VMBW_ErlasszurberwachungundSanktionierungvonOrdnungswidrigkeitenimruhendenVerkehrvom11.Mai2020

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr

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' I Baden-Württemberg MINISTERIUM FÜR VERKEHR Ministerium für Verkehr Postfach 10 34 52 • 70029 Stuttgart Regierungspräsidien                                                                                   Stuttgart 11. Mai 2020 Name Stuttgart                                                                                          Durchwahl E-Mail Karlsruhe Freiburg                                                                                         Aktenzeichen Tübingen                                                                                                         (Bitte bei Antwort angeben!) Ä**: Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr 1.       Einleitung Die Verkehrssicherheit der Bürgerinnen im Straßenverkehr ist der Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Das Verkehrsministerium sieht es vor diesem Hintergrund mit Sorge, dass insbesondere in Kreuzungsbereichen sowie auf Geh- und Radwegen Ver­ kehrsgefährdungen durch rücksichtloses Verhalten von Verkehrsteilnehmerinnen ent­ stehen. Besonders betroffen sind Kinder und Seniorenlnnen, die in besonderem Maße auf sichere Fußverkehrsquerungen angewiesen sind. Das Verkehrsministerium will Fahrerinnen von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Rol­ lern über die vom ruhenden Verkehr ausgehenden Gefahren für ihre Mitbürgerinnen sensibilisieren. Die breit angelegte Öffentlichkeitskampagne „Vorsicht.Rücksicht.Um- sicht“ die im September 2019 gestartet wurde, hat als ersten Themenschwerpunkt „Falschparken“ und soll auf die erheblichen Auswirkungen von Verstößen im ruhenden Verkehr auf die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmerinnen aufmerksam machen und klarstellen, dass es sich dabei keineswegs nur um Kavaliersdelikte handelt. Informationen zum Schutz personenbezogener Daten nach der DSGVO finden sich auf der Intemetseite des Ministeriums für Verkehr unter „Service“ / „Datenschutz“. Auf Wunsch werden diese Informationen in Papierform versandt. Dorotheenstr. 8 - 70173 Stuttgart (WS: Charlottenplatz) • Behindertengerechte Parkplätze vorhanden Telefon 0711 231-5830 • Telefax 0711 231-5899 • poststelle@vm.bwl.de • poststelle@vm.bwl.de-mail.de www.vm.baden-wuerttemberg.de • www.service-bw.de
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-2- Schulkinder sollten ihre Alltags- und Schulwege eigenständig zurücklegen können. Heute werden Kinder auf ihrem Weg zur Schule oder Freizeiteinrichtungen jedoch oft gefährdet, wenn sie eine Straße überqueren müssen und ein falsch parkendes Auto die Sicht versperrt. Dies gilt auch an Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, wenn Fahr­ gäste die Fahrbahn vor oder nach der Fahrt queren. Das Parken auf Geh- und Radwe­ gen zwingt die betroffenen Fußgängerinnen und Radfahrerinnen zudem häufig auf viel befahrene Straßen auszuweichen. Dies ist besonders dann eine starke Beeinträchti­ gung, wenn zum Beispiel Kinderwagen oder Gehhilfen manövriert werden müssen. Vielerorts ist das Begehen der Straße mit einem erheblichen Gefahrenpotential verbun­ den. Das Zuparken oder Zustellen von Feuerwehr- und Rettungswegen verhindert das schnelle Durchkommen von Rettungsfahrzeugen zum Einsatzort, wo jede Sekunde zur Rettung von Menschenleben zählen kann. Falschparken ist nicht nur gefährlich, sondern behindert oftmals auch den Verkehr mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Ein Beispiel hierfür ist das Parken an Bushalte­ stellen, ein anderes das unberechtigte Parken an Ladesäulen für Elektrofahrzeuge. Werden speziell für die Elektromobilität vorgehaltene Parkplätze von nicht berechtigten Verkehrsteilnehmerinnen regelwidrig in Anspruch genommen, laufen die eigentlich Be­ rechtigten Gefahr, auf der Straße liegen zu bleiben. Weitere nicht hinzunehmende Re­ gelverstöße sind das Parken auf Behindertenparkplätzen und das Parken in zweiter Reihe. Die Ende April 2020 in Kraft getretene StVO-Novelle stellt nun zum Teil adäquatere Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung als dies bislang der Fall war. Die bestehenden und die neu geschaffenen Sanktionsmöglichkeiten gilt es nun konsequent anzuwenden und Handlungsspielräume zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten in vollem Umfang auszuschöpfen. Das Verkehrsministerium hält es für notwendig, die Überwachung des ruhenden Verkehrs schwerpunktmäßig auf die oben genannten Brennpunkte zu fokus­ sieren, um gefährdendes Parken wirksam einzudämmen. Ferner können sich weitere Brennpunkte aus der Auswertung der vom Ministerium für Verkehr geförderten Fußver­ kehrschecks, (vgl. hierzu https://vm.baden-wuerttemberq.de/de/mobilitaet-verkehr/fuss- verkehr/fussverkehrs-checks/j aus Radschulwegeplänen oder aus anderen Verkehrs­ planungsinstrumenten ergeben. Trotz der genannten Schwerpunktbildung ist durch
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-3- stichprobenartige Überwachung grundsätzlich eine flächendeckende Überwachung des ruhenden Verkehrs anzustreben. Mit dem Ziel, den ruhenden Verkehr sicherer zu machen, wird im Einvernehmen mit dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration auf Folgendes hingewiesen: 2.     Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Zuständig für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im öffentlichen Straßenverkehr sind die Bußgeldbehörden als untere Verwaltungsbehörden (§§ 26 Absatz 1 Straßen­ verkehrsgesetz (StVG), 36 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (O- WiG), 2 Absatz 1 der Verordnung der Landesregierung über Zuständigkeiten nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten). Nach § 5 Absatz 1 Nummer 7 der Verord­ nung der Landesregierung über Zuständigkeiten nach dem Gesetz über Ordnungswid­ rigkeiten sind ferner die Gemeinden zuständig, soweit sie als örtliche Straßenver­ kehrsbehörden für den Vollzug der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zuständig sind. Neben den Bußgeldbehörden sind auch die Gemeinden als Ortspolizeibehörden ge­ mäß §§ 61 Absatz 1 Nummer 4, 62 Absatz 4, 66 Absatz 2 Polizeigesetz für die Verfol­ gung von Ordnungswidrigkeiten im öffentlichen Straßenverkehr zuständig. „Herrin des Verfahrens“ ist jedoch die Bußgeldbehörde. Die Zuständigkeit zur Verfolgung umfasst zunächst die selbstständige und eigenver­ antwortliche Ermittlung von Verkehrsordnungswidrigkeiten. Hierzu gehört auch die Feststellung und Erforschung von Verkehrs verstoßen. Grundsätzlich muss die Verwal­ tungsbehörde demnach den Sachverhalt selbst erforschen. Darüber hinaus umfasst die Zuständigkeit der Behörden gemäß §§ 22 Landesverwal­ tungsverfahrensgesetz (LVwVfG), 47 OWiG auch die im pflichtgemäßen Ermessen stehende Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Hierbei müssen die Buß­ geldbehörden nach Prüfung des Einzelfalles eine sorgfältige Abwägung aller maßgeb­ lichen Kriterien treffen. Die Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit oder auf den Ver­ kehrsablauf, aber auch das Verschulden des Betroffenen sind bei der Abwägung an­ gemessen zu berücksichtigen.
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-4- Lichtbilder und die Aussage einer das Fehlverhalten anzeigenden Person können als Beweismittel dienen und sind daher bei der Ermittlung des Sachverhalts zu berück­ sichtigen. An den Anzeigenden ist eine Einstellung mitzuteilen, wenn er am Fortgang des Verfahrens ein eigenes Interesse hat und die Anzeige nicht missbräuchlich war (Karlsruher Kommentar, 5. Aufl., OWiG-Mitsch § 47 Rn. 89). Im Sinne eines bürger­ freundlichen Verwaltungshandelns wird auch darüber hinaus eine Benachrichtigung des Anzeigenden übereine Verfahrenseinstellung in geeigneterWeise unter Angabe von Gründen empfohlen. Eine Pflicht zum Tätigwerden der Behörde besteht, wenn das Ermessen der Behörde in solch einem Maße reduziert ist, dass ein Untätigbleiben zwangsläufig ermessens­ fehlerhaft wäre. Hierfür bedarf es einer gewichtigen Gefahr für Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit. Dies kann der Fall sein, wenn durch ein konkretes Parkverhalten eine hohe Unfallgefahr hervorgerufen wird. Andererseits ist zu beachten: indem der Gesetzgeber einen Bußgeldtatbestand setzt, missbilligt er das beschriebene Verhalten und verlangt als normative Regel grundsätz­ lich die Ahndung. Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt trotz des Opportunitätsprin­ zips der Grundsatz, dass gesetzwidrige Taten im Regelfall zu verfolgen sind. Daher bedarf auch nicht das Eingreifen des Amtsträgers einer Begründung, sondern die Nicht-Ahndung braucht als Ausnahme eines zusätzlichen Kriteriums, welches zu doku­ mentieren ist (Karlsruher Kommentar, 5. Aufl., OWiG-Mitsch, Einleitung Rn. 155, 156). Pauschale Vorgaben, bestimmte Ordnungswidrigkeiten (zum Beispiel das Gehwegpar­ ken, das auch für Motorräder untersagt ist) nicht zu verfolgen, oder Verkehrsdelikte in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßenabschnitte nicht zu ahnden, haben einen Ermessensausfall und damit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge und stehen mit den Pflichten der Verfolgungsbehörden nicht im Einklang. Selbstver­ ständlich sind von den Behörden auch private Anzeigen von den Bußgeldbehörden sorgfältig zu prüfen. Anderslautende Vorgaben führen ebenfalls zu einem Ermessen­ sausfall.
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-5- Bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist ferner besonders zu berücksichtigen, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber ganz bewusst Entscheidungen zur Gewähr­ leistung der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs getroffen hat und Verstöße gegen diese Normen missbilligt. Dies gilt gleichermaßen, wenn solche Regelungen in Form von Maßzahlen oder Mar­ kierungen vorgegeben sind. So stellt das Parken vor und hinter Kreuzungen und Ein­ mündungen im Bereich von bis zu fünf Meter von den Schnittpunkten der Fahrbahn­ kanten, (und neu mit der StVO-Novelle: soweit in Fahrtrichtung rechts neben der Fahr­ bahn ein Radweg baulich angelegt ist, vor Kreuzungen und Einmündungen bis zu je acht Meter von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten) immer einen Verkehrsver­ stoß dar, der folglich grundsätzlich auch zu ahnden ist. Gleiches gilt für das Parken auf oder über Parkflächenmarkierungen hinaus. Parkflächenmarkierungen sind als Vor­ schriftszeichen Verwaltungsakte. Soweit Markierungen vorhanden sind, ist auf öffentli­ chen Parkplätzen diesen gemäß zu parken. Anlage 2 zu § 41 Absatz 1 StVO laufende Nummer 74 Spalte 3 ist als Gebot ausgestaltet und nach § 49 Absatz 3 Nummer 4 StVO bußgeldbewehrt; demgemäß ist ein Parken entgegen der Parkflächenmarkie­ rung (zum Beispiel bei Überschreiten der Linien, Querparken, Parken über mehrere Parkboxen hinweg) auch bei nur geringfügigen Abweichungen verboten und ordnungs­ widrig. Ist die Beachtung der Markierung aufgrund der Fahrzeuggröße nicht möglich, darf nicht geparkt werden. Parkflächenmarkierungen sind auch in öffentlichen Park­ häusern zu beachten (König in Hentschel/König/Dauer StVO § 12 Rn. 56. Maßgeblich ist hierbei die äußere Fahrzeugabmessung (und nicht etwa die Reifen des Fahrzeugs). Grundsätzlich wird auch unbefugtes Parken auf Privatgrundstücken von den zuständi­ gen Behörden als Ordnungswidrigkeit verfolgt (§ 12 Landesordnungswidrigkeitenge­ setz). In diesen Fällen finden die Regelungen des öffentlichen Rechts wie im Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs unter Einbeziehung der oben genannten Grundsätze Anwendung. Ferner steht einem Grundstücksbesitzer gegen einen Falschparker auf seinem Grund­ stück dem Grunde nach ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch bis hin zur Er­ stattung der Abschleppkosten zu, wenn er ein Fahrzeug durch ein privates Unterneh­
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-6- men kostenpflichtig entfernen lässt. Dies gilt auch, wenn sich das Grundstück im Be­ sitz einer öffentlichen Gebietskörperschaft befindet, aber nicht als Straßenverkehrsflä­ che gewidmet ist. Insoweit besteht beispielsweise die Möglichkeit, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Regelung aufzunehmen, die eine Vertragsstrafe für regel­ widrige Parkplatznutzungen (zum Beispiel bei einem Parken über die Markierung hin­ aus oder bei der unberechtigten Nutzung von Frauen- oder Schwerbehindertenpark­ plätzen) vorsieht. 3.     Maßnahmen zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten Die Wirkzusammenhänge zwischen Kontrolldruck, Sanktionshöhe und Verhaltensände­ rung sind wissenschaftlich erwiesen. Daher hat sich das das Verkehrsministerium im Zusammenhang mit der StVO-Novelle neben einem grundsätzlich flächendeckenden Kontrolldruck für eine Erhöhung des Sanktionsniveaus eingesetzt. Den Bußgeldbehör­ den stehen neben den durch die StVO-Novelle verbesserten Sanktionsmöglichkeiten die nachstehend erläuterten, nicht unerheblichen Flandlungsspielräume zur Steigerung der Verkehrssicherheit zur Verfügung. Die Bußgeldbehörden werden gebeten, diese Handlungsspielräume mit dem Ziel der Steigerung der Verkehrssicherheit in vol­ lem Umfang auszuschöpfen. Dies gilt auch in Fällen, in denen ein erhöhter Begrün­ dungsaufwand durch die Ausschöpfung des Sanktionsrahmens ausgelöst wird. a) Festsetzung des Bußgeldes Gemäß § 24 Absatz 2 StVG kann eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden. Die Höhe der festzusetzenden Bußgelder wird in der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) konkretisiert. Mit ihrer Einführung auf Grund­ lage von § 26a StVG im Jahre 2001 ersetzte sie die jeweils zuvor geltenden Landesre­ gelungen. Ziel der Bußgeldkatalog-Verordnung ist die Sicherstellung einer einheitli­ chen Praxis bei der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten mit Rechts­ satzqualität sowie die Herbeiführung einer Verwaltungsvereinfachung.
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-7- Ausweislich der Begründung zur Bußgeldkatalog-Verordnung vom 4. Juli 1989 (VkBI. 89, 517) enthält diese für die aufgeführten Tatbestände grundsätzliche Zumessungsre­ gelungen für die Begehungsform des Reqelfalls. Ein Regelfall im Sinne von § 1 Absatz 2 BKatV liegt vor, wenn gewöhnliche Tatum­ stände vorliegen und weder subjektiv noch objektiv Besonderheiten aufweist. Liegt kein Regelfall vor, steht den Behörden unter Anwendung des § 17 Absatz 3 O- WiG ein Spielraum zur Verfügung, um den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen: •   Subjektive Tatbestandskomponente Im Hinblick auf die subjektive Komponente kommt beispielsweise das Vorliegen einer groben oder nur leichten Fahrlässigkeit in Betracht. Seit 2009 sind in der Bußgeldkatalog-Verordnung Zuwiderhandlungen mit ei­ nem erhöhten Bußgeld verankert, die im Allgemeinen vorsätzlich gegangen werden (Abschnitt 2 der Anlage zu § 1 Absatz 1 der BKatV). Wird ein Tatbestand des Abschnitts I des Bußgeldkatalogs vorsätzlich verwirk­ licht, für den ein Regelsatz von mehr als 55 Euro vorgesehen ist, so ist der dort genannte Regelsatz nach § 3 Absatz 4a Bußgeldkatalog-Verordnung zu verdop­ peln. •   Qualifizierungstatbestände bei Auswirkung auf den Straßenverkehr In der Bußgeldkatalog-Verordnung ist in zahlreichen Tatbestandsnummern dar­ über hinaus eine Erhöhung des Bußgeldes vorgesehen, wenn das Verhalten des Betroffenen einen kausalen und gesteigerten Einfluss auf den Straßenver­ kehr und/oder andere Menschen hat.
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-8- So wird mit Inkrafttreten der StVO-Novelle in der laufenden Nummer 51 a der Anlage zu § 1 Absatz 1 BKatV das „unzulässige Halten in zweiter Reihe“ mit einem Buß­ geld in Höhe von nunmehr 55 Euro (statt bisher 15 Euro) geahndet. Bei Hinzutreten einer „Behinderung“ zum „unzulässigen Halten in zweiter Reihe“ erhöht sich das Bußgeld nach der laufenden Nummer 51a.1 der Anlage zu § 1 Absatz 1 BKatV nun­ mehr auf 70 Euro (statt bisher 20 Euro). Mit der StVO-Novelle wurden nun die Tat­ bestände „mit Gefährdung“ (Nummer 51a.2; 80 Euro) und „mit Sachbeschädigung“ (Nummer 51a.3; 100 Euro) eingeführt. Unterschieden wird in der Bußgeldkatalog-Verordnung analog zu § 1 Absatz 2 StVO zwischen den nachstehenden Begrifflichkeiten (vgl. hierzu ausführlich Hent- schel/König/Dauer, § 1 StVO, Randnummer 32 ff.): aa) Belästigung liegt vor, wenn mehr als unvermeidbar körperliches oder seelisches Unbehagen auch bei Nichtverkehrsteilnehmern bereitet wird; Beispiel: Belästigung der An­ wohner durch Geräusche, wie unnötiges Anlassen und Laufenlassen des Motors eines Fahrzeugs. bb) Behinderung bedeutet, einen anderen in dem von ihm beabsichtigten Verkehrsverhalten im Wege einer Willensbeugung nachhaltig zu beeinträchtigen; eine Gefähr­ dung oder gar eine Schädigung ist nicht erforderlich; der Andere muss un­ freiwillig zu einem anderen Fahr- oder Verkehrsverhalten gezwungen wer­ den; es kommt auf den jeweiligen Einzelfall an; eine Behinderung liegt bei­ spielsweise dann vor, wenn Fußgängerinnen den zugeparkten Gehweg nicht nutzen können oder Radfahrerinnen zu nicht ganz ungefährlichen Ausweich­ bewegungen gezwungen werden; auch beim Zuparken von Grundstücksein- und -ausfahrten, dem Versperren von Gebäude- und Grundstückszugängen kann eine im Einzelnen festzustellende Beeinträchtigung des beabsichtigten Verkehrsverhaltens und damit eine Behinderung vorliegen. cc) Gefährdung
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-9- erfordert einen sogenannten „Beinahe-Unfall“, d.h. ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, dass „das noch­ mal gut gegangen sei“ (sogenannter konkreter Gefahrenbegriff); die Sicher­ heit eines bestimmten Rechtsgutes muss nach der Rechtsprechung so stark beeinträchtigt sein, dass es vom Zufall abhängt, ob es verletzt wird oder nicht; die Beurteilung richtet sich nach den möglichst konkret zu umschrei­ benden Umständen des Einzelfalles, für die es keine allgemeingültigen Richtlinien gibt; eine latente abstrakte Gefahrenlage genügt nach aktueller Rechtslage selbst dann nicht, wenn höchstgefährliches Verhalten in Frage steht; eine Gefährdung liegt zum Beispiel vor, wenn andere Verkehrsteilneh­ mer zu plötzlichem starken Bremsen oder Ausweichen gezwungen werden; auch kurzfristiges Halten an unübersichtlicher Stelle kann gefährden (Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke: Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage, § 1 StVO, Randnummern 75 f.); liegt keine Gefährdung vor, ist gegebenenfalls Behinderung oder Belästigung gegeben; dd)Schädigung liegt vor, bei der Herbeiführung von Körper- oder Gesundheitsschäden oder von vermögensrechtlich wägbaren Nachteilen (Anmerkung: ist eine Hand­ lung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so wird nach §21 OWiG nur das Strafgesetz angewendet). Auch in der Bußgeldkatalog-Verordnung handelt es sich insoweit um soge­ nannte „konkrete Erfolgsdelikte“. Hinsichtlich der Schädigung, Behinderung und Belästigung handelt es sich um Verletzunqsdelikte, wohingegen in Bezug auf die Gefährdung eine konkrete Gefahr Voraussetzung für die Erhöhung des Buß­ geldes ist. Der Erfolg muss durch eine Handlung oderein Unterlassen bei der Teilnahme am Straßenverkehr vorwerfbar verursacht werden und vom Schutz­ bereich der Norm erfasst sein. Gemäß § 3 Absatz 3 BKatV erhöhen sich die Regelsätze, die einen Betrag von mehr als 55 Euro vorsehen, bei Vorliegen einer Gefährdung oder Sachbeschä­ digung nach Tabelle 4 des Anhangs, soweit diese Merkmale oder eines dieser Merkmale nicht bereits im Tatbestand des Bußgeldkatalogs enthalten sind.
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-10- Regelmäßig wird man im Rahmen eines Vergleichs mit anderen Tatbeständen der Bußgeldkatalog-Verordnung, die sowohl eine „Behinderung“ als auch eine „Gefährdung“ auf einen Grundtatbestand aufbauend normieren, eine lineare An­ stiegskurve feststellen können. Darüber hinaus ergeben sich stets auch An­ haltspunkte für das Maß einer angemessenen Erhöhung des Bußgeldes aus dem Bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog des Kraftfahrt-Bundesamtes. Beispielhafter Anwendunqsfall: Parkt der Betroffene unzulässig auf einem Geh- oder Radweg, erfüllt er damit den Grundtatbestand der Nummer 52a der BKatV (55 Euro statt bisher 20 Euro). Der Qualifizierungstatbestand einer Behinderung im Sinne der Nummer 52a.1 BKatV (70 Euro statt bisher 30 Euro) ist aufgrund eines Parkverstoßes verwirk­ licht, wenn zum Beispiel Fahrradwege oder Gehwege derart blockiert werden, dass Fahrradfahrerinnen oder Fußgängerinnen nachweislich dem Falschparker ausweichen und deswegen auf den Gehweg oder sogar auf die Straße auswei- chen mussten. Mit der StVO-Novelle wurden nun die Tatbestände „mit Gefähr­ dung“ (Nummer 52a.3; 80 Euro) und „mit Sachbeschädigung“ (Nummer 52a.4; 100 Euro) eingeführt. Eine konkrete Gefährdung liegt nach gegenwärtiger Rechtsprechung hingegen nicht bereits dann vor, wenn ein/e Fußgängerin wegen des Parkverhaltens ge­ zwungen wird, die Straße zu benutzen, sondern erst, wenn es zu einem soge­ nannten „Beinahe-Unfall“ gekommen ist (siehe oben), weil zum Beispiel ein Fahrzeugführer aufgrund der unvermittelten Straßennutzung Dritter hat abbrem­ sen und nur so einen Unfall gerade noch hat vermeiden können. •    In der Person des Täters liegende Umstände Weitere Bußgeld erhöhende besondere Umstände können zudem in der Person des Täters liegen, wenn dieser etwa die Ordnungswidrigkeit besonders rück-
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