Verbreitung der Nachricht und Meinung und damit alle Tätigkeiten und 3
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Verhaltensweisen, die zur Gewinnung und rundfunkspezifischen Verbreitung von Nachrichten und Meinungen im weitesten Sinne gehören. Die Rundfunkfreiheit gewährleistet den Schutz der redaktionellen Arbeit, etwa auch durch Zeugnisverweigerungsrechte, Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbote. Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten, ohne die der Rundfunk seine Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen kann, werden ebenfalls geschützt. In den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit fallen schließlich auch die Organisation und die Finanzierung des Rundfunkbetriebs, soweit sie Rückwirkungen auf die Programmtätigkeit haben können. Von einem Schutz, der undifferenziert die gesamte Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt umfasst, geht die Rechtsprechung nicht aus. Welche Tätigkeitsfelder im Einzelnen den spezifischen Programmbezug aufweisen, ist eine Frage, die nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise, sondern nur unter Würdigung auch der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 – 7 B 30/12 –, juris Rn. 15 ff.). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist ein Programmbezug vorliegend entgegen der pauschalen Hinweise der Beklagten im Vorverfahren unter Würdigung aller bekannten Umstände nicht erkennbar. Details oder auch nur Anhaltspunkte dazu, inwieweit die „Neue Kunstsammlung der DW“ Teil des Programmauftrages ist, hat die Beklagte weder im Ausgangs- noch im Widerspruchsbescheid dargelegt. Ein derartiger Programmbezug ist auch nicht ersichtlich. Die Kunstsammlung wird auf der Website der Beklagten lediglich ein einziges Mal 2018 erwähnt. Hierbei wird die Rolle der Beklagten als „Kunstsammler“ skizziert. Diese Rolle ist von der Rundfunkfreiheit nicht geschützt. Ein Programmzusammenhang wird des Weiteren im Nachhaltigkeitsbericht 2018 behauptet, aber auch hier nicht weiter begründet (auszugsweise beigefügt als Anlage K8). Im Folgebericht findet sich die Kunstsammlung nicht wieder. Dass die Kunstsammlung tatsächlich Eingang in das Programm der Beklagten gefunden hätte, behauptet auch die Beklagte nicht. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Kunstsammlung der Organisation bzw. Finanzierung des Rundfunktbetriebs zuzurechnen wäre und mit der Kunstsammlung in Zusammenhang stehende Tätigkeiten insofern Rückwirkungen auf die Programmtätigkeit hätten. Die Herausgabe der begehrten Informationen greift daher nicht in die Programmfreiheit der Beklagten ein. c)   Keine Ablehnungsgründe Es greifen auch keine Ablehnungsgründe gemäß §§ 3 ff. IFG. Die Beklagte hat hierzu weder etwas vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. III. Ergebnis Der Bescheid vom 03.02.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte ist antragsgemäß zu verpflichten, die begehrten Unterlagen zugänglich zu machen. Im Übrigen wird Akteneinsicht 4
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in den Verwaltungsvorgang beantragt. Der Kläger behält sich nach Gewährung der Akteneinsicht eine weitere Begründung vor. Theresia Rasche Rechtsanwältin 5
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