Lobbyismus von Gerhard SchröderJetzt haben wir das Kanzleramt angezeigt

Das Bundeskanzleramt hat in zwei Gerichtsverfahren zum Altkanzlerbüro jeweils das Gegenteil behauptet. Deswegen haben wir Anzeige wegen Prozessbetrugs gestellt.

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eigene Bearbeitung

Für Gerichtsverfahren in der Informationsfreiheit ist es besonders wichtig, dass Behörden die Wahrheit sagen. Denn: Überprüfen lassen sich ihre Aussagen oft nicht. In einem aktuellen Fall allerdings hat sich das Bundeskanzleramt nach unserer Einschätzung über die Pflicht zur Wahrheit so offensichtlich hinweggesetzt, dass wir jetzt dagegen mit einer Strafanzeige vorgehen. Hintergrund ist eine Klage von uns, die wir im vergangenen Jahr verloren haben: Wir wollten damals Infos zu Gerhard Schröders Lobbytätigkeiten von seinem steuerfinanzierten Altkanzler-Büro haben.

Nach einem juristischen Hick-Hack entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dass unsere Fragen zum Terminkalender des Altkanzlers unbeantwortet bleiben. Im Zuge des Prozesses hatte das von uns verklagte Bundeskanzleramt argumentiert, es sei nicht für Schröders Büro zuständig. Das Altkanzlerbüro sei eine eigenständige Organisationseinheit und nicht in den Verwaltungsaufbau des Kanzleramts integriert. Das Kanzleramt habe daher kein Weisungsrecht gegenüber den Aufgaben von Schröders Büro – und habe dementsprechend dazu auch keine Auskunftspflicht. Demnach hätten wir das Büro des Ex-Kanzlers direkt anfragen sollen. Das Büro ist allerdings inzwischen nicht mehr besetzt und reagiert nicht auf Anfragen.

In anderem Verfahren erklärt Bundeskanzleramt das Gegenteil

Nun zeigte sich in einem anderen Verfahren, dass die Aussage des Kanzleramts offenbar nicht stimmt: Vor dem Berliner Verwaltungsgericht ging es im Mai um die Frage, ob Schröders Büro wieder Geld aus Haushaltsmitteln erhalten solle, um wieder arbeiten zu können. Hier argumentierte das Kanzleramt auf einmal, das Büro sei eine Organisationseinheit des Bundeskanzleramts und unterliege dessen Fach- und Dienstaufsicht. Deshalb sei das Büro nicht eigenständig und das Bundeskanzleramt sei zuständig.

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte eine Behördenvertreterin zudem, dass das Bundeskanzleramt alle im Büro des Altkanzlers angefallenen Unterlagen als „amtliche Unterlagen“ des Bundeskanzleramts verstehe. Mit anderen Worten räumt das Bundeskanzleramt ein, dass das Schröder Büro Teil des Bundeskanzleramts ist und dessen Unterlagen und Dokumente dem Bundeskanzleramts zuzuordnen sind.

2.000 Euro Kosten

In unserem Verfahren hatte das Bundeskanzleramt das genaue Gegenteil behauptet. Es sieht also so aus, als hätte es die Wahrheit verbogen, um sich der Transparenz verweigern zu können. Im neuen Verfahren passte den Beamt*innen die tatsächliche Faktenlage besser. Wir haben daher Strafanzeige wegen Prozessbetrugs gegen das Kanzleramt gestellt. Gleichzeitig haben wir das Verwaltungsgericht Berlin aufgefordert, seinen Beschluss in unserem Verfahren abzuändern.

Prozessbetrug ist eine Form des Betrugs nach § 263 StGB, wobei es aufgrund einer Täuschung in einem Gerichtsprozess zu einer sogenannten rechtswidrigen Vermögensverfügung und einem Schaden kommt. Aufgrund des nach unserer Auffassung falschen Vortrags durch das Bundeskanzleramt mussten wir die gesamten Kosten unseres Gerichtsverfahrens tragen: insgesamt rund 2.000 Euro für unsere Anwaltskosten, die Anwaltskosten des Bundeskanzleramts und die Gerichtskosten.

Die Berliner Staatsanwaltschaft muss jetzt ermitteln, ob aus ihrer Sicht ein Anfangsverdacht auf Prozessbetrug besteht und wer im Kanzleramt für die Falschaussage verantwortlich ist. Außerdem muss sich das Verwaltungsgericht erneut mit den Aussagen des Kanzleramts beschäftigen. Denn wir möchten weiterhin gerne wissen, welche Lobbytermine Gerhard Schröder durch sein steuerfinanziertes Büro organsiert hat.

zur Strafanzeige

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RAe Beiler Karl Platzbecker & Partner, Palmaille 96, 22767 Hamburg
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                                                                                                               Sebastian Sudrow
Per beA                                                                                                             Palmaille 96
                                                                                                                 22767 Hamburg
Staatsanwaltschaft Berlin                                                                        Telefon +49 (0)40 18 18 98 0 -0
Turmstraße 91                                                                                    Telefax +49 (0)40 18 18 98 099
                                                                                                   E-Mail sudrow@bkp-kanzlei.de
10559 Berlin
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                                                                                                                              HAMBURG
                                                                                                                        1
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                                                                                                                          Jan Clasen
                                                                                                                       2
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                                                                                                                   Arne Platzbecker
                                                                                                                    3
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                                                                                                                                BERLIN
                                                                                                                             Jan Simon
                                                                                                                            Heiko Wiese

Hamburg, 24. Mai 2023                                                                                                          WISMAR

Unser Zeichen: 22-23-0521                                                                                               Hendrik Prahl



Sehr geehrte Damen und Herren,

in obiger Angelegenheit zeigen wir an, dass wir die rechtlichen Interessen von Herrn Arne Sems-
rott, c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Singerstraße 109, 10179 Berlin vertre-
ten. Anwaltliche Bevollmächtigung wird ausdrücklich versichert und auf Verlangen jederzeit
nachgereicht. Namens und in Vollmacht unseres Mandanten erstatten wir

Strafanzeige gegen einen oder mehrere unbekannte Mitarbeiter:innen des Bundeskanz-
                                      leramts

Hinsichtlich des nachfolgenden Sachverhaltes stellen wir zudem namens und in Vollmacht un-
seres Mandanten
                                       Strafantrag

wegen aller in Betracht kommenden Delikte.

A. Sachverhalt

Der Strafanzeige liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

I.
Unser Mandant ist als freier Journalist und Projektleiter der von der Open Knowledge Founda-
tion Deutschland e.V. betriebenen Transparenz- und Investigativ-Plattform fragdenstaat.de tä-
tig. Im Rahmen dieser Aktivitäten setzt sich unser Mandant für Transparenz bei öffentlichen
Stellen ein, um eine öffentliche Debatte über gesellschaftspolitische Fragestellungen und die


                     Bankverbindung: DKB | IBAN DE79 1203 0000 1005 0836 11 | SWIFT BIC: BYLADEM1001
                                          Partnerschaftsgesellschaft | AG Hamburg | PR 596
           Standorte: Palmaille 96, 22767 Hamburg | Kantstraße 150, 10623 Berlin | Schweriner Straße 5, 23970 Wismar
               Fachanwalt für: 1 Arbeitsrecht | 2 Urheber- und Medienrecht | 3 gewerblichen Rechtsschutz | 4 IT-Recht
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              zivilgesellschaftliche Kontrolle staatlicher Stellen zu ermöglichen und zu fördern. Das von ihm
              verantwortete Portal hilft und unterstützt nicht nur Bürger:innen bei der Stellung von Anträgen
              auf Informationszugang nach den verschiedenen Informationsfreiheitsgesetzen. Bei dem Pro-
              jekt FragDenStaat sind neben dem Antragsteller auch weitere investigative Journalist:innen be-
              schäftigt, die als Recherchekollektiv mittels IFG- und Presseauskunftsersuchen eigene Recher-
              chen vornehmen und auf FragDenStaat veröffentlichen.

              II.
              Für den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde – ebenso wie für andere ehema-
              lige Bundeskanzler:innen – nach Ende seiner Amtszeit ein Büro eingerichtet. Die Büros der
              ehemaligen Bundeskanzler und der ehemaligen Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutsch-
              land dienen dazu, diesen die Wahrnehmung ihrer fortwirkenden Amtspflichten aus dem früheren
              Amt zu ermöglichen. Die Büros sollen die aus dem Amt ausgeschiedenen Bundeskanzler:innen
              fachlich und organisatorisch bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützen. Die Finanzie-
              rung erfolgt aus dem Bundeshaushalt. Die Büros sind faktisch Teil des Bundeskanzleramts,
              deren Mitarbeiter sind u.a. beim Bundeskanzleramt angestellt.

              Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder steht insbesondere seit Beginn des Ukrainekriegs wegen
              seiner Nähe zu Russland und der Wahrnehmung von Lobbytätigkeiten in der Kritik. Immer wie-
              der kam hierbei auch die Frage nach einer möglicherweise missbräuchlichen Nutzung des Bun-
              deskanzler a.D. Büros für Tätigkeiten auf, die in keinerlei Zusammenhang mit nachwirkenden
              Amtspflichten stehen.

              Aufgrund eines Beschlusses des Haushaltsausschusses vom 19. Mai 2022 wurde das Büro des
              ehemaligen Bundeskanzlers „ruhend gestellt“. (Pressemitteilung des Bundestages vom 19. Mai
              2022, abrufbar unter https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-896240). Das noch
              im Büro verbliebene Personal sollte laut Parlamentspressestelle die letzten Aufgaben noch ab-
              gewickelt haben, bevor es in anderweitiger Funktion ins Bundeskanzleramt zurückgekehrt ist.

              Gegen die Ruhendstellung des Büros und die Streichung der Stellen hat der ehemalige Bun-
              deskanzler Schröder vor dem VG Berlin Klage eingereicht (vgl. https://www.lto.de/recht/nach-
              richten/n/schroeder-bundeskanzler-bundestag-russland-krieg-verfassungsrecht/). Dieses Ver-
              fahren mit dem Az.: VG 2 K 270/22 hat der Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder inzwischen
              verloren.

              III.
              Unser Mandant wandte sich in seiner Rolle als Journalist nach Ausbruch des Ukraine-Krieges
              und vor der Ruhendstellung des Schröder-Büros per E-Mail am 1. März 2022 sowohl an die
              Pressestelle des Bundeskanzleramts als auch an das im Bundestag gelegene Büro des Bun-
              deskanzler a.D. Gerhard Schröder und bat im Rahmen seines presserechtlichen Auskunftsan-
              spruchs um Beantwortung der folgenden Fragen:

                 •   Welche Termine hat das Büro des Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder für Herrn
                     Schröder in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022 vereinbart? Bitte nennen Sie je-
                     weils das Datum des Termins sowie die Gesprächspartner.
                 •   Bei welchen der Termine ist das Thema des Termins bekannt?
                 •   Welche der Termine standen in einem Zusammenhang mit Energiepolitik oder den Un-
                     ternehmen Gazprom, Nord Stream 2 oder Rosneft?
24.05.23.7
BKP-KANZLEI
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              Am 7. März 2022 erinnerte unser Mandant an die Erledigung seiner Anfrage unter Fristsetzung
              bis zum 9. März 2022, 11.00 Uhr. (E-Mail des Antragstellers vom 07.03.2022).

              Das Bundeskanzleramt antwortete lediglich, dass zu Terminen des Bundeskanzlers a.D.
              Gerhard Schröder keine Informationen vorlägen. Unser Mandant habe sein Büro ja schon kon-
              taktiert. Man bitte, Nachfragen dorthin zu richten. Seitens des Büros des Bundeskanzlers a.D.
              Gerhard Schröder erfolgte keine Rückmeldung.

              IV.
              Unser Mandant beantragte daraufhin am 16. März 2022 vor dem VG Berlin (Az: VG 27 L 68/22)
              den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten
              durch das Bundeskanzleramt, hinsichtlich der Beantwortung der oben genannten Fragen. Unser
              Mandant legte dar, dass das Bundeskanzleramt auskunftspflichtig ist.

                     Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 16.03.2022, Anlage 1

              Das Bundeskanzleramt ließ anwaltlich durch die Kanzlei RAUE vortragen, dass das Büro des
              Bundeskanzlers a.D. nicht Teil des Bundeskanzleramts sei, so dass keine Auskunftspflicht des
              Bundeskanzleramts bestehe. So heißt es etwa im Schriftsatz der Kanzlei RAUE vom
              11.04.2022:

                „Das Büro des Bundeskanzlers a.D. als eine Organisationseinheit mit einem dafür zuge-
                wiesenem Personalkörper wird durch Hausanordnung des Chefs des Bundeskanzleram-
                tes eingerichtet, ist im Übrigen aber in seiner Binnenorganisation und Aufgabenerfüllung
                selbständig. Das Büro des Bundeskanzlers a.D. nimmt seine Aufgaben eigenverant-
                wortlich und in eigener Zuständigkeit wahr. Es tritt nach außen nicht als Teil des
                Bundeskanzleramtes auf, sondern handelt im eigenen Namen, nämlich unter der Be-
                zeichnung „Büro Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder“. Über die reine Personalver-
                waltung für das dort beschäftigte Personal hinaus (Genehmigung von Dienstreisen,
                Bearbeitung von Urlaubsanträgen, Krankheitsmeldungen u. Ä.) bestehen keine
                Weisungsrechte des Bundeskanzleramtes.“

                „Die Mittel für das Büro und das Personal werden im Bundeshaushalt zur Verfügung ge-
                stellt. Daraus folgt: Die Büros dürfen ausschließlich Aufgaben des Bundes erfüllen (§ 2
                BHO). Das Bundeskanzleramt hat keinen Einfluss auf die inhaltliche Tätigkeit und die
                Termine des Bundeskanzlers a.D. Die inhaltliche Arbeit der Büros liegt in der Verantwor-
                tung des Bundeskanzlers a.D. bzw. der Bundeskanzlerin a.D. Das Bundeskanzleramt
                übt lediglich eine Dienstaufsicht über das Personal aus. Eine Aufstellung über die
                zeitliche und inhaltliche Dokumentierung der Aufgabenerfüllung durch die Mitarbeiterin-
                nen und Mitarbeiter im Büro des Bundeskanzlers a.D. existiert deshalb im Bundeskanz-
                leramt aber nicht, es besteht auch keine Pflicht zu deren Dokumentierung. Vor diesem
                Hintergrund sind die Büros auch so organisiert, dass sie die Aufgaben eigenstän-
                dig und in eigener Verantwortung wahrnehmen können. Die Büros sind nicht in den
                Verwaltungsaufbau des Bundeskanzleramts integriert.“

                     Schriftsatz der Kanzlei RAUE vom 11.04.2022, Anlage 2
24.05.23.7
BKP-KANZLEI
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              Weiter heißt es im Schriftsatz der Kanzlei RAUE vom 06.05.2022:

                „Das Bundeskanzleramt kann und darf keine Auskünfte zu Vorgängen außerhalb
                seines Zuständigkeitsbereichs erteilen. Damit umgeht das Bundeskanzleramt keine
                rechtlichen Vorgaben, sondern wendet diese lediglich korrekt an.

                Wir haben im Rahmen der Antragserwiderung vom 11. April 2022 dargelegt, aus welchen
                Gründen das Büro des Bundeskanzlers a.D. mit Blick auf den funktionell-teleologischen
                Behördengriff im Presserecht eine auskunftspflichtige Stelle ist (…)

                Diese Sichtweise ist rechtlich zwingend, da das Büro des Bundeskanzlers a.D. eigen-
                verantwortlich und in organisatorischer Selbständigkeit Aufgaben des Bundes
                wahrnimmt. Es wäre folglich ein Kompetenzverstoß, würde das Bundeskanzleramt
                Auskünfte zu Vorgängen aus dem Büro des Bundeskanzlers a.D. erteilen. Auch dazu
                haben wir im Rahmen der Antragserwiderung vom 11. April 2022 bereits vorgetragen.

                Das Bundeskanzleramt reißt damit (entgegen S. 3) auch keine „neue Lücken“ im Presse-
                recht auf bzw. schafft kein „auskunftsrechtliches Niemandsland“. Eine Auskunftslücke gibt
                es schlicht nicht, da das Büro des Bundeskanzlers a.D. für Vorgänge in seinem Zustän-
                digkeitsbereich auskunftsverpflichtet ist. (…)

                Der Staat kann sich im Rahmen seiner Organisationshoheit so organisieren, wie dies
                zweckmäßig ist. Die presserechtliche Beurteilung muss dann die entsprechenden Konse-
                quenzen aus diesen Entscheidungen ziehen. Es ist also nicht so, dass das Presse-
                recht dem Organisationsrecht Vorgaben machen würde – die presserechtliche Be-
                urteilung folgt vielmehr dem Organisationsrecht. Wie sich der Staat hier organisiert
                hat, ist dem Antragsteller bekannt. Es ist seine Sache, die Anträge an die zuständigen
                Stellen zu richten.“

                „Die Ausführungen des Antragstellers ändern nichts an der Tatsache, dass das Büro
                des Bundeskanzlers a.D. organisationsrechtlich nicht dem Bundeskanzleramt zu-
                gerechnet werden kann.“

                „Es ist (entgegen S. 4) sehr wohl nach außen hin ersichtlich, dass das Büro des Bun-
                deskanzlers a.D. nicht zum Bundeskanzleramt gehört, sondern eine eigenständige
                Stelle im Sinne des Presserechts darstellt. Weder tritt das Büro des Bundeskanz-
                lers a.D. im Namen des Bundeskanzleramts auf, noch ist es in die Verwaltungs-
                organisation des Bundeskanzleramts eingegliedert. Dies zeigt sich (entgegen S.
                5/6) u.a. an den vorgelegten Organigrammen des Bundeskanzleramts. Wäre das
                Büro des Bundeskanzlers a.D. Teil des Bundeskanzleramts und in seine Organisati-
                onsstruktur eingebunden, würde das aktuelle Organigramm dies entsprechend abbil-
                den. Der Vorwurf des Antragstellers, das Organigramm sei falsch und daher nachzu-
                bessern (S. 6), erfolgt nicht nur ins Blaue hinein, sondern geht auch ins Leere. Das
                Organigramm ist zutreffend. Es bildet die zum Bundeskanzleramt gehörenden Ver-
                waltungseinheiten und die Berichtswege korrekt ab.“

                     Schriftsatz der Kanzlei RAUE vom 06.05.2022, Anlage 3
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              Mit Beschluss vom 21. Juni 2022 lehnte das VG Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung
              zunächst allein mit der Begründung ab, dass unser Mandant kein Pressevertreter sei, da er für
              ein Internetangebot und nicht für ein Druckerzeugnis tätig sei. (VG Berlin, Beschluss vom 21.
              Juni 2022 - VG 27 L 68/22).

                     Beschluss des VG Berlin (VG 27 L 68/22) v. 21.06.2022, Anlage 4

              V.
              Dagegen richtete sich die sofortige Beschwerde unseres Mandanten zum OVG Berlin-Branden-
              burg (OVG 6 S 37/22).

              Mit dem Beschluss hat das Gericht die auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Be-
              schwerde unseres Mandanten zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass
              unser Mandant zwar – jedenfalls aufgrund der inzwischen veröffentlichten Erstausgabe eines
              Druckerzeugnisses „FragDenStaat“ – als Vertreter der Presse anzusehen sei. Der erstinstanz-
              liche Beschluss erweise sich jedoch aus anderen Gründen als richtig. Das Büro des ehemaligen
              Kanzlers Schröder sei als eigenständige Behörde und nicht als Teil des Bundeskanzleramts
              anzusehen.

              So heißt es in dem Beschluss wörtlich:

                „Gemessen an diesen Vorgaben handelt es sich bei dem Büro des Bundeskanzlers
                a.D. Gerhard Schröder nicht um einen Teil des Bundeskanzleramts, sondern um
                eine eigenständige Behörde im presserechtlichen Sinne (hierzu unter 1.), die mit dem
                Gegenstand des Auskunftsersuchens des Antragstellers entweder amtlich befasst war
                oder zumindest hierfür zuständig wäre (hierzu unter 2.).“

                     Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg (OVG 6 S 37/22) v. 16.08.2022, Anlage 5

              Diese Einschätzung beruht wesentlich auf dem Vortrag des Bundeskanzleramts. Dieser Vortrag
              war jedoch falsch. Dazu sogleich.

              VI.
              Aufgrund dieser – im Ergebnis unzutreffenden – Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg
              sah sich unser Mandant gezwungen, ein weiteres einstweiliges Anordnungsverfahren wegen
              der Beantwortung derselben Fragen, diesmal gegen das Büro des Bundeskanzlers a.D.
              Gerhard Schröder selbst anzustrengen. Dieser Verfügungsantrag wurde durch das VG Berlin
              (Az. VG 27 L 250/22) und das OVG Berlin-Brandenburg (Az. OVG 6 S 68/22) mit der Begrün-
              dung zurückgewiesen, dass nun zwar gegen die richtige Stelle vorgegangen werde, diese aber
              aufgrund der „Ruhendstellung“ nicht mehr bestehe.

                     Beschluss des VG Berlin vom 28.11.2022, Az.: VG 27 L 250/22, Anlage 6
                     Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 09.02.2023, OVG 6 S 68/22, Anlage 7

              VII.
              Wie unser Mandant nun zufällig erfahren, hat das Bundeskanzleramt in einem anderen Verfah-
              ren vor dem VG Berlin zur „Ruhendstellung“ des Altkanzlerbüros eingeräumt, dass das Büro
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              des Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder tatsächlich Teil des Bundeskanzleramtes ist. Wir
              zitieren aus einem gerichtlichen Schreiben des VG Berlin in einem IFG-Verfahren (Az: VG 2 K
              270/22), das unmittelbar gegen das Büro des Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder (und nicht
              gegen das Bundeskanzleramt) angestrengt wurde:

                 „Das in der Klageschrift vom 13. September 2022 benannte „Büro des Bundeskanzlers
                 a.D. Gerhard Schröder“ ist Teil des Bundeskanzleramts. In der Sache VG 2 K 238/22
                 (vgl. Pressemitteilung des VG Berlin vom 4. Mai 2023, Nr. 20/2023; https://www.ber-
                 lin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2023/pressemittei-
                 lung.1320564.php) haben die Behördenvertreterin und die -vertreter des Bundes-
                 kanzleramts ausgeführt, das genannte Büro sei eine Organisationseinheit des Bun-
                 deskanzleramts und unterliege dessen Fach- und Dienstaufsicht.“

                     Schreiben des VG Berlin vom 08.05.2023, Az: VG 2 K 270/22, Anlage 8

              In der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2023 vor dem VG Berlin in der Sache Az. VG 2 K
              238/22 hat                  , als Vertreterin des Bundeskanzleramts erklärt, das Altkanzlerbüro
              sei organisationsrechtlich Teil des Bundeskanzleramts. Letzteres übe die Fach- und Dienstauf-
              sicht über das Büro des Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder aus. Die Mitarbeiterin des Bun-
              deskanzleramts hat zudem mitgeteilt, dass das Bundeskanzleramt alle im Büro des Altkanzlers
              angefallenen Unterlagen als seine „amtlichen Unterlagen“ verstehe. Mitarbeiter unseres Man-
              danten bei dem Transparenz- und Medienprojekt „FragDenStaat“ waren bei dem Termin als
              Öffentlichkeit anwesend und können dies bezeugen.

              IIX.
              Demnach hat die Antragsgegnerin entgegen der prozessualen Wahrheitspflicht in dem Verfah-
              ren unseres Mandanten vor dem VG Berlin (Az.: VG 27 L 68/22) bzw. dem OVG Berlin-Bran-
              denburg (OVG 6 S 37/22) bewusst falsch vorgetragen. Aufgrund dessen ist unser Mandant mit
              seinem presserechtlichen Auskunftsanspruch gescheitert.

              B. Rechtliche Würdigung

              In strafrechtlicher Hinsicht besteht insbesondere der

                            Verdacht eines strafbaren Prozessbetruges gem. § 263 StGB

              zum Nachteil unseres Mandanten.

              Die Täuschung durch das Bundeskanzleramt liegt vorliegend in unwahrem Parteivorbringen
              (Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 263 Rn. 43). Denn das Bundeskanzleramt ließ entgegen der
              prozessualen Wahrheitspflicht in den Verfahren vor dem VG Berlin (Az.: VG 27 L 68/22) bzw.
              dem OVG Berlin-Brandenburg (OVG 6 S 37/22) falsch vorgetragen. Vorsorglich weisen wir da-
              rauf hin, dass es sich vorliegend nicht um eine unterschiedliche Bewertung eines Sachverhalts
              handelt, sondern um einen unterschiedlichen Sachverhaltsvortrag selbst (je nachdem, wie es
              dem Bundeskanzleramt in einem Verfahren nützlich erscheint). Das Bundeskanzleramt hat zum
              Nachteil des Klägers wahrheitswidrig betont, dass das Büro des Bundeskanzlers a.D. nicht zum
              Bundeskanzleramt gehöre; in einem anderen Verfahren aber erklärt, dass das Büro eine Orga-
              nisationseinheit des Kanzleramts darstellt und dessen Fach- und Dienstaufsicht unterfalle.
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              Dieser Vorwurf des falschen Parteivortrages gilt vermutlich nicht der Kanzlei RAUE, sondern
              deren Mandantschaft. Eine oder mehrere Mitarbeiter:innen des Bundeskanzleramts werden für
              die vorbereitenden Schriftsätze die Tatsachen mitgeteilt und die abgefassten Schriftsätze ihrer
              Verfahrensbevollmächtigten vor deren Einreichung freigegeben haben.

              Der falsche Vortrag des Bundeskanzleramts lag dem Beschluss des OVG zugrunde und führte
              zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde. Nur deshalb wurden auch die (ebenfalls erfolg-
              losen) Folgeverfahren vor dem VG Berlin (Az. VG 27 L 250/22) und dem OVG Berlin-Branden-
              burg (Az. OVG 6 S 68/22) erforderlich.

              In allen vier verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurden unserem Mandanten die Kosten aufer-
              legt. Diese Kostengrundentscheidung (bei aktuell noch ausstehenden Kostenfestsetzungsbe-
              schlüssen) stellen eine (drohende) Vermögensverfügung bzw. einen Vermögensschaden zum
              Nachteil unseres Mandanten dar. Mit anderen Worten muss unser Mandant aufgrund des fal-
              schen Parteivortrages die Kosten der einstweiligen Anordnungsverfahren, sowie seiner eigenen
              Rechtsanwaltskosten tragen.

              Wir bitten um Eingangsbestätigung und Mitteilung des staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichens.
              Sofern die Staatsanwaltschaft noch weitere Informationen von Seiten des Anzeigenerstatters
              benötigen sollte, stehen wir Ihnen jederzeit für Rückfragen zur Verfügung.

              Mit freundlichen Grüßen



              Sebastian Sudrow
              RECHTSANWALT
              FACHANWALT FÜR IT-RECHT
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