Politischer Halbjahresbericht Afghanistan - 1. Halbjahr 2021

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YS=NUR FÜR BEN DIENSTGERRAUCH :

Politischer Halkjahresbericht Afghanistan - Erstes Halbjahr 2021
Stand: Juli 2021

 

I Zusammenfassung

Innenpolitik

Unter dem Druck der militärischen Erfolge der Taliban und des bereits weit voran geschrittenen
Truppenabzugs der USA uad ihrer Verbüudeter bleibt die afghanische Innenpolitik
gekennzeichnet durch den Gegensatz zwischen einem sich imıner stärker von den Realitäten
des Landes abkapselnden Präsidenten Ashraf Ghani und den (Bigen-Interessen der übrigen
politischen Eliten, die eine stärkere Rolte in einer erhofften Übergangsregierung anstreben.

Friedensprozess: Seit Wiederaufnahme der Gespräche zum Jahresanfang ist der Prozess kaum
vorangekommen. Weder ein Zusammentreffen beider Seiten in Teheran, noch ein Mitte Juli
erfolgter Besuch hochrangiger Republik-Vertreter in Doha brachte greifbare Foitschritie.
Während im offiziellen Verhandlungsteain der Republik immerhin vier Frauen vertreten sind,
fiel deren Anteil in den verschiedenen ad hoc Formaten jeweils noch geringer aus.

Außenpolitik

 

Wirtschaft

Die afghanische Wirtschaft wurde von den Folgen der COVID-19-Pandemie (aktuell dritte und
bisher stärkste Welle) hart getroffen; die ohnehin sehr hohe Armutsrate ist weiter gestiegen.
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—VS-NUR FÜR-BEN-DIENSTGEBRAUCH-—

Deutsch-Afghanische Beziehungen i A War.?a

Besuch von BM Maas am 29. April als Zeichen der Kontinuität unseres politischen und zivilen
Engagements nach Abzugs der Bundeswehr. Fokus der bilateralen Beziehungen auf politischen
Prozess (v.a. Begleitung des Friedensprozesses), zweitgrößter bilateraler Geber mit bis zu 430
Miio. €, Entwicklungszusammenarbeit (bis zu 250 Mio: €), Stabilisierung und humanitäre Hilfe
(bis zu 180 Mio. €).

 

I. im Einzelnen

1. Innenpolitik
a. Regierung und Opposition, Parlament und Wahlen

Die Konflikte zwischen den verschiedenen Machtzentren um Präsident Ghani, seinem
Rivalen Abdullah Abdullah, dem chemaligen Präsidenten Karzai und anderen seit Jahrzehnten
im Land einflussreichen Persönlichkeiten bestehen fort, entgegen aller Bemühungen und
Aufrufe zur Geschlossenheit. Das Verhältnis zwischen Ghani und Abdullah hatte sich zuletzt
etwas erholt, zentrale Entscheidungen, wie die häufigen Postenneubesetzungen, traf Ghani
dennoch oftmals unabgesprochen und im Widerspruch zur politischen Vereinbarung beider
Lager. Auch andere wichtige Persönlichkeiten wie Usbekenführer Dostuni, Vertreter der
Minderheit der Hasara, : Atta Nour und das Parlament stieß Ghani
wiederholt vor den Kopf und isolierte sich politisch werter, fR Kt

   

       
 

 

Die Regierung wird mehr und mehr von einem kleinen Machtzirkel im Präsidentenpalast um
den nat. Sicherheitsberater Mohib und Leiter der Präsidialverwaltung Fazly dominiert und steht
auf tönernen Füßen. Viele Mitglieder der Führungselite des Landes wechseln je nach
Interessenlage fließend zwischen Regierungs- und Oppositionsrolle und suchen, sich für eine
neue Konstellation post-Ghani zu positionieren. Das Pariament erlangte nur kurzfristig
gewachsene innenpolitische Bedeutung, als es ien letzten Haushaltsentwurf zurückwies und
amtierenden Ministern die Bestätigung verweigerte.

b. Zivilgessilschaft und Menschenrzchisiage

Seit 2001 ist eine lebendige Zivilgeseilschaft herangewachsen, deren Vertreter:innen im
Friedensprozess nachdrücklich Errungenschaften im Bereich der Menschen- und
Bürger:innenrechte, insbesondere für Frauen und Mädchen, verteidigen und die substantielie
Einbeziehung aller Bevölkerungsteile fordern. Ihre gesellschaftliche Relevanz und
Entfaltungsmöglichkeiten werden allerding durch die Abhängigkeit von Gebermitteln,
Taieztflucht, Korruption, staatliche Einflussnahme und die Konzentration auf wenige
urbane Zentren beeinträchtigt. Eine restriktive Neufassung des gesetzlichen Rahmens für
Nichtregierungsorganisationen wurde nach heftigen Protesten der Betroffenen und der Geber
vertagt, aber nicht formal zurückgezogen oder substantiell revidiert.

Die Taliban, andere regierungsfeindliche Gruppierungen, aber auch regierungsnahe lokale
Machthaber bedrohen zudem Leib und Leben zivilgesellschaftlicher Akteure. Parallel mit der
Aufnahme der Friedensgespräche im vergangenen Jahr, stieg die Zahl der gezielten Tötungen.
Von Januar bis Ende Mai 2021 sollen mindestens fünf Menschenrechisverteidiger:innen
gezielten Tötungen zum Opfer gefallen sein. Auch die Minderheit der Hazara ist zuletzt
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wieder verstärkt unter Druck geraten und wird immer wieder Ziel von Angriffen und
Anschlägen.

-VS-- NUR FÜR-DEN DIENSTGEBRAUCH

Die afghanische Medieniandschaft besticht im regionalen Vergleich durch
Professionalität, Diversitäi und Unabhängigkeit. In den vergangenen Jahren mussten aber
auch Rückschritte hingenoinmen werden, etwa ein dramatischer Rückgang iu der Anzahl von
Jourmalistinnen. Das Büro des Generalstastsanwalts und mehrere Ministerien forderten zuletzt
eine Ausrichtung der medialen Berichterstattung über den Konflikt an den nationalen
Interessen der Republik. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben zudem
teilweise existenzberirchende finanzielle Schwierigkeiten vieler Medienhäuser verschärft.

Außerdem werden auch Journalistiinnen immer wieder zum Ziel von Anschlägen, die im
Jahr 2020 in mindesteus elf Fällen tödlich endeten. Das Afghanisian Journalists Safety
Committee machte für insgesamt 132 Übergriffe auf Journalist:innen in 2020 die Taliban und
den islamischen Staat in der Provinz Khorasan (ISKP), aber auch Regierungsverlteter,
religiöse Autoritäten und andere einflussreiche Menschen verantwortlich. Die Sorge vor einem
substantiellen Machizuwachs der Taliban bewegt eine steigende Zahl von Journalist:iunen,
ziviigesellschaftiichen Aktenren und anderen Verireter:innen dor gebildeten Mittelschicht, sich
um Aufenthaltstitel in den Ländern der Region oder insb. im westlichen Ausland zu bemühen.

Insgesamt klaffen auf den Gebiet der Menschenrechte die Überwiegend fortschrittliche
Rechtslage und die gelebie Realität weit auseinander. Die Rechtsdurchsetzung scheitert ofi
an Koriuption und/oder schwachen Kapazitäten der staatlichen Organe, Weite
Bevölkerungsteile wenden sich bei Rechiissireitigkeiten weiterhin an Ältestenräte oder andere
inoffizielle, traditionelle Instanzen. UN-Schätzungen: zufo!ge wird höchstens die Hälfte aller
Fälle von Gewalt gegen Frauen vor einem offiziellen Gericht entschiedeii.

*

& Korrupüsnsbekämpfung

Die aligegenwärtige Korruption bleibt neben der Sicherheitslage, Arbeitslosigkeit sowie dem
unzureichenden Zugang zu Grundversorgung (Wasser, Strom) eines der spürbarsten
Alltagsproblerne der Bevölkerung. Laut Corruption Perception Index der Organisation
Transparency International bleibt Afghanistan eines der korrmptesten Länder der Wek
(165/179 im Jahr 2020). Die Zivilgesellschaft beklagt eine „Kultur der Straflosigkeit“.
Maßnahmen gegen hochrangige Akteure wurden nur selektiv und offensichtlich politisch
motiviert ergriffen,

Die VN-Unterstützungsmission in Afghanistan (UNAMA) bemängelt weiterhin ein deutliches
Ahflauen des Reformwillens der Regierung. Zu den Kritikpunkten gehört das Auslaufen dex
Nationalen Anti-Korruptiousstrategie ohne Nachfolgedokument und eine andauernde unklare
Kompetenzverteilung der zahlreichen Insitutionen. Inaruwerhin wurde inzwischen die
Integration verschiedener separater Institutionen (Special Anti-Corruption Secretariat, Asset
Registration and Verification Authority, Monitoring and Evaluation Commission, Office of the
Omöudspersor) in die neu gebildete, sich weiterhin im Aufbau befindende Antikorruptions-
Kommission (ACC) beschlossen. Außerdem wurde der Entwurf einer vorläufigen
Einjahresstrategie für 2021 vorgestellt. Gleichzeitig aitestiert UNAMA der Regierung mehr
Transparenz bei der Budgetaufsteilung und Fortschritte bei der Durchsetzung von
Informationsfreiheit durch die ACC.

Das Antikorruptionsgeseiz bildet die Rechtsgrundlage für das Anti-Corruption Justice Center
(ACIC) und die ACC, welche gem. Art. 6 des Übereinkoinmesis der Vereinten Nationen gegen
Korruption tätig werden soll. Die Mitglieder für die ACC wurden nach langer Verzögerung
Ende November 2020 auf Vorschlag des Präsidenten ernannt, wenn auch die Zivil gesellschaft

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mai:gelnde Einbinduug in den Auswahlprozess kritisiert hat: Die personelle Ausstattung der
ACC ist bewilligt, aber die Einstellung der Mitarbeiter:innen noch in ihrer Anfangsphase.

Die Überarbeitung des Gesetzes zur Liusetzing des Supreme Audit Office (SAO) wurde
weiterhin nicht in Angriff genomimen. Das SAO soll sicherstellen, dass mit öffentlichen Mitteln
in transparenter Weise und im Einklang mit internationalen Standards umgegangen wird.

2. Frieden und Versöhnung

Die Entscheidung der U34 und ihrer Verbündeten zum Abzug der verbleibenden
Soldaten kam für das poiitische Kabul überraschend. Die deutsche Beteiligung an der Resolute
Support Mission (RSM) wurde mit dem Abschluss der Rückverlegung des
Bundeswehrkontingenis am 30. Juni beendet. Auch die Rückverlegung der verbleibenden
NATO-Kräfte steht unmittelbar bevor. Die politische Elite löst sich nur langsam aus der
dadurch verursachten Schockstarre. Nach mehrmonatiger Verhandlungspause wurden die
Friedensgespräche in Doha im Juni forrnal wiederaufgenommen, rasche substantielle
Fortschritte sind angesichts der Geländegewinne der Taliban zunehmend unwahrscheinlich.

Die Taliban bestehen weiterhin auf der Erfüllung aes zwischen ihnen und den USA
geschlossenen Abkommens (das ohne Beteiligung der afghanischen Regierung zustande kam),
die „noch offenen Punkte“ sind die Freilassung der restlichen eiwa 7.000 Gefangenen und die
Aufhebung der Sanktionen gegen sie.

Mit der ersten, konstituierenden Sitzung des Hohen Rats für Nationale Versöhnung (High
Council for National Reconciliation, HCNR) am 5. Dezember 2020 wurde das Forum
geschaffen, weiches die Richtung im Friedensprozess vorgeben und Weisungen an das
Verhandlungsteam erteilen soll. Diesem Anspruch konnte dor Rat unter Führung des
Vorsitzenden Abduilah bisher nur eingeschränkt gerecht werden. Eine Ende Mai lancierte
Initiative mehrerer Oppositiousfiguren (Sayyaf, Karzai) zur Gründung eines alle pelitischen
Lager vereinenden „Xloken Staatsrat“ verhef sich, nachdem Karzai seine Unterstützung
entzogen hatte,

3. Sicherheit
a. Sicherheitslage

Die afghanischen Sicherkeitskrätte (Afehen National Defence und Security Forces,
ANDSR) kontrollieren die meisten urbanen Zentren, jedoch inzwischen weniger als die Hälfte
der Fläche des Landes. Unter Verweis auf das US-Taliban-Abkommen verzichten die Taliban
seit 29. Februar 2020 aut Angriffe gegen internationale Vertreter und Truppen, führen dafür
jedoch umso mehr Angriffe gegen die afghanischen Sicherheitskräfte durch. Dabei verfulgen
sie insbesondere eine Strategie der Einkreisung von Provinzzentren und Unterbrechung
‚von Verkehrsadern, um die ANDSF in den Zentren zu isolieren und Nachschub von Material
sowie Personal zu unterbinden.

Die ANDSF zeigten sich in der Vergangenheit oft nicht in der Lage, ohne US-Unterstützung
diesen Offensiven Einhalt zu gebieten. Auch der Wegfall internationaler Berater der RSM in
Verteidigungs- und Innenininisterium im Rahmen des NATO-Abzuges wirkt sich negativ auf
die Einsatzfähigkeit der ANDSF aus. Die effektivsten Elemente der ANDSF sind die Luftwaffe
und die Spezialeinheiten; beide sind jedoch durch zu viele Einsätze überdehnt und die
regulären Bodenstreitixräfte nicht in der Lage, nachhaltige Gegenoffensiven zu fahren.
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Die Taliban konnten im ersten Halbjahr 2021 an die Gebietsgewinne aus 2020 anknüpfen.
Eine mit vergangenen Jahren vergleichbare Reduzierung der Kämpfe fand im Winter 2020/21
nicht statt, sie gingen auf hohem Niveau weiter und nahtlos in eine nicht offiziell verkündete,
aber faktisch vorhandene Frühjahrsoffensive MEN an:
über. Dieses hohe Niveau wurde auch nach der kurzen Eid- al-Fitr-Feuerpause im Mai wieder
aufgenommen. Seit Beginn des RS-Abzuges Anfang Mai 2021 konnten die Taliban über 100
Distrikte endgültig unter ihre Kontrolle bringen, nachdem sie diese in der Fläche, mit.
Ausnahme des Distriktzentrums, oder'eines letzten ANDSF Stützpunkts, oftmals bereits zuvor
kontroilierten. Dabei ist ein strategischer Fokus auf Verkehrsknotenpunkten, u.a. in
unmittelbarer Nähe zur Hauptstadt Kabul, sowie wichtige Grenzübergänge zu erkennen.

  

  

 

Der Isiamische Staat in der Provinz Kherasan (ISPK) ist in einigen Distrikten einflussreich,
(Nangarhar, Kunar, Laghman), besitzt aber keine offene Kontrolle. Jedoch ist er weiterhin zu
medienwirksamen Anschlägen fähig, zuletzt insbesondere eine Welle der Gewalt gegen die
schiitische Hazara-Minderheit, u.a. ein Anschlag gegen eine Mädchenschule mit rund 100
Todesopfern und weitere Anschläge in mehrheitlich von Hazara bevölkerten Bezirken Kabuls.

Die Zahl der Anschläge durch die Talivan, ISKP und andere terroristische
Gruppierungen bleibt trotz kurzer Unterbrechung um und nach den Eid- al-F itr-Feiertagen mit
in der Regel einem Anschlag pro Tag in Kabui sehr hoch. Hierzu gehörten neben
Sprengstoffanschlägen auch zahlreiche gezielte Tötungen durch Schusswaffen oder
improvisierte Sprengsätze insbesondere von Mitgliedern der ANDSF und staatlicher Stellen,
aber auch wiederholt von Journalist:innen und Menschenrechtter:innen.

b. Aufbau von Polizei end Armee

Nach der von der NATO-RSM in Zusammenarbeit mit den afghanischen Sicherheitsministerien
entwickelten Roadmap zur Reform der ANDSKF soll die Leistungsfähigkeit der ANDSF u.a.
durch eine Stärkung der Spezial- und Luftstreitkräfte sowie eine klarere Trennung der Rollen
von Polizei und Armee erhöht werden. Die Afghan National Police (ANP) bleibt jedoch weiter
paramilitärisch geprägt, steht zu großen Teilen an der Front des Kampfes gegen die Taliban
und erleidet ca, zwei Drittel der gesamten ANDSF-Verluste.

Die notorisch ineffektive und häufig korrupte Afghan Local Police (ALP) wurde formell zu
Ende 2020 aufgelöst, ihre Mitglieder teilweise entlassen, teilweise in die reguläre afghanische
Polizei (ANP) und einer den regulären Streitkräften (ANA) unterstellten „Territoriai Force"
überführt. In vielen Fällen führen ALP-Kommandeure ihre Einheiten jedoch faktisch unter
neuer Bezeichnung fort. Zuletzt verkündete Präsident Ghani ihre offizielle Reaktivierung. -

Die Finanzierung der ANDST erfolgt über drei Fonds: Der größte ist der Afghanistar
Security Forces Fund (ASEF), in den ausschließlich die USA einzahlen. Daneben besteht der
NATO Ayghan National Army Trust Fund (ANATEF), in dem Deutschland mit Jährlich 80
Mio. EUR größter Geber ist. Die Durchführung konkreter Projekte wurde 2020 und 2021
fortgesetzt, jedoch ist die Konzeption und Umsetzung von Projekten nach Abzug der RSM
noch mit vielen Fragezeichen behaftet.

Schließlich finanzieren ausländische Geber über den Law and Order Trust Fund A ghanistan
(LOTFA) die Polizeigehälter und Projekte in den drei Gebieten Sicherheit, Justiz und Anti-
Korruption. 2020 trug Deutschland 62,5 Mio. EUR zum LOTFA bei, 2021 ist ein Beitrag auf
ähnlichem Niveau geplant.

Im Polizeibereich sind viele Staaten auch bilateral engagiert. Das deutsche Engagement wurde
durch den Abzug des German Police Project Team (GPPT) Ende April 2021 stark reduziert,
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VS eingestuft
da zahlreiche Beratungs- sowie Aus- und Fortbildungsektivitäten eingestellt wurden. Weiterhin
verbleiben das nahezu landesweit implerrentierte GIZ-Alskaberisieruagspregramm für
afgnanische Polizist:innen sowie das GIZ-Programm Community Policing, welches zu einer
besseren Zusammenarbeit zwischen dei Polizei und der Bevölkerung beiträgt.

-VS--NUR- FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH- Fassung nicht als manır

4, Außenpolitik
2. Beziehungen zu Deutschland

Deutschland genielst in Afghanistan ein ausgezeichnetes, historisch gewachsenes Änseben
und wird im Gegensatz zu anderen internationalen Akteures nicht der Verfolgung von
Eigeninieressen verdächtigt. Im zivilen Bereich ist Deutschland zweitgrößter bilateraier Geber.
Der Abzug der Bundeswehr führte zur Übergabe des Camp Marmal Ende Juri und der
Sekließung des Generalkonsulats in Masar-e-Sbarit Kade Mai, Dieser Rückgang in unserer
Präsenz wurde in der afghanischen Öffentlichkeit überlagert durch die Sorgen angesichts der
Yaliban-Offensive und des Rückzuges nahezu aller west}ichen Truppeit. Gegenüber den
afghanischen Partnern unterstreichen wir die Kontinuität unseres zivilen Engagements, u.a.
anlässlich des Besuchs von FM Maas am 29. April.

b. Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft

Einc herausgehobene Stellung und Rolle spielen für Afghanistan die Sonderbeziehungen zu
den USA, die auch nach dem Abzug ihrer Truppen größter bilateraier Geber bleiben werden.
Im militärischen Bereich wird sich die Beziehung wandeln, die konkreis Ausgestaltung ist noch
im Fluss. Sowohl für die humanitäre Lage und die zivite Entwicklung, ais auch die
Unterstützung der Sicherheitskräfte bleibt die finanzielle Unterstützung der USA von
erheblicher Bedeutwag.

Regionale Zusammenarbeit sowohl in Wirtschaft, Knergie und Ursusport, als auch zu
politischen und sicherlieitspolitischen Kragen spielt eine wachsende Rolle. Dies unterstreicht
eine Reihe regionaler Kouferenz, von der Iinde März 2021 stattgefunderen Ministerkorferenz
ces lIeart of Asia --Istanbul-Prozess in Duschanbe, Tadschikistan zum regienaler
Kornektivitätsforum Mitte Juli in Taschkent, Usbekistan.

© Beziehungen zu den Stasten der Region

   

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5. Wirtschaftspelitik

2. Wirtschaftliche Lage

Afghanistan bleibt bis auf weiteres von Mitteln ausländischer Geber (ca. drei Viertel der
öffentlichen Ausgaben) abhängig. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt von wenig produktiver
Subsistenzlandwirtschaft. Die COVID-19-Pandemie führte 2020 zu einem deutlichen:
Rückgang des BIP. Auch bei Grundnahrungstnitteln ist die Außenhandelsbilanz negativ.

Angesichts eines Rückgangs der Stevereinnaksten um etwa ein Drittel und der Exporte um
eiwa ein Viertel stieg das Ilaushaltsdefizit bereits 2020 stark an. Durch der Verlust wichtiger
Grenzübergänge (inkl. der dort einzutreibenden Zolleiimahnen) sind die Steuereinnahmen in
den letzten Wochen weiter gefallen, Mit einer schnellen Erholung ist angesichts des sich
verschärfenden bewaffneten Konflikts nicht zu rechnen.

Die für ein stabiles Wirtschaftswachstum benötigten nachhaltigen Investitionen (etwa in
Verkehrs-, Energie-, Wasser- und I.andwirtschaftsinfrastruktur) würden einen Grad an

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Stabilität erfordern, der aufgrund des hohen Gewaiiniveaus, der großen Unsicherheiten und der
strukturellen Schwäche des afghanischen Staates derzeit nicht gegeben ist.

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D. Wiederauibau, Entwicklung und Stabilisierung, Humanitäre Bille

Afghanistan verliarıt mit Rang 169 von 189 weiter am unteren Ende des Human Development
Index. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, wobei der Anteil
sich in Folge der COVID-19-Pandemie weiter erhöht hat. Dem Amt der Vereinten Nationen für
die Koordinierung humanitärer Angelegenkeiten (UN OCHA) zufolge sind derzeit 18 Mio.
Wierschen anf humanitäre Hilfe angewiesen — das ist in etwa die Hälfte der Bevölkerung.

Auf der virtuellen Genfer Afghianisian-Konferenz am 23/24. November 2020 erneuerte die
internationale Stäaaiengemeinschaft ihre Unterstützungszusage für Aighanistan. Die Geber
sagten für den Vierjahreszeitraum 2021-2024 insgesamt an Bedingungen geknüpfte
Unterstützung von ca. 13 Mrd. USD zu. Deutschland allein stellte für 2021 bis zu 430 Mio.
EUR und bis 2024 ein etwa gleichbleibendes Unterstützungsniveau in Aussicht. Bedingungen
für die fortgesetzte Unterstützung Deutschlands und der Gebergemeinschaft iegt das mit der
afghanischen Regierung vereinbarte Fartnerschafisäbereinkommen (Afghanisian
Parinership Framework, APF) lest. Ein signifikanter Teil der deutschen Unterstützung (u.a.
die Mittel für den Afghanistan Reconstruction Trust Fund ARTY) knüpft die Bundesregierung
. an Fortschritte bei der Umsetzung der in Genf vereinbarten Reformagenda in den Bereichen
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung.

Die Gesamtzusage für die bilaterale staatliche Entwicklungszusammonarbeit belief sich 2020
auf bis zu 240 Mio. EUR. Für das laufende Jahr sind Zusagen in ähnlicher Höhe vorgesehen.
Die Gesamtzusage des Auswärtigen Amtes belief sich 2020 auf bis zu 180 Mio. EUR.

Deutschland fokussiert seine Entwicklungs- und Stabilisierungsmaßnahmen u.a. in den
Bereichen nachhaltige Wirtschaftsentwickkung, Förderung guter Regierungsführung,
Verbesserung der Energie- und Wassarversorgung, Gesundheitsversorgung,
Rechtsstaatsförderung, Unterstützung des politischen und Friedensprozesses, Polizeiaufbau und
Stärkung der Zivilgesellschaä. Rogionaler Schwerpunkt des deutschen Engagements bleiben
b.a.w. die neun Nordprovinzen sowie die Hauptstadt Kabul. GIZ und KfW passen ihren
Umsetzungsmodus an die sich zuletzt dynamisch verschlechternde Sicherheitslage an und sind
weiter mit internationalem und nationalem Personal in Afghanistan präsent, mussten allerding
zuletzt Personal aus den umkämpften Nordprovinzen evakuieren.

Für 2021 wird als Folge der COVID-19-Paudeinie und einer Dürre aufgrund eines milden
Winters und geringer Regenfälle von VN-Organisationen (u.a. IOM) davon ausgegangen, dass
knapp 60 Prozent der Bevölkerung auf kumanitäre Rilfe angewiesen sein wird. Weiterhin
werden 93 Prozent der afghanischen Bevölkerung von weniger als 2 USD pro Tag leben.

Zum Ende des dritten Quartals 2020 konnte nur etwa die Hälfte der 14 Mio. Bedürftigen
unterstützt werden, der Finanzbedarf von 1,1 Mrd. USD an Humanitärer Hilfe wurde zu
weniger als 40 Prozent gedeckt. VN und das afghanische Finanzministerium veröffentlichten
Mitte Juli einen gemeinsamen Hilisaufruf und veranschlagten einen zusätzlichen Bedarf von
bis zu 250 Mio. USD in der Entwicklungszusarnmenarbeit und 963 Mio. USD in humanitärer
Hilfe. Die Bundesregierung plant für 2021 das Vorjahresniveau ihrer Humanitären Hilfe i.H.v.
ca. 20 Mio. EUR zu erhöhen. Hinzu kommen globale Beiträge an intern. Organisationen.

Laut offiziellen Zahlen wurde im Juli die Schwelle von 140.000 an COVID-19-Erkrankter
überschritten, mehr als 6.900 Menschen sind an oder mit dein Virus gestorben. Die
Kombination aus niedrigen Testzahien, einer meistens zweistelligen Positivrate und einen im
globalen Vergleich iohem Anteil kritischer Verläufe spricht allerdings für eine sehr hohe
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Durkelziifer. Die Delia-Variante wird für eine seit April zu beobachtende dritte Welle
verantwortlich gemacht, mit doppelt so hohen Inzidenzen wie in den ersten beiden Wellen.
Afghanistan erhielt bisher etwas mehr als 3 Mio. Impfdosen aus Indien (500.000 als Spende
und 468,000 durch Covax), China (709.000) und den USA (1,5 Mio. Johnson & Johnson via
Covax).

Polio ist weiterhin in Afghanistan endemisch. Nach 56 endemischen Poliofällen in 2020 wurde
in indiesemn £ Jalır bisher erst eine einzige auf die endemisch zirkulierende Variante zurückgehende
Poliverkrankung geniellet. Die Dunkelzifier dürfte deutlich höher liegen. Die
Immunisierungskampagne ist durch die COVID-19-Pandemie und Sicherkeitsvorfälle wie die
Tötung dreier weiblicher Kampagnenmitarbeiterinnen im April in Verzug geraten.

c. Umwek und Energiepolitik

Alghanistan ist eines der am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels
betroffenen Länder weltweit. Bereits jetzt treffen Dürreperioden, kurzzeitige exireme
Niederschläge und Überflutungen regelmäßig weite Teile der Bevölkerung; so führten die
Auswirkungen von La Nifia- ünterdurchschnittliche Regen- und Schneefälle -- in der ersten
Jahreshälfte 2021 zu einer Dürre und einem Rückgang in der landwirtschaftlichen Produktion.

Am 22. Juni verkündete Staatspräsideiit Ghani bei 160 von 401 betroffenen Distrikten den
Dürrezustand; damit sind 40 Prozent des ] andes von der Dürre betroffen. Zu den Folgen zählen
große Ernteausfälle De! Weizen und Reis; gieichzeitig sterben und erkranken Tiere in der
Viehzucht. Prognosen zufolge (u.a. von UNEF) wird Afghanistan künftig noch stärker von
extremen Wetterereignissen betroffen sein.

Bei der Produktion von Strorn verfolgt Afghanistan das ambitionierte Ziel einer vollständigen
Unisiellung auf erzeuerbare Energien. Bei steigender Nachfrage nach Energie sind die
Erzeugungskapazitäten allerdings weiterhin ungenügend. Weiterhin ist Afghanistan von
importiertem Strom (insbes. aus Zentralasien) abhängig. Übertragungsleitungen sind in
Einzelfällen Zerstörungen durch IS-PK ausgesetzt.

Eine nationale Nachhaitigkeitspolitik oder regionenübergreifende Umweltkoordination existiert
nicht bzw. nur in unzureichendem Maße, seit Anfang 2020 ist Afghanistan Mitglied der durch
das Auswärtige Arnt ins Leben gerifene Green Central Asia Initiative.

& Migration

Afghanische Staatsbürger:innen sind nach Menschen aus Syrien und Venezuela die drittgrößte
Flüchtlingsgruppe der Welt, Die Hauptmigrationsursachen, konfliktbedingte Unsicherheit
und wirtschaftiiche Perspektivlosigkeit, haben in dei: vergangenen Monaten weiter
zugenommen. ‚Mehr als 110.600 Binnenvertriebene mussten aufgrund der anhaltenden Gewalt
im ersten Quartal 2021 in einem anderen Landesteil Schutz suchen.

Von den etwa 3 Mio. in Pakistan lebenden afghanischen Staatsangehörigen verfügen etwas
mehr als 1,4 Mio. über einen Flüchtlingsstatus und werden vom UNIICR betreut, weitere ca.
750.000 sind zumindest offiziell registriert und Inhaber einer sog. Afghan Citizen Card. Hinzu
kommen bis zu 759.000 statuslose Afghanen. Im ersten Quarta! 2021 unterstützte UNHCR 134
afghanische Geflüchtete bei ihrer freiwilligen Rückkehr aus Pakistan. Außerdem kehrten bis
Ende April rund 4.509 Afghanen ohne Flüchktlingsstatus nach Afglıanistan zurück.
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VS- NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH

In Tran halten sich 2,5 bis 3,5 Mio. afghanische Staatsangehörige auf, davon knapp I Mio.
UNHCR -registrierte Geflüchtste, knanp 500.000 afghanische Staatsbürger:innen mit
Aufenthaltserlaubnis und weitere 1,5 bis 2 Mio. ohne Aufenthaltsstatus. Für Letztere haben
sich die Perspektiven auf dem durch COVID-19 und die US-Sanktionen schwer gebeutelten
Arbeitsmarkt stark verschlechtert. Das Migrationsministerium zählte bis Anfang Juli mehr als
620.000 afghanische Rückkehrer:innen aus dem Iran, über die Hälfte davon unfreiwillig.

Es wird angenommen, däss afghanische nach syrischen Staatsangehörigen die zweitgrößte
Flüchilingspopulation ia der Türkei darstellen. Allein in Istanbul wird die Zahl auf 130.600
bis 200.000 Menschen geschätzt. Im ersten Quartal 2021 sind laut IOM Angaben über 6.000
afghanische Staatsangehörige aus der Türkei zurückgeführt worden.

Von den insgesamt fast 40.000 in den ersten vier Monaten des Jahres registrierten
Asylsuchenden in Deutschland bildeten div eiwa 4.999 afghanischen Staatangehörigen die
zweitgrößte Gruppe. In Deutschland halten sich aktuell ca. 280.000 Afghanen auf, von denen
gut ein Zehntel ausreisepflichtig sind. Diese etwa 30.000 ausreisepflichtigen Afghan:innen
bilden aktuell die größte Gruppe der Ausreisepflichtigen in Deutschlaud.

In der ersten Jahreshälfte wurden 140 afghanische Staatsangehörigen mit fünf Flügen aus
Deutschland zurückgeführt. Anfang Juli kündigte das Ministerium für Flüchtlinge und
Rückführung (MoRR) einen Abschiebestopp für drei Monate an. Die Verschlechterung der
Sicherheitslage sowie die dritte COVID-19-"Welle" werden als Haupteründe für die vorläufige
Suspendierung angeführt. Zudem sei die Durchführung von Rückführungen nach AFG vor dem
Hintergrund steigender IDP-Zahlen „unangemessen“

7. Bildung und Kuliur

Die Bevölkerungsstruktur Afghanistans ist eine der weltweit Jüngsten. Dabei können weit mehr
als die liälfte der Menschen im Land, vor allem in !änd)ich geprägten Gebieten, weder lesen
noch schreiben. Der noch immer unzureichend entwickelte Hochschuibereich ist in den
vergangenen 20 Jahren gleichwchl um mehr als das zehntache gewachsen, auch durch deutsche
Unterstützung im Bildungssektor. Aktuell lernen mehr als ein Prozent der Schäler:innen
Deutsch (ca. 11.000, allerdings überwiegend auf niedrigem Niveau angesichts Jes Fehlens
qualifizierter Lehrkräfte), außerdem gut 800 Studierende an drei Hochschulen.

Das Goethe-Institut ist unter dem Eindruck der schlechten Sicherheitslage seit Ende 2019
nicht mehr im Land vertreten. Die Konrad-Adenauer-Stiftung verlagert das Afghanistan-Büro
im Sommer 2021 nach Taschkent, Friedrich-Ebert-Stiftung und Beinrich-Böll-Stittung
unterstützen weiter Projekte im Land über ihre Regionalbüros.

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