WD 9 - 050/18 Zu den Auswirkungen der Nutzung digitaler Medien auf Kleinkinder in Kindertageseinrichtungen

Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen, Jugend

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Wissenschaftliche Dienste               Sachstand                                                          Seite 11 WD 9 - 3000 - 050/18 Kinder und der Eltern evaluiert werden. Am Ende des Projektes wurde der aktiven Nutzung der Medien in der Kita mehr Bedeutung zugemessen. Auch wurde den Erziehern selbst die Aufklä- rung von Eltern über eine positive Mediennutzung wichtiger. Die Kinder fühlten sich durch die aktive Mediennutzung laut Kita-Leitung besser aufgehoben und verstanden, zusätzlich entdeck- ten sie selbst neue Möglichkeiten der Mediennutzung und zeigten sich experimentierfreudiger und aufgeschlossener. In Bremen findet seit 2017 das Projekt „Medien-Kids. Wischen, tippen, scrollen- Kinder in der 27 digitalisierten Welt“ statt . Im Rahmen dieses Projektes nehmen je zwei Mitarbeiter und die Kitaleitung en einer Weiterbildung teil. Am ersten Versuch beteiligten sich elf Kindertagesein- richtungen. Die Mitarbeiter wurden umfassend geschult und qualifiziert, sie sollten eigene medi- enpädagogische Konzepte entwickeln und in ihren Einrichtungen durchführen. Die Teilnehmer tauschen sich untereinander in Diskussion immer wieder aus. Auf die erfolgreiche Teilnahme folgt die Ausstattung der Kita mit Medienpaketen bestehend aus IPads und Beamern. Die Evalua- tion ist bisher noch nicht abgeschlossen. Das Land Bayern plant für dieses Jahr einen Modellversuch zur Stärkung der Medienkompetenz 28 in der Frühpädagogik . Demnach ist auch im Rahmen der frühkindlichen Bildung eine Unter- stützung der Kinder im Bereich der digitalen Medien zu leisten. Ziel soll hierbei nicht das Konsumieren von Medien, sondern das Gestalten und die Wissensvermittlung mit Medien sein. Kinder sollen die digitalen Medien kritisch, kreativ, selbstbestimmt, sicher, verantwortungsvoll und reflektiert nutzen können. Die Eltern werden dabei als wichtigster Bildungspartner von Beginn an miteinbezogen. Außerdem sollen im Zuge des Modellversuches trag- und transferfä- hige Konzepte erarbeitet werden, welche auch in anderen Kitas einsetzbar sind; es erfolgt eine Weiterbildung der Pädagogen im Bereich der digitalen Medien durch speziell ausgebildete Mediencoaches, welche die Kitas begleiten. Damit soll eine spezielle Qualifizierung, Begleitung und Beratung der teilnehmenden Pädagogen sichergestellt werden. Die Kitas erhalten eine digitale Grundausstattung bestehend aus Tablets, Mikrofonen, Farbdruckern, Minibeamern und IT- Support. Es werden hierbei alle machbaren Vorkehrungen getroffen, um ein intelligentes Risikomanagement beim digitalen Medieneinsatz durch Kinder zu gewährleisten. Die Tablets werden unter anderem mit kindgerechten Inhalten bespielt. Neben den Angeboten von Bund und Ländern gibt es mehrere Initiativen und Verbände, die sich mit Medienerziehung beschäftigen und auch Ansprechpartner für Eltern und Erzieher sind. Als Beispiele sollen hier genannt werden: 27    Weiterführende Informationen zu dem Projekt sind zu finden bei der Bremischen Landesmedienanstalt, Pro- gramm Medien-Kids, abrufbar unter: http://www.bremische-landesmedienanstalt.de/media-news/programm- medien-kids-startet-am-28-september-2017 (Stand: 21. August 2018) sowie bei Blickwechsel, Verein für Medien- und Kulturpädagogik, abrufbar unter: https://www.blickwechsel.org/angebote/fortbildungen/bremen/377-me- dien-kids-bremen (Stand: 21. August 2018). 28    Staatsinstitut für Frühpädagogik, Modellversuch „Medienkompetenz in der Frühpädagogik stärken“, abrufbar unter: https://www.ifp.bayern.de/projekte/curricula/Medienkompetenz.php (Stand: 21. August 2018).
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Wissenschaftliche Dienste               Sachstand                                                           Seite 12 WD 9 - 3000 - 050/18     die Initiative „Keine Bildung ohne Medien!“ (KBoM) ,             29     das JFF-Institut für Medienpädagogik ,        30     das Deutsche Jugendinstitut (DJI) ,    31     die Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“, eine gemeinsame Initia- tive des BMFSFJ, der beiden öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sowie der 32 Programmzeitschrift TV SPIELFILM ,     das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) ,               33     Blickwechsel, Verein für Medien- und Kulturpädagogik, der aktiv Medienkompetenz- 34 programme an der Kita mitgestaltet . Beispiele zu Angeboten im Ausland sind:     die Initiative „MedienKindergarten“ des Wiener Bildungsservers                  35     die Aufklärungsangebote des Bundesamtes für Gesundheit in der Schweiz , der Leitfaden      36 des Berufsverbandes der Früherzieherinnen und Früherzieher der deutschen, räto- romanischen und italienischen Schweiz „Digitale Medien in der Heilpädagogischen 37 Früherziehung“ , 29    Initiative “Keine Bildung ohne Medien”, abrufbar unter: https://www.keine-bildung-ohne-medien.de/ (Stand: 21. August 2018). 30    Institut für Medienpädagogik, abrufbar unter: https://www.jff.de/jff/ (Stand: 21. August 2018). 31    Deutsches Jugendinstitut, zur Thematik Medien abrufbar unter: https://www.dji.de/themen/medien.html (Stand: 21. August 2018). 32    SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht, abrufbar unter: https://www.schau-hin.info/ (Stand: 21. August 2018). 33    Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet, abrufbar unter: https://www.divsi.de/ (Stand: 21. August 2018). 34    Blickwechsel, Verein Medien- und Kulturpädagogik, abrufbar unter: https://www.blickwechsel.org/ (Stand: 21. August 2018). 35    MedienKindergarten, abrufbar unter: http://medienkindergarten.wien/startseite/ (Stand: 21. August 2018). 36    Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Gesundheit, Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen, abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/mensch-gesundheit/kinder-jugendgesund- heit/medienkonsum-von-kindern-jugendlichen.html (Stand: 21. August 2018). 37    Berufsverband der Früherzieherinnen und Früherzieher der deutschen, rätoromanischen und italienischen Schweiz „Digitale Medien in der Heilpädagogischen Früherziehung“, Ein Lelitfaden für Umgang und Nutzung, abrufbar unter: http://www.frueherziehung.ch/uploads/1/7/9/4/17948117/leitfaden_digimedien.pdf (Stand: 21. August 2018).
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Wissenschaftliche Dienste                Sachstand                                                            Seite 13 WD 9 - 3000 - 050/18    die Angebote der National Association for the Education of Young Children (naeyc) sowie des Fred Rogers Center for early learning and children`s media at Saint Vincent College in 38 den Vereinigten Staaten von Amerika . 3.    Auswirkungen der Medienpräsenz und der Mediennutzung auf die Gesundheit von Kindern Anders als vielleicht von vielen Eltern vermutet, kommen Kinder oftmals ab ihrer Geburt mit Medien durch das familiäre Umfeld in Kontakt. Im Säuglingsalter werden Medien lediglich 39 registriert, sie stellen eine reine Reizquelle dar . Im Kleinkindalter von circa eineinhalb bis zwei Jahren werden Medien entdeckt. Kleinkinder wollen selbst aktiv werden. Sie werden insoweit auch stark davon beeinflusst, inwieweit ihnen die Mediennutzung durch die Eltern und Geschwister bisher vorgelebt worden ist. Ab dem Kindergartenalter werden Medien in den Alltag integriert. Kinder fangen an die Medien zu verstehen und ihre Botschaften zu entschlüsseln. Die Mediennutzung findet nun aus eigenem Antrieb statt. Im Grundschulalter werden Medien 40 bewusst zur eigenen Artikulation genutzt . Die frühkindliche Bildung in Bezug auf Medien erfolgt in insgesamt vier Schritten. In einem ersten Schritt werden Medien gehandhabt und genutzt. Danach werden sie verstanden und gestaltet. Ein neues Niveau eröffnet sich über die Kommunikation und Kooperation über Medien, wie das Skypen mit anderen Kindern. Auf der letzten Stufe findet eine ethische und ästhetische 41 Auseinandersetzung und Einordnung von Medien statt . Dabei muss immer bedacht werden, dass die Nutzbarkeit für Kinder vor dem Eintritt in der Grundschule aufgrund der fehlenden 42 Lese- und Schreibfähigkeiten nur eingeschränkt gegeben ist . Insofern ist auch anzunehmen, dass Medien allgemein einen Einfluss auf die frühkindliche gesundheitliche Entwicklung haben. Es wird vermutet, dass ein erhöhter Konsum von Medien die Entwicklung der Gehirnsysteme, die Informationen „scannen“ und Aufmerksamkeiten und 38    National Association for the Education of Young Children, abrufbar unter: https://www.naeyc.org/re- sources/topics/technology-and-media (Stand: 21. August 2018) sowie Fred Rogers Center for early learning and children`s media at Saint Vincent College http://www.fredrogerscenter.org/initiatives/digital-media-learn- ing/projects/ (Stand: 21. August 2018). 39    Theunert, Helga/ Demmler, Kathrin, (Interaktive) Medien im Leben Null- bis Sechsjähriger- Realitäten und Handlungsnotwendigkeiten, aus: Herzig, Bardo/Grafe, Silke: Digitale Medien in der Schule. Standortbestim- mung und Handlungsempfehlungen für die Zukunft. Studie zur Nutzung digitaler Medien in allgemeinbilden- denden Schulen in Deutschland, abrufbar unter: http://www.jff.de/dateien/Medien_im_Leben_Null-_bis_Sechs- jaehriger.pdf (Stand: 21. August. 2018). 40    Leopold, Marion/ Ullmann, Monika, Digitale Medien in der Kita, 2018, S. 30 ff. 41    Aufenanger, Stefan, Die Nutzung digitaler Medien in der frühen Kindheit – Chancen und Herausforderungen, 2016, abrufbar unter: http://www.jfs.bs.ch/dam/jcr:46d4f9a5-dc12-4610-b62a-b14735e87b6b/2015-11-05-digi- tale-medien-fruehe-kindheit.pdf (Stand: 21. August 2018). 42    Theunert, Helga/ Demmler, Kathrin, (Interaktive) Medien im Leben Null- bis Sechsjähriger- Realitäten und Handlungsnotwendigkeiten, abrufbar unter: http://www.jff.de/dateien/Medien_im_Leben_Null-_bis_Sechsjaeh- riger.pdf (Stand: 21. August. 2018).
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Wissenschaftliche Dienste                Sachstand                                                           Seite 14 WD 9 - 3000 - 050/18 Erfahrungen speichern, beeinflusst. Das Gehirn ist darauf programmiert, auf schnell aufeinander- folgende Bilder zu reagieren. Die externe Kontrolle der kindlichen Aufmerksamkeit steht damit in einem starken Kontrast zur internen Aufmerksamkeitskontrolle, welche bei einer eigen- ständigen Beschäftigung Voraussetzung ist. Durch erhöhten Medienkonsum kann die Gefahr des Auftretens von Aufmerksamkeitsstörungen steigen, auch die Gefahr von körperlicher Hyperakti- vität nimmt zu. Lern und Gedächtnisprozesse haben auch in den ersten Jahren einen Einfluss auf die Reifung emotionaler und moralischer Denk- und Verhaltenskonzepte. Auch spätere soziale Bindungen können möglicherweise durch starken Medienkonsum beeinflusst werden. Die Fähig- keit, sich auf eine Bezugsperson einzustellen, kann unter Umständen nur rudimentär entwickelt 43 werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die oben bereits erwähnte BLIKK-Studie. Danach werden signifikante Zusammenhänge zwischen einer erhöhten Dauer der Mediennutzung, z. B. eines Smartphones, und der Beobachtung von einzelnen von den Eltern beschriebenen Entwicklungs- auffälligkeiten wie der Sprachentwicklungsstörung, Hyperaktivität und Konzentrationsstörung 44 gesehen : „Jedoch kann basierend auf den bisherigen Analysen keine Aussage darüber getroffen werden, inwieweit die beobachteten Entwicklungsauffälligkeiten durch eine erhöhte Nutzung digitaler Medien bedingt sind oder aber bei bestehenden Entwicklungsstörungen elektronische Medien verstärkt in Anspruch genommen werden.“ (S. 7 des Abschlussberichts). Empfohlen wird in der Studie daher eine entsprechende „Ursachen-Wirkungs-Untersuchung“ in einer Längsschnittstudie. Weitere Erkenntnisse bleiben aus diesem Grund abzuwarten. Es lässt sich jedoch bereits jetzt feststellen, dass den gesundheitlichen Gefahren durch erhöhten Medienkonsum im Kleinkindal- tern, durch einen gestalterisch geprägten Umgang mit Medien entgegengewirkt werden kann. *** 43     Braun, Anna Katharina, Früh übt sich wer ein Meister werden will, Neurobiologie des kindlichen Lernens, in: Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (wiff) Expertisen, Heft 26, 2012, S. 27. 44     Institut für Medizinökonomie und medizinische Versorgungsforschung (IMÖV) und Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, Abschlussbericht der BLIKK-Studie, 2017, S. 47 ff, abrufbar unter: https://www.drogenbeauf- tragte.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Berichte/Abschlussbericht_BLIKK_Medien.pdf (Stand: 21. August 2018). Die Studie enthält eine umfassende Auswertung des Zusammenhanges von Medien- nutzung durch Eltern, Kinder und mögliche Auswirkungen auf die Kinder bis zur J1-Vorsorgeuntersuchung. Die Ergebnisse werden zusätzlich in Bezug zu anderen Studien gesetzt.
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