Wie Abgeordnete beim Wirtschaftsminister anklopfenDie Bundestagslobby

Neben Lobbyist:innen sprechen in Bundesministerien auch Bundestagsabgeordnete vor. Sie übernehmen die Interessenvertretung für zahlreiche Unternehmen, die ihnen nahestehen – verborgen vor der Öffentlichkeit.

-
Bekommt Lobby-Post von Parteifreunden: Wirtschaftsminister Robert Habeck –

CC0

„Sehr geehrter Herr Bundesminister Habeck, lieber Robert“ – Wenn deutsche Unternehmen Hilfe brauchen, ist der Weg zum Wirtschaftsministerium nicht weit. Ob Standortförderung oder Staatshilfen in Krisenzeiten, die Wirtschaft erwartet Hilfe von ihrem Ministerium.

Nicht immer aber sprechen Lobbyist:innen direkt beim Ministerium vor. Manche von Ihnen nehmen einen Umweg: Werben nämlich Bundestagsabgeordnete bei Bundesbehörden für Anliegen von Unternehmen, bleibt das in der Regel vor der Öffentlichkeit verborgen. 

Zwar müssen sich Lobbyist:innen seit Anfang des Jahres im Lobbyregister registrieren, wenn sie Kontakt zu Abgeordnetene oder direkt zu Ministeriumsspitzen aufnehmen. Kontakte mit der Lobby werden aber nicht transparent gemacht.

Gemeinsam mit abgeordnetenwatch.de veröffentlichen wir dutzende Briefe von Abgeordneten an Bundesministerien, die wir per Informationsfreiheitsgesetz erhalten haben. Aus den Dokumenten geht hervor: Vor allem Parteifreunde von Regierungsvertreter:innen scheinen Unternehmen einen direkten Draht herstellen zu können.

Schützenhilfe für Rheinmetall

Zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 beschwerte sich beispielsweise ein CDU-Bundestagsabgeordneter beim damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier: Der Waffenproduzent Rheinmetall habe noch keine Export-Genehmigung für ein Produkt erhalten.

Den Grund für die Verzögerung der Exportlizenz vermutete Altmaiers Parteifreund – der Name ist im Dokument geschwärzt – offenbar bei der SPD: „Ich möchte Dich daher bitten, diese angesprochenen Punkte noch einmal in den Blick zu nehmen und auch bei unserem Koalitionspartner anzusprechen. Nach meinem Eindruck liegt hier das Problem“, schreibt der Politiker.

Bereits im vergangenen Jahr berichtete der Tagesspiegel von Abgeordnetenbriefen an Ministerien, die wir inzwischen katalogisiert haben. Unsere Anfragen an alle Bundesministerien zeigen, dass nicht nur das Wirtschaftsministerium, sondern auch zahlreiche andere Ministerien Lobby-Briefe von Abgeordneten erhalten.

Lücke im Lobbyregister

Als indirekte Lobbyisten treten vor allem Abgeordnete auf, die in freundschaftlichem Verhältnis zu Minister:innen stehen. Und Werbung machen sie dabei vor allem für Unternehmen aus ihren Wahlkreisen. In der Praxis heißt das, dass das Wirtschaftsministerium unter grüner Führung inzwischen offenbar vor allem von ihnen nahestenden Bundestagsabgeordneten Briefe erhält. So wandte sich ein im März ein SPD-Abgeordneter im Namen eines Steinkohlekraftwerks an den Minister, um für längere Laufzeiten für das Kraftwerk zu werben.

Ausgerechnet ein Abgeordneter, der mit dem Grünen Minister Robert Habeck per Du ist, lobbyierte also auf Briefpapier des Bundestags für die Steinkohle.

In den kommenden Monaten werden Bundestagsabgeordnete im Rahmen der Energiedebatte voraussichtlich noch viele weitere Briefe an den sehr geehrten Wirtschaftsminister schreiben – oft versehen mit dem Zusatz „lieber Robert“.

Update, 12:16: Nach einem Hinweis haben wir klargestellt, dass der Brief zum Steinkohlewerk aus einem SPD-Büro kam.

zur Anfrage

zu den Dokumenten

Möchten Sie Informationen mit uns teilen?

Eine sichere Vorgehensweise hat für uns bei FragDenStaat Priorität. So können Sie mit uns in Kontakt treten.

Für eine informierte Zivilgesellschaft spenden

Unsere Recherchen, Klagen und Kampagnen sind essentiell, um unsere Politik und Verwaltung transparenter zu machen! So können wir unsere Demokratie stärken. Daraus schlagen wir kein Profit. Im Gegenteil: Als gemeinnütziges Projekt sind wir auf Spenden angewiesen.

Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit!

Jetzt spenden!

Abschiebezentrum am Flughafen BER Ein vorbestrafter Investor für Seehofers Vermächtnis

Bund und Brandenburg wollen „effizienter“ abschieben. Dafür werden ein überdimensioniertes Abschiebezentrum am BER gebaut, ein linker Finanzminister umgangen und ein vorbestrafter Investor eingespannt – das zeigt unsere Recherche mit dem ARD-Politikmagazin Kontraste und rbb24.