Eilantrag auf Herausgabe von Terminen des Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder

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- 11 - Ein nochmals gesteigertes öffentliche Interesse ergibt sich aus den aktuellen, hochpolitischen Konnotationen und realpolitischen Verwerfungen dieser Tätigkeit. So steht ein ehemaliger Bun- deskanzler in Verdacht, mit der staatlichen Alimentation seitens des Bundeskanzleramts bes- tenfalls zu Gunsten der allgemeinen persönlichen Geschäftstätigkeit, schlimmstenfalls für einen persönlichen-wirtschaftlichen, ggf. aber sogar politisch motivierten Lobbyismus für russische Staatskonzerne gehandelt zu haben – so genau mag das am Ende gar nicht zu trennen sein. Jedenfalls überwiegt das Informationsinteresse der Presse, Vorkommen und Themen der be- treffenden Termine zu erfahren, hier deutlich etwaige, bis hierhin nicht ersichtliche schutzwür- digen Belange des Bundeskanzlers a.D. Ein Bundeskanzler a.D., zumal ein solcher, der tagtäg- lich Home-Videos an unzählige „Follower“ auf Instagram veröffentlicht, muss es ertragen, dass sich die Öffentlichkeit auch für solche Aspekte seines „Ruhestands“ interessiert, die die deut- sche Politik in den Verdacht der Korrumpierbarkeit durch autokratische Regime rücken und da- her dringend Aufklärung bedürfen. II. Der Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO liegt vor Auch der gemäß § 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO erforderliche Anordnungsgrund ist gegeben. An das Vorliegen eines Anordnungsgrundes dürfen in presserechtlichen Auskunftsverfahren mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse hinsichtlich der Themenauswahl und der Entscheidung, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll, keine überzogenen An- forderungen gestellt werden. Erforderlich und zugleich ausreichend ist es, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Dies kann nicht deshalb verneint werden, weil die Berichterstattung nicht auf unaufschiebbare Berichte, wie etwa die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen zielt und sie auch später möglich bleibt. Denn dies ist angesichts der Fähigkeit der Presse, selbst Themen zu setzen, immer denkbar. Die Presse kann ihre Kon- troll- und Vermittlungsfunktion vielmehr nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Aus- kunftsverfahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anfor- derungen gestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 08.09.2014 –1 BvR 23/14 –m juris Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.12.2016 – OVG 6 S 29/16 –, juris Rn. 20; VG Berlin, Beschluss vom 14.09.2021 - VG 2 L 216/21). Das gesteigerte öffentliche Interesse ergibt sich hier zum einen aus der exponierten gesell- schaftlichen Stellung des Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder. Dieser steht für seine Freundschaft zum autokratischen russischen Präsidenten Wladimir Putin und für Lobbytätigkei- ten unter anderem für den Interessenverbandes BVUK („Betriebliche Versorgungswerke für Un- ternehmen und Kommunen e.V.“), sowie für die Betreiberfirma der, nunmehr auf Eis gelegten Gaspipeline Nord Stream 2 in der öffentlichen Kritik. Er ist zudem als Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Ölkonzern Rosneft tätig und wurde jüngst auch für den Aufsichtsrat des russischen Staatskonzerns Gazprom nominiert. Gerade angesichts des Angriffskrieges Russ- lands gegen die Ukraine ist aktuell von gesteigertem öffentlichem Interesse, inwieweit sich ein ehemaliger deutscher Regierungschef über ein, von der Antragsgegnerin finanziertes Büro für wirtschaftliche und politische Interessen eines autokratischen Machthabers, der gerade einen 16.03.22.13 BKP-KANZLEI
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- 12 - völkerrechtswidrigen Krieg vom Zaun gebrochen hat, eingesetzt und u.a. zu diesem Zweck Ter- mine mit aktuellen Entscheidungsträger:innen vereinbart hat. Die beabsichtigte Berichterstat- tung weist auch einen starken Gegenwartsbezug auf. Der Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder ist über sein Büro noch immer in Vorgänge von erheblicher politischer Tragweite in- volviert. So hat sich Schröder laut übereinstimmenden Medienberichten selbst und ohne Wissen der Bundesregierung als Vermittler im Ukraine-Krieg ins Spiel gebracht und ist Anfang März 2022 für persönliche Gespräche mit Wladimir Putin nach Moskau gereist. Allein hier wäre es von höchstem Interesse zu erfahren, unter welchem „Label“ und mit welcher persönlichen, säch- lichen und finanziellen Ausstattung er diese Reise angetreten hat. III. Die Vorwegnahme der Hauptsache ist gerechtfertigt Die Vorwegnahme der Hauptsache ist in diesem Fall von höchster Aktualität, Dynamik und po- litischer Brisanz und der damit einhergehenden Notwendigkeit für die Presse, die betreffenden Informationen gegebenenfalls schnell in die Berichterstattung und den öffentlichen Diskurs ein- bringen zu können, gerechtfertigt. Soweit die Vorwegnahme der Hauptsache nur bei Vorliegen eines schweren Nachteils zulässig ist, muss dabei auch die Bedeutung der Auskunftsansprüche für eine effektive Presseberichter- stattung hinreichend beachtet werden (BVerfG, Beschluss vom 8.9.2014 – 1 BvR 23/14, NJW 2014, 3711 Rn. 26). Der Verweis auf das Hauptsacheverfahren darf nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliert und allen- falls noch von historischem Interesse ist (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – 6 VR 1/17, Rn. 13). Es würde einen schweren unzumutbaren Nachteil für den Antragsteller begründen, würde er auf das Abwarten der Hauptsache verwiesen, da der Aktualitätsbezug der Berichterstattung ein tragender Bestandteil der Pressetätigkeit darstellt. Die Kernaufgabe der Pressefreiheit würde damit beeinträchtigt, sodass mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG eine Ausnahme geboten erscheint. Die Beschaffung der betreffenden Informationen könnte zudem durch Zeitablauf vereitelt werden, da einige der zuständigen Mitarbeitenden des „Büro Bundes- kanzler a.D. Schröder“ nicht mehr dort tätig sind bzw. um anderweitigen Einsatz gebeten haben. Da offen ist, mit welchen personellen Mitteln das Büro in Zukunft fortgesetzt wird (https://www.handelsblatt.com/politik/ukraine-krieg-altkanzler-schroeder-verliert-alle-mitarbei- ter-im-bundestagsbuero/28116934.html), ist ein möglichst schnelles Handeln erforderlich. Die Vorwegnahme der Hauptsache ist dementsprechend gerechtfertigt. C. Ergebnis Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin ein verfassungsunmittelbarer Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auf Auskunft durch Beantwortung seiner Fragen zu den Terminen zu, die für den ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in den Jahren 2019-2022 von seinem Büro vereinbart wurden, insbesondere solche, die in einem Zusammenhang mit Energiepolitik oder den Unternehmen Gazprom, Nord Stream 2 oder Rosneft standen. Die Sache ist auch eilbedürftig. Dem Antragsteller kann ein Abwarten bis zur endgültigen Ent- scheidung des Gerichts in der Hauptsache nicht zugemutet werden. 16.03.22.13 BKP-KANZLEI
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- 13 - Wir ersuchen daher höflich um rasche und antragsgemäße Entscheidung. Sebastian Sudrow RECHTSANWALT FACHANWALT FÜR IT-RECHT 16.03.22.13 BKP-KANZLEI
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