Psychische und psychosomatische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen im Zuge der Lockdown-Maßnahmen

/ 16
PDF herunterladen
Landtag Brandenburg                                                          Drucksache 7/3239 7. Wahlperiode Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1111 der Abgeordneten Sabine Barthel (AfD-Fraktion) und Volker Nothing (AfD-Fraktion) Drucksache 7/3009 Psychische und psychosomatische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen im Zuge der Lockdown-Maßnahmen Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integra- tion und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller: In einem Bericht der österreichischen Nachrichtensendung ZIB 1 des ORF vom 27.01.2021 heißt es: „Seit Jahresbeginn steigt die Zahl der Patienten hier [i.e. am Allgemeinen Krankenhaus Wien/AKH] besonders stark. Und es sind vor allem Kinder und Jugendliche aus stabilen familiären Verhältnissen, die vor einiger Zeit noch völlig gesund waren und die jetzt an schweren Depressionen, akuter Selbstmordgefahr oder schweren Essstörungen leiden. Die Betten sind voll; jetzt muss selektiert werden, wer behandelt wird und wer warten muss [...]. Laut einer aktuellen Studie leidet mehr als die Hälfte der Jugendlichen und jungen Er- wachsenen an depressiven Symptomen [...]. Die besonders schweren Fälle haben sich [...] mehr als verzehnfacht.“        1 Besonders auffällig sei die massive Zunahme „depressiver Symptomatik“ in der Alters- gruppe der Acht- bis Zwölfjährigen, wie P. P.*, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugend- psychiatrie am AKH, ausführte.           2 Die Gründe für diese Krankheitsbilder ließen sich dabei „eindeutig auf Schulschließungen und die soziale Isolation zurückzuführen.“             3 Anmerkungen: Wenn im Nachfolgenden von „Landkreisen“ die Rede ist, sind damit auch die kreisfreien Städte und das Land Brandenburg insgesamt gemeint. Allgemein gilt, wenn eine genauere Aufschlüsselung erbeten wird, dass die übergeordneten, zusammengefassten Zahlen ebenfalls in der Frage inbegriffen sind. * anonymisiert gemäß § 5 Absatz 2 Datenschutzordnung 1 In gekürzter Form zit.n.: https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-1/1203/ZIB-1/14079851/Homeoffice-bleibt-weiterhin- freiwillig/14846182 (letzter Zugriff: 01.02.2021). 2 Vgl.: „Kein Platz mehr. Kinder-Psychiatrie in Wien schlägt Alarm“, in: Kleine Zeitung, 27.01.2021 (https://www.kleinezeitung.at/international/corona/5928381/Kein-Platz-mehr_KinderPsychiatrie-in-Wien- schlaegt-Alarm; letzter Zugriff: 01.02.2021). 3 Ebd. Eingegangen: 16.03.2021 / Ausgegeben: 22.03.2021
1

Landtag Brandenburg                                                      Drucksache 7/3239 Vorbemerkung der Landesregierung: Soweit in den Antworten auf die einzelnen Fragen die erfragten Aufschlüsselungen nicht vorgenommen sind, liegen die entsprechenden Angaben der Landesregierung nicht vor. 1.     Wie viele psychiatrische und psychotherapeutische Kliniken und Praxen gibt es im Land Brandenburg und wie viele davon sind auf Kinder und Jugendliche spezialisiert bzw. haben entsprechende Abteilungen? (Bitte aufschlüsseln nach Landkreisen.) Zu Frage 1: Landesweit halten 18 Krankenhäuser eine Fachabteilung für Psychiatrie und Psychotherapie vor, davon sechs Fachkrankenhäuser und zwölf Krankenhäuser mit einem breiteren Disziplinenspektrum. Die 18 Krankenhausstandorte sind gut über das Land verteilt und halten nach geltendem Krankenhausplan, der Fortschreibung des Dritten Krankenhaus- plans, eine Gesamtbettenkapazität in Höhe von 1.749 Betten vor. 6 Krankenhäuser halten eine Fachabteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie nach geltendem Krankenhausplan vor. Die Gesamtbettenkapazität beträgt 245 Betten. Die Krankenhauspla- nung hat das Ziel, möglichst auch in der Fläche des Landes eine gemeindenahe und nied- rigschwellige psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung sicherzustellen. Der Be- handlungsform der Tagesklinik kommt vor diesem Hintergrund in den Regionen des Landes eine hohe Bedeutung zu. Das teilstationäre Angebot wurde in den letzten Jahren im Land Brandenburg verstärkt auf- und ausgebaut. Neben dem vollstationären Angebot werden nach dem geltenden Krankenhausplan landesweit insgesamt 801 Tagesklinikplätze für Psychiatrie und Psychotherapie sowie weitere 130 Tagesklinikplätze für Kinder- und Ju- gendpsychiatrie und -psychotherapie ausgewiesen, die das psychiatrische und das psycho- therapeutische Versorgungsangebot abrunden. Zum Stichtag 19.02.2021 nehmen landesweit 461 Psychologische sowie 124 Ärztliche Psy- chotherapeutinnen und Psychotherapeuten an der ambulanten Versorgung teil. Nach Anga- ben der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) übernehmen diese Praxen auch teilweise die Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Weiterhin sind insgesamt 184 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und –therapeuten in Brandenburg nie- dergelassen. Hinsichtlich der psychiatrischen Versorgung sind insgesamt 45 Psychiaterinnen und Psych- iater sowie 29 Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater landesweit tätig. Hier ist jedoch zu beachten, dass auch Fachärztinnen und -ärzte für Nervenheilkunde an der ver- tragsärztlichen Versorgung teilnehmen und diese die Fähigkeiten besitzen, sowohl psychia- trisch als auch neurologisch zu behandeln. 2.     Wie hat sich die Zahl der Patienten, welche psychiatrischer oder psychotherapeuti- scher Behandlung bedurften, in den letzten fünf Jahren im Land Brandenburg entwik- kelt? (Bitte aufschlüsseln nach Altersgruppen der Patienten, Monaten, Jahren und Landkreisen.) Zu Frage 2: Nachfolgend sind die Zahlen der amtlichen Krankenhausstatistik der stationären und teilstationären Fallzahlen differenziert nach Altersgruppe für die letzten Jahre aufgeli- stet. (Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Meldung gem. Krankenhausstatistik-Ver- ordnung - KHStatV). Für die Jahre 2019 und 2020 liegen noch keine Daten vor. -2-
2

Landtag Brandenburg                                                                      Drucksache 7/3239 2016      2017     2018 Fallzahlen                           Kinder- und Jugendpsychiatrie Vollstationäre Behandlung            und -psychotherapie                        2 372     2 322    2 326 (Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis unter 18 Jahren) Psychiatrie und Psychotherapie            28 314    27 918   26 196 Fallzahlen                           Kinder- und Jugendpsychiatrie Teilstationäre Behandlung            und -psychotherapie                         718       875      698 (Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis unter 18 Jahren) Psychiatrie und Psychotherapie             7 505     7 144    6 315 Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 3.     Wie hat sich die Zahl behandlungsbedürftiger Kinder und Jugendlicher in den bran- denburgischen Institutsambulanzen und (Reha-)Kliniken für Kinder- und Jugendpsych- iatrie in den letzten fünf Jahren entwickelt? Wie viele Kinder und Jugendliche, die einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung bedurften, wurden in ander- weitigen Einrichtungen (z.B. bei niedergelassenen Psychiatern oder Psychotherapeu- ten) behandelt? (Bitte aufschlüsseln nach Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen, Monaten, Jahren, Landkreisen und Einrichtungsarten.) Zu Frage 3: Auf die Antwort auf Frage 2 wird verwiesen. 4.     Wie hat sich die prozentuale Kapazitätsauslastung an den einzelnen Institutsambulan- zen und (Reha-)Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Land Brandenburg in den letzten fünf Jahren entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Einrichtungen, Landkrei- sen, Monaten und Jahren.) Zu Frage 4: Nachfolgend ist die jeweilige Auslastung bezogen auf die vollstationären Betten der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie für die letzten Jahre aufgelistet nach der jüngsten amtlichen Krankenhausstatistik (Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Meldung gem. KHStatV). Für die Jahre 2019 und 2020 liegen noch keine Daten vor. 2016           2017      2018 Kinder- und Jugendpsychiatrie und – psychotherapie 93,4 %          91,6 %    95,0 % (Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis unter 18 Jahren) Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 5.     Wie hat sich die Anzahl der Kinder bzw. ihrer Eltern, die sich an den Kinder- und Ju- gendpsychiatrischen Dienst wendeten, während der letzten fünf Jahre im Land Bran- denburg entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Landkreisen, Monaten und Jahren.) -3-
3

Landtag Brandenburg                                                     Drucksache 7/3239 Zu Frage 5: In den Landkreisen und kreisfreien Städten werden dazu keine detaillierten Statistiken geführt. Die Ratsuchenden werden in geeignete Angebote weitervermittelt, siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 6. 6.    Was ist die von der Landesregierung für Eltern empfohlene „Vorgehensweise“, sollten diese psychische Erkrankungen oder Auffälligkeiten bei ihren Kindern vermuten bzw. feststellen? Sollten diese sich z.B. zunächst an den Kinder- und Jugendpsychiatri- schen Dienst wenden oder an einen Hausarzt etc.? Was unternimmt die Landesregie- rung allgemein, um ihre empfohlene Vorgehensweise unter den märkischen Eltern be- kannt zu machen und was unternimmt sie im Speziellen, um den Kinder- und Jugend- psychiatrischen Dienst bekannt zu machen? Zu Frage 6: Bei Auffälligkeiten oder vermuteten psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen ist die Zusammenarbeit von Haus-, Kinder- und Fachärztinnen und -ärzten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten ebenso wie die Einbindung anderer Fach- leute aus Gesundheitsberufen sowie relevanten sozialen und pädagogischen Berufen. Kin- derärztinnen und Kinderärzte kennen die Kinder und Jugendlichen durch ihre idealerweise über Jahre andauernde ärztliche Betreuung der Familien. Darüber hinaus kennen sie die Kinder und Jugendlichen aus den Früherkennungsuntersuchungen, zu denen die Familien in Brandenburg systematisch eingeladen werden (Zentrales Einlade- und Rückmeldesy- stem - ZER). Sie sind daher oft die ersten Ansprechpartner und helfen bei der Weiterver- mittlung in gegebenenfalls erforderliche spezialisierte Versorgungsformen. Fachärztinnen und -ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie bieten im sozialpsychiatrischen Rahmen abgestimmte und koordinierte Behandlungsmaßnahmen an. Kinder und Jugendliche mit komplexen psychischen Erkrankungen benötigen eine auf die Lebenswirklichkeit der betroffenen Familien abgestimmte differenzierte Behandlung. Die Behandlung von Kindern oder Jugendlichen ist in der Regel abhängig von der Mitwirkung und Unterstützung ihres gesamten Lebensumfeldes. Auch in sozialpädiatrischen Zentren findet komplexe Diagnostik und Behandlung von Kindern mit vermuteten oder bestätigten Beeinträchtigungen der körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung statt. Grund- sätzlich finden diese Sachverhalte und Zuständigkeiten in der Presse- und Öffentlichkeits- arbeit der Landesregierung Berücksichtigung. Die seelische Gesundheit von Kindern ist ein zentrales Anliegen des seit 2004 aktiven Bünd- nisses Gesund Aufwachsen (BGA) im Land Brandenburg. Einzelne Arbeitsgruppen bearbei- ten u. a. folgende Zielstellungen: -     Kinder und Jugendliche wachsen seelisch gesund auf, -     die hierfür erforderlichen Hilfen stehen zur Verfügung und -     Störungen der seelischen Gesundheit werden frühzeitig erkannt und behandelt. Mit der Bearbeitung des im „Nationalen Gesundheitsziel Gesund Aufwachsen“ des „Koope- rationsverbundes gesundheitsziele.de“ benannten Teilziels „Die Lebenskompetenz von Kin- dern und Jugendlichen ist erhöht, Belastungen/belastende Einflüsse sind reduziert“ be- schäftigt sich das Bündnis Gesund Aufwachsen fortlaufend. -4-
4

Landtag Brandenburg                                                        Drucksache 7/3239 Im 8. Plenum des BGA am 05.11.2020 wurde ein Beschluss zu den gesundheits- und sozi- allagenbezogene Herausforderungen der Corona-Pandemie verabschiedet. Das Plenum empfiehlt dem BGA und seinen Arbeitsgruppen, die gesundheitlichen und sozialen Auswir- kungen der Corona-Pandemie und der Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsge- schehens insbesondere auf die Kinder und Jugendlichen im Land Brandenburg gründlich aufzuarbeiten. Voraussetzung dafür ist eine belastbare Datengrundlage, die Aussagen zu körperlichen und psychischen sowie familiären und sozialen Belastungen erlaubt. Hierbei gilt es, die Daten im Kontext der Vorjahre zu evaluieren. Von einer soliden Datengrundlage ausgehend sollten die unmittelbar/kurzfristig, die mittelfristig zu erwartenden sowie die möglichen „Langzeitfol- gen“ der Pandemie und der Eindämmungsmaßnahmen insbesondere auf das Sozialverhal- ten, die psychische und physische Gesundheit, den Medienkonsum und die Medienkompe- tenz oder der Konsum von Suchtmitteln von Kindern und Jugendlichen reflektiert und auf- gearbeitet werden. Themenspezifische Gespräche mit Expertinnen und Experten, Work- shops und Fachtage können dazu beitragen, diese Ergebnisse vorzustellen, zu diskutieren und weiter zu entwickeln. Auf Grundlage dieser Ergebnisse sollen Empfehlungen formuliert werden, die sowohl die individuellen Belastungen und Bewältigungsmöglichkeiten der Kin- der und Jugendlichen adressieren als auch die vorhandenen Unterstützungsstrukturen in den Blick nehmen und nachhaltige, bedarfsgerechte Anpassungen skizzieren. Die Förderung von Gesundheits- und Sozialkompetenzen sollte hierbei aufgrund ihrer prä- ventiven Funktion und ihrer Wirkung auf die Selbstwirksamkeit der Kinder und Jugendlichen in besonderem Maße berücksichtigt werden. Die Empfehlungen richten sich an die Partne- rinnen und Partner im Bündnis Gesund Aufwachsen, aber auch an alle weiteren Akteure im Land Brandenburg, die einen Beitrag zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen leisten können. 7.    Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung bezüglich der Zunahme von Depressio- nen, Suizidversuchen, Essstörungen, Zwangsneurosen und weiterer relevanter Krank- heitsbilder sowie psychosomatischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in den letzten fünf Jahren? (Bitte in absoluten und relativen Zahlen angeben sowie nach Monaten, Jahren und dem jeweiligen Krankheitsbild aufschlüsseln.) Zu Frage 7: Für die zeitliche Entwicklung der psychischen Gesundheit von Kindern und Ju- gendlichen wurden die Daten der KJGD-Untersuchungen seit 2010 ausgewertet. Hinsicht- lich des Befunds emotionale/soziale Störungen ist in allen Gruppen (Kleinkinder, Einschüle- rinnen/Einschüler, Schulabgängerinnen und -abgänger/Zehntklässlerinnen und Zehntkläss- ler) ein leicht steigender Trend zu erkennen. Auf die Ausführungen in der Anlage 1 wird verwiesen. Auf Basis der Krankenhausdiagnosen der Entlassenen kann hinsichtlich der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ ein eher rückläufiger Trend von 2015 bis 2019 beobachtet werden, bei den Angststörungen ist kein Trend zu er- kennen und bei den affektiven Störungen ist für Depressive Episoden ein leichter Anstieg in den Altersgruppen 10 bis <15 und 15 bis <18 Jahre zu beobachten. Gesundheitsdaten werden in den meisten Fällen jährlich erfasst und dargestellt. Daher kann keine Aufschlüsselung nach Monaten zur Verfügung gestellt werden. -5-
5

Landtag Brandenburg                                                     Drucksache 7/3239 8.     Sind der Landesregierung Fälle von Triage an den märkischen Einrichtungen für Kin- der- und Jugendpsychiatrie bekannt? Wenn ja, in welchem Zeitraum und an welchen Einrichtungen fanden diese statt? Zu Frage 8: Der Landesregierung sind keine entsprechenden Fälle bekannt. 9.     Hat die Landesregierung vor dem Hintergrund der erwartbaren Kollateralschäden ihrer Lockdown-Politik repräsentative Studien in Auftrag gegeben, um die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der Schulschließungen, der Kontaktbeschränkungen und des Bewegungsmangels auf das seelische und gesundheitliche Wohl(befinden) von Kindern und Jugendlichen zu untersuchen? a) Wenn ja, wann wurden diese in Auftrag gegeben, wer wurde mit der Durchführung beauftragt, welche Ergebnisse bzw. Handlungsempfehlungen wurden vorgelegt und welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die betroffenen Kinder bzw. Jugendlichen und deren Familien bei der Bewältigung seelischer Leiden zu unterstützen? b) Wenn nein, warum nicht? (Bitte ausführlich begründen.) Zu Fragen 9, 9a, 9b: Im August 2020 wurde der Antrag des Instituts für angewandte Fami- lien-, Kindheits- und Jugendforschung e.V. an der Universität Potsdam (IFK) zur Förderung der Sonderstudie „Jugend in Brandenburg 2020 - Auswirkungen der Corona-Pandemie“ be- willigt. Auswertungsergebnisse wurden in einer Pressekonferenz des MBJS am 17. Februar 2021 vorgestellt und veröffentlicht. Die vollständige Auswertung der Studie liegt noch nicht vor. Im Frühjahr 2021 startet die zweite HBSC-Gesundheitsstudie in Brandenburg. Bei der HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children) handelt es sich um ein internatio- nales kooperatives Forschungsvorhaben, dass von der World Health Organization (WHO) unterstützt wird. Mit dieser Studie werden die subjektive und psychosoziale Gesundheit, das Gesundheitsverhalten, darunter Rauchen, Medienkonsum und tägliche Bewegung, sowie Einflussfaktoren aus Familie, Schule und Freundesgruppe der Heranwachsenden erhoben. Für dieses Projekt haben das Bildungsministerium (MBJS), das Gesundheitsministerium (MSGIV), die AOK Nordost und die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senf- tenberg (BTU) erneut, wie bei der ersten Studie, eine Kooperationsvereinbarung abge- schlossen. Die erste HBSC-Studie wurde im Jahre 2018, also vor Beginn der Pandemie, durchgeführt. In Brandenburg wurden dazu mehr als 3.000 Schülerinnen und Schüler zwischen 11 und 15 Jahren aus 55 Schulen befragt. Die in 2020 veröffentlichten Ergebnisse zeigten, dass die große Mehrheit der Brandenburger Kinder und Jugendlichen ihre Gesundheit als gut oder ausgezeichnet einschätzt und über eine hohe Lebenszufriedenheit berichtet. Die Analyse der einzelnen Indikatoren ergab ein differenzierteres Bild, insbesondere mit Blick auf die hohe Verbreitung psychosomatischer Beschwerden. Beim Gesundheitsverhalten gibt es po- sitive Entwicklungen im Bereich Ernährung, Tabak- und Alkoholkonsum, jedoch große Ent- wicklungsbedarfe beim Bewegungsverhalten. -6-
6

Landtag Brandenburg                                                     Drucksache 7/3239 Mit der zweiten Studie können erstmals Trendentwicklungen analysiert und Ansatzpunkte für Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung identifiziert werden. Diesmal be- inhaltet der Auftrag u.a. die Untersuchung, inwiefern sich die gesundheitliche Situation der Schülerinnen und Schüler vor dem Hintergrund der derzeitigen Corona-Pandemie verändert hat. Weitere Datenquellen sind beispielsweise die Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes, welche im Kontext der Vorjahre evaluiert und im Vergleich zu Vorjahresdaten gewichtet werden können. 10. Laut einer Pressemitteilung des MBJS vom 04.08.2020 hat sich die Anzahl der von den Jugendämtern durchgeführten Verfahren zur Einschätzung einer Kindeswohlge- fährdung von rund 6.000 im Jahr 2018 auf 6.860 im Jahr 2019 erhöht. Dabei wurde in 2.500 Fällen eine Kindeswohlgefährdung festgestellt. Wie hat sich die Zahl der Verfah- ren im Jahr 2020 entwickelt und in wie vielen Fällen lag eine Kindeswohlgefährdung bzw. ein Hilfebedarf für die Kinder und deren Familien vor? Zu Frage 10: Statistische Daten zur Gefährdungseinschätzung nach § 8a SGB VIII für das Jahr 2020 veröffentlicht das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg erst ab Mitte des Jahres 2021. 11. Wie vielen Kindern und Jugendlichen wurden aufgrund psychischer Belastungen und Erkrankungen während der letzten fünf Jahre Psychopharmaka oder andere Medika- mente, die für psychisch Erkrankte vorgesehen sind, verschrieben/verabreicht? (Bitte aufschlüsseln nach Monaten, Jahren, Landkreisen, konkreten Medikamenten sowie der Altersstruktur der Kinder und Jugendlichen. Bitte außerdem die prozentualen Ver- änderungsraten zum Vormonat und Vorjahresmonat bzw. zum Vorjahr angeben.) Zu Frage 11: Dazu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 12. Wie stellt sich die momentane Lage im Land Brandenburg in Bezug auf den Bedarf an psychiatrischem und psychotherapeutischem Fachpersonal dar? Wo bestehen welche Versorgungslücken? (Bitte aufschlüsseln nach Landkreisen.) Zu Frage 12: Sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich liegen der Landesre- gierung keine Erkenntnisse hinsichtlich eines spezifischen Bedarfes an psychiatrischem und psychotherapeutischem Fachpersonal vor. Im Übrigen wird auf die Antwort auf Frage 1 ver- wiesen. 13. Welche Erkenntnisse hat das Ministerium über die Inanspruchnahme schulpsycholo- gischer Beratung während des Lockdowns durch Lehrer, Kinder- und Jugendliche bzw. deren Eltern? Zu Frage 13: Das MBJS erhebt keine Daten über die Inanspruchnahme der schulpsycholo- gischen Beratung durch Lehrkräfte, Kinder und Jugendliche und deren Eltern. Die schulpsychologische Beratung unterstützt alle an Schule Beteiligten und berät Schulen von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II bei Störungen des Schullebens durch psycho- soziale Konflikte. Die Inanspruchnahme einer schulpsychologischen Beratung ist freiwillig und unterliegt der Verschwiegenheitspflicht. -7-
7

Landtag Brandenburg                                                     Drucksache 7/3239 14. Inwieweit sind die Schulpsychologen für Lehrer, Schüler und Eltern während des Lock- downs erreichbar, welche Beratungs- bzw. Interventionsmöglichkeiten existieren der- zeit für Schulpsychologen und inwieweit wird deren Tätigkeit durch Verordnungen u.ä. eingeschränkt? Zu Frage 14: Die Schulleitungen und Kollegien sind informiert, dass sie sich bei bestehen- dem Beratungsbedarf - auch während des Lockdowns - an die Schulpsychologie in ihrem Schulamtsbereich wenden können. Kontaktdaten der Ansprechpartner und Zeiten der Er- reichbarkeit der Schulpsychologie sind auf den Webseiten der Staatlichen Schulämter ver- öffentlicht und somit auch Schülerinnen und Schülern sowie Eltern zugänglich. Die Schulpsychologie unterstützt bei Fragen, die sich aus dem Lehren und Lernen in der Schule ergeben. Bei Bedarf können ergänzend zu präventiven Maßnahmen Unterstüt- zungsangebote und kurzzeitige psychologische Hilfen vermittelt werden. Die Schulpsycho- loginnen und Schulpsychologen arbeiten mit Fachkräften der Gesundheitsämter, Erzie- hungsberatungsstellen, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Jugendämter zusammen. Welche Methoden der Beratung, Diagnostik oder psychologischen Intervention im konkre- ten Fall angewendet werden, obliegt unter Berücksichtigung der jeweiligen Fragestellung der fachlichen Entscheidung der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Dem MBJS sind keine Einschränkungen der Tätigkeit der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen durch Verordnungen u. ä. bekannt. Anlage/n: 1. Anlage -8-
8

Anlage zur Antwort auf die Frage 7 der Kleinen Anfrage 1111 Daten der KJGD-Untersuchungen der letzten 5 Schuljahre bis einschl. Schuljahr 2018/2019 Im Rahmen der Untersuchungen der Kinder- und Jugendgesundheitsdienste wird der Befund „Emotionale und soziale Störungen“ erfasst. Diese Störungen sind die häufigsten Gründe für die Vorstellung von Kindern und Jugendlichen zur kinder- und jugendpsychiatrischen Diagnostik und Behandlung. Die meisten emotionalen Störungen des Kindes- und Jugendalters sind altersspezifische Manifestationen z. B. Trennungsängste, Tierphobien in der frühen Kindheit. Agoraphobien, Zwangsstörungen und depressive Störungen treten typischerweise erst in der Adoleszenz auf. Die wichtigsten emotionalen Störungen des Kindes- und Jugendalters sind: Angststörungen, Phobien, depressive Störungen und Zwangsstörungen. Zeitliche Entwicklung der emotionalen/sozialen Störungen bei Kleinkindern im Alter von 30-42 Monaten in Brandenburg seit 2010 (Quelle: Gesundheitsplattform.brandenburg.de) Kleinkinder mit emotionalen / sozialen Störungen Absolute                Absolute                 Absolute Anzahl        Anzahl       Anteil      Anzahl       Anteil     Anzahl       Anteil untersuchter     Mädchen      Mädchen      Jungen      Jungen      Gesamt      Gesamt Jahr        Kinder (N)       (N)           (%)         (N)         (%)         (N)         (%) 2010          13488          317          2,35         471         3,49        397         2,94 2011          14290          400           2,8         524         3,67        464         3,25 2012          13379          404          3,02         590         4,41        499         3,73 2013          12927          428          3,31         650         5,03        542         4,19 2014          14358          389          2,71         655         4,56        526         3,66 2015          13636          413          3,03         574         4,21        494         3,62 2016          12550          353          2,81         636         5,07        498         3,97 2017          12455          341          2,74         572         4,59        460         3,69 2018          11319          363          3,21         623         5,5         497         4,39 2019          10523          318          3,02         567         5,39        448         4,26 (Quelle: Gesundheitsplattform.brandenburg.de)
9

Anlage zur Antwort auf die Frage 7 der Kleinen Anfrage 1111 Zeitliche Entwicklung der emotionalen/sozialen Störungen bei Einschülerinnen und Einschülern in Brandenburg seit 2010 (Quelle: Gesundheitsplattform.brandenburg.de) Einschülerinnen und Einschüler mit emotionalen / sozialen Störungen Absolute                 Absolute                Absolute Anzahl         Anzahl       Anteil     Anzahl       Anteil     Anzahl      Anteil untersuchter    Mädchen      Mädchen      Jungen      Jungen      Gesamt     Gesamt Jahr       Kinder (N)         (N)         (%)         (N)         (%)         (N)         (%) 2010          21277           926          4,35       1651         7,76       1311        6,16 2011          21178           913          4,31       1745         8,24       1345        6,35 2012          21473           1016         4,73       1909         8,89       1488        6,93 2013          22050           1299         5,89       2258        10,24       1804        8,18 2014          23580           1292         5,48       2264         9,6        1802        7,64 2015          23826           1291         5,42       2337         9,81       1844        7,74 2016          24971           1269         5,08       2220         8,89       1773         7,1 2017          24559           1225         4,99       2171         8,84       1722        7,01 2018          23966           1275         5,32       2296         9,58       1807        7,54 2019          23997           1449         6,04       2395         9,98       1949        8,12 (Quelle: Gesundheitsplattform.brandenburg.de)
10

Zur nächsten Seite