Klage gegen Bundespräsidenten geht vor das Oberverwaltungsgericht
Der Bundespräsident kann Menschen begnadigen, die Straftaten begangen haben. Öffentlicher Kontrolle unterliegt er dabei nicht, urteilte das Berliner Verwaltungsgericht nach unserer Klage. Wir ziehen in die nächste Instanz.

FDS
Ob Terrorismus oder Völkerstrafsachen, ob ausländische Agenten oder Beamte, die aus dem Beamtenverhältnis entfernt wurden: Der Bundespräsident kann in vielen Fällen Menschen begnadigen, die eigentlich rechtskräftig verurteilt wurden. Doch darüber, wen der Bundespräsident begnadigt, bekommt die Öffentlichkeit in der Regel nichts mit. Denn das Bundespräsidialamt hält nicht nur geheim, welche Gnadengesuche bei ihm eingehen, sondern auch, wie darüber entschieden wird. Es könnte also sein, dass zukünftige Bundespräsident:innen – welcher Partei auch immer sie angehören mögen – ohne öffentliche Kontrolle Personen vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, die etwa wegen rechtsterroristischen Straftaten einsitzen.
Wir wollten vom Bundespräsidenten genaue Informationen zu seiner Begnadigungspraxis bekommen. Deshalb sind wir vor Gericht gezogen. Nach unserer Klage hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden, dass die Geheimhaltung vorerst bestehen bleibt. Auch für die Presse gibt es demnach kein Recht, zu erfahren, welche Gnadengesuche und welche Entscheidungen des Bundespräsidenten es gibt. Damit ist das Verfahren aber noch nicht beendet. Wir haben gegen das Urteil jetzt Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht.
Steinmeiers persönliches Interesse
Mit unserer Klage berufen wir uns auf das Presserecht, das auf Artikel 5 des Grundgesetzes zurückgeht. Er ermöglicht allen Pressevertreter:innen, Informationen von Behörden anzufragen und einzuklagen.
Doch nach Argumentation des Verwaltungsgerichts muss weder der Bundespräsident, noch das Bundespräsidialamt Auskünfte erteilen, da es sich bei Begnadigungen nicht um eine Verwaltungs-, sondern um eine Verfassungstätigkeit ("Gestaltungsmacht besonderer Art") handele. Würde diese Ansicht auch vor höheren Gerichten bestehen bleiben, blieben Begnadigungen möglicherweise für immer geheim.
Dass dies auch nach persönlicher Ansicht von Frank-Walter Steinmeier so bleiben soll, ist offenkundig. Der Vertreter des Bundespräsidialamts sagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, Steinmeier habe ihn angewiesen, ihn noch am selben Tag der Verhandlung über das Ergebnis zu informieren.
Vordemokratisch
Das Begnadigungsrecht ist ein Überbleibsel aus vordemokratischen Zeiten, in denen Herrschende über den Entscheidungen der Justiz standen. Dass der Bundespräsident überhaupt Entscheidungen der Bundesgerichte faktisch außer Kraft setzen kann, hat in einem Rechtsstaat eigentlich nichts verloren – schon gar nicht außerhalb jeglicher Transparenz.
Lediglich in einigen früheren Fällen ist überhaupt genauer bekannt, wie Bundespräsidenten über einzelne Begnadigungen entschieden, etwa in den Fällen von gefangenen DDR-Spionen oder auch Ex-RAF-Terroristen. Außerdem kann der Bundespräsident sein Gnadenrecht an andere Behörden wie Ministerien abgeben, was darauf hindeutet, dass dies eine Verwaltungstätigkeit ist. Ähnlich sieht es in den meisten Bundesländern aus. Dort haben meist die Ministerpräsident:innen oder die Justizminister:innen das Begnadigungsrecht.
Auf dem Laufenden bleiben, wie die Klage ausgeht? Jetzt unseren Newsletter abonnieren!