14_11_20_Gutachten_Prof_Riedel_Nicht-EU-Auslaender

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „An NRW übermittelte Daten zu Studiengebühren

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Staatsangehörigen in Frage, die sich bereits ausschließlich zu Studienzwecken im Inland befinden. Vor diesem Hintergrund ist an dieser Stelle grundlegend festzuhalten, dass die rechtlichen Untersuchungen der folgenden Teile B. bis D. Personen mit hinreichendem Territorialbezug nicht betreffen, das heißt Personen, die sich im Bundesgebiet aufhalten sowie im Ausland befindliche Personen mit sonstigem hinreichenden Inlandsbezug (jenseits eines Familiennachzugsrecht). 10
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B. Vereinbarkeit selektiver Studiengebühren mit universellem Völkerrecht I. Allgemeines Völkerrecht Das Völkerrecht geht grundsatzlich, wie es Artikel 2 Abs.1 der Charta der Vereinten Nationen (UN Charta) formuliert, nach wie vor vom Souveränitätsprinzip aus, gestützt auf Staatsgebiet, Staatsgewalt und Staatsvolk, und flankiert diesen Grundsatz mit dem Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des Staates (Artikel 2 Abs.7 UN Charta), wobei sich allerdings eine Reihe von Ausnahmen in der Praxis der Staaten herausgebildet haben. Das gilt vor allem für Maßnahmen des Weltsicherheitsrates und für individuelle und kollektive Selbstverteidigung. Daneben wird das Nichteinmischungsprinzip aber zunehmend auch bei groben und massiven Menschenrechtsverletzungen durchbrochen, indem der Wortlaut des Artikels 2 Abs.7 UN Charta evolutiv ausgelegt wird; heißt es dort zum Beispiel „Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zu den inneren Angelegenheiten des Staates gehören", so wird dies inzwischen so verstanden, dass massive Menschenrechtsverletzungen nicht länger als innere Angelegenheiten angesehen werden können, sondern die Staatengemeinschaft insgesamt betreffen. Diktaturen und eine Reihe großer Staaten in Asien sehen dies allerdings anders. Grund und Grenze des Staates sind dementsprechend die auf seinem Territorium befindlichen Menschen, die seiner Rechtsordnung unterliegen. Ausländer unterfallen dem innerstaatlichen Recht, sobald sie sich auf dem Gebiet des Staates befinden. Grundrechte können Ausländer deshalb auch nur dann geltend machen, wenn ein Territorialbezug mit dem Aufnahmestaat gegeben ist oder völkervertragliche Sonderregelungen greifen, worauf im Folgenden ausführlich einzugehen ist. Eine Ausnahme bildet die sogenannte extraterritoriale Geltung der Grundrechte, durch welche die deutsche Rechtsordnung die Beachtung der Grundrechte im Ausland gebietet, sofern ein Personal- und Hoheitsbezug konstatiert werden kann Deutsche Staatsangehörige, die im Ausland Hoheitsakte in Drittstaaten vornehmen, etwa durch Auslandsvertretungen oder auf Schiffen unter deutscher Flagge, oder Militärpersonal im Auslandseinsatz, können für ihre Handlungen vor deutschen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie gegen Grundrechte verstoßen. Bundeswehrangehorige, die etwa in Afghanistan Dienst leisten, unterliegen weiterhin dem Geltungsanspruch des Grundgesetzes. ii
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Der umgekehrte Fall, dass ein Ausländer im Ausland sich auf Grundrechte berufen möchte, wird davon aber nicht erfasst. Insoweit gilt grundsätzlich im Völkerrecht, dass der Staat sich auf die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt stützt und dadurch ein Solidaritätsband zwischen ihm und seinen Bürgern entsteht, für welches das Territorialitätsprinzip und das Personalitätsprinzip über die Staatsangehörigkeit den Umfang bestimmt. Hieraus folgt, dass Nicht-EU-/EWR-Staatsangehörige vom Ausland aus dem Grunde nach keinen völkerrechtlichen Anspruch auf einen Studienplatz in der Bundesrepublik Deutschland haben, es sei denn, völken/ertragliche, völkergewohnheitsrechtliche Regeln oder allgemeine Rechtsgrundsätze räumen diesen Ausländern Grund- und Menschenrechtspositionen ein. Es gilt also grundsätzlich, dass Ausländer, die außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes leben, sich normalerweise nicht gegenüber deutschen Behörden auf die Grundrechte und Menschenrechte berufen können. Es fehlt insoweit an einer Herrschafts- und Abhängigkeitsbeziehung, die für den Ausländer stattdessen zu dem Heimatstaat besteht16. Anderes gilt nur, wenn Ausländer im Ausland deutschen Hoheitsakten unterliegen, etwa Visa-Anträge bei deutschen Auslandsvertretungen beantragen. Der Territorialbezug für die Geltung von deutschen Hoheitsakten findet insofern eine Ausnahme17. Ausländer können sich jedoch auf die Grund- und Menschenrechte gegenüber der deutschen Staatsgewalt berufen, sofern ein Territorialbezug hergestellt werden kann - etwa wenn ein Ausländer Grundeigentum im Inland erwirbt, oder Familiennachzug, gestützt auf Artikel 6 GG, begehrt und ein Familienmitglied bereits in Deutschland eine Aufenthaltsberechtigung besitzt.18 Dies eröffnet zumindest einen prozessualen Prüfungsanspruch, unterliegt aber innerstaatlichen Regelungen und Ermessensausübung. Aber auch in solchen Fällen bedarf es eines zumindest abgeleiteten Territorialitätsbezuges, um Zugang zum deutschen Rechtsweg zu erlangen. 16 Vgl. bereits J. Isensee, Grundrechtsverletzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausubung, in' J. Isensee/P Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 1992, Band V, § 115, Rn. 87. 17 Isensee, Fn.16, Rn.87; ahnlich H. Quantsch, Der grundrechtliche Status der Ausländer, in J Isensee/P Kirchhof (Hrsg), Fn 16, § 120, Rn 76. 18 Vgl bereits oben die Ausfuhrungen im Teil A. 12
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Das moderne Völkerrecht macht von dieser Souveränitätsgeleiteten Grundposition jedoch Ausnahmen. In erster Linie sind das universelle Menschenrechtsnormierungen, die das freie Schalten und Walten der Staaten letztlich doch erheblich einschränken und gegebenenfalls sogar völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit auslösen können. Aus dem völkerrechtlichen Fremdenrecht ergibt sich deshalb zunächst, dass die Staaten bei der Ausgestaltung der innerstaatlichen Rechtslage grundsätzlich frei sind19. Doch müssen die Staaten die Grenzen beachten, die sich aus bi- oder multilateralen Freundschafts-, Handels¬ und Schifffahrtsverträgen, aus Menschenrechtsverträgen oder aus Völkergewohnheitsrecht ergeben. Ausländern ist dadurch in jedem Falle ein völkergewohnheitsrechtlicher Mindeststandard an Rechten zu gewähren20. Allerdings besteht im Schrifttum keineswegs Einmütigkeit über die genaue Reichweite des völkergewohnheitsrechtlichen Mindeststandards, der Ausländern zu gewährleisten ist. Die herrschende Lehre rechnet dazu jedoch folgende Prinzipien: - Jeder Ausländer ist ein Rechtssubjekt; - Ausländer können im Inland grundsätzlich Privatrechte erlangen; - Rechtmäßig erworbene Privatrechte der Ausländer (acquired rights/ droits acquis) sind zu achten; - Der innerstaatliche Rechtsweg steht ihnen offen; - Verhaftungen dürfen nur bei ernsthaftem Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung vorgenommen werden; - Grundsätzlich sind Leben, Freiheit, Eigentum und Ehre des Ausländers zu schützen; - Es besteht jedoch kein Anspruch auf politische Rechte, noch auf die Ausübung bestimmter Berufe."21 Nicht erfasst wird durch diesen Mindeststandard der Ausländerbehandlung ein Recht auf Bildung, speziell auf Zugang zur tertiären Ausbildung. Das könnte nur durch 19 K. Hailbronner, in W. Graf Vitzthum (Hrsg ), Völkerrecht, 3 Aufl Berlin 2004, 226f.; siehe auch J Delbrück, in G Dahm/J. Delbruck/R. Wolfrum (Hrsg), Völkerrecht Band I/2, 2. Aufl. Berlin 2002, 118 ff 20 Hailbronner, Fn.19, 226f, Delbrück, Fn.19, 118f, K. Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd 111/1, München 1988 § 70, 1036; K. Ipsen, Volkerrecht, 5 Aufl. München 2004, 811ff, Rz 5-9, D Vagts, Minimum Standards, in Max Planck Encyclopedia of International Law (MPEPIL) Band 8, 382ff, I Brownhe, Principles of Public International Law, 6. Aufl. Oxford 2003, 501ff 21 Stern, Fn 20, 1036, A Randelzhofer, Der Einfluß des Völker- und Europarechts auf das deutsche Auslanderrecht, Berlin 1980, 20 13
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völkervertragliche Regelungen erreicht werden. Außerdem gehen fast alle Kommentatoren davon aus, dass dieser fremdenrechtliche Mindeststandard sich ausschließlich auf Ausländer bezieht, die sich bereits auf dem Territorium des Empfängerstaates befinden. Wie Jost Delbrück überzeugend dargelegt hat, gehört zu diesem Mindeststandard auch die aus der Menschenwürde abgeleitete Deckung des existenziellen Lebensbedarfes. Den Ausländern müssen deshalb auch die Benutzung der staatlichen Wohlfahrtseinrichtungen und Versorgungsmittel, wie auch die einfachsten Bildungsinstitutionen in gleicher Weise wie eigenen Staatsangehörigen offen stehen22. Dies folgt jedoch nicht aus dem Mindeststandard, sondern primär aus den völkervertraglichen und menschenrechtlichen Normierungen. Der Mindeststandard bezieht sich im Übrigen auch nur auf zugelassene Ausländer im Inland. Ein Recht auf Einreise und Aufenthalt kann nicht darauf gestützt werden. Im allgemeinen Völkerrecht hat sich trotz Artikel 14 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 auch kein universales Recht auf Asyl mit Pflicht zur Gewährung von Asyl durchgesetzt, sondern nur die Befugnis des Staates, Asyl gegebenenfalls zu gewähren23. Verschiedenste Kodifikationsvorhaben zum völkerrechtlichen Asylrecht sind bislang stets gescheitert. Damit kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass für Nicht-EU/EWR- Ausländer ohne gefestigten Inlandsbezug nach allgemeinem Völkerrecht grundsätzlich kein einklagbarer Anspruch auf Zugang zu deutschen Bildungseinrichtungen erhoben werden kann. II. Völkervertragsrecht Zu prüfen bleibt, ob selektive Studiengebühren nach Völkervertragsrecht eine andere Regelung erfahren. In Betracht kommen dafür vor allem multilaterale Menschenrechtsverträge, aber auch bilaterale zwischenstaatliche Abkommen. 22 Vgl. Delbrück, Fn.19, 119 23 A Verdross/B Simma, Universelles Völkerrecht, 3.Aufl. Berlin 1984, § 1210, Stern, Fn.20,1037 14
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1. Multilaterale Menschenrechtsverträge Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR) Die Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer könnte mit den Bestimmungen des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 (IPWSKR) unvereinbar sein.24 Relevant sind im Zusammenhang mit der Gutachtenfrage die Artikel 13 und 2 IPWSKR. Die Unvereinbarkeit mit diesen Artikeln ist nur dann möglich, wenn deren Schutzbereiche eröffnet sind. Artikel 2 Abs.2 IPWSKR ist als übergreifendes Diskriminierungsverbot für Inhalt und Auslegung von Artikel 13 IPWSKR maßgeblich und lautet wie folgt: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, zu gewährleisten, dass die in diesem Pakt verkündeten Rechte ohne Diskriminierung hinsichtlich der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen und sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status ausgeübt werden." Wie der Sozialpaktausschuss in seinem Allgemeinen Kommentar (general comment) Nr. 20 ausgeführt hat25, enthält Artikel 2 Abs 2 IPWSKR eine unmittelbar wirkende Querschnittsverpflichtung für die Vertragsstaaten.26 Das so gekennzeichnete Diskriminierungsverbot muss stets im Zusammenhang mit speziellen Paktrechten gelesen werden - es ist kein eigenständiges Paktrecht, kein „stand-alone right'.27 Den Schutzbereich von Artikel 13 hat der Sozialpaktausschuss grundlegend in seinem Allgemeinen Kommentar Nr. 13 umschrieben28. Artikel 13 Abs.2 (c) IPWSKR legt fest, \ 24 Der Pakt wurde am 17. Dezember 1973 durch den Bundespräsidenten ratifiziert (siehe Bundesgesetzblatt 1973 II, Seite 1569) und ist seit dem 3. Januar 1976 (drei Monate nach Hinterlegung der 35 Ratifikations- oder Beitrittsurkunde) völkerrechtlich wie innerstaatlich in Kraft (vgl auch unten Teil D) 25 Allgemeiner Kommentar Nr 20, UN-Doc. E/C 12/GC/20 vom 2. Juli 2009. 26 Allgemeiner Kommentar Nr. 20, § 7' "Non-discrimmation is an immediate and cross-cutting Obligation in the Covenant." 27 Allgemeiner Kommentar Nr 20, § 7 ". .can only be applied in conjunotion with these rights" 28 Allgemeiner Kommentar Nr 13, UN-Doc. E/C. 12/1999/10 vom 8 Dezember 1999. 15
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„(dass) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss." Gemeinsam mit Artikel 2 gelesen ergibt sich grundsätzlich folgendes Bild: Art. 13 verpflichtet die Vertragsstaaten nach seinem Wortlaut dazu, unentgeltliche Hochschulbildung diskriminierungsfrei zu gewährleisten. Der vereinzelt vertretenen Auffassung, wonach der Wortlaut zu unbestimmt sei, ist nicht zu folgen. Der Schutzbereich von Art. 13 ist jedoch insoweit teleologisch zu reduzieren, als dass Entgeltlichkeit dann zulässig ist, wenn sie den gleichen, diskriminierungsfreien Zugang zu Hochschulbildung unberührt lässt. Im Kern geht es also um das auch für Art. 13 geltende Diskriminierungsverbot des Art 2 Abs. 2. Dies gilt unmittelbar und schließt Ungleichbehandlungen aus, die sachlich nicht gerechtfertigt bzw. unverhältnismäßig sind. Die Erhebung von Studiengebühren ist folglich unter bestimmten Voraussetzungen der Sozialverträglichkeit mit Art. 13 Abs.2 c IPWSKR vereinbar. Diese Erwägungen gelten zunächst für den Fall, dass von der gesamten Gruppe der Studierenden die Gebühren verlangt werden, und nur, wie bereits dargelegt, für Ausländer, die sich auf dem Territorium des Gaststaates befinden. Es handelt sich bei den menschenrechtlichen Normierungen nämlich um Garantien, die ihre Implementierung auf der innerstaatlichen Ebene erfahren. Auf dieser nationalen Ebene sind die Vorschriften des Soziälpaktes deshalb sehr sorgfältig darauf zu überprüfen, dass beim Recht auf Bildung, speziell dem Zugang zum Studium, das unmittelbar anwendbare Diskriminierungsverbot in aller Klarheit beachtet wird. Die nur selektive Erhebung muss sich demzufolge am Kerngehalt des oben genannten Artikels messen lassen, da es sich um eine Ungleichbehandlung innerhalb des Oberbegriffs „Studierende" handelt, wenn eine Gebühr allein von Nicht-EU/EWR-Staatsangehörigen, die keine „Bildungsinländer" sind, erhoben werden soll. Zu prüfen ist, ob Art. 13 Abs.2 c IPWSKR eine derart selektive Entgeltlichkeit von Hochschulbildung zulässt. Dabei geht es in der zur Prüfung vorliegenden Konstellation zunächst nicht so sehr nur um die unterschiedliche Zahlungskraft von Studierenden. Vielmehr setzt die Erhebung von Gebühren am Merkmal bestimmter Staatszugehörigkeit an. Es geht also in erster Linie nicht um die (faktisch) diskriminierenden Folgen einer gesetzlichen Regelung, sondern um eine Ungleichbehandlung durch das Gesetz selbst. Daher bedarf Art. 2 Abs.2 IPWSKR 16
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besonderer Berücksichtigung. Es stellt sich die Frage, ob gegen dieses Diskriminierungsverbot verstoßen wird. Wie bereits erwähnt, hat sich der Sozialpaktausschuss im Jahre 2009 ausführlich zum Inhalt von Artikel 2 Abs.2 IPWSKR in seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 20 geäußert. In Absatz 13 dieses Kommentars deutet der Ausschuss zwar an, dass es die Möglichkeit der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen gibt, zeichnet aber gleichzeitig grundlegende Grenzen für eine Rechtfertigung. Wörtlich heißt es dort: "Unterschiedliche Behandlung gestützt auf unzulässigen Differenzierungskritehen wird als diskriminierend gekennzeichnet, es sei denn, die Rechtfertigung für die Differenzierungsgründe ist vernünftig und sachlich. Dies schließt eine Abwägung darüber ein, ob der Zweck und die Auswirkungen der Maßnahmen oder Unterlassungen rechtmäßig sind, im Einklang mit dem Charakter der Paktrechte stehen, und ausschließlich zum Zwecke der Förderung des Gemeinwohls in einer demokratischen Gesellschaft dienen. Darüber hinaus muss eine eindeutige und vernünftige Beziehung der Verhältnismäßigkeit zwischen der angestrebten Zweckerzielung und den Maßnahmen oder Unterlassungen und ihren Auswirkungen bestehen. Eine Unterlassung der Beseitigung diskriminierender Behandlung, gestützt auf fehlende vorhandene Ressourcen, stellt keine sachliche und vernünftige Rechtfertigung dar, es sei denn, sämtliche Bemühungen sind unternommen worden, alle dem Vertragsstaat zur Verfügung stehenden Ressourcen als vorrangig zu erledigende Aufgaben einzusetzen, um der Diskriminierung zu begegnen und sie zu beseitigen"29. Eine Ungleichbehandlung kann demnach nur mit vernünftigen, sachlichen Erwägungen begründet werden, mit denen der Staat mit verhältnismäßigen Mitteln 29 Übersetzung und Hen/orhebungen des Verfassers; das Original lautet:"Differential treatment based on prohibited grounds will be viewed as discrimmatory unless the justification for differentiation is reasonable and objective This will mclude an assessment as to whether the aim and effects of the measures or omissions are legitimate, compatible with the nature of the Covenant rights and solely for the purpose of promoting the general weif are in a democratic society. In addition, there must be a clear and reasonable relationship of proportionality between the aim sought to be realized and the measures or omissions and their effects. A failure to remove differential treatment on the basis of a lack of available resources is not an objective and reasonable justification unless every effort has been made to use all resources that are at the State party's disposition in an effort to address and eliminate the discrimmation, as a matter of pnonty" (Allgemeiner Kommentar Nr. 20, § 13) 17
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einen legitimen, gemeinwohlorientierten Zweck verfolgt und deren Ziel und Wirkung mit dem Wesensgehalt des Art. 13 Abs.2 c IPWSKR vereinbar sind. Hier spiegelt sich auch der Inhalt des Art. 4 IPWSKR.30 Art. 2 Abs.2 IPWSKR schützt ausdrücklich vor Diskriminierung aufgrund nationaler Herkunft (national origiri). Prima facie liegt eine Ungleichbehandlung vor, die an die Staatsangehörigkeit anknüpft. Zu klären ist also, ob eine sachliche Begründung im Sinne eines legitimen Zwecks denkbar ist, der mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln erreicht werden kann. Legitimer Zweck ist die bessere finanzielle Ausstattung des Hochschulsystems mit dem Ziel, die Qualität nachhaltig zu sichern bzw. zu steigern. Die Gemeinwohlorientierung dieses Zwecks kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. Fraglich ist jedoch, ob die selektive Erhebung von Studiengebühren zur Erreichung dieses Zwecks geeignet ist. Auch wenn in Anbetracht der relativ geringen Anzahl an Nicht-EU-/EWR-Staatsangehörigen (ohne inländische Bildungsgeschichte) unter den Studierenden insgesamt kein sehr großer Betrag zu erwarten ist, steigen die dem Hochschulsystem zur Verfügung stehenden Mittel doch faktisch an, so dass in der Summe mehr Geld als zuvor vorhanden ist. Die Frage der Erforderlichkeit, die Wahl des mildesten Mittels, gestaltet sich schwieriger. Ein milderes, aber gleich wirksames Mittel wäre die Verschiebung von Landeshaushaltsmitteln zugunsten des Hochschulsystems. Die Frage ist hier, ob die Vorschriften des IPWSKR den Entscheidungsspielraum des Landeshaushaltsgesetzgebers eingrenzen können. Zieht man in Betracht, dass die im Haushalt umgeschichteten Mittel an anderer, möglicherweise ebenso gemeinwohlorientierter Stelle fehlen, kann bereits die gleiche Eignung des milderen Mittels „keine Studiengebühren" angezweifelt werden. In jedem Fall aber ist bei der Wahl der Mittel von einem Beurteilungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers auszugehen. Bleibt die Frage der Angemessenheit. Es fragt sich jedoch, ob das Interesse der Allgemeinheit, ausländische Studierende ohne gefestigten Inlandsbezug zugunsten inländischer (und solcher, die ihnen gleichgestellt sind) mit einer Studiengebühr zu belasten, das Interesse der ausländischen Studierenden an der Ausübung ihres menschenrechtlich geschützten Rechts auf diskriminierungsfreien Zugang zur Hochschulbildung überwiegt. Anders gewendet, stellt die Erhebung von Gebühren einen übermäßigen Eingriff in die 30 Siehe dazu u.a. S Lorenzmeier, Völkerrechtswidrigkeit der Einfuhrung von Studienbeiträgen und deren Auswirkung auf die deutsche Rechtsordnung, in' Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2006, 759, 760 18
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Rechtsposition der betroffenen Studierenden dar, der mit dem Wesen des Art. 13 IPWSKR nicht in Einklang steht? Im Kern soll Art. 13 in Verbindung mit Art. 2 Abs.2 IPWSKR jedenfalls davor schützen, aufgrund eines bestimmten personenbezogenen Merkmals, auf das der Einzelne keinen Einfluss hat, vom Zugang zu Hochschulbildung ausgeschlossen zu werden. Die Staatsangehörigkeit ist ein solches Merkmal. Auch die (theoretische) Möglichkeit, einen Antrag auf die Staatsangehörigkeit des Ziellandes zu stellen, ändert daran nichts, da hier im Zweifel die Vorschriften des Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrechts sowie das einhergehende behördliche Ermessen die Beeinflussbarkeit auf ein Minimum reduzieren dürften. Ähnlich wie im deutschen Verfassungsrecht wird man bei personenbezogenen Merkmalen besonders hohe Maßstäbe ansetzen müssen. Sicherlich wird es in diesem Zusammenhang auch auf die Höhe der Gebühren ankommen, denn die Intensität der Ungleichbehandlung ist auch mit der Höhe des erhobenen Betrags verknüpft, weil hohe Beträge die Ausübung des freien und gleichen Zugangs zu Hochschulbildung faktisch stärker einschränken als niedrigere. Der Sozialpaktausschuss - wie sämtliche Vertragsorgane der universellen Menschenrechtsabkommen - hat in seinen Allgemeinen Kommentaren31 und in den Abschließenden Bemerkungen zu den Staatenberichten bei der Auslegung der Paktverpflichtungen hierzu Stellung genommen. Speziell in den Allgemeinen Kommentaren zu den Artikeln 13 und 2 Abs.2 IPWSKR hat sich der Ausschuss mit der Frage des Schutzes vor Diskriminierung vor allem im Allgemeinen Kommentar Nr. 20 zu Artikel 2 (2) IPWSKR eingehend geäußert. Nach ausführlicher Beschreibung der ausdrücklich erwähnten unzulässigen Diskriminierungsmaßnahmen widmet sich der Ausschuss speziellen Diskriminierungsverboten, die sich aus der Auffangformuiierung des Paktes "or other status" - „oder sonstigen Status" ergeben. Er rechnet hierzu vergleichbare, ungeschriebene Diskriminierungsverbote, die sich in der Staaten- und Ausschusspraxis in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben und inzwischen 31 Zur Rechtsnatur - nicht verbindliche, aber praktisch bedeutsame Empfehlungen des Ausschusses - vgl. E. Riedel, Die Allgemeinen Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen, in Deutsches Institut für Menschenrechte, Die „General Comments" zu den VN-Menschenrechtsverträgen, deutsche Ubersetzung und Kurzeinfuhrungen, 1 Aufl. Baden-Baden 2005, 160-173, ferner ders, Stichwort International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, MPEPIL 2010, ders, Economic, Social and Cultural Rights, in C. Krause/M. Scheinin (Hrsg), International Protection of Human Rights. A Textbook, 2012,131-152. 19
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